FGSV-Nr. FGSV 002/131
Ort online-Konferenz
Datum 24.03.2021
Titel Erstellen von verlässlichen NO2-Schadstoffkarten von Städten basierend auf mobilen ICAD-Messungen
Autoren Dr. Martin Horbanski, Dr. Johannes Lampel, Dr. Ulrich Platt, Dr. Denis Pöhler, Sven Riedner, Oliver Fischer, Stefan Schmitt
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Stickstoffdioxid (NO2) ist weiterhin einer der kritischsten Luftschadstoffe in Europa. Die Hauptquelle ist der Verkehr, insbesondere Dieselmotoren. Die NO2Belastung ist dabei bereits auf kleinen Skalen sehr variabel. NO2-Schadstoffbelastungen werden jedoch nur in größeren Städten an wenigen Messpunkten gemessen. Passivsammler können aufgrund der geringeren Kosten, in größerer Anzahl an vielen Orten zeitgleich angebracht werden. Somit sind Daten über die räumliche Verteilung möglich, jedoch liefern sie keine zeitlichen Informationen über die NO2-Variabilität an diesem Ort und weisen größere Messfehler auf. Elektrochemische Sensoren erfordern hohen Personalaufwand und zusätzliche Parameter, die gleichzeitig gemessen werden müssen, um eine ausreichende Genauigkeit zu erreichen, und sind daher nicht praktikabel für verlässliche flächendeckende Schadstoffmessungen. Mobile Messungen können für ein Gebiet oder ganze Städte, wo bisher wenig bis keine Informationen über die NO2Schadstoffbelastung vorliegen, auf einfache Weise NO2Schadstoffverteilungen ermitteln. Hier zeigen wir, wie Aussagen über den Jahresmittelwert erhalten werden können, um z. B. Hotspots zu identifizieren.

Abbildung 1: Messaufbau für mobile NO2-Messungen. Ansaughöhe und Position zur Straße ist möglichst nah an der 39. BImSchV.

Derartige Untersuchungen wurden in mehreren Städten durchgeführt, wobei sich in diesem Artikel auf die Stadt Walldorf, Baden-Württemberg, konzentriert wird. Dabei wurde die erstellte Schadstoffkarte durch nachfolgende stationäre Messungen an zwei Orten bestätigt. Der Fokus lag nicht darauf, eine Grenzwertüberschreitung zu prüfen, sondern ein Bild der wahren NO2 Schadstoffbelastung zu erstellen.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

Einleitung

Stickstoffdioxid (NO2) ist weiterhin einer der kritischsten Luftschadstoffe in Europa. Die Hauptquelle ist der Verkehr, insbesondere Dieselmotoren. Die NO2 Belastung ist dabei bereits auf kleinen Skalen sehr variabel. NO2-Schadstoffbelastungen werden jedoch nur in größeren Städten an wenigen Messpunkten gemessen. Passivsammler können aufgrund der geringeren Kosten, in größerer Anzahl an vielen Orten zeitgleich angebracht werden. Somit sind Daten über die räumliche Verteilung möglich, jedoch liefern sie keine zeitlichen Informationen über die NO2-Variabilität an diesem Ort und weisen größere Messfehler auf. Elektrochemische Sensoren erfordern hohen Personalaufwand und zusätzliche Parameter, die gleichzeitig gemessen werden müssen, um eine ausreichende Genauigkeit zu erreichen, und sind daher nicht praktikabel für verlässliche flächendeckende Schadstoffmessungen. Mobile Messungen können für ein Gebiet oder ganze Städte, wo bisher wenig bis keine Informationen über die NO2 Schadstoffbelastung vorliegen, auf einfache Weise NO2 Schadstoffverteilungen ermitteln. Hier zeigen wir, wie Aussagen über den Jahresmittelwert erhalten werden können, um z. B. Hotspots zu identifizieren.

Abbildung 1: Messaufbau für mobile NO2-Messungen. Ansaughöhe und Position zur Straße ist möglichst nah an der 39. BImSchV.

Derartige Untersuchungen wurden in mehreren Städten durchgeführt, wobei sich in diesem Artikel auf die Stadt Walldorf, Baden-Württemberg, konzentriert wird. Dabei wurde die erstellte Schadstoffkarte durch nachfolgende stationäre Messungen an zwei Orten bestätigt. Der Fokus lag nicht darauf, eine Grenzwertüberschreitung zu prüfen, sondern ein Bild der wahren NO2 Schadstoffbelastung zu erstellen.

