FGSV-Nr. FGSV 002/137
Ort Bergisch-Gladbach
Datum 19.04.2023
Titel TunNOx Entwicklung eines photokatalytischen Reaktors zur Reduktion von Stickoxiden in Straßentunneln
Autoren Dr. Jörg Kleffmann, Nils Lichtenberg, Valerie Lutz, Wilhelm Jessen, Andreas Klein, Ralf Kurtenbach, Guillermo Villena
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Kurzfassung des Beitrages

Im Rahmen des Forschungsprojektes „TunNOx“ wurde ein hoch-effizientes photokatalytisches Reinigungssystem entwickelt, welches in Abluftkanälen von Tunnellüftungen integriert werden kann. Angelehnt an die Bedingungen in Immissionsschutzlüftungen von Bestandstunneln konnte bei Experimenten in einem Modellreaktor je nach Lüftungszustand ein relativer Abbau der Stickoxide von 13 % bis >95 % erreicht werden. Im Gegensatz zu den meisten früheren Tunnelstudien, bei denen die Schadstoffe passiv zu den photokatalytischen Tunnelwänden gelangten, liegt die Besonderheit des hier vorgestellten Verfahrens in der aktiven Absaugung der Schadstoffe. Dabei wird die belastete Luft über ein feinmaschiges Geflecht mit einer hoch-aktiven Titandioxid-Beschichtung geleitet. Durch die Bestrahlung mit UVA-Licht werden die Beschichtung aktiviert und die Stickoxide aus der Luft in adsorbiertes Nitrat umgewandelt, welches in regelmäßigen Abständen von der Oberfläche abgewaschen wird. Die strömungsmechanisch günstige Anordnung des Geflechtes ermöglicht eine große aktive Oberfläche bei gleichzeitig geringen Strömungswiderständen, wodurch auf die in einigen Tunneln bereits eingebaute Immissionsschutzlüftung zurückgegriffen werden kann. Das Experiment beruht auf der Ähnlichkeitstheorie und kann daher im selben Maßstab in einem realen Tunnel verwendet und verbaut werden.

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1 Einleitung

Zur Reduktion von Schadstoffen in der urbanen Atmosphäre wurden in den letzten Jahrzehnten immer strengere Abgasnormen eingeführt und dadurch erfolgreich die Luftqualität verbessert. Trotz dieser großen Anstrengungen kommt es immer noch zu Überschreitungen von Grenzwerten, was auch in Zukunft wieder auf Grund der zu erwartenden weiteren Verschärfungen (s. neue WHO-Empfehlungen) ein Problem darstellen wird. Insbesondere in Verkehrstunneln können Stickoxidemissionen (NOx = NO + NO2) des Straßenverkehrs auf Grund der dortigen Akkumulation zu hohen Schadstoffkonzentrationen führen und eine Gefährdung für die menschliche Gesundheit und das ökologische System insbesondere in der Nähe von Tunnelportalen und Lüftungsauslässen darstellen. Die Überschreitung der Grenzwerte ist dort von hohem Interesse, da dies die Genehmigung von Neubautunneln erschwert und verzögert. Da eine weitere Reduktion der direkten Schadstoffemissionen technisch immer schwieriger wird und mit hohen wirtschaftlichen Kosten verbunden ist, könnte eine nachgelagerte Schadstoffreduktion in der Tunnelabluft einen zusätzlichen Lösungsansatz darstellen.

Hier wird seit längerem die Photokatalyse diskutiert, bei der Stickoxide in Anwesenheit von UV-Licht heterogen an Oberflächen zu Nitrat (NO3-) oxidiert werden. Nach Anregungen eines Photokatalysators (meist Titandioxid, TiO2) durch UV-Licht in Anwesenheit von Luftsauerstoff und Wasserdampf werden hoch-reaktive Radikale (OH, O2-, HO2) erzeugt, welche Luftschadstoffe wie Stickoxide und Kohlenwasserstoffe (VOC) an den Oberflächen heterogen abbauen [1]. Der Mechanismus des photokatalytischen Stickoxidabbaus wurde intensiv in Laborstudien untersucht [2-4] und kann mit folgender vereinfachter Reaktionssequenz zusammengefasst werden [5]:

(1) NO → NO2 → Nitrat.

Das gut wasserlösliche Nitrat verbleibt zunächst auf der Oberfläche und wird dann typischerweise nach Regenfällen von der Oberfläche abgewaschen. Der Prozess selber ist katalytisch, d. h. das TiO2 ist an der Reaktion zwar beteiligt, wird aber nicht verbraucht, so dass photokatalytische Oberflächen über lange Zeit aktiv bleiben. Lediglich bei physikalischer Abnutzung, z. B. durch Reifen, bei Verschmutzung mit nicht-oxidierbaren Substanzen (z. B. Staub, Bremsabrieb) und bei fehlender Selbstreinigung der Oberflächen kann es mit der Zeit zu einer Verringerung der Aktivität kommen [6-9]. Für die Reinigung von Tunnelluft mit Hilfe der Photokatalyse wurden schon verschiedene Pilotstudien durchgeführt [7, 10-13], hier aber sehr unterschiedliche Stickoxidreduktionen im Bereich von <2 % bis zu 55 % erzielt. Im EU-LIFE+-Projekt PhotoPAQ, welches die umfangreichste Tunnelstudie darstellt, konnte mit drei verschiedenen Ansätzen nur eine Obergrenze der NOx-Reduktion von <2 % erzielt werden [7]. Dies wurde u.a. mit im Tunnel zulässiger geringer UV-Strahlungsstärke und der damit verbundenen fehlenden Selbstreinigung und verringerten Aktivität der Oberflächen erklärt. Zudem wurde mit Modellrechnungen selbst mit den höheren, im Labor beobachteten Aktivitäten nur eine Obergrenze des Stickoxidabbaus von 4 % im Tunnel berechnet. Hauptgrund für diese geringe Schadstoffreduktion, der auch für alle anderen oben aufgeführten Tunnelprojekte zutrifft, ist die Transportlimitierung der Schadstoffe zu den photokatalytisch aktiven Tunnelwänden. Um diese Transportlimitierung zu reduzieren, wurden in einem Vorgängerprojekt [14] Tunnelkassetten entwickelt, bei denen die Schadstoffe aktiv mit Lüftern durch poröses, photokatalytisch beschichtetes Filtermaterial geleitet wurden. Aufgrund der relativ geringen Aktivitäten und der damit notwendigen hohen Zahl an Kassetten im Tunnel, der fehlenden mechanischen Stabilität und des hohen Strömungswiderstands der Filter wurde dieser Ansatz aber nicht weiterverfolgt.

