FGSV-Nr. FGSV 002/125
Ort Koblenz
Datum 09.05.2019
Titel Management von Verkehrsbegleitflächen – Förderung der Biodiversität und Umgang mit gebietsfremden Arten
Autoren Dr. Pia Bartels, Dipl.-Biol. Dr. Daniel Esser, Dipl.-Biol. Dr. Nicole Heibeck, Dipl.-Biol. Dr. Marion Leiblein-Wild
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

Verkehrsbegleitflächen können wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten bieten und damit einen Beitrag zum Erhalt und der Förderung der Biodiversität leisten. Gleichzeitig kommen aber auch gebietsfremde Pflanzenarten (Neophyten) auf Verkehrsbegleitflächen vor und breiten sich bevorzugt entlang dieser aus. Einige dieser Arten können eine Gefahr für die Biodiversität darstellen, hohe ökonomische Kosten verursachen oder die menschliche Gesundheit gefährden. Ziel der beiden Schwerpunktthemen SPT 201 „Ökologische Vernetzung“ und SPT 202 „Neobiota“ im BMVI-Expertennetzwerk ist es, verkehrsträgerübergreifende Managementpläne zur Prävention der Ein- und Ausbreitung von gebietsfremden Arten und zur Förderung der Biodiversität auf Verkehrsbegleitflächen zu entwickeln. Um eine verlässliche Einschätzung zu erhalten, inwieweit Neophyten bereits an Bundesstraßen und der Schiene etabliert sind und welche Problematik daraus resultiert, wurde eine online-Umfrage entwickelt, die an die zuständigen Betriebsdienste der Bundesländer und die Außenbezirke der DB Netz gerichtet wurde. Hierzu werden die vorläufigen Ergebnisse vorgestellt. Diese sollen helfen, effiziente Bekämpfungsmaßnahmen und Strategien zur Vermeidung der Einbringung und Ausbreitung von Neophyten zu entwickeln. Mittel- bis langfristig sollen diese zur (Kosten-) Entlastung bei der Unterhaltung bestehender und der Planung zukünftiger Infrastruktureinrichtungen führen.

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1 Eine neue Perspektive

Tier- und Pflanzenarten richten ihr Verhalten nach den lokalen ökologischen Gegebenheiten, nicht aber nach administrativen Grenzen oder Zuständigkeiten. Deshalb dürfen Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität und dem Management von gebietsfremden Arten (Neobiota) nicht isoliert angewandt werden, sondern erfordern eine verkehrsträgerübergreifende Abstimmung. Das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2016 ins Leben gerufene BMVI-Expertennetzwerk hat es sich zur Aufgabe gemacht, verkehrsträgerübergreifende Lösungen für eine nachhaltige und umweltgerechte Gestaltung der Infrastruktur zu entwickeln. In den beiden Schwerpunktthemen „Ökologische Vernetzung zur Förderung der Biodiversität und der strukturellen Lebensraumvielfalt“ und „Entwicklung praxisorientierter und präventiver Unterhaltungsstrategien zur Kontrolle und Minimierung der Beeinträchtigungen durch gebietsfremde Arten (Neobiota)“ wird das ökologische Potenzial von Verkehrsbegleitflächen mit besonderem Blick auf verkehrsträgerübergreifende Möglichkeiten der Lebensraumvernetