FGSV-Nr. FGSV 002/119
Ort Bergisch Gladbach
Datum 29.03.2017
Titel Minderungspotenziale und Qualitätsanforderungen zum Einsatz von Verfahren zum dynamischen umweltsensitiven Verkehrsmanagement (UVM) an Verkehrswegen
Autoren Dr. rer. nat. Ingo Düring, Dipl.-Phys. Volker Diegmann, Prof. em. Dr. techn. Jörg Schönharting, Dipl.-Inform. Holger Löhner, Dipl.-Ing. Thomas Kraus, Dipl.-Ing. Rainer Voigt
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Der Verkehr – und dabei insbesondere der innerstädtische Kfz-Verkehr – spielt eine dominierende Rolle beim Auftreten von umweltrelevanten Problemen, wie z. B. der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe. Um die verbindlichen Grenzwerte der Immissionsbelastung einzuhalten, wurden kommunale und regionale Luftreinhaltepläne erstellt und darin in großer Zahl Minderungsmaßnahmen für den Kfz-Verkehr festgelegt. Zu unterscheiden sind statische und dynamische Maßnahmen. Als dynamische Maßnahmen wird zur Senkung der Immissionsbelastungen an den Hotspots der Luftschadstoffbelastung vermehrt auf das umweltsensitive Verkehrsmanagement (UVM) gesetzt, um kurzfristige Eingriffe in den Verkehrsablauf zu ermöglichen und damit Minderungen der Kfz-Emissionen zu erreichen. Solche Eingriffe können sein:

·  Änderung der Flottenzusammensetzung, z. B. verschiedene Arten von Fahrverboten, insbesondere Lkw-Durchfahrverbote

·  Verkehrsverlagerung und Verkehrslenkung zur Reduzierung von Verkehrsmengen, z. B. Zuflussdosierung (Pförtnerung) oder Alternativroutensteuerung

·  Verstetigung des Verkehrsflusses zur Vermeidung emissionsintensiver Fahrzustände, z. B. Veränderung des Grünbandes zu Lasten der Wartezeit/des Verkehrsflusses auf Querstraßen und ggf. in der Gegenrichtung

·  Geschwindigkeitsreduktion

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Einführung

Der Verkehr – und dabei insbesondere der innerstädtische Kfz-Verkehr – spielt eine dominierende Rolle beim Auftreten von umweltrelevanten Problemen, wie z. B. der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe. Um die verbindlichen Grenzwerte der Immissionsbelastung einzuhalten, wurden kommunale und regionale Luftreinhaltepläne erstellt und darin in großer Zahl Minderungsmaßnahmen für den Kfz-Verkehr festgelegt. Zu unterscheiden sind statische und dynamische Maßnahmen. Als dynamische Maßnahmen wird zur Senkung der Immissionsbelastungen an den Hotspots der Luftschadstoffbelastung vermehrt auf das umweltsensitive Verkehrsmanagement (UVM) gesetzt, um kurzfristige Eingriffe in den Verkehrsablauf zu ermöglichen und damit Minderungen der Kfz-Emissionen zu erreichen. Solche Eingriffe können sein:

· Änderung der Flottenzusammensetzung, z. B. verschiedene Arten von Fahrverboten, insbesondere Lkw-Durchfahrverbote

· Verkehrsverlagerung und Verkehrslenkung zur Reduzierung von Verkehrsmengen, z. B. Zuflussdosierung (Pförtnerung) oder Alternativroutensteuerung

· Verstetigung des Verkehrsflusses zur Vermeidung emissionsintensiver Fahrzustände, z. B. Veränderung des Grünbandes zu Lasten der Wartezeit/des Verkehrsflusses auf Querstraßen und ggf. in der Gegenrichtung

· Geschwindigkeitsreduktion 

Solche Systeme sind sowohl im überregionalen Bereich für Bundesfernstraßen als auch in einigen Städten bzw. Ballungsräumen bereits in Betrieb (siehe z.B. Diegmann et al., 2013 sowie FGSV 2015).