Auf Grund der Erfahrungen früherer Tunnelstudien sollte im vorliegenden TunNOx-Projekt [15] daher ein NOx-Reinigungssystem entwickelt werden, welches nicht direkt im Tunnel, sondern in Abluftkanälen von Tunneln installiert wird. Auch hierbei werden die Schadstoffe aktiv durch ein feinmaschiges Geflecht geleitet (im Folgenden „Wirrgelege“ genannt), welches mit einer hoch-aktiven photokatalytischen Farbe beschichtet ist, die im Rahmen des Projektes zusammen mit einem Industriepartner entwickelt wurde. Durch die offenporige Struktur und die V-förmige Anordnung der Wirrgelegeschichten können bei geringen Druckverlusten hohe Volumenströme und ein sehr guter Abbau der Stickoxide realisiert werden. Zudem können bestehende Lüftungsventilatoren verwendet werden und damit außer den für die Photokatalyse notwendigen UV-Lampen andere größere, zusätzliche Stromverbraucher vermieden werden.

2 Ergebnisse

2.1 Entwicklung und Erprobung der photokatalytischen Oberflächen im Labor

Im Rahmen des Projektes wurden zunächst acht verschiedene kommerziell erhältliche photokatalytische Farben sowie zehn experimentelle Beschichtungen der Firma Sto im Labor auf Ihre Aktivität gegenüber den Stickoxiden NO und NO2 untersucht und dabei auch die Bildung schädlicher Reaktionsprodukte wie salpetrige Säure (HONO) und Formaldehyd (HCHO) untersucht. Die Messungen fanden in einem Flussreaktor mit einer Methode statt, welche auf den Vorgaben der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) zur heterogenen Chemie beruht, und bei der Probleme bestehender Standardverfahren (z.B. ISO 22197-1 [16]) behoben wurden. Die Methode ist im Detail an anderer Stelle beschrieben [17]. Details zum verwendeten temperierbaren Photoflussreaktor sowie zu den Messgeräten finden sich in [5]. Zur Quantifizierung der Aktivität wurde hier die „photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit“ (nPhoto) bestimmt, für die als Grenzwert, bei dem eine Oberfläche noch als aktiv eingestuft werden kann, ein Wert von mindestens 0,1 cm/s vorgeschlagen wurde [17]. Hierbei zeigen gute photokatalytische Oberflächen typischerweise Werte von ~0,5 cm/s [7, 18].

Nach systematischer Untersuchung der Farben auf planen Probekörpern wurde eine experimentelle Farbe der Firma Sto ausgewählt, die sowohl die Stickoxide NO und NO2, aber auch HONO mit sehr hoher Aktivität (nPhoto >1,5 cm/s) abbaut und zudem geringe photokatalytische Emissionen von HCHO aufweist. Die Bildung der Schadstoffe HONO und HCHO stellt bei vielen kommerziellen photokatalytischen Oberflächen ein Problem dar [19-21] und sollte daher immer mit untersucht werden, was bei bestehenden Standardtests (ISO, DIN, UNI, CEN) aber nicht der Fall ist. Die ausgewählte Farbe zeigte auch nach hohen Schadstoffexpositionen an einer Hauptverkehrsstraße über ein halbes Jahr keine signifikante Reduktion der Aktivität. Dies ist mit der selbstreinigenden Wirkung der hoch-aktiven Farbe zu erklären, bei der sich die Oberfläche durch sogenanntes „Kreiden“ und nach Abwaschen mit Regen immer wieder erneuert. Neben den sehr guten photokatalytischen Eigenschaften zeigt die Farbe weiterhin sehr gute Hafteigenschaften auch auf hydrophoben Kunststoffoberflächen, was für die weitere Optimierung von großer Bedeutung war. Als Nachteil sei die geringe photochemische Stabilität der Farbe zu erwähnen, die bei Bestrahlung mit UV-Licht ein deutliches „Kreiden“ aufweist und nach Bewitterung mit Sonnenlicht nach ca. einem Jahr erneuert werden muss.

Da im Projekt zum einen die Schadstoffe nahe an die Oberflächen gelangen müssen, diese möglichst groß sein sollten und beim Durchströmen poröser Oberflächen aber kein großer Strömungswiderstand auftreten darf, wurde ein offenporiges Geflecht aus Polypropylen (Maccaferri Macmat Geomatten 19 mm Dicke, „Wirrgelege“) verwendet, auf das die Farbe aufgetragen wurde (s. Abb. 1).

Abb. 1: Beschichtetes, offenporiges Polypropylengeflecht („Wirrgelege“).

Das Material ist leicht, auch mit der aufgetragenen Farbe biegsam, als Baumaterial sehr günstig und eignet sich somit gut für großflächige Anwendungen. Das Material hat auf Grund seiner dreidimensionalen Struktur („Eierkartonstruktur“) zudem eine deutlich größere reale Oberfläche als die geometrische, so dass mit beschichtetem Wirrgelege noch höhere photokatalytische Depositionsgeschwindigkeiten für NO, NO2 und HONO erzielt wurden als auf planen Oberflächen (je nach Versuchsbedingungen und Molekül: nPhoto bis 3,8 cm/s; nPhoto bezieht sich hier auf die geometrische Oberfläche). Es zeigte sich allerdings bei den hoch-aktiven Oberflächen, dass selbst mit dem optimierten Versuchsaufbau im Labor [17] Transportlimitierungen auftreten, so dass die wirkliche Aktivität sogar noch unterschätzt wird (s. Kapitel 2.6). Mit dem beschichteten Wirrgelege wurden im Labor für die Reaktanden NO, NO2 und HONO verschiedenen Abhängigkeiten untersucht (Konzentration, Flussgeschwindigkeit, UV-Bestrahlungsstärke, Luftfeuchte und Temperatur), die hier nicht weiter beschrieben werden sollen. Anhand der untersuchten Abhängigkeiten zeigte sich aber zusammenfassend, dass bei allen in einem Tunnel zu erwartenden Umweltbedingungen ausreichend hohe Aktivitäten erzielt werden und somit einem ganzjährlichen Einsatz (z.B. im Winter bei hoher Luftfeuchte) nichts im Wege steht.

