FGSV-Nr. FGSV 002/143
Ort Potsdam
Datum 08.05.2025
Titel Pflanzung von gebietseigenen Gehölzen im Spannungsfeld naturschutzrechtlicher Vorgaben 1. Teil Naturschutzrechtlicher Rahmen
Autoren Philipp Blanke
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

Der Beitrag beleuchtet die naturschutzrechtlichen Vorgaben zur Verwendung von Pflanz- und Saatgut nach § 40 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Ausgehend vom völker- und europarechtlichen Hintergrund wird die Bedeutung der innerartlichen genetischen Vielfalt für den Biodiversitätsschutz herausgearbeitet. Der Fokus liegt auf dem Genehmigungsvorbehalt für das Ausbringen von Gehölzen und deren Saatgut außerhalb ihrer Vorkommensgebiete sowie auf den gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmigung. Dabei wird auf vollzugsrelevante Herausforderungen eingegangen, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit gebietseigener Herkunft. Abschließend wird die Möglichkeit einer Befreiung nach § 67 Absatz 1 BNatSchG erörtert.

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1 Schutz der innerartlichen Vielfalt

Die biologische Vielfalt umfasst nicht nur die Vielfalt der Ökosysteme und Arten, sondern auch die genetische Diversität innerhalb der Arten. Diese innerartliche Vielfalt resultiert unter anderem aus der evolutionären Anpassung an unterschiedliche abiotische und biotische Umweltbedingungen. Gebietseigene Pflanzen, die ihren genetischen Ursprung in der jeweiligen Region haben, sind in der Regel besser an die dortigen Bedingungen angepasst und reagieren weniger empfindlich auf Umweltveränderungen und Störungen, etwa infolge des Klimawandels (Frenz et al. 2009 m.w.N.). Im Gegensatz dazu kann die Einbringung gebietsfremder Pflanzen lokale Ökosysteme potenziell beeinträchtigen, etwa wenn andere Arten auf die gebietseigenen Wildpflanzen angewiesen sind (Ortner 2005 m.w.N.). Insgesamt ist die innerartliche Vielfalt essenziell für die Erhaltung von Populationen, Arten und den damit verbundenen Ökosystemfunktionen.

Der Schutz der biologischen Vielfalt ist Ziel der 1992 beschlossenen internationalen Biodiversitätskonvention (CBD). Nach Art. 2 CBD umfasst die biologische Vielfalt ausdrücklich auch die Vielfalt innerhalb der Arten. Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten in Art. 8 Buchst. h) CBD, soweit möglich und sofern angebracht, die Einbringung gebietsfremder Arten, die Ökosysteme, Lebensräume oder Arten gefährden, zu verhindern, zu kontrollieren oder zu beseitigen. Dies schließt aufgrund der Zielrichtung der Konvention auch gebietsfremde Populationen einer Art ein, soweit von ihnen eine solche Gefährdung ausgeht (vgl. Ortner, 2005). Damit enthält die CBD völkerrechtliche Maßgaben zur Differenzierung zwischen autochthonen und allochthonen Populationen innerhalb einer Art.

Im Europarecht dient insbesondere die FFH-Richtlinie der Umsetzung der Vorgaben der CBD und überträgt die entsprechenden Verpflichtungen auf die Mitgliedstaaten (Frenz; Hellenbroich, 2008). Dementsprechend heißt es im dritten Erwägungsgrund: „Hauptziel dieser Richtlinie ist es, die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern“. Bezüglich gebietsfremder Arten bestimmt Art. 22 Buchst. b) der FFH-Richtlinie, dass deren absichtliche Ansiedlung so geregelt werden muss, dass weder die natürlichen Lebensräume noch die einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten geschädigt werden. Sofern die Mitgliedstaaten es für notwendig erachten, ist eine solche Ansiedlung zu verbieten. Ähnliche Vorgaben finden sich zudem in Art.11 Abs. 2 Buchst. b) der Berner Konvention sowie in Art. 11 der Vogel-schutzrichtlinie. Im nationalen Recht werden diese Anforderungen insbesondere durch § 40 Abs. 1 BNatSchG umgesetzt, der im Folgenden im Hinblick auf das Ausbringen von Saat- und Pflanzgut näher erläutert wird.

2 Genehmigungsvorbehalt des § 40 Abs. 1 BNatSchG

§ 40 Abs. 1 BNatSchG:

„Das Ausbringen von Pflanzen in der freien Natur, deren Art in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt, sowie von Tieren bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Dies gilt nicht für künstlich vermehrte Pflanzen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen ist. Von dem Erfordernis einer Genehmigung sind ausgenommen:

  1. der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft, […]
  2. das Ausbringen von Gehölzen und Saatgut außerhalb ihrer Vorkommensgebiete bis einschließlich 1. März 2020; bis zu diesem Zeitpunkt sollen in der freien Natur Gehölze und Saatgut vorzugsweise nur innerhalb ihrer Vorkommensgebiete ausgebracht werden.“

2.1 Genehmigungsbedürftige Handlung

Nach § 40 Absatz 1 S. 1 BNatSchG bedarf das Ausbringen von Pflanzen in der freien Natur, deren Art in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt, der Genehmigung der zuständigen Behörde. Eine Pflanze wird ausgebracht, wenn sie bewusst in den Freiraum außerhalb von Gebäuden überführt und sich selbst überlassen wird (VG Arnsberg, Urteil vom 11. 2. 2019, 8 K 3527/17, Rn. 158, juris). Der Begriff „Pflanze“ umfasst dabei gemäß § 7 Absatz 2 Nr. 2 BNatSchG auch das Saatgut.

2.1.1  Freie Natur

Das Genehmigungserfordernis gilt ausschließlich für die freie Natur, die nicht nur weitgehend unbeeinflusste Naturräume umfasst, sondern als Gegenbegriff zum besiedelten Bereich zu verstehen ist. Dementsprechend zählen zur freien Natur im Sinne des § 40 Absatz 1 S. 1 BNatSchG sämtliche Flächen außerhalb besiedelter Bereiche. Aufgrund der Zielrichtung des Gesetzes kommt es dabei auf die tatsächliche und nicht auf die rechtliche Zuordnung der Fläche an. Nicht entscheidend ist daher die bauplanungsrechtliche Einteilung in Innen- und Außenbereiche nach § 35 BauGB (Skowronek et al. 2023, S. 49 f. m.w.N.).

Speziell für Verkehrswege enthält der Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze (BMU 2012) den Auslegungshinweis, dass Sonderstandorte (unmittelbarer Straßenseitenraum, Mittel- und Trennstreifen, Lärmschutzwände, Steilwälle, Stützbauwerke) an klassifizierten Straßen und Gemeindestraßen nicht zur freien Natur zählen, bei denen die Aspekte Lichtraumprofil, Gewährleistung der Verkehrssicherheit sowie Verträglichkeit gegenüber vorhandenen Emissionen und Salzfrachten vorrangig zu beachten sind und bei denen den Erfordernissen der Funktionssicherung nach § 4 Nr. 3 BNatSchG durch die Verwendung gebietseigener Gehölze nicht genügt werden kann. Als Beispiel wird die Pflanzung von Straßen- und Alleebäumen genannt, soweit lediglich speziell hierfür gezüchtete Sorten geeignet sind, das Lichtraumprofil einzuhalten und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. In solchen Fällen entfällt laut dem Leitfaden das Genehmigungserfordernis, da keine freie Natur im Sinne des § 40 Absatz 1 S. 1 BNatSchG anzunehmen ist (BMU, 2012, S. 9 f).

2.1.2 Vorkommensgebiete

Das Genehmigungserfordernis erstreckt sich gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 BNatSchG auf die Pflanzenarten, die in der jeweiligen Region nicht vorkommen bzw. seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommen. Genehmigungsfrei darf Saat- und Pflanzgut daher innerhalb der jeweiligen Vorkommensgebiete ausgebracht werden, die nach naturschutzfachlichen Kriterien zu bestimmen sind. Da jede Pflanzenart eine eigene genetische Differenzierung aufweist, wäre theoretisch eine artspezifische Festlegung erforderlich (vgl. Schumacher, Werk 2010). Um jedoch die Produktion und Prüfung von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut zu erleichtern, wurden einheitliche Gebietskulissen bestimmt (siehe zur Methodik Frenz et al. 2009). Für Gehölze und deren Saatgut werden im Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze (BMU, 2012) sechs Vorkommensgebiete festgelegt. Einige Bundesländer – Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg – haben diese Gebietskulisse aus naturschutzfachlichen Gründen weiter unterteilt (siehe zum Beispiel MLR BW 2014, S. 3). Ausgehend von dieser Gebietseinteilung wurde das „Fachmodul Gebietseigene Gehölze“ (BMUV 2023) entwickelt, auf dessen Grundlage die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen für gebietseigene Gehölze bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) erfolgt. Die Zertifizierungssysteme belegen die gebietseigene Herkunft der Gehölze und ermöglichen eine rechtssichere Anwendung des § 40 BNatSchG.

Die Gebietskulisse des „Fachmoduls Gebietseigene Gehölze“ unterscheidet sich von der Gebietskulisse für Saat- und Pflanzgut krautiger Arten. Für den Einsatz von regionalem Saat- und Pflanzgut krautiger Arten (Regiosaatgut) empfehlen BMUV und BfN, die in der Erhaltungsmischungsverordnung festgelegte Einteilung in 22 Ursprungsgebiete für die Bestimmung der Vorkommensgebiete zu verwenden (Skowronek et al. 2023, S. 47). Auch hierzu bestehen in Deutschland Zertifizierungssysteme wie etwa VWW Regiosaaten und RegioZert, die nachweisen, dass es sich bei dem angebotenen Saatgut um gebietseigenes Material handelt.

2.1.3 Umgang mit Nichtverfügbarkeit

Für eine rechtssichere Anwendung des § 40 BNatSchG anhand der Zertifizierungssysteme ist es entscheidend, dass in allen Vorkommensgebieten ausreichend gebietseigenes Saat- und Pflanzgut verfügbar ist (siehe zur Marktsituation den Beitrag von Dr.-Ing. Carsten Ludowig, Autobahn GmbH des Bundes, im zweiten Teil dieses Vortrags). Bei Ausschreibungen sollte der Bedarf an größeren Abnahmemengen frühzeitig gegenüber den Produzenten kommuniziert und eventuell eine Markterkundung durchgeführt werden. Ist gebietseigenes Pflanz- und Saatgut nicht verfügbar, können gegebenenfalls Alternativen in Betracht kommen – etwa die Verwendung anderer Arten (z. B. Begrünung durch krautige Pflanzen), abweichender Qualitäten (etwa hinsichtlich Wuchsstärke oder Alter), eine zeitliche Verschiebung bzw. Staffelung der Pflanzung oder eine Entwicklung der Vegetation durch natürliche Sukzession (vgl. Skowronek et al. 2023, S. 57 f.). Zudem könnten auf Bundes- oder Landesebene Empfehlungen erarbeitet werden, für welche Arten ein Rückgriff auf Ersatzherkünfte aus angrenzenden Vorkommensgebieten genehmigungsfrei erfolgen kann. So kann für Einzelarten, deren genetische Diversitätsmuster untersucht wurden, ein Austausch aus angrenzenden Vorkommensgebieten fachlich unbedenklich sein (siehe erste Ansätze zu krautigen Arten in Durka et al. 2024, S. 223 ff.). Darüber hinaus bedarf es klarstellender Empfehlungen für Vorhaben im Grenzbereich zweier Vorkommensgebiete: Reicht zum Beispiel eine Straßenrandbegrünung mit einem geringen Flächenanteil und einer geringen Distanz (mehrere 100 m) in ein angrenzendes Vorkommensgebiet hinein, ist dies aus fachlicher Sicht in der Regel unproblematisch. In solchen Fällen sollte nicht schematisch auf das Saatgut des benachbarten Gebiets zurückgegriffen werden müssen (Durka et al. 2024, S. 221). Sind diese Optionen nicht zielführend und soll stattdessen gebietsfremdes Saat- und Pflanzgut ausgebracht werden, ist hierfür grundsätzlich eine Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich (siehe dazu unten unter 2.3).

2.2 Ausnahmen von dem Genehmigungserfordernis

§ 40 Abs. 1 S. 2 und 4 BNatSchG enthalten verschiedene Ausnahmen vom Genehmigungserfordernis. Für die Ausbringung von Saat- und Pflanzgut ist insbesondere die Ausnahme des § 40 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 BNatSchG relevant. Danach ist der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft von dem Erfordernis einer Genehmigung ausgenommen. Stattdessen gelten die einschlägigen Bestimmungen des Forstrechts, insbesondere das Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) und die Forstvermehrungsgut-Herkunftsgebietsverordnung (FoVHgV). Abgrenzungsfragen ergeben sich beim Einsatz von Forstbaumarten für nicht forstwirtschaftliche Zwecke, da die Ausnahme nach § 40 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 BNatSchG hier nicht greift. Laut dem Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze sind in solchen Fällen die Herkunftsgebiete der FoVHgV heranzuziehen, sofern dort für die jeweilige Forstbaumart sechs oder weniger Herkunftsgebiete festgelegt sind. Andernfalls gilt die unter 2.1.2 dargestellte Gebietskulisse (BMU, 2012, S. 7).

Ferner besteht gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 BNatSchG kein Genehmigungserfordernis für künstlich vermehrte Pflanzen, wenn sie ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben. Dies betrifft beispielsweise in Vermehrungsplantagen oder ähnlichen Einrichtungen gezüchtetes Pflanzenmaterial, wenn das verwendete Ausgangsmaterial aus gebietseigenen Herkünften stammt (Skowronek et al. 2023, S. 52).

2.3 Voraussetzungen der Genehmigung

Wenn das Ausbringen von Saat- und Pflanzgut eine genehmigungsbedürftige Handlung darstellt und insoweit keine Ausnahme greift, bedarf es einer Genehmigung der zuständigen Behörde. In den meisten Bundesländern sind dies die unteren Naturschutzbehörden der Landkreise oder kreisfreien Städte. In einigen Ländern gelten aber auch abweichende Regelungen, etwa in Baden-Württemberg, wo nach § 58 Abs. 3 Nr. 9b Naturschutzgesetz die höheren Naturschutzbehörden (zumeist die Regierungspräsidien) zuständig sind. Für das Ausbringen von Pflanzenarten, die in Deutschland bislang nicht vorkommen, sowie für Maßnahmen in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder im Bereich des Festlandsockels ist nach §§ 40 Abs. 2, 58 Abs. 1 BNatSchG das Bundesamt für Naturschutz die zuständige Behörde.

Die Genehmigung ist gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 BNatSchG zu erteilen, wenn eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten der EU-Mitgliedstaaten auszuschließen ist. Da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, besteht ein Anspruch auf die Genehmigung, sofern eine solche Gefährdung auszuschließen ist. Eine Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen oder Arten ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ernst zu nehmende Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass gebietseigene Wildpflanzen am Ausbringungsort oder darüber hinaus verdrängt oder durch Auskreuzung genetisch verändert werden könnten (Skowronek et al. 2023, S. 52 m.w.N.). Sollen Neophyten ausgebracht werden, kann die potenzielle Invasivität anhand der Methodik der naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertung bewertet werden (Nehring et al. 2025). Generell verboten ist die Freisetzung von Arten, die in der Unionsliste invasiver gebietsfremder Arten nach Art. 4 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1143/2014 aufgeführt sind. Eine aktuelle Übersicht über die gelisteten Arten und die jeweiligen Stichtage ist unter neobiota.bfn.de verfügbar (zuletzt aufgerufen 25. 4. 2025).

2.4 Naturschutzrechtliche Befreiung

Liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht vor, kann im jeweiligen Einzelfall auch eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG in Betracht gezogen werden. Danach kann auf Antrag von den Anforderungen des § 40 BNatSchG abgewichen werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialen und wirtschaftlichen Art, notwendig ist oder die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Die Befreiung dient dazu, besonderen Umständen Rechnung zu tragen, in denen die Anwendung einer abstrakt-generellen Norm zu unbilligen Ergebnissen führen würde. Die Befreiung kommt daher nur in atypischen, vom Gesetzgeber nicht vorhergesehenen Einzelfällen in Betracht (Lau, 2021).

Die Problematik eingeschränkter Verfügbarkeit von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut wurde vom Gesetzgeber erkannt und mit einer zehnjährigen Übergangsfrist bis März 2020 berücksichtigt, um Marktteilnehmern die Umstellung auf die Genehmigungspflicht zu erleichtern (BT-Dr. 16/12274, S. 69). Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich ein atypischer Fall allein mit einem Hinweis auf fehlende Marktverfügbarkeit begründen lässt. Zudem ist im Antrag konkret darzulegen, worin das überwiegende öffentliche Interesse besteht oder weshalb im jeweiligen Einzelfall eine unzumutbare Belastung vorliegt. Hierbei sind etwa die Dringlichkeit des Vorhabens, erhebliche zeitliche Verzögerungen, unverhältnismäßige Kostensteigerungen oder planerische Zwänge zu belegen. Ferner sind Angaben dazu erforderlich, welche alternativen Maßnahmen in Betracht kommen und warum deren Umsetzung im konkreten Fall nicht zumutbar ist – etwa der Einsatz anderer Arten, eine zeitliche Verschiebung bzw. Staffelung der Pflanzung oder eine Entwicklung der Vegetation durch natürliche Sukzession. Die abschließende Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls obliegt der zuständigen Behörde, die im Rahmen ihres Ermessens sowohl naturschutzfachliche als auch praktische Belange gegeneinander abwägen muss.

Literaturverzeichnis

BMU (2012): Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

BMUV (2023): Fachmodul „Gebietseigene Gehölze“ als Grundlage für einen entsprechenden „Scope“ zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen für Gehölze bzw. Gehölzsaatgut gebietseigener Herkunft bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS). Erstmals veröffentlicht 2019, zuletzt aktualisiert 2023. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

Durka, W.; Michalski, S.; Höfner, J.; RegioDiv-Konsortium (2024): RegioDiv – Genetische Vielfalt krautiger Pflanzenarten in Deutschland und Empfehlungen für die Regiosaatgut-Praxis. BfN-Schriften 687.

Frenz, W.; Hellenbroich, T. (2008): Naturschutzrechtliche Vorgaben zur Verwendung gebietseigener Gehölze. Natur und Recht 2008. S. 449 – 456.

Frenz, W.; Hellenbroich, T.; Seitz, B. (2009): Anpflanzung von Gehölzen gebietseigener Herkünfte in der freien Landschaft – rechtliche und fachliche Aspekte der Vergabepraxis. BfN-Skripten 262.

Lau, M. (2021), in: Frenz, W.; Müggenborg, H.-J. (Hrsg.): BNatSchG – Bundesnaturschutzgesetz Kommentar. 3. Aufl. Erich Schmidt Verlag. Berlin. § 67 Rn. 2.

MLR BW (2014): Hinweise zum Vollzug des § 40 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz zur Verwendung gebietseigener Gehölze sowie gebietseigenen Saat- und Pflanzguts. Az.: 62-8872.00. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.

Nehring, S.; Rabitsch, W.; Heger, T.; Jeschke J.; Saul W-C., (2025): Methodik der naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertung für gebietsfremde Arten (NIB) – Version 2.0. BfN-Schriften 723.

Ortner, D. (2005): Zur naturschutzrechtlichen Verpflichtung der Verwendung autochthonen Saat- und Pflanzguts bei der Straßenbegleitbegrünung. Natur und Recht 2005. S. 91 – 99.

Schumacher, A.; Werk, K. (2010): Die Ausbringung gebietsfremder Pflanzen nach § 40 Abs. 4 BNatSchG. Natur und Recht 2010. S. 848 – 853.

Skowronek, S.; Eberts C.; Blanke P.; Metzing D. (2023): Leitfaden zur Verwendung von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut krautiger Arten in der freien Natur Deutschlands. Hinweise zur Umsetzung des § 40 Absatz 1 BNatSchG. BfN-Schriften 647.