Ein dynamisches UVM ist wegen der notwendigen Investitionen und Betriebskosten in Abhängigkeit von der bereits vorhandenen Infrastruktur in der Regel aufwändiger als ein rein statisches System. Dafür bietet es geeignet konfiguriert die Chance, bedarfsorientiert und mit der jeweils erforderlichen Eingriffstiefe in die verkehrlichen Abläufe ein Optimum an Umweltwirkungen zu erzielen. Dabei kommt den Schnittstellen zum Verkehrsmanagement (VM) und der Abstimmung von UVM- und VM-Strategien eine wichtige Rolle zu.

Entsprechende systematische Untersuchungen und Bewertungen liegen bisher nicht vor. Ebenso nicht zur Wahl und zum Einsatz der Umweltmodule (Düring et al., 2014) und der Wechselwirkung zwischen lufthygienischen Aspekten, klimarelevanten Aspekten, Lärm und verkehrlicher Leistungsfähigkeit.

Die BASt hat deshalb ein Forschungsprojekt beauftragt, in dem dargestellt werden soll:

i. wie wirksam bisher realisierte UVM-Systeme sind,

ii. welche Komponenten in den eingesetzten Systemen zur räumlichen und zeitlichen Vorhersage von Luftschadstoffkonzentrationen verwendet werden, wie gut diese Vorhersagen sind und wie diese ggf. verbessert werden können,

iii. welche Abstimmungen und Anpassungsprozesse von Verkehrsmanagement und UVM notwendig sind, um ein effektives Zusammenwirken zu realisieren,

iv. welche Synergien aus einer Kopplung von VM mit UVM (Software, Hardware) resultieren können und inwieweit sich einfache Lösungen ohne wesentliche Einbußen an eine Anwendbarkeit und Wirksamkeit definieren lassen.

Es sollen auch die Fragen beantwortet werden, in welcher Weise finanzieller Aufwand und Wirksamkeit eines UVM in Verbindung mit einem VM in Beziehung stehen, und ob es, abhängig von gegebenen Randbedingungen, ein Optimum der Auslegung eines UVM gibt.

Im Folgenden werden erste Ergebnisse dieses Forschungsprojektes vorgestellt. Hierbei geht es insbesondere um die Beschreibung und Klassifizierung von Untersuchungsgebieten mit realisiertem UVM mit Hilfe eines erstellten Kriterien-/ Indikatorenkatalogs. Weiterhin werden der Rechtsrahmen sowie Erfahrungen bei Planung und Betrieb der bereits umgesetzten UVM erläutert. 

Untersuchungsgebiete Übersicht

Für die Aufgabenstellung des Forschungsprojekts mussten zunächst geeignete Untersuchungsgebiete (UG) ausgewählt werden, die dann hinsichtlich der Fragestellungen des Forschungsprojekts analysiert werden sollen. Dazu standen folgende Untersuchungsgebiete mit einem UVM zur Verfügung:

· Berlin Invalidenstraße

· Braunschweig / Altewiekring und Hildesheimer Straße

· Erfurt

· Hagen

· Köln

· Potsdam

· Weimar

· Rostock

· Lutherstadt Wittenberg

· Autobahnen in Österreich / Steiermark und Tirol

Für alle diese Gebiete erfolgte

· eine allgemeine Gebietsbeschreibung,

· eine detaillierte Beschreibung des/der jeweiligen Hotspots mit einer Darstellung der räumlichen Lage, der Luftschadstoff- und Lärmsituation in Zusammenhang mit der verkehrlichen Situation und

· die Beschreibung des zum Einsatz kommenden UVM-Systems.

· Ergänzend dazu wurde eine Maßnahmenübersicht erstellt und die Auslösekriterien im UVM vorgestellt.

 Aus Gründen des Bearbeitungsaufwandes war daraus eine Auswahl von vier innerstädtischen UG plus einem UVM an einer Autobahn zu treffen. Dazu wurde ein Kriterienkatalog erstellt und darauf aufbauendend eine Priorisierung der UG vorgenommen. Beachtet wurde dabei auch, dass das UVM in Hagen zurzeit deaktiviert ist, die UVM in Köln und Rostock sich zur Zeit der Auswahl erst in einer Testphase befanden und sich das UVM Weimar noch in der Konzeptionsphase befand. 