2.2  Konzeptioneller Aufbau des photokatalytischen Reaktors

Der am Institut für Straßenwesen ISAC aufgebaute Versuchsreaktor ist darauf ausgelegt, die Machbarkeit eines photokatalytischen Abbaus von Stickoxiden in einem Straßentunnel mit bereits vorhandener Immissionsschutzlüftung zu demonstrieren. Innerhalb des Reaktors soll schadstoffbeladene Luft durch photokatalytisch aktives Wirrgelege geleitet werden. Wie in der Einleitung beschrieben, werden die Schadstoffe auf der aktiven Oberfläche mit Hilfe von UV-Licht abgebaut (s. Abb. 2 a)). Aufbauend auf der strömungsmechanischen Ähnlichkeitstheorie werden bereits im Versuchsreaktor die gleiche Technik und die gleichen Materialien verwendet, die später auch in einem Abluftschacht eines realen Verkehrstunnels installiert werden können. Damit sind die räumlichen Geometrien identisch und es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Strömungssystem und nicht um einen skalierten Versuch. Dies gilt hier auch, weil sowohl in einem Straßentunnel als auch am Versuchsstand das gleiche Fluid (Luft) mit gleicher kinematischer Viskosität, Temperatur und Luftfeuchtigkeit strömt. Zudem entsprechen die Strömungsgeschwindigkeiten im Reaktor denen eines realen Abluftstollens. Hierzu wurden gängige Absaugraten für Brandfalllüftungen im Bereich von 10 bis 115 m³/s berücksichtigt. Normiert man die Volumenflüsse mit den Querschnittsflächen im Versuchsreaktor (0,64 m²) und einem angenommenen verfügbare Strömungsquerschnitt von 40 m² im Abluftstollen eines realen Tunnels (Bsp.: Einhorn-Tunnel in Schwäbisch Gmünd, s. Kapitel 3), so ergeben sich im Versuchsreaktor Volumenflüsse im Bereich von 0,16 bis 1,84 m3/s (580 bis 6620 m3/h), welche hier experimentell untersucht wurden.

Aus verfahrenstechnischer Sicht soll der photokatalytische Reaktor eine hohe Reaktivität und gleichzeitig einen geringen Strömungswiderstand aufweisen, da die häufig in Tunnellüftungen verbauten Axialventilatoren zwar einen hohen Volumenstrom fördern, aber nur wenig Überdruck aufbauen können. Auf Grund dieser zwei Vorgaben wurde eine V-förmige Anordnung des Wirrgeleges gewählt, welche sich über den gesamten Strömungsquerschnitt des Reaktors erstreckt. Zwischen den einzelnen V-förmigen Kammern wurde jeweils eine UV-Lampe platziert, um die Oberflächen möglichst gleichmäßig bei hoher UV-Strahlungsintensität von beiden Seiten des Wirrgeleges zu beleuchten (s. Abb. 2 b)). Sieben UV-Lampen werden zu jeweils einer Kassette zusammengeführt in der insgesamt 2,4 m2 aktive Oberfläche des Wirrgeleges eingespannt ist. Der Versuchsreaktor besteht aus insgesamt fünf dieser Kassetten, welche nacheinander angeordnet sind. Die Kassetten befinden in einem Lüftungskanal aus hochreflektierendem Edelstahl, um die UV-Strahlung der Lampen möglichst gleichmäßig und effizient zu nutzen und eine mögliche Korrosion des Reaktors zu vermeiden.

Abb. 2: a) Versuchsreaktor mit 5 Kassetten und Darstellung der Tunnelluftströmung (blau) mit photokatalytischer Reinigung der enthaltenden Stickoxide (rot). b) Zick-Zack-Anordnung des Wirrgeleges mit dazwischen befindlichen UVA-Lampen zur Aktivierung der Oberfläche in einer Kassette.

Um zu gewährleisten, dass die UV-Lampen stabil angebracht sind und für die spätere Reinigung weder Abluft noch Wasser aus dem Reaktor austreten, wurden die Lampen auf beiden Seiten mit einer als Kabeldurchführung gedachten Sechskanthalterung arretiert (s. Abb. 3, links). Die Gummidichtung dient darüber hinaus als Dämpfung zum Schutz für die dünnwandigen Leuchtstoffröhren. Um die Fassung der Leuchtstoffröhren mit ihren stromführenden Drähten sicher zu verstauen, die Gefahr einer Beschädigung zu verringern und eine individuelle Kabelzuführung zu gewährleisten wurden 70 schwarze Aufsteckkappen im 3D-Druckverfahren hergestellt. Auf der Reaktorstrecke befinden sich 5 Stromversorgungskästen, die eine individuelle Ansteuerung jeder Kassette ermöglichen.

Abb. 3: Links: Durchführung (grau) der UV-Lampen mit Fassung zur Stromversorgung und schwarzer Aufsteckkappe zum Schutz vor Berührung und Beschädigung. Rechts: Fertig montierte Reaktorstrecke mit 5 Stromverteilerkästen für die 35 UV-Lampen.