Messdurchführung

Die mobilen Messungen erfolgen mit einem ICAD NO2 Instrument (Airyx GmbH) mit einem Datenpunkt alle 2 Sekunden bei 1 ppb Messgenauigkeit. Dabei kam in der Regel ein Fahrrad (Abbildung 1) zum Einsatz mit einer Messhöhe von 1,6 m. Die Messungen fanden neben der Fahrbahn statt, um eine Vergleichbarkeit zu Umweltmessstationen sicher zu stellen (39. BImSchV). Damit lässt sich eine räumliche Auflösung von ca. 10 m erreichen. Auf einer festen Fahrroute durch das Untersuchungsgebiet erfolgen wiederholte Messungen an verschiedenen Tagen und Uhrzeiten, um eine Abdeckung verschiedener Verkehrssituationen und meteorologischer Bedingungen zu erreichen. Die Route sollte verschiedene Straßentypen mit verschiedenem Verkehrsaufkommen und Bebauung abdecken. Es wurde ebenfalls Wert darauf gelegt,

Bereiche um Schulen sowie Hintergrundkonzentrationen in Wohngebieten zu erfassen. Auf diese Weise konnten zeitgleich folgende Punkte abgedeckt werden:

  • Hauptverkehrsachsen
  • Verbindungsstraßen der Hauptverkehrsachsen
  • Verbindungsachse Bahnhof zum Stadtzentrum
  • Industriegebiete und dessen Zufahrtsstraßen
  • Verschiedene Wohngebiete
  • Bildungseinrichtungen (Kindergärten / Schulen)

Die daraus geplante Messroute umfasste 53 Straßenabschnitte (Abbildung 2), die nahezu das komplette Stadtgebiet abdeckte. Eine Messung entlang dieser Route von ca. 16 km benötigte ca. 1 Stunde. Über einen Zeitraum von 3 Monaten (Dezember 2018 – Februar 2019) erfolgten insgesamt 40 Messungen entlang dieser Route. Diese wurden zu unterschiedlichen Tageszeiten und Wochentagen bei verschiedensten Verkehrs- und Wetterbedingungen durchgeführt, um eine möglichst gute Repräsentation verschiedenster Bedingungen zu erfassen. Da diese ersten Messungen jedoch ausschließlich in den Wintermonaten stattfanden, ist mit einem saisonalen Bias zu rechnen. Um diesen zu korrigieren, wurden die bestimmten NO2 Konzentrationen auf extrapolierte Jahresmittelwerte umgerechnet, wie weiter unten beschrieben.

In einer zweiten Kampagne wurden an zwei Orten stationäre Messungen durchgeführt, die durch die mobilen Messungen als Orte mit höherer NO2 Belastung identifiziert wurden. Die Orte sind durch Quadrate in Abbildung 2 hervorgehoben. Diese stationären Messungen erfolgten mit einem kleinen Anhänger (Abbildung 3) im Zeitraum Juli – November 2019.

Abbildung 2: Die geplante mobile Messroute 2018 in der Stadt Walldorf umfasste 53 Straßenabschnitte mit sehr unterschiedlichem Verkehrsaufkommen und unterschiedlicher Bebauung. Das schwarze Quadrat zeigt die Standorte für die stationäre Messung 2019.

Abbildung 3: Bild der stationären Messung 2019 in der Schwetzinger Straße im Stadtzentrum von Walldorf.

Erstellen von Schadstoffkarten

Jede einzeln durchgeführte mobile Messung stellt eine Momentaufnahme der NO2 Verteilung dar. Abbildung 4 zeigt drei Beispiele dieser Momentaufnahmen mit sehr unterschiedlichen Konzentrationen und Verteilungen. Abbildung 4a) zeigt eine sehr häufig anzutreffende Verteilung zur Hauptverkehrszeit mit einer geringen Hintergrundbelastung in Nebenstraßen (deutlich unter 20 µg/m³) und lokal stark erhöhten Konzentrationen in Straßen mit hohen Verkehrsaufkommen. Eine hohe räumliche Variation vom Faktor 10 lässt sich dabei regelmäßig beobachten. Jedoch variieren die Orte der hohen Konzentration zeitlich durch eine Variation der Koinzidenz zwischen Verkehrsaufkommen und mobiler Messung.

Abbildungen 4b) und 4c) zeigen hingegen deutlich andere Hintergrundkonzentrationen und räumliche Verteilungen. Im ersteren Fall (4b) ist eine Inversionswetterlage sowie ein starker Einfluss von Emissionen aus lokalen Feuerungsstellen verantwortlich für eine sehr hohe Hintergrundkonzentration sehr hohen NO2 Schadstoffbelastung. Im zweiten Fall sorgt ein starker Wind für eine vergleichsweise geringe Schadstoffkonzentration. Nur an wenigen Orten lassen sich auch verkehrsbedingte Erhöhungen beobachten, da die Schadstoffe schnell vermischt und abtransportiert werden.

Starke Variationen zeigen sich selbstverständlich auch in Abhängigkeit des Wochentages bzw. des Verkehrsaufkommens. So werden bei wenig Verkehr nur geringe räumliche Variationen der NO2 Konzentration beobachtet.

Abbildung 4: Beispiele der bestimmten NO2 Verteilung an 3 verschiedenen Tagen. Es lassen sich lokal erhöhte Konzentrationen durch den Verkehr erkennen, aber vor allem die hohe zeitliche Variation.

Die Messwerte aller Fahrten werden in einem Gitter von 70 m x 70 m gemittelt. Prinzipiell sind auch andere Gittergrößen möglich. Es ergibt sich eine mittlere NO2 Karte, wie in Abbildung 5 gezeigt. Der räumliche Mittelwert Beträgt 37 µg/m³. Einzelne Orte weisen im Mittel auch Werte bis 60 µg/m³ auf. Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass dies keinen Jahresmittelwert darstellt, da die Messungen im Winter und hauptsächlich am Tag stattgefunden hatten. Ein Vergleich mit einem Jahresgrenzwert wäre hier daher nicht korrekt.

Orte mit erhöhter Luftverschmutzung sind aus der Karte eindeutig bestimmbar. So wurden 3 Gebiete als am höchsten belastet quantifiziert (eingekreist und nummeriert in Abbildung 5). In den Bereichen 1 fallen Hauptverkehrsachsen im Stadtgebiet. In den Bereich 2 fallen die Zufahrtsstraßen ins Industriegebiet die u. a. von einer Vielzahl an Pendlern in die Bürogebäude genutzt werden. In den Bereich 3 fallen die Umgehungsstraße sowie ein weiteres Industriegebiet. Da im letzteren Fall keine Anwohner oder Arbeiter in größerem Maßstab betroffen sind, wurde sich für weitere Untersuchungen auf die Bereiche 1 und 2 konzentriert.

Berechnung extrapolierter Jahresmittelwert

Mobile Messungen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten sind in erster Linie nicht direkt miteinander vergleichbar. Dazu unterliegen die NO2 Konzentrationen zu starken Schwankungen der Emissionsquellen und der Meteorologie. Zwar kann durch die Wiederholung der Messungen zu verschiedenen Tageszeiten und Wochentagen die Vergleichbarkeit erhöht werden, die Bestimmung eines vergleichbaren Jahresmittelwertes benötigt jedoch Messungen über ein ganzes Jahr, um die jahreszeitlichen Einflüsse mit zu berücksichtigen.

Abbildung 5: Mittlere NO2 Verteilung in Walldorf bestimmt durch 40 Fahrradmessungen entlang der Route (2018 - 2019). Gekennzeichnet sind die 3 Gebiete die als am höchsten belastet identifiziert wurden.

Abbildung 6: Extrapolierte Jahresmittelwerte NO2 Verteilung in Walldorf aus Abbildung 1. Außerdem Ergebnisse der zwei Stationären Messungen (2019) zur Validierung abgebildet als Quadrate.

Um dieses Problem zu umgehen, wird aus den kurzzeitigen mobilen Messdaten ein Jahresmittelwert extrapoliert. Dazu nehmen wir an, dass die Ursache für die Variation der NO2 Konzentration an dem mobilen Messort und an einer Umweltmessstation in der Nähe vergleichbar sind. Diese Annahme ist naheliegend, denn die Hauptursachen für die NO2 Konzentration variieren auf einer größeren räumlichen Skala gleichzeitig und sind:

  1. Meteorologische Bedingungen, die auf Skalen von mehreren Kilometern vergleichbar sind
  2. Die zeitliche Variation der Hauptemissionsquelle Verkehr, der auf der Skala einer Stadt vor allem mit den Hautverkehrszeiten korreliert. Ist diese Annahme gültig, variiert die NO2 Konzentration am mobilen lokalen Messort (CL) relativ zu dessen lokalen Jahresmittelwert (CLJM) wie der aktuelle NO2 Konzentration (1-h Messwert) an der Umweltmessstation (CS) relativ zum Stations-Jahresmittelwert (CSJM).
    Die Relation ist demnach:

Formel siehe PDF

Umgestellt ergibt dies:

Formel siehe PDF

Der bestimmte extrapolierte Jahresmittelwert (CLJM) ist eine Näherung. Es gibt Einschränkungen, wann die obere Relation nicht mehr korrekt funktioniert. Sind die Messwerte entweder des lokalen Messortes oder der verwendeten Umweltmessstation stark windrichtungsabhängig, führt dies, je nach Windrichtung, zu sehr unterschiedlichen extrapolierten Jahresmittelwerten. Liegt eine sehr unterschiedliche Variation des Verkehrsaufkommens an den beiden Orten vor, kann dies je nach Tageszeit zu einer fehlerhaften Extrapolation führen. Auch extreme Wetterbedingungen führen i. d. R. zu einem Aufheben der Relation. Um diese Fehler zu verringern, ist zumindest bei geringer Messanzahl auf eine möglichst repräsentative meteorologische Bedingung und Verkehrsdichte zu achten. Deutlich besser ist jedoch, die lokalen Messungen zu möglichst vielen unterschiedlichen Zeitpunkten und Bedingungen zu wiederholen und die extrapolierten Jahresmittelwerte zu mitteln.

Formel siehe PDF

In der hier vorgestellten Studie in Walldorf wurden insgesamt 40 mobile Messungen gemittelt, um die Fehler der extrapolierten Jahresmittelwerte zu verringern. Aus den Daten zeigte sich, dass eine Mittelung von ca. 20 Fahrten bereits ausreichte, um einen verlässlichen Jahresmittelwert wie in Abbildung 6 zu erhalten. Das Vergrößern der Anzahl an Messungen darüber hinaus führte nicht zu einer signifikanten Änderung der bestimmten mittleren extrapolierten Jahresmittelwerte, solange verschiedene Tageszeiten und Wochentage abgedeckt waren.

Nur wenn es bei der Messreihe lokal zu einem Extremereignis kommt, z. B. durch eine Koinzidenz mit einem sehr stark emittierenden defekten Fahrzeug, führen noch weitere Mittelungen zu einer geringen Änderung des Ergebnisses.

Das Ergebnis des mittleren extrapolierten Jahresmittelwertes entlang der Messroute ist in Abbildung 6 gezeigt (farbige Kreise). Es zeigt sich eine relativ geringe NO2 Konzentration in Walldorf, was den Erwartungen einer Kleinstadt entspricht. Der Grenzwert von 40 µg/m³ ist entsprechend flächendeckend eingehalten und es wird keine Überschreitung auch bei umfangreicheren Messungen erwartet. An den am höchsten belasteten Hauptverkehrsstraßen erreicht der extrapolierte Jahresmittelwert 30 bis 35 µg/m³ (an einzelnen Punkten bis 40 µg/m³).

Validierung durch stationäre Messungen

Um die bestimmten NO2 Jahresmittelwerte zu validieren, wurden im Anschluss stationäre Messungen (Standmessungen) an zwei Orten in Walldorf durchgeführt. Die Orte wurden anhand der Karte aus Abbildung 5 und 6 gewählt. Kriterien für die Auswahl waren, das Vorliegen einer erhöhten Schadstoffkonzentration sowie Orte, an denen sich eine Vielzahl an Menschen aufhalten. So fiel zum einen die Wahl auf die Hauptverkehrsachse in der Innenstadt mit anliegenden Wohngebäuden und zum weiteren auf das Industriegebiet im Süden mit seinen angrenzenden Bürogebäuden. Die beiden Orte sind durch Quadrate in Abbildung 2 und 6 gekennzeichnet.

Von Juli bis November 2019 wurden stationäre Messungen an beiden Orten über je mehrere Wochen durchgeführt (Abbildung 3). Da die Messungen auch noch kein vollständiges Jahr abdecken, wurde ebenfalls aus den Messwerten ein extrapolierter Jahresmittelwert ermittelt. Dieses Mal bezogen sich an jedem Ort die Messdaten auf mehrere hundert Stundenmittelwerte und vor allem zu einer wärmeren Jahreszeit. Zu berücksichtigen ist, dass die Messungen nicht zum gleichen Zeitraum wie die mobilen Messungen stattfanden. Eine gewisse Änderung durch ein unterschiedliches Verkehrsaufkommen / Fahrzeugflotte aber auch meteorologische Einflussgrößen sind daher möglich.

Das Ergebnis ist in Abbildung 7 gezeigt und in der Karte Abbildung 6 als Quadrate eingezeichnet. Es zeigt sich eine recht gute Übereinstimmung, wobei die stationären Messungen an der Hauptverkehrsstraße in der Innenstadt (Schwetzinger Straße) einen leicht höheren Jahresmittelwert von 31 µg/m³ (gegenüber 27 µg/m³) nahelegen. Im Industriegebiet (Dietmar-Hopp-Allee) wurde exakt der gleiche extrapolierte Jahresmittelwert von 22 µg/m³ bestimmt. Die stationären Messungen bestätigen daher die mobilen Messungen und die bestimmte NO2 Karte der extrapolierten Jahresmittelwerte aus Abbildung 6.

Abbildung 7: Vergleich extrapolierter Jahresmittelwerte, bestimmt aus den stationären Standmessungen und aus den vorherigen mobilen Fahrradmessungen. Die Schwetzinger Straße liefert den Vergleich in der Hauptverkehrsstraße im Stadtzentrum, und die Dietmar-Hopp-Allee im Industriegebiet im Süden.

Identifizierung von Hauptemittenten

Um die NO2 Schadstoffbelastung zu reduzieren, ist eine Identifikation der Hauptursachen, und daher der hauptemittierenden Fahrzeuge, wichtig. Im Konkreten ist die Fragestellung, ob das generell höhere Fahrzeugaufkommen die höheren Schadstoffbelastungen verursacht, oder einzelne Fahrzeuge. Z. B. wäre es von Interesse zu prüfen, ob die Busse des ÖPNV hier wesentlich beitragen. In Abbildung 8 ist ein Ausschnitt der NO2 Zeitreihe dargestellt, gemessen in der Schwetzinger Straße. Durch die hohe Zeitauflösung des verwendeten ICAD Messsystems mit 2 Sekunden können auch hohe zeitliche Variationen dargestellt werden. Aus der Abbildung lässt sich eine sehr hohe zeitliche Variation der NO2 Konzentration beobachten. Die hohen, kurzzeitigen Konzentrationsanstiege können dem vorbeifahrenden Verkehr zugeschrieben werden. Ziel ist es, die Fahrzeuge der besonders hohen Peaks zu bestimmen, da durch deren Ausschluss die mittlere NO2 Schadstoffkonzentration am stärksten (gemessen pro Fahrzeug) reduziert werden kann.

Abbildung 8: Ausschnitt der NO2 Zeitreihe der stationären Messung. Erkennbar ist deutlich die starke Variabilität auf sehr kurzen Zeitskalen (oft wenige Sekunden).

Stichprobenartig erfolgte ein manueller Vergleich der NO2 Konzentrationspeaks mit dem vorbeifahrenden Verkehr. Auf Grund des Datenschutzes war kein Vergleich über den gesamten Zeitraum möglich. Lkw sind nur vereinzelt für die lokale Anlieferung von Bedeutung und spielen nur eine untergeordnete Rolle. Ein wichtiges Ergebnis war, dass die ÖPNV Busse keine Verursacher der NO2 Konzentrationspeaks darstellen. Dies sollte an dem hauptsächlichen Einsatz von EURO VI Bussen liegen, für den sich die Stadt Walldorf eingesetzt hatte. Dies ist deutlich unterschiedlich zu anderen Untersuchungen in Städten mit hohem Anteil älterer Busse [Oesterle und Pöhler, 2015]. Somit kann der ÖPNV Busverkehr als Hauptquelle der NO2 Konzentrationen in Walldorf ausgeschlossen werden.

Die Konzentrationspeaks in Walldorf treten oft bei Fahrzeugkolonnen oder Fahrzeuganstauungen auf. Wenn Konzentrationspeaks einzelnen Fahrzeugen zuordenbar sind, handelt es sich i. d. R. um ältere Dieselfahrzeuge. Vor allem Kleintransporter und Klein-Lkw älteren Baujahres stechen hier heraus wie auch manche ältere Diesel-Pkw bis EURO V.

Tages- und Wochenvariation

Untersucht wurden auch der Tages- und Wochenverlauf der NO2 Konzentrationen (Abbildung 9 und 10). Es konnte der erwartete Tagesgang beobachtet werden mit Konzentrationsminima in der Nacht und am Mittag. Zur Hauptverkehrszeit am Morgen und Abend ist die höchste NO2 Konzentration vorzufinden. Mittags sind auf Grund der Photolyse von NO2 zu NO und Ozon, die NO2 Konzentrationen verringert. In der Innenstadt (Schwetzinger Straße) ist die Konzentration höher auch im mittleren Tagesgang, als im Industriegebiet (Dietmar-Hopp-Allee). Vor allem zeigt sich in der Innenstadt eine deutlich stärkere NO2 Konzentration im Abend-Peak. Ursachen können zusätzliche Emissionen durch Heizungen sowie Verkehr zum Einzelhandel sein.

Ein interessantes Bild zeigt der Wochengang. Liegen an beiden Messorten die Konzentrationen wochentags am höchsten, so zeigt sich in der Innenstadt am Samstag und Sonntag eine ähnliche verringerte NO2 Belastung. Im Industriegebiet (Dietmar-Hopp-Allee) zeigt sich eine besonders starke Reduktion zum Sonntag, wenn der Verkehr besonders gering im Industriegebiet ist und sich wenig Menschen dort aufhalten. Dies reduziert auch den Jahresmittelwert an diesem Standort. Zu bedenken ist, dass der geringere Mittelwert jedoch nicht die wahre NO2 Belastung an diesem Ort wiedergibt, wenn sich Menschen in dessen Umfeld (wochentags) aufhalten.

Abbildung 9: Bestimmter mittlerer Tagesverlauf aus den stationären Messungen 2019.

Abbildung 10: Änderung der NO2 Konzentration mit dem Wochentag, ermittelt aus den stationären Messungen 2019

Zusammenfassung

Die präsentierte Studie zeigt, dass es möglich ist, mit wenigen wiederholten mobilen Messungen mit hoher zeitlicher Auflösung und ausreichender Messgenauigkeit zuverlässig Jahresmittelwerte der NO2-Luftverschmutzung abzuleiten. Damit kann die tatsächliche Luftverschmutzung in einer Stadt in großem Maßstab bestimmt und somit Orte erhöhter und niedriger Belastung einfach identifiziert werden. Dafür ist eine Wiederholung der mobilen Messungen, 20 und mehr, auf einer festen Route zu verschiedenen Tageszeiten und Wetterbedingungen sinnvoll, um die natürlichen Variationen verlässlich gut abzubilden. Vor allem müssen verschiedene Tageszeiten und Windverhältnisse abgedeckt sein. Zur Berechnung eines extrapolierten Jahresmittelwertes werden Messdaten einer Umweltmessstation in der Nähe herangezogen. In der gezeigten Studie in Walldorf liegen die extrapolierten Jahresmittelwerte flächendeckend unter dem NO2 Grenzwert von 40 µg/m³.

Die bestimmten Jahresmittelwerte wurden in einer zweiten Kampagne mit intensiven stationären Messungen validiert. Die bestimmten Jahresmittelwerte stimmten innerhalb von ~ 10% überein (trotz zeitlich unterschiedlichem Messzeitraum) und belegen die Ergebnisse der mobilen Messung, nicht nur für diese Standorte, sondern allgemein für diese Methode. Aufgrund der hohen zeitlichen Auflösung der Daten können zusätzliche Emissionsquellen identifiziert werden. So konnte in Walldorf keine Korrelation mit dem Busverkehr beobachtet werden, was diesen in diesem Fall als einen der Hauptverursacher ausschließt. Ältere Transporter und Dieselfahrzeuge zeigten am ehesten eine Übereinstimmung mit den Schadstoffpeaks.

Referenzen

Fischer O., Weinreich M., Pöhler D. (2019), Stickstoffdioxid Messungen Walldorf, Ergebnisbericht für die Stadt Walldorf, Universität Heidelberg.

Fischer O. und Pöhler D. (2020), Stationäre Stickstoffdioxid Messungen Walldorf, Ergebnisbericht für die Stadt Walldorf, Universität Heidelberg.

Riedner S. (2019), Emissionsmessung der NO2 Konzentration für Fahrradfahrer mit einem ICAD Messinstrument in Mannheim und Ludwigshafen, Staatsexamensarbeit Universität Heidelberg.

Fischer O. (2018), Investigating the Personal Exposure of NO2 for Cyclists – A Field Test in Heidelberg, Bachelorarbeit, Universität Heidelberg.

Oesterle T. und Pöhler D. (2015), Stationäre NO2 -Messungen Parcusstraße Mainz, Bericht für die Stadt Mainz, Universität Heidelberg.