Indikatormethode zur Auswahl von Gebieten

Bei der Auswahl von Gebieten für die weiteren Untersuchungen sollte neben der Verfügbarkeit von notwendigen Daten auch die Sichtweise einer zukünftigen Anwendung berücksichtigt werden. Dabei sind folgende Fragen von Bedeutung:

· Bei welchen Schadstoffen werden Grenzwerte überschritten?

· Wo treten Grenzwertüberschreitungen auf?

· Wie häufig treten Grenzwertüberschreitungen auf bzw. wie ist die zeitliche Verteilung hoher Konzentrationen?

· Wie hoch ist der Verursacheranteil des lokalen Kfz-Verkehrs?

· Wie oft treten Verkehrsstörungen am Ort der Grenzwertüberschreitung auf?

· Wie ist das Straßennetz am Hotspot und in der Umgebung des Hotspots in den Überschreitungszeiten ausgelastet?

· Welche Möglichkeiten der Verkehrssteuerung stehen für eine Senkung der lokalen Kfz-Emissionen zur Verfügung?

· Wie sind die möglichen Betroffenheiten auf Alternativstrecken im Planungsraum?

· Welche Umweltmodule sind für eine Steuerung und Evaluierung im Rahmen des UVM einsetzbar? 

Diese Fragen sollten anhand der Erkenntnisse aus UG beantwortet werden, die bereits über eine umweltsensitive Verkehrssteuerung verfügen. Dabei muss der Umstand berücksichtigt werden, dass bisher nur wenige UVM realisiert wurden und über einen längeren Zeitraum im Betrieb sind.

Ein zweiter Aspekt bei der Auswahl war, inwieweit ein UG mit UVM als Plattform für Tests von alternativen Vorgehensweisen dienen kann. Im Rahmen nachfolgender Untersuchungen im Projekt ist beabsichtigt, derartige Alternativen z. B. durch offline-Simulationen abzudecken, sodass das Spektrum an untersuchbaren Vorgehensweisen und Maßnahmen erweitert werden kann. Dies führt auf die Überlegung, dass solche UG für die vorliegende Aufgabe zu präferieren sind, die eine alternative Nutzung der implementierten Umwelt- und Steuerungsmodule zur Untersuchung von Szenarien zulassen.

Das methodische Vorgehen zur Auswahl geeigneter UG orientierte sich nach diesen Vorüberlegungen an den Methoden der Entscheidungsfindung (Schönharting, 2016). Danach gliedert sich ein Entscheidungsablauf in Festlegung der Zielfelder, Vorgabe eines Soll-Zustandes, Soll-Ist-Vergleich, Entwicklung von Handlungsalternativen, Zulässigkeitsprüfung und Bewertung der Handlungsalternativen.

Abbildung 1: Methodisches Vorgehen zur Auswahl von Untersuchungsgebieten (UG) 

Diese Aufgabe wurde durch ein auf Indikatoren und ihre Ausprägungen abgestütztes Vorgehen unterstützt (siehe Abbildung 1). In einer ersten Stufe wurde zunächst geprüft, inwieweit die vorliegenden UG die „Zulässigkeitskriterien“ erfüllen. Dies führte zum Ausscheiden der bereits erwähnten UG Hagen, Köln und Weimar aus der weiteren Suche. In der folgenden Stufe wurden die verbliebenen UG auf der Grundlage von Indikatoren zur Ausgangssituation und zum eingesetzten UVM typisiert. Dazu mussten die Ausprägungen je Indikator für alle verbliebenen UG ermittelt werden.

Kernüberlegung für die Auswahl von 4 aus den verbliebenen 8 UG war, dass möglichst unterschiedliche UG für die Auswahl vorgeschlagen werden sollten. 

In der ersten Stufe der Auswahl sollte der Ausgangszustand vor Einführung des UVM analysiert werden. In der zweiten Stufe der Auswahl sollten die gewählten UVM analysiert werden. Mit dieser Auswahlstrategie war es möglich, einen Auswahlvorschlag für 4 aus 8 Untersuchungsgebieten abzuleiten, der die Forderung nach größtmöglicher Unterschiedlichkeit hinsichtlich der Ausgangssituation und hinsichtlich der gewählten UVM Lösung erfüllte.

Auf der Grundlage einer räumlichen Definition der Bezugsräume wurden acht Zielfelder mit insgesamt 41 Indikatoren definiert. Bei den im Folgenden aufgelisteten Zielfeldern beschreiben die ersten vier den Ausgangszustand vor Einführung des UVM und die folgenden vier das vorhandene UVM-System.

i. Straßennetzstruktur des Planungsraums

ii. Auslösekriterien

iii. Verkehrscharakteristik

iv. Immissionssituation vor Einsatz UVM

v. Verfügbare Datenlage

vi. Eingesetzte Vorhersagemodule

vii. Verkehrsmanagementmaßnahmen

viii. Automatisierungsgrad des Zusammenwirkens von VM und UVM

 Für eine bessere Vergleichbarkeit der Ausprägungen wurden die Ausprägungen mit einer Z-Transformation standardisiert. Für die standardisierten Wertausprägungen der Indikatoren steht mit der Berechnung der Euklidischen Distanz eine einfache Methode zur Verfügung, mit der je zwei UG über eine einzige Zahl miteinander hinsichtlich Ähnlichkeit / Unähnlichkeit verglichen werden können. Die aus dem paarweisen Vergleich resultierende Matrix der Euklidischen Distanzen bildete schließlich die formale Grundlage für die Ableitung des Auswahlvorschlags.

Auswahl

Die durchgeführte Indikatorenanalyse zeigt auf, dass die verfügbaren Untersuchungsgebiete z. T. Ähnlichkeiten aber auch signifikante Unterschiede aufweisen.

Bei den Zielfeldern 1 bis 4 zur Ausgangssituation oder Struktur treten die größten Distanzen zwischen den UG Braunschweig Altewiekring und Wittenberg auf. Diese beiden UG unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Ausgangssituation als auch hinsichtlich der gewählten UVM Lösung am weitest gehenden von allen anderen möglichen Kombinationen. Je nach Auswahlstrategie kommen als

weitere UG Erfurt, Potsdam und Rostock in Betracht, wobei sich das UVM Rostock gerade erst in der Erprobung befindet.

Durch die Aufgabestellung ist ein UVM in Österreich gesetzt, da die beiden dortigen Systeme die einzigen sind, welche auf Bundesautobahnen genutzt werden. Das UVM in Tirol wurde Ende 2014 auf ein permanentes Tempolimit von 100 km/h umgestellt.

Für die weitere Bearbeitung innerhalb des Projektes wurden resultierend aus dieser Auswahlanalyse folgende Untersuchungsgebiete für eine weitere Bearbeitung festgelegt:

· UVM Potsdam

· UVM Wittenberg

· UVM Erfurt

· UVM Braunschweig Altewiekring

· UVM Steiermark Österreich

Für diese UG liegen neben den Betriebserfahrungen mit einem UVM umfangreiche langjährige Umwelt- und Verkehrsdaten sowie Daten zur Aktivierung von Maßnahmen vor. Damit bestehen die Voraussetzungen, die im Projekt geforderten Analysen, Berechnungen und Bewertungen durchzuführen. 

Rechtsrahmen

Der Rechtsrahmen für die Notwendigkeit / Zulässigkeit von Eingriffen eines UVM in den Straßenverkehr wird durch die EU-Gesetzgebung bestimmt, die über das Bundesimmissionsschutzgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde. Die darauf aufbauende aktuelle 39. Bundesimmissionsschutzverordnung definiert Messverfahren, Zielwerte, Immissionsgrenzwerte und Alarmschwellen sowie Emissionshöchstmengen u. a. für die wichtigsten Bestandteile von Schadstoffen des motorisierten Verkehrs. Der Rechtsrahmen wird ergänzt durch die Straßengesetze des Bundes und der Länder sowie durch die Straßen-Verkehrs-Ordnung (StVO) und die Straßen-Verkehrs-Zulassungsordnung (StVZO), die die Nutzung von Straßeninfrastruktur sowie die Eigenschaften der für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge regeln. Schließlich müssen auch die Haushaltsordnungen der Gebietskörperschaften beachtet werden, die den sparsamen Umgang der Öffentlichen Hand mit Steuermitteln definieren.

UVM-Maßnahmen müssen – unter Berücksichtigung von Aufwand und Nutzen – „verhältnismäßig“ sein. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich aus den Punkten:

i. die Maßnahme muss einem legitimen Zweck dienen,

ii. sie muss geeignet sein,

iii. sie muss erforderlich und

iv. sie muss angemessen sein.

Die Legitimität ergibt sich unmittelbar aus der EU-Gesetzgebung. Geeignet ist eine Maßnahme dann, wenn der mit der Maßnahme verfolgte Zweck erreicht werden kann. Ungeeignet ist die Maßnahme dann, wenn die Erfüllung des Zwecks mit der Maßnahme objektiv unmöglich ist. Gleiches gilt, wenn die Maßnahme unzureichend ist. Die gewählte Maßnahme ist dann erforderlich, wenn es keine „mildere“ Maßnahme gibt, die denselben Erfolg mit gleicher Sicherheit erzielt. Die Maßnahme ist angemessen, wenn der beabsichtigte Zweck nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs steht. Dieser Punkt, der auch als „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ bezeichnet wird, beschäftigt sich mit der Zumutbarkeit der gewählten Maßnahme. Hier erfolgt die Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgütern.

Somit ist der jeweilige Rang (bzw. die Gewichtigkeit) der Rechtsgüter zu bestimmen und anschließend ist die Intensität der Gefährdung des zu schützenden Rechtsgutes gegen die Schwere der Beeinträchtigung des Rechtsgutes, in welches eingegriffen werden soll, abzuwägen. Gute Anhaltspunkte für diese Gegenüberstellung sind

· die Dauer,

· das Ausmaß und

· die Häufigkeit der Maßnahme.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass UVM-Maßnahmen als Maßnahmenbündel auf Angemessenheit zu prüfen sind. Dabei steht das Schutzgut „Gesundheit der Bevölkerung“ dem im Grundgesetz verankerten Rechtsgut der „Freiheit des Einzelnen“ im Hinblick auf die individuellen Mobilitätserfordernisse gegenüber.

Bei den bisher in Luftreinhalteplänen ausgewiesenen und in die Praxis umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität (u.a. Umweltzonen mit Einfahrverbot für bestimmte Fahrzeuggruppen, Pförtnerampeln zur Dosierung des in Kernstadtbereiche einströmenden Verkehrs, Umlenkung von Lkw-Strömen, Maßnahmen des Verkehrsmanagements zur Verflüssigung des Verkehrs) wird davon ausgegangen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfüllt ist. 

Betriebserfahrungen

Wenn man davon ausgeht, dass UVM aufgrund seiner Flexibilität hinsichtlich von Eingriffen in den Straßenverkehr zukünftig ein unverzichtbarer Bestandteil des städtischen Verkehrsmanagements sein wird, dann macht es Sinn, die realisierten UVM-Systeme nach verschiedenen Gesichtspunkten zu analysieren:

· Umfang der Investitionen (Hardware, Software),

· Kosten des Betriebs (Personal, Re-Investitionen),

· Wirksamkeit des UVM,

· Akzeptanz der UVM Maßnahmen,

· Einschätzung zum Synergiepotenzial bei Kopplung VM mit UVM,

· Probleme beim Zusammenwirken VM mit UVM. 

Erste Ergebnisse aus einer Befragung von Auftraggebern und Betreibern der ausgewählten UVM zeigen, dass Voruntersuchungen, Planung, Realisierung und Inbetriebnahme eines UVM einen Zeitraum von ca. 4 Jahren erfordern, wobei die Vorphase (im Wesentlichen Untersuchung der im Luftreinhalteplan enthaltenen Maßnahmen) mit 1 bis 1,5 Jahren zu Buche schlägt. Der investive Aufwand ist stark abhängig von der gewählten Lösung und – bei den aufwändigeren Systemen – von bereits vorhandenen Systemkomponenten. Ein einfaches System z.B. mit Klapptafeln ist mit Kosten von weniger als 50T€ verbunden. Vollautomatische Systeme erfordern je nach Vorleistung Aufwände von deutlich mehr als 100T€. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein UVM mutmaßlich längere Zeit oder auf Dauer in Betrieb sein wird, sodass sich die Investitionen auf einen längeren Zeitraum verteilen lassen.

Mit UVM in den vorliegenden Ausprägungen wird eine Reduktion der hohen Immissionen erreicht. Die erreichte Wirkung ist bei NO2 allerdings bisher nicht ausreichend, um Grenzwertüberschreitungen zu vermeiden. Es wird also weiterer Überlegungen bedürfen, wobei die konsequente Kontrolle restriktiver Maßnahmen eine wichtige Rolle spielt. Hervorzuheben ist hierbei, dass bei einem UVM die erzielbaren Wirkungen sowohl über eine Intensivierung der Eingriffsschwere als auch der Eingriffshäufigkeit und –dauer beeinflusst werden können. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Akzeptanz der Maßnahmen von Bedeutung. Repräsentative Untersuchungen dazu fehlen bisher. 

Validierung - Vergleich von Modellwerten mit Messungen

Bevor weitere Auswertungen bzw. Szenarienberechnungen mit den in den UVM eingesetzten Modellen erfolgen, wurde die grundsätzliche Gültigkeit der eingesetzten Verfahren und Modelle in den genannten UG durch Vergleiche der Modellergebnisse mit Messdaten untersucht. Dabei wurde zwischen den verkehrlichen und umweltseitigen Ergebnissen für eine Ist-Berechnung (Monitoring) und, soweit vorhanden, Vorhersagen unterschieden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bspw. in Potsdam die verkehrlichen Eingangsdaten für das Monitoring direkt aus Messstellen gewonnen werden und deshalb verkehrlich keine Modelle eingesetzt werden.

Je nach Datenlage in den entsprechenden UG wurden folgende Parameter bzgl. deren Berechnungs-/Vorhersagegüte bewertet:

· Für den Kfz-Verkehr: Verkehrsstärke, Flottenzusammensetzung (Pkw, Lkw), Geschwindigkeit bzw. Verkehrszustand LOS

· Für die Umwelt: NO2-Immissionen, PM10-Immissionen, Meteorologie 

Aus den bisher vorliegenden Validierungen konnten folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden

Für den Monitoringbetrieb liegen aktuelle Validierungen für das stadtweite Verkehrsmonitoring in Braunschweig für das Bezugsjahr 2015 vor. Dazu wurden insbesondere die im Modell ermittelten, stündlichen Verkehrsbelastungen mit den auf Stundenwerten aggregierten Detektionsdaten aus dem Verkehrsmanagement verglichen. Dabei zeigt sich insgesamt flächendeckend eine sehr gute Übereinstimmung, wobei jedoch am Hotspot Altewiekring die Verkehrsmengen in den Spitzenstunden häufig leicht überschätzt werden. Bzgl. des Lkw-Anteils zeigt sich teilweise eine deutliche Abweichung zur Detektion, wobei insbesondere am Hotspot der detektierte Lkw-Anteil unplausibel hoch erscheint. Es ist daher geplant, in 2017 die Schwerverkehrsanteile auf Basis von Videoerhebungen zu überprüfen.

Für Erfurt konnte bei der Verkehrsmodellierung auf Validierungen aus einem Pilotvorhaben in den Jahren 2013-2014 zurückgegriffen werden. Hierbei zeigt sich eine verfahrensbedingt sehr gute Übereinstimmung zwischen Modell und Messung bei den Verkehrsstärken sowie unter Berücksichtigung einer späteren Nachkalibrierung auch eine gute Übereinstimmung bei den mittleren Geschwindigkeiten.

Für Braunschweig und Potsdam konnte bei der Umweltmodellierung auf Validierungen für das Bezugsjahr 2015 bzw. 2014 zurückgegriffen werden. Mit den Monitoringsystemen wird eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Modell und Messung bei PM10 erreicht. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die PM10-Belastung auch an einem verkehrlichen Hotspot stark von großräumigen Einflussgrößen abhängig ist, die in den Modellverfahren durch entsprechende Messungen einfließen.

Bei der Überwachung der NO2-Immissionen in den Hotspots treten größere Abweichungen zu den Messungen auf, wobei in der Tendenz die Messungen, teilweise deutlich, unterschätzt werden. Ein Beispiel für eine gute Übereinstimmung ist in der Abbildung 2 gegeben. Bei der NO2-Belastung in Hotspots dominiert der lokale Verkehrsbeitrag das Konzentrationsniveau. Damit besteht für die Güte des Modellergebnisses eine sehr viel höhere Abhängigkeit von der Qualität der Eingangsdaten, wie der aktuelle Anteil schwerer Nutzfahrzeuge oder der Verkehrszustand. Aus den Ergebnissen der durchgeführten Validierungen wird z.B. auch deutlich, dass die tendenzielle Unterschätzung bei der NOX-Immission größer ist als bei der NO2-Immission. 

Abbildung 2: Scatterplot der gemessenen und modellierten NO2-Gesamtbelastung am Hotspot Zeppelinstraße für den Zeitraum 20.12.2014 bis 20.03.2015 

Für die Untersuchungsgebiete Braunschweig und Wittenberg wurden erste Validierungen von Vorhersagemodellen ausgewertet.

In Braunschweig wird eine Vorhersage der netzweiten Verkehrsdaten sowohl für den kurzfristigen Vorhersagezeitraum von bis zu 3 Stunden (Kurzfristvorhersage) wie auch für einen Vorhersagezeitraum von 3 Tagen (Mittelfristvorhersage) berechnet. Während die Mittelfristvorhersage ausschließlich auf historischen Daten basiert, gehen in die Kurzfristvorhersage zusätzlich die für denentsprechenden Tag bereits erfassten Detektionsdaten ein. Für 2015 zeigt die Auswertung der Kurzfristvorhersage insgesamt eine sehr gute Übereinstimmung mit den real gemessenen Detektionsdaten. Besonders gute Ergebnisse wurden an Werktagen (einschließlich Samstag) außerhalb der Schulferien erzielt. In der Ferienzeit sowie an Sonn- und Feiertagen war die Vorhersagequalität etwas schlechter. Mit zunehmender Entfernung des Vorhersagehorizonts sank die Qualität erwartungsgemäß leicht ab.

Für den Hotspot Dessauer Straße in Wittenberg werden seit 2007 mittels des statistischen Multiregressionsmodells ProFet Vorhersagen von PM10-Tagesmittelwerten erstellt. Diese unterteilen sich in die sog. Vortagesvorhersage (Vorhersage am "heutigen“ Tag 15 Uhr für den nachfolgenden Tag) und einer Tagesvorhersage (Aktualisierung 9 Uhr des "heutigen“ Tages). Weiterhin werden Trendvorhersagen für die nachfolgenden vier weiteren Tage erstellt. Hierzu liegen umfangreiche Validierungsanalysen vor. Ein Beispiel für den Vergleich der Tagesvorhersage mit den Messdaten ist in Abbildung 3 aufgeführt. Die meteorologischen Eingangsgrößen sind Vorhersagen des DWD. Die verwendeten Konzentrationsdaten zum Zeitpunkt der Vorhersage sind Messdaten. Dargestellt werden jeweils die Zeitreihen der vorhergesagten PM10Tagesmittelwerte sowie die Messwerte.