2.3  Druckverlustmessungen am Wirrgelege

An der Decke der Reaktorhülle wurden 50 cm vor und nach den 5 Reaktorkassetten Bohrungen angebracht, die eine Druckmessung nach dem Venturi-Prinzip ermöglichen. Von den Bohrungen aus führen zwei Silikonschläuche zu einem Druckdifferenzmessgerät (Multisensor 495) der Fa. Testo (s. Abb. 3). Es wurde zudem mit einem Flügelrad-Anemometer die Strömungsgeschwindigkeit im Reaktor bestimmt. In Abb. 4 sind für 10 verschiedene Betriebspunkte des Ventilators die Druckdifferenzen vor und nach den Reaktorkassetten als Funktion der Strömungsgeschwindigkeit dargestellt. Der Druckverlust nimmt wie erwartet quadratisch mit der Strömungsgeschwindigkeit zu und beträgt 133 Pa bei einer Geschwindigkeit von 3,7 m/s, welche sich beim maximalen Luftförderstrom des Ventilators von 8550 m³/h im Reaktor ergibt.

Abb. 4: Messung der Druckdifferenz am Versuchsreaktor mit 5 Kassetten mit Wirrgelege und 35 UV-Lampen zur Bestimmung des Strömungswiderstandes in Abhängigkeit der Strömungsgeschwindigkeit.

2.4  Strömungsmessungen und -modellierungen

Zur Vorbereitung des Versuchsreaktors am ISAC wurden am Aerodynamischen Institut AIA Experimente und numerische Simulationen hinsichtlich des sich einstellenden Strömungsfeldes im Nachlauf der V-förmigen Wirrgelegeanordnungen durchgeführt. Dazu wurde die 2C PIV-Messtechnik (Particle Image Velocimetry) verwendet. Die Untersuchungen hatten das Ziel, das Strömungsfeld im Nachlauf hinsichtlich einer möglichst effektiven Aneinanderreihung von Wirrgelegeanordnungen zu analysieren und die korrespondierende, numerische Simulation zu validieren. Abb. 5 zeigt eine Skizze der im Windkanal untersuchten Gelegeanordnung (links) und den Einbau in die Messstrecke des Windkanals (rechts).

Abb. 5: Skizze der V-förmigen Wirrgelegeanordnung (links) im Windkanal des AIA und deren Einbau in die Messstrecke des Windkanals (rechts).

Sowohl in der Numerik als auch im Experiment konnte gezeigt werden, dass sich ein streifenförmiges Strömungsfeld mit Bereichen hoher und niedriger Strömungsgeschwindigkeit im Nachlauf des Geleges ausbildet (s. Abb. 6). Der Vergleich mit der numerischen Simulation ergibt eine gute Überstimmung hinsichtlich der sich einstellenden Strömungsstrukturen im Experiment. Jedoch sind in der Simulation die maximalen Geschwindigkeiten um bis zu 25 % höher als in den PIV-Messungen, was vermutlich auf die in der Simulation getroffenen Annahmen hinsichtlich der Repräsentation des Strömungswiderstandes im Wirrgelege zurückzuführen sind.

Abb. 6: Instationäre Geschwindigkeitsverteilungen aus der numerischen Simulation (links) und den PIV-Messungen (rechts) für die Anströmgeschwindigkeit 2,5 m/s.

Entsprechend der Wirrgelegeanordnung im Versuchsreaktor am ISAC wurden 5 Gelege in Reihe für verschiedene Anströmgeschwindigkeiten von 0,5 m/s bis 5 m/s simuliert. Die Lampen wurden dabei in Form von Kreiszylindern im Modell berücksichtigt. Abb. 7 oben zeigt die instationäre Geschwindigkeitsverteilungen der Wirrgelegekonfiguration im Reaktor für eine Anströmgeschwindigkeit von 2,5 m/s. Die hinzugefügten UV-Lampen generieren in den Zwischenräumen der angeströmten Seite des Geleges jeweils Wirbelstraßen in ihrem Nachlauf, die lokal zu starken Beschleunigungen der Strömung führen. Auch die UV-Lampen in den stromabgewandten Zwischenräumen bilden Wirbelstraßen aus, die zu örtlich höheren Geschwindigkeiten führen. Diese Geschwindigkeiten sind jedoch aufgrund der divergenten Zwischenräume niedriger.

Neben der Strömung wurde bei dieser Simulation auch der Abbau von Stickoxiden nach Reaktion (1) simuliert. In der Simulation wurden die unterschiedlichen photokatalytischen Depositionsgeschwindigkeiten des sich im Abgas befindlichen NO2 und des bei der Reaktion von NO entstehenden NO2 berücksichtigt. Auf Basis der in den Laboruntersuchungen an der Bergischen Universität Wuppertal ermittelten Dispositionsgeschwindigkeiten wurde für das neu entstandene NO2 4 cm/s und für das bereits im Abgas vorhandene NO2 1 cm/s als Depositionsgeschwindigkeit angenommen. Ausgehend von einer vollständigen Ausleuchtung der Wirrgelege konnte bei einer Anströmgeschwindigkeit von 2,5 m/s eine Reduktion von NO über die Gelegeanordnung von bis zu ca. 70 %, beobachtet werden (s. Abb. 7). Die aus den Simulationen für verschiedene Anströmgeschwindigkeiten am Abströmrand des Simulationsgebiets noch vorhandenen Konzentrationen von NO und NO2 konnten somit als Referenzwerte für die Experimente am Reaktor des ISAC genutzt werden.

Abb. 7: LIC-Darstellung der Geschwindigkeitsverteilungen der Wirrgelegeanordnung im Reaktor (oben) und Entwicklung der NO Konzentrationen bei einer Anströmgeschwindigkeit von 2,5 m/s (unten).

2.5  Versuchsaufbau zur Untersuchung des photokatalytischen NOx-Abbaus

Der in Kapitel 2.2 beschriebene Reaktor wurde in einer Versuchshalle an der RWTH Aachen aufgebaut. Es wurde Außenluft durch einen Lüftungskanal mit einem Radiallüfter angesaugt und nach Zugabe von Stickoxiden durch den Versuchsreaktor geleitet. Danach gelangte die Abluft über einen weiteren Lüftungskanal wieder nach draußen (s. Abb. 2 und Abb. 8).

Abb. 8: Versuchsaufbau: Außenluft wird unter Zumischung von Stickoxiden am Eingang (hinten) durch den Radialventilator angesaugt, strömt von dort in den Reaktor und weiter über den Ausgang (vorne) in die Außenluft.

Um den Abbau der Stickoxide zu untersuchen, wurden drei Messreihen durchgeführt: Abbau von a) reinem Stickstoffmonoxid (NO), b) Stickstoffdioxid (NO2) und c) Stickoxiden (NO+NO2) im ungefilterten Abgas einer Straßenwalze mit Dieselmotor. Wegen der hohen Volumenflüsse im Reaktor und der damit benötigten hohen Stickoxidmengen wurden bei a) und b) reines NO und NO2, welche zur Minimierung von Sekundärreaktion noch mit Stickstoff (N2) verdünnt wurden, über eine Edelstahllanze im Einlasskanal zugegeben (s. Abb. 9). Die Probenentnahme vor und nach dem Reaktor erfolgte durch Absaugung über zwei Edelstahllanzen mit gleichem Aufbau.

Abb. 9: Zugabe von reinem NO/NO2 verdünnt mit N2 vor dem Lüfter (links) und schematische Darstellung der Dosierlanze mit 5 Bohrungen im Einlasskanal (rechts).

Bei der Messreihe c) wurde der Abbau ungefilterter Dieselemissionen einer Baumaschine (Tandemwalze) untersucht. Die Tandemwalze besitzt einen 3-Zylinder Dieselmotor mit einer Leistung von 18,5 kW und hat keine Abgasnachbehandlung (Abgasnorm: EU Stage V / EPA Tier 4). Die Abgase wurden über einen Edelstahlwellschlauch zum Ansaugstutzen des Systems geführt (Abb. 10).

Abb. 10: Walze mit Dieselmotor als Emissionsquelle. Die Abgase wurden über einen Edelstahlwellschlauch in den Ansaugstutzen des Reaktors geleitet.

Die Stickoxide wurden simultan vor und nach dem Photoreaktor mit zwei Chemilumeszenzmessgeräten mit Molybdänkonvertern (Anysco AC31 M) bestimmt. Während der NO-Nachweis mit der verwendeten Messtechnik selektiv ist, werden in den NOx-Kanälen wegen bekannter Interferenzen real alle reaktiven Stickstoffverbindungen (NOy = NOx + HONO + HNO3 + NO3 + N2O5 + …) nachgewiesen [22]. Aufgrund der Laborerfahrungen (s. Kapitel 2.1) und der dort beobachteten guten Abreaktion der wichtigsten zu erwartenden Interferenz durch salpetrige Säure (HONO) und der im Verhältnis zur Außenluft hohen Stickoxidkonzentrationen stellt der nicht-selektive Nachweis von NO2 aber kein großes Problem dar. Da HONO hier nicht gemessen und beim NO2-Signal korrigiert wurde, geben die im Folgenden gezeigten NO2-Daten die Summe von HONO und NO2 an. Die Messgeräte wurden zu Beginn jedes Messtages mit einer NO-Eichgasmischung kalibriert und die Konvertereffizienz vor der Messkampagne im Labor mit einem O3-Gasphasentitrator (Anysco GPT) zu nahe 100 % ermittelt. Die Messgeräte zeigten eine Nachweisgrenze von ~5 ppb bei einer Präzision von ±(1 % + 5 ppb) bei einer Genauigkeit von ±(7 % + 5 ppb). Da die Luftfeuchte bei der Photokatalyse ein wichtiger Parameter ist, wurde diese am Eingang des Reaktors mit einem kalibrierten Feuchtesensor (HYTELOG-USB, Hygrosens Instruments GmbH) bestimmt. Da Außenluft verwendet wurde und die Wetterbedingungen sehr variabel waren, schwankte die Feuchte von Tag zu Tag teilweise erheblich.

2.6  Photokatalytischer NOx-Abbau im Versuchsreaktor

Sowohl für reine NO-als auch für reine NO2-Mischungen ergaben sich je nach Versuchsbedingungen teilweise sehr hohe photokatalytische Reduktionen beim Einschalten der UV-Lampen. In Abb. 11 ist beispielhaft ein Messtag gezeigt, an dem beim NO2-Abbau sowohl die NO2-Ausgangskonzentration als auch die Zahl der beleuchteten Wirrgelegesegmente variiert wurden.

Abb. 11: Rohdaten der Konzentrations- und Lampenabhängigkeit des NO2-Abbaus (Volumenfluss 1745 m3/h). Die grauen und gelben Balken oben im Diagramm zeigen die Zeiten im dunklen und beleuchteten Reaktor. Bei der Lampenabhängigkeit ist noch die Zahl der beleuchteten Wirrgelegesegmente angegeben.

Die Schadstoffreduktionen lagen bei den verschiedenen Messreihen für NO und NO2 im Bereich von 20 % bis 99 % bzw. 13 % bis 90 %. Dabei konnten verschiedene, allgemeine Trends beobachtet werden:

  1. Die Schadstoffreduktion nimmt mit steigendem Volumenfluss und damit sinkender Reaktionszeit im Reaktor ab (s. z.B. für NO in Abb. 12). Dies wird weiter unten erklärt.
  2. Je höher die Schadstoffkonzentration, desto niedriger ist der relative Abbau (s. Abb. 12), in guter Übereinstimmung mit anderen Arbeiten. Bei hohen Konzentrationen ist der Abbau hier über die Kinetik der gebildeten Radikale limitiert [23].
  3. Mit steigender Luftfeuchte ergibt sich ein abnehmender relativer Abbau, in guter Übereinstimmung mit anderen Arbeiten [3, 5]. Hierbei werden aktive Oberflächenplätze durch adsorbiertes Wasser blockiert.
  4. Mit steigender Zahl der beleuchteten Wirrgelegesegmente nimmt der relative Abbau zu (s. Abb. 11).

Abb. 12: Relativer photokatalytischer Abbau von NO in realem, verdünnten Dieselabgas einer Baumaschine bei verschiedenen Gasflüssen und NO-Ausgangskonzentrationen im Vergleich zu Referenzmessungen mit reinem NO.

Die beobachtete Volumenflussabhängigkeit (a) lässt sich gut mit einer Kinetik erster Ordnung erklären, bei der die Schadstoffkonzentration exponentiell mit steigender Reaktionszeit im Reaktor abnimmt. Daher ergibt sich der höchste relative Abbau bei den kleinsten Volumenflüssen (größten Reaktionszeiten). Auf Grund der bestätigten Kinetik erster Ordnung können die hier erzielten Ergebnisse zum einen auf andere Reaktorgeometrien übertragen werden, z.B. in einer späteren realen Anwendung in einem Verkehrstunnel (s. Kapitel 3). Der beobachtete exponentielle Zusammenhang zeigt zum anderen aber auch, dass die typische Angabe eines relativen Abbaus in % (s. z.B. ISO-Standard) kein sinnvolles Maß für die Aktivität einer photokatalytischen Oberfläche ist, was schon an anderer Stelle im Detail erklärt wurde [17]. Daher werden hier photokatalytische Depositionsgeschwindigkeiten (nPhoto) angegeben, die im linearen Zusammenhang mit der Aktivität stehen. So ergibt sich z.B. bei (d) für den relativen Abbau der Stickoxide ein nicht-linearer Anstieg mit der Zahl der beleuchteten Wirrgelegesegmente, welcher sich asymptotisch einem vollständigen Abbau (100 %) bei hoher Lampenzahl annähert. Bei der Auftragung von nPhoto gegen die Zahl der beleuchteten Wirrgelegesegmente ergibt sich dagegen wie erwartet ein linearer Zusammenhang.

Bei angenommenen Tunnelkonzentrationen von 500 ppb wurden bei hohen, für Tunnellüftungen typischen Volumenflüssen photokatalytische Depositionsgeschwindigkeiten von nPhoto (NO) ≈ 10 cm/s bzw. nPhoto (NO2) ≈ 4 cm/s ermittelt. Bei niedrigen, atmosphärenrelevanten Konzentrationen von ~50 ppb ergeben sich sogar Werte von nPhoto (NO) ≈ 20 cm/s (s. Abb. 13) bzw. nPhoto (NO2) ≈ 5,5 cm/s. Daher sind die hier ermittelten Aktivitäten mindestens eine Größenordnung höher als bei guten kommerziellen photokatalytischen Oberflächen [7, 18].

Bei den Messungen mit realem Dieselabgas einer Baumaschine wurden im Abgas NO- und NO2-Emissionen mit ähnlichen Anteilen gemessen. Da NO2 ein Zwischenprodukt beim NO-Abbau ist, wurde hier auf Grund der höheren Komplexität des Reaktionssystems (s. Folgereaktion (1): NO→NO2→Nitrat) nur der Abbau von NO betrachtet. Dieser war beim Dieselabgas genauso hoch wie bei reinen NO-Mischungen (s. Vergleich mit Referenzexperimenten in Abb. 12 und Abb. 13). Dies zeigt, dass komplexe Abgasmischungen bei den hier untersuchten, hoch-aktiven Oberflächen keinen signifikanten Einfluss auf die Reaktivität gegenüber den Stickoxiden haben. Als Grund für die im Verhältnis zu den frühen PhotoPAQ-Tunnelexperimenten [7] fehlende Deaktivierung können die selbstreinigenden Eigenschaften der hier verwendeten Farbe angeführt werden. Im Gegensatz zu den weniger aktiven Zementoberflächen im PhotoPAQ-Projekt (photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit von NO ~0,5 cm/s bei 100 ppb NO, s. [7]) haben die hier untersuchten Oberflächen eine so hohe Aktivität, dass anhaftende Schadstoffe (z.B. Ruß und semivolatile Kohlenwasserstoffe) gut abgebaut werden und sich dadurch die Aktivität der Farbe in komplexen Abgasmischungen nicht verschlechtert. Diese Ergebnisse sollten allerdings in einem zukünftigen Projekt noch in Langzeitexperimenten mit realer Tunnelabluft bestätigt werden. Die hier bei hohen Volumenflüssen und niedrigen NO-Konzentrationen bestimmten photokatalytischen Depositionsgeschwindigkeiten von fast 20 cm/s (s. Abb. 13) sind die höchsten Werte, die jemals an einer kommerziellen photokatalytischen Oberfläche gemessen wurden.

Abb. 13: Photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit von NO, ν (NO), in realem, verdünnten Dieselabgas einer Baumaschine bei verschiedenen Gasflüssen und NO-Ausgangskonzentrationen im Vergleich zu Referenzmessungen mit reinem NO.

Bei den Experimenten zeigt sich ein Anstieg der photokatalytischen Depositionsgeschwindigkeit mit dem Gasfluss (s. Abb. 13) und der dazugehörigen Flussgeschwindigkeit im Versuchsreaktor, was gut zu dem Trend passt, welcher schon bei Laborexperimenten an der Universität Wuppertal beobachtet wurde (s. Abb. 14).

Abb. 14: Photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit von NO in realem, verdünnten Dieselabgas als Funktion der Strömungsgeschwindigkeit bei den Messungen am Versuchsreaktor in Aachen im Vergleich zu Labormessungen mit reinem NO. Alle Werte wurden bei einer NO-Konzentration von ca. 500 ppb ermittelt.

Im Idealfall ist die photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit keine Funktion der Reaktionszeit oder der Strömungsgeschwindigkeit im Reaktor [17]. Der hier beobachtete Trend kann daher nur mit zunehmender Turbulenz bei steigender Strömungsgeschwindigkeit, einer Verringerung der laminaren Grenzschicht [24] und damit abnehmender Transportlimitierung der Schadstoffmoleküle zu den aktiven Oberflächen erklärt werden. Dieses Problem tritt gerade bei hoch-aktiven Oberflächen und nicht optimierter Geometrie von Versuchsreaktoren auf, wie z.B. bei den laminaren Strömungsbedingungen in einem Standardreaktor nach ISO 22197-1 [16, 17]. Aufgrund der extrem hohen Aktivität der hier untersuchten Oberfläche reichen aber selbst die beim langsamen Durchströmen der Luft durch das Wirrgelege auftretenden Turbulenzen nicht aus, um die reale Aktivität zu ermitteln. Daher unterschätzen die im Labor bestimmten Werte die in einem realen Abluftreaktor zu erwartenden Aktivitäten. Da bei späteren realen Anwendungen eher hohe Strömungsgeschwindigkeiten auftreten, werden die hier ermittelten hohen Werte für weitere Berechnungen zu Grunde gelegt.

3 Abschätzung des NOx-Abbaus in einem realen Tunnel

Es konnte erfolgreich ein Versuchsreaktor aufgebaut werden, welcher als ein Segment einer späteren realen Anwendung im Abluftsystem eines Verkehrstunnels eingesetzt werden könnte. Dazu müssten mehrere dieser Segmente im Abluftkanal kombiniert werden und es könnten je nach Strömungsgeschwindigkeit und resultierenden Druckverlusten unter Umständen auch noch mehr als fünf Wirrgelegelagen pro Reaktor verwendet werden. Zudem sollte der Reaktorquerschnitt von 80 cm × 80 cm wegen der Standardlampenlänge von 120 cm auch noch auf 110 cm × 110 cm vergrößert werden, was fast zu einer Verdopplung der Oberflächengröße bei gleichem Stromverbrauch der Lampen führen würde. Beides würde den Abbau bei gleichen Volumenströmen weiter deutlich verbessern. Daher können die hier erzielten Ergebnisse direkt auf eine reale Anwendung übertragen werden und es sind dort sogar noch verbesserte Ergebnisse möglich.

Um den relativen Abbau der Stickoxide in einer Tunnellüftung theoretisch zu berechnen, wurde im Rahmen des Projektes ein einfaches Berechnungs-Tool entwickelt, in den nach Vorgabe einiger Randbedingungen (photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit vphoto [m/s], Volumenfluss durch den Reaktor  vphoto [m3/s] und Oberfläche des Wirrgeleges S [m2]) der relative Stickoxidabbau im Reaktor ct/c0 berechnet werden kann: ct und c0 entsprechen dabei den NOx-Konzentrationen am Eingang und Ausgang des Reaktors. Grundlage dazu ist die oben bereits beschriebene Kinetik erster Ordnung.

Als Beispiel für eine mögliche Anwendung der hier vorgestellten Abluftreinigung wurde der 2230 m lange Einhorn-Tunnel in Schwäbisch Gmünd ausgewählt. Es handelt sich um einen Gegenverkehrstunnel mit einem Fahrstreifen je Richtung. Im Planfeststellungsverfahren wurde bestimmt, dass der Tunnel über eine Immissionsschutzlüftung verfügen soll, welche die Tunnelluft über einen 150 m hohen Kamin in der Mittel des Tunnels ausbläst, um die Anwohner und Gewerbe an den Tunnelportalen vor den Abgasen zu schützen. Der großzügig ausgelegte Lüftungsstollen in der Mittel des Tunnels (Abb. 15) verbindet den Hohlraum über der Zwischendecke des Tunnels und den Abluftkamin über eine Länge von ca. 50 m und einer Höhe von 8 m. In diesem Lüftungsstollen sind die beiden Lüfter unmittelbar vor dem Kamin untergebracht. Damit bleibt noch ein Raum von ca. 30 m Länge und einer Höhe von 8 m zwischen Ventilatoren und Tunnelröhre für die Installation des photokatalytischen Reaktors. Hier könnte ein 20 m langer Reaktor mit einer Höhe von 4 m und einer Breite von 10 m untergebracht werden. Zusätzlich ist eine Verschlussklappe am Eingang des Reaktors vorgesehen, um den Reaktor im Falle eines Brandes im Tunnel zu schließen und um die heißen Rauchgase am Reaktor vorbeizuleiten. Diese Verschlussklappe kann wie eine Rauchschutztür an das Brandmeldesystem angeschlossen sein und würde im Brandfall bzw. bei Stromausfall durch die Schwerkraft nach unten fallen und den Reaktor verschließen.

Abb. 15: Schematische Darstellung des Lüftungsstollens im Einhorn-Tunnel mit Kamin, Ventilatorenraum und Reaktorstrecke sowie Darstellung der Strömung der Abluft aus dem Verkehrsraum (orange) und der photokatalytisch gereinigten Luft (blau).

Mit dem einfachen Modell (Formel (I)) wurde der zu erwartende Abbau von Stickoxiden abgeschätzt. Dabei wurden 80 optimierte Reaktorelemente (110 cm × 110 cm, je mit fünf Wirrgelegelagen) angenommen und jeweils fünf dieser Reaktorelemente in Reihe gesetzt. Zwischen den Reaktorreihen sind zudem Wartungsgänge vorgesehen, z.B. um defekte Lampen auszutauschen. Diese Anordnung würde zum einen in den vorgesehenen Lüftungsraum passen, und zum anderen könnte der zu erwartende Druckverlust durch den vorhandenen Lüfter immer noch kompensiert werden. Es wurde bei den Berechnungen weiterhin der im Einhorn-Tunnel aktuell benutzte Lüftungsstrom von 115 m3/s angenommen. Da bei normalen Wetterbindungen bei diesem Fluss die gesamte Tunnelluft durch den Lüfter aus dem Tunnel entfernt wird, entspricht der berechnete Stickoxidabbau in der Tunnelreinigung dann auch der in der gesamten Tunnelabluft. Basierend auf den Ergebnissen mit realen Dieselabgasen wurde hier konservativ eine photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit von 4 cm/s gewählt. Mit diesen Randbedingungen würde sich dann für die gesamte Tunnelluft des Einhorn-Tunnels ein relativer Abbau der Stickoxide von ~47 % ergeben. Wird eine immer noch realistische Depositionsgeschwindigkeit von 10 cm/s verwendet (s. Abb. 13 bei hohen Volumenströmen und 500 ppb NO), würde sich der Abbau sogar auf ~80 % erhöhen.

Bei einer zukünftigen Luftreinigung wäre es problematisch, wenn die Stickoxidemissionen, die bei der für den Betrieb der UVA-Lampen notwendige Stromerzeugung anfallen, die oben abgeschätzten photokatalytischen Stickoxidreduktionen in der Tunnelluft übersteigen würden. In diesem Falle würde die hier vorgeschlagene Maßnahme zur lokalen Stickoxidreduktion der früheren Hochschornsteinpolitik der 1960-1980iger Jahre in Deutschland entsprechen, wo die Schadstoffemissionen nicht verhindert, sondern nur verlagert wurden. Solche Maßnahmen sind abzulehnen. Zur Beantwortung der oben aufgeworfenen Problemstellung wurden die mittleren NO2-Emissionen im deutschen Strommix von 0,355 g NO2/kWh für das Jahr 2020 angenommen [25]. Zur Berechnung des zusätzlichen Stromverbrauchs wurden wieder die 80 Reaktorelemente und eine Lampenleistung von je 40 W angenommen. Weiterhin wurde der oben konservativ berechnete Stickoxidabbau von 40 % auf eine mittlere NOx-Tageskonzentration im Tunnel von 600 ppb angewendet und alles NOx als NO2 angenommen. Mit diesen Randbedingungen wird dann im Tunnel knapp 6x so viel NO2 abgebaut wie bei der Stromerzeugung im Mittel entstehen. Es werden die Emissionen somit nicht nur verlagert, sondern auch absolut verringert. Damit kann die hier vorgestellte Maßnahme nicht nur zur lokalen Stickoxidreduktion in der Abluft des Tunnels beitragen, sondern auch die absoluten Stickoxidemissionen verringern. Die Maßnahme ist somit zu empfehlen. Diese Schlussfolgerung sollte zukünftig in einem Pilotprojekt in einem realen Tunnel bestätigt werden.

4 Zusammenfassung

Es konnte erfolgreich ein Versuchsreaktor entwickelt werden, welcher als ein Segment einer späteren realen Anwendung im Abluftsystem eines Verkehrstunnels eingesetzt werden könnte. Bei den Messungen am Versuchsreaktor wurden je nach Volumenstrom und Luftfeuchte ein relativer NO-Abbau von 13 % bis >95 % erzielt. Die bei einer NO-Konzentration von 500 ppb ermittelten photokatalytischen Depositionsgeschwindigkeiten lagen bei bis zu 10 cm/s und damit weit über den im Labor bestimmten Werten. Dies wird durch höhere Turbulenzen, eine dünnere laminare Grenzschicht und damit geringere Transportlimitierung zu den Oberflächen sowie der beidseitigen Bestrahlung des Wirrgeleges erklärt. Bei niedrigeren NO-Konzentrationen und hohen Gasflüssen wurden sogar Depositionsgeschwindigkeiten von fast 20 cm/s ermittelt. Bei früheren Arbeiten ergaben sich dagegen nur Werte bis typischerweise 1 cm/s – und oft noch deutlich darunter. So wurde z.B. im PhotoPAQ-Projekt selbst für eine vom Hersteller speziell für das Projekt optimierten photokatalytischen Zementoberfläche für NO nur ein Wert von 0,5 cm/s bestimmt. Das hier eingesetzte Wirrgelege stellt somit die photokatalytisch aktivste bekannte Oberfläche dar.

Mit steigendem Gasfluss wird eine Abnahme des NOx-Abbaus beobachtet, was mit der abnehmenden Reaktionszeit im Reaktor erklärt wird. Die bei den reinen NO-Experimenten ermittelten Reaktivitäten stimmen sehr gut mit den Werten bei komplexen Dieselabgasen überein. Damit ist zu erwarten, dass auch Abschätzungen des in einer realen Tunnelluft zu erzielenden relativen Abbaus realistisch sind.

Mit einem einfachen Modell wurde beispielhaft für den Einhorn-Tunnel in Schwäbisch Gmünd der zu erwartende Abbau von Stickoxiden abgeschätzt. Dabei wurde eine Geometrie gewählt, bei der die Reaktoren zum einen in den vorhandenen Raum passen und noch für Wartungsarbeiten zugänglich sind, und zum anderen der zu erwartende Druckverlust durch den vorhandenen Lüfter kompensiert werden kann. Basierend auf den Ergebnissen mit realen Dieselabgasen wurde hier konservativ eine photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit von 4 cm/s gewählt. Mit diesen Randbedingungen würde sich dann für die gesamte Tunnelluft des Einhorntunnels ein relativer Abbau der Stickoxide von ~47 % ergeben. Wird eine immer noch realistische Depositionsgeschwindigkeit von 10 cm/s verwendet, würde sich der Abbau sogar auf ~80 % erhöhen.

5 Ausblick

Die hier für einen Versuchsreaktor erzielten Ergebnisse sollten in Zukunft in einem realen Tunnel bestätigt werden. Zum einen muss geprüft werden, ob die hier durchgeführten Hochrechnungen in der Realität bestätigt werden können. Zum zweiten muss geklärt werden, ob die für reine Dieselabgase erzielten Ergebnisse auf komplexe Tunnelabgase übertragen werden können. Auch sollte die Langzeitstabilität der verwendeten Oberflächen geprüft werden. Ferner wäre eine Automatisierung der regelmäßig durchzuführenden Reinigung der Oberflächen durch Abwaschen mit Wasser zu empfehlen, um die Wartungskosten zu verringern. Hierzu könnte mit einfachen elektrochemischen NOx-Sensoren die Eingangs- und Ausgangskonzentrationen bestimmt werden, und damit bei Unterschreitung einer festzulegenden Reinigungsleistung das Abspülen der Oberflächen geregelt werden.

6 Danksagung

Unser Dank gilt dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) für die finanzielle Unterstützung des TunNOx – Verbundprojektes im Rahmen des „Innovationsprogramms Straße“ (FE 88.0169-0171/2018).

Weiterhin gilt unser Dank der Firma Sto SE & Co. KGaA, insbesondere Dr. Gerald Burgeth, für die Entwicklung und Bereitstellung der experimentellen photokatalytischen Farben.

Auch danken wir Dipl.-Ing. Peter Kölsch (LARIX Lärmschutz) für die Idee des offenporigen Wirrgelege-Substrats, welche schon in einem anderen Projekt zusammen mit J. Kleffmann zur Entwicklung einer photokatalytischen Lärmschutzwand umgesetzt wurde.

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