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1 Straßenseitenräume – Quellen oder Senken
Straßenseitenräume erfüllen vielfältige, in erster Linie bautechnische und verkehrstechnische Funktionen. Beispielsweise schützen die begrünten Nebenflächen die Verkehrsteilnehmer auf der Fahrbahn vor Störwirkungen durch Wind und optische Reize, die sonst in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn entstünden. Neben solchen überwiegend technischen Funktionen bieten Straßenseitenräume Raum für die Erfüllung eines Mindestmaßes an ökologischen Funktionen. Auch wenn das ökologische Potenzial von Straßenseitenräumen immer durch die vorrangig zu gewährleistenden technischen Funktionen und durch die Anforderungen der Verkehrssicherheit eingeschränkt wird, existieren vielfältige Belege, dass die Bedeutung von Straßenseitenräumen als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als Ausbreitungsachse nicht zu unterschätzen ist. Entsprechend existieren auch eine Vielzahl von Empfehlungen für eine naturnahe Entwicklung und Pflege dieser Flächen (z. B. Unterseher 2015, 2016a, b). Tatsächlich können Straßenseitenräume für die angewandte Umweltplanung zu einem Dilemma führen: Einerseits stellen sie wertvolle und gut vernetzte Habitate für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten dar, die inzwischen nur noch selten in der agrarisch intensiv genutzten Landschaft zu finden sind (z. B. Deckers et al. 2005; McCleery et al. 2015; Morelli et al. 2014, 2015; de Redon et. al 2015) – andererseits fordern die angrenzenden Verkehrswege bei einigen Tierarten Verluste durch Kollisionen mit dem Straßenverkehr oder beeinflussen die Tiere negativ durch Schadstoffemissionen oder Lärm (z. B. Erritzoe et. al 2003; Kociolek et al. 2011; Lima et al. 2014; Muñoz et al. 2015). Folglich wird in der Praxis oftmals die Frage gestellt, ob der Aufwand für die Entwicklung und die Unterhaltung ökologisch hochwertiger Lebensräume gerechtfertigt ist, oder die ansässigen Tierarten in der Summe negative Populationsentwicklungen erfahren – vor allem im Hinblick auf Arten, die dem speziellen Artenschutz gemäß §44BNatSchG unterliegen.
Negative Effekte durch Straßen auf Tierpopulationen wurden bereits in vielen Studien untersucht. Um die Frage nach der ökologischen Bedeutung straßennaher Lebensräume zu beantworten, sind jedoch allein populationsrelevante Wirkungen entscheidend, vor allem vor dem Hintergrund der ebenfalls diskutierten positiven Wirkungen von Straßenseitenflächen. Tatsächlich mangelt es häufig an eindeutigen Belegen der Populationsrelevanz straßenbedingter Wirkungen. Einen guten Überblick hierzu geben Fahrig und Rytwinski (2009) in einer Metastudie von 79 Einzelstudien. Den Autoren zufolge überwiegen zahlenmäßig die Studien, die negative Effekte dokumentieren. Es zeigten sich aber deutliche Unterschiede zwischen den betrachteten Tiergruppen. Für Amphibien wurden überwiegende negative Effekte belegt, für Vögel negative oder keine Effekte. Bei Kleinsäugern überwiegen positive oder keine Effekte, bei Mittelsäugern negative oder keine Effekte und bei Großsäugern negative.
An dieser Stelle setzt ein Forschungsvorhaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (FE 02.0372/2014/LRB) an und versucht, die Frage zu klären, ob Straßennebenflächen als „indirekte Fallen“ fungieren können. Der Begriff „indirekte Falle“ wird dabei im Sinne einer „ökologischen Senke“ gemäß der „Quellen-Senken-Theorie“ (betitelt nach Pulliam, 1988; Pulliam, Danielson, 1991) verstanden: Aufgrund negativer Populationseffekte oder zu geringer Fläche können sich ökologische Senken nicht selbst erhalten sondern sind von der Zuwanderung aus sogenannte Quellpopulationen abhängig. Damit leisten ökologische Senken nur einen begrenzten Beitrag zur Sicherung der örtlichen Population einer Art. Im Extremfall können ökologische Senken sogar die gesamte örtliche Population schwächen: Wenn die negativen Populationseffekte sich nicht unmittelbar, zum Beispiel in einer minderwertigen Habitatqualität zum Beginn der Reproduktion, widerspiegeln, sondern im Gegenteil sehr attraktiv erscheinen und eine Lockwirkung entfalten, spricht man von einer ökologischen Falle. In diesem Fall suchen Individuen zur Reproduktion bevorzugt Habitate auf, die einen geringen oder keinen Beitrag zum Reproduktionserfolg bedingen, also im Quellen-Senken-Kontext eine Senke darstellen.
Dadurch suchen im Extremfall weniger Individuen Quellhabitate auf. Daher soll im Rahmen des Forschungsvorhabens untersucht werden, ob in Straßennähe etablierte Teilpopulationen in der Summe positiven oder negativen Populationswirkungen unterliegen, also einen positiven Beitrag zum Erhalt der örtlichen Population liefern, oder einer indirekten Fallenwirkung unterliegen.
2 Untersuchungskonzept
Um eine indirekte Fallenwirkung eindeutig zu belegen oder auszuschließen, soll das Verhältnis zwischen Mortalität sowie ggf. anderen negativen Effekten und Reproduktionserfolg bzw. anderen positiven Effekten an Straßennebenflächen mit straßenfernen Lebensräumen verglichen werden. Ziel ist ein möglichst eindeutiger Nachweis, ob in Straßenseitenräumen in der Summe wirklich negative Effekte auf die dort vorkommenden Populationen vorherrschen.
Dazu wurden auf Basis einer Literaturrecherche drei Tierarten ausgewählt, für die umfangreiche negative Wirkungen (Mortalität, Störung etc.) anzunehmen sind und daher eine indirekte Falle vorliegen könnte: – Haselmaus (Muscardinus avellanarius) (vgl. Bild 1), – Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla), – Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus).
Für diese Arten wurden in einem ca. 47 km langen Abschnitt der Bundesautobahn A 6 im süddeutschen Raum in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern pro Art ca. zehn bis 15 Untersuchungsflächen an der Autobahn festgelegt. Zusätzlich wurde eine gleiche Zahl straßenferner Referenzflächen in mindestens 1 km Entfernung zur Autobahn oder anderen verkehrsreichen Straßen gewählt. In diesen Untersuchungsflächen sollen über insgesamt drei Jahre Populationsdaten gesammelt werden, um den Zustand der örtlichen Teilpopulationen beurteilen zu können (vgl. Tabelle 1). Zusätzlich waren für die Haselmaus und den Hauhechelbläuling genetische Untersuchungen vorgesehen, um auch langfristige Entwicklungen zu erkennen.
Bild 1: Gefangene Haselmausjungtiere mit Muttertier; letztere wurde genetisch beprobt (P. Jocher, ANUVA)
Tabelle 1: Übersicht über Untersuchungen
3 Haselmaus
Für die Haselmaus wurden folgende vier Habitatkategorien beprobt (vgl. Bild 2): – Hecken an der Autobahn, – Hecken in der freien Landschaft, – Waldränder an der Autobahn, – Waldränder in der freien Landschaft.
Das Niströhrenmonitoring (>1.600 Niströhren) ergab deutliche Unterschiede zwishen diesen Kategorien im Hinblick auf die relative Nachweishäufigkeit von Haselmäusen: Die höchste Nachweishäufigkeit ergab sich in beiden bisherigen Untersuchungsjahren in Hecken entlang der Autobahn (6,9 (Jahr 2017) und 9,2 (Jahr 2018) Nachweise/10 Niströhren). In Hecken in der freien Landschaft wurden dagegen nur wenige Tiere nachgewiesen (0) Jahr 2017und 0,5 (Jahr 2018) Nachweise/10 Niströhren). In den Waldrändern ergaben sich dagegen ähnliche Werte an der Autobahn und in der freien Landschaft, wobei beide Werte etwas niedriger liegen als bei den Hecken an der Autobahn (an der Autobahn 3,1 und 5,4 Nachweise/10 Niströhren, in der freien Landschaft 2,8 und 2,1 Nachweise pro 10 Niströhren).
Die Fang-Markierung-Wiederfang-Erhebungen unterstreichen die Ergebnisse des Niströhrenmonitorings: In beiden Untersuchungsjahren wurden in den heckenartigen Lebensräumen an der Autobahn mit Abstand die höchsten Populationsgrößen ermittelt (2017: 202 Tiere). Die Populationsgrößenschätzungen ergaben für die Waldränder an der Autobahn und in der freien Landschaft ähnliche Werte (88 und 54 Tiere), die jedoch deutlich unter dem Wert der heckenartigen Lebensräume an der Autobahn lagen. Umgerechnet auf Populationsdichten kommt die für Hecken entlang der Autobahn ermittelte Populationsdichte von 14,9 Individuen/ha nahe an die Maximalwerte von bis zu 15 Individuen/ha (Juškaitis, Büchner, 2010), die bislang ermittelt wurden. Die Waldränder an der Autobahn und in der freien Landschaft liegen mit 4,0 bzw. 4,3 Individuen pro ha im mittleren Bereich der dokumentierten Spannweite von 1-10 Individuen/ ha (Juškaitis, Büchner, 2010). Für heckenartige Lebensräume in der freien Landschaft konnte aufgrund der geringen Wiederfangraten keine Populationsgröße oder -dichte ermittelt werden.
Insgesamt wurden im Jahr 2017 107 und im Jahr 2018 199 Haselmäuse genetisch beprobt. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die Analyse der ersten 80 Proben von 2017.
Bild 2: Beispielfotos aus den vier betrachteten Kategorien (P. Jocher, ANUVA und J. Engler)
Die Analyse der genetischen Struktur belegte folgende genetische Gruppen: zwei genetische Hauptgruppen, die durch die Jagst getrennt sind (vgl. Bild 3). Die „Sachsenheim“-Gruppe westlich des Jagsttals unterteilt sich wiederum in eine westliche und eine östliche Gruppe. Die beiden Gruppen befinden sich in unterschiedlich strukturierten Landschaften. Während die westliche Kochertalgruppe (KOC) von Hangwäldern der Kocher mit ihren bewaldeten Seitentälern umgeben ist, liegt die östliche Gruppe (JAG – Jagsttalgruppe) in einer weitgehend waldfreien Agrarlandschaft, in denen die Begleitgehölze der Autobahn die einzigen durchgängigen Gehölzstrukturen bilden. Sonst beschränken sich Gehölzvorkommen auf vereinzelte, stark isolierte und kleine Vorkommen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die Haselmausvorkommen dieses Bereichs östliche „Vorposten“ der Kochertalgruppe bilden, die über die Autobahnbegleitgehölze mit dieser in Verbindung stehen.
Die östlich des Jagsttales vorkommende „Rosenberg“-Gruppe unterteilt sich ebenfalls in eine westliche und eine östliche Untergruppe, die sich im Bereich des Autobahnkreuzes Feuchtwangen/Crailsheim trennen. Nachdem ein Vergleich von Tieren nördlich und südlich der Autobahn keine genetische Trennwirkung der A 6 in diesem Bereich belegt, ist vermutlich auch die vorgenannte West-Ost-Trennung im Bereich der A 7 nicht auf deren Barrierewirkung zurückzuführen. Die BAB A 7 verläuft in einer Nord-Süd-orientierten Offenlandschneise um den Fluss Wörnitz, die auf Basis historischer Karten bis vor das Jahr 1890 zurückdatiert werden kann. Diese Schneise unterbricht in diesem Bereich westlich und östlich gelegene Wälder durchgängig und mit einer Breite von mindestens 1,5 km. Daher wird davon ausgegangen, dass die vorgefundene genetische Struktur auf die historische Landnutzung zurückzuführen ist.
Bild 3: Übersicht über genetische Gruppen (auf der Basis der genetischen Struktur)
Die Beprobung der Haselmaus im ersten Untersuchungsjahr ermöglichte schließlich einen Vergleich straßennaher und straßenferner Proben aus dem Bereich Schnelldorf (SCH). Wenngleich die straßenfernen Referenzflächen über einen Kilometer entfernt von den straßennahen Vorkommen an der A 6 lagen, zeigen sich nur sehr geringe Unterschiede in der genetischen Differenzierung. Diese Unterschiede sind um einiges kleiner als die Unterschiede zwischen den räumlichen Gruppen entlang der A 6. Somit scheinen die untersuchten großflächigen Waldflächen eine wirksame Vernetzung lokaler Vorkommen sicherzustellen.
In einer ergänzenden Masterarbeit (Behrendt, 2019) wurde der Frage nachgegangen, ob in autobahnnahen Waldrändern ein geringerer Prädationsdruck auf die Haselmaus herrscht als an autobahnfernen Waldrändern. Haselmäuse könnten in Straßenseitenräumen einen geringeren Prädationsdruck erfahren als in straßenfernen Gebieten. Ursächlich könnten Wildschutzzäune (für bodengebundene Prädatoren) oder betriebliche Wirkungen des Verkehrs sein: Prädatoren könnten optisch oder akustisch durch den Autoverkehr abgeschreckt oder in ihrem Jagderfolg eingeschränkt werden. Die statistische Auswertung der Daten ergab jedoch keinen signifikanten Unterschied in der Prädationsrate zwischen autobahnfernen und autobahnnahen Waldrändern, auch nicht unter Berücksichtigung der Lage des Wildschutzzauns (vgl. Bild 4). In den Straßenseitenräumen des Untersuchungsgebietes herrscht demnach – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Wildschutzzauns – derselbe Prädationsdruck wie in straßenfernen Bereichen.
Bild 4: Prädationsrate in Abhängigkeit vom Köderstandort (aus Behrendt, 2019)
4 Mönchsgrasmücke
Auch für die Mönchsgrasmücke wurden heckenartige Lebensräume und Waldränder an der A 6 und in der freien Landschaft miteinander verglichen. Es ergaben sich bei der Brutrevierkartierung große Unterschiede zwischen den Habitattypen (Friboese, 2018). Waldränder wiesen hierbei generell eine höhere Revierdichte (Reviere pro km) auf, als heckenartige Lebensräume (vgl. Tabelle 2). Waldränder an der Autobahn zeigten die meisten Reviere, heckenartige Lebensräume in der freien Landschaft die wenigsten. Sowohl bei heckenartigen Lebensräumen als auch bei Waldrändern wurde entlang der Autobahn eine höhere Anzahl Reviere festgestellt als in den entsprechenden Referenzflächen, die dann zum Teil aber auch wieder aufgegeben wurden.
Tabelle 2: Ergebnisse der Brutrevierkartierung 2018 (aus Friboese, 2018)
Bild 5: Zeitliche Entwicklung etablierter Gesangsreviere der Mönchsgrasmücke. Die Abbildung kumuliert die Beobachtungen und beschreibt die Gesamtentwicklung (aus Friboese, 2018)
Die Erfassungen zum Zeitpunkt der Revierbesetzung belegen, dass straßenferne Waldrandflächen früher besetzt werden als straßennahe Waldränder. Dies spricht für eine etwas höhere Attraktivität in den Augen der Mönchsgrasmücke. An der Autobahn wurden dann aber auch höhere Revierdichten erreicht (vgl. Bild 5).
Für die Erfassung des Bruterfolgs wurden im Untersuchungsjahr 2018 41 Nester mit Kameras beobachtet. Davon lagen 20 an in Begleitgehölzen der A 6 und 21 in Referenzflächen. Von allen Nestern wurden zehn erfolgreich bebrütet, was einer Quote von 24,4 % entspricht. Der Bruterfolg unterschied sich nicht zwischen Autobahn- und Referenzflächen (Uhe, 2018). Rund 56 % der Nester (n = 23) wurden von Prädatoren geleert. In elf Fällen (26.8 % aller Nester) ging dem Prädationsereignis ein Brutabbruch voraus. Bei den übrigen acht Nestern (19.5 %) kam es ebenfalls zu Brutabbrüchen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es nach bisherigem Kenntnisstand keine Unterschiede zwischen den Habitatkategorien im Hinblick auf Nestprädation bzw. Bruterfolg gibt.
Zusätzlich wurde 2018 eine Brutrevierkartierung für die gesamte Vogelgemeinschaft durchgeführt. Hier zeigten sich straßennahe Flächen unabhängig vom Habitat (Hecke/Waldrand) artenärmer und durch eine geringere Zahl von Territorien geprägt (vgl. Tabelle 3, Friboese, 2018. Die Unterschiede gegenüber den Referenzflächen betrugen 50 % in Waldrändern und 66 % in Hecken.
Tabelle 3: Ergebnisse der Brutrevierkartierung der gesamten Vogelgemeinschaft (aus Friboese, 2018)
5 Hauhechelbläuling
Im Hinblick auf den Hauhechelbläuling wurden Straßenseitenflächen der Kreisstraße 2576 zwischen den Bundesstraßen B 14 und B 19 westlich von Schwäbisch Hall untersucht, da an der BAB A 6 keine geeigneten Habitate für diese Art gefunden werden konnten. Die Populationsdichten der Tagfalter wurden auf vier Straßenbegleitflächen und auf vier Referenzflächen über die Jahre 2017 und 2018 ermittelt. Es ergaben sich in beiden Kategorien ähnliche Populationsdichten (straßennah 2.603 bis 5.530 Tiere/km2, straßenfern 2.482 bis 3.974 Tiere/km2).
An zwei der straßennahen Standorte (Standorte 1 und 2), wurden Schmetterlinge auf beiden Seiten der Straße markiert. Somit bestand die Möglichkeit, eine potentielle Barrierewirkung der Straße zu beobachten. Die Daten zeigen für alle vier Tagfalterarten, dass Individuen die Straße erfolgreich überflogen haben. Markierte Falter wurden auf Untersuchungsflächen auf der anderen Straßenseite wiedergefangen. Straßen stellten also für die untersuchten Tagfalterarten keine unüberwindbare Barriere dar.
Die genetischen Daten zeigen, dass keine signifikante genetische Differenzierung zwischen den 20 analysierten Populationen vorliegt. Eine Analyse der genetischen Diversitäten (Grad der Heterozygotie sowie die Anzahl von Allelen) zeigte ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen Populationen aus Straßenbegleitflächen und Referenzflächen. Auch der ermittelte Inzuchtkoeffizient zeigte keine Unterschiede zwischen Populationen mit und ohne Verkehrseinfluss.
Diese ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die ausgewählte Tagfalterart offensichtlich lokal in hohen Dichten auftritt und ein ausreichender Austausch von Individuen zwischen lokalen Populationen über die Landschaft erfolgt, und/oder die Art über ein hohes Bewegungsverhalten verfügt, und somit ein Austausch (und dadurch Genfluss) stattfindet. Lokalspezifische Effekte (z. B. langfristige, negative Effekte durch erhöhte Mortalität durch Verkehr) scheinen dadurch zu verblassen.
6 Fungieren Straßenseitenräume als Indirekte Fallen?
Auch wenn die Untersuchungen und Analysen noch nicht abgeschlossen sind, weisen die bisherigen Ergebnisse für keine der betrachteten drei Arten darauf hin, dass sie in den Straßenseitenräumen des Untersuchungsgebiets einer indirekten Fallenwirkung unterliegen. Die Haselmaus wurde in straßennahen Habitaten mit hoher Stetigkeit nachgewiesen, zum Teil höher als in der freien Landschaft. Auch die ersten genetischen Analysen belegen, dass die untersuchten Populationen keiner Inzucht unterliegen oder vom Zuzug aus anderen, straßenfernen Habitaten abhängig sind.
Die bislang erzielten Ergebnisse zur Mönchsgrasmücke belegen ebenfalls, dass für die Art eine generelle Lockwirkung von Straßenseitenflächen unwahrscheinlich ist. Straßenferne Flächen wurden früher besiedelt als straßennahe Flächen, was darauf hinweist, dass die „attraktivsten Plätze“ fern von Straßen zu finden sind. Zwar wurden in straßennahen Habitaten höhere Dichten singender Männchen festgestellt, aber in der Folge auch wieder mehr Revieraufgaben als in straßenfernen Habitaten. Welche Faktoren hierfür eine Rolle spielen ist unklar. Hinsichtlich des Bruterfolgs zeigten sich keine Unterschiede zwischen straßennahen und straßenfernen Lebensräumen, was auf vergleichbare Chancen zur erfolgreichen Reproduktion hinweist.
Im Hinblick auf den Hauhechelbläuling belegen die Ergebnisse aus den Jahren 2017 und 2018 keine wesentlichen Unterschiede in populationsökologischen Parametern zwischen straßennahen und -fernen Flächen. Auch die genetischen Analysen im aktuellen Stand weisen darauf hin, dass es den lokalen Populationen auf den Straßenseitenflächen nicht schlechter geht als straßenfernen Populationen.
Die bisherigen Ergebnisse deuten klar darauf hin, dass Straßenseitenräume zumindest für einige Arten als Ersatzlebensräume und Ausbreitungsachsen sehr wertvoll sein können. Die lokale Artgemeinschaft ist für manche Tiergruppen im Vergleich zu unbeeinträchtigten Lebensräumen jedoch reduziert, was zum Beispiel auf das Fehlen lärmempfindlicher Arten zurückgeführt werden kann (vgl. Garniel et al., 2007). Auch wenn aus diesem Blickwinkel das Potenzial von Straßenseitenräumen für die Biodiversität begrenzt ist, kann durch die Optimierung und den Erhalt ökologisch wertvoller Lebensraumfunktionen in Straßenseitenräumen ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der Biodiversität geleistet werden. Dies gilt vor allem dort, wo entsprechend hochwertige Strukturen in der umgebenden Landschaft selten sind.
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