Die Tagesvorhersagen zeigen dabei eine gute Übereinstimmung mit den Messwerten. Die Belastungsepisode Ende Januar 2012 und im Bereich zwischen Ende Januar 2013 und Mitte April 2013 werden gut abgebildet. Die statistische Auswertung zeigt ebenfalls eine gute Übereinstimmung im Auswertezeitraum. So lag die Vorhersagegüte bei 68 %. Es konnten im Auswertezeitraum 39 der 59 PM10-Tagesgrenzwertüberschreitungen (entspricht 66 %) richtig vorhergesagt werden. 34 Grenzwertüberschreitungen wurden vorhergesagt, traten aber nicht ein. 

Abbildung 3: Vergleich der PM10-Tagesmittelwerte der ProFet 7- Vorhersagewerte PM10-V(stat) mit Messdaten für die Station Wittenberg - Verkehr (M002) auf Basis des statistischen Ansatzes im Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2014. Meteorologische Grundlage = DWD-Vorhersagen. WGCC repräsentiert die PM10-Hintergrundbelastung. 

Die Güte der Immissionsvorhersage ist u.a. stark von der Qualität der meteorologischen Vorhersagedaten abhängig. Deshalb wird auch dieser Aspekt im Projekt betrachtet. Für die Einschätzung der Güte von meteorologischen Vorhersagedaten wurden deshalb Auswertungen aus den Vorhersagemodellen für Braunschweig (EURAD) und Wittenberg (DWD) vorgenommen. Entsprechende Ergebnisse werden im Vortrag bzw. im Forschungsbericht aufgezeigt. 

Ausblick

Nach der erläuterten Beschreibung und Auswahl der Untersuchungsgebiete und den ersten Validierungsanalysen der Verkehrs- und Umweltmodule wird der Schwerpunkt der nächsten Arbeiten im Projekt auf der verkehrlichen und umweltspezifischen Wirkungsanalyse durch die UVM in den Untersuchungsgebieten liegen

Die Ergebnisse aller Arbeiten werden in einem Bericht zusammengeführt und daraus entsprechende Schlussfolgerungen und Empfehlungen abgeleitet. Unter Berücksichtigung des oben erläuterten Kriterien- / Indikatorenkatalogs zur Auswahl der Untersuchungsgebiete wird versucht, die Ergebnisse zu verallgemeinern bzw. auf andere mögliche Anwendungsfälle zu übertragen.

Literatur

Diegmann, V. 2013: Potentiale des Umweltorientierten Verkehrsmanagements - eine Übersicht. In: BASt; FGSV (Hrsg.): Luftqualität an Straßen 2013. Tagungsband. Kolloquium der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 20.-21.3.2013 in Bergisch Gladbach. 2013.

Düring, I., Hoffmann, T. u.a, 2014: Luftschadstoffprognosemodelle als Umweltmodule für umweltorientiertes Verkehrsmanagement. In Tagungsband zur HEUREKA ´14 - Optimierung in Verkehr und Transport am 2./3. April 2014 in Stuttgart. FGSV-Verlag. ISBN 978-3-86446-074-6.

FGSV 2015: Wirkung von Maßnahmen zur Umweltentlastung Teil: 3: Umweltsensitives Verkehrsmanagement (UVM). Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Arbeitskreis "Wirkung von Maßnahmen zur Umweltentlastung“. 2015.

Rauterberg-Wulff, A., Kohlen, R. u.a., 2015: Ist das schon Stau? – Vergleich verschiedener Verfahren zur Bewertung der Verkehrsqualität für die Kfz-Emissionsberechnung und Maßnahmenbewertung. In: BASt; FGSV (Hrsg.): Luftqualität an Straßen 2015. Tagungsband. Kolloquium der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 04.-05.3.2015 in Bergisch Gladbach. 2015.

Schönharting, J., 2016: Bewertungs- und Entscheidungshilfen. In: Stadtverkehrsplanung (Hrsg.: Valleé – Engel – Vogt), Springer Berlin Heidelberg New York (vrs. Mitte 2017).

WVI 2016: Umweltorientiertes Verkehrsmanagement Braunschweig – Stufe 2, Endbericht Teilvorhaben WVI GmbH. 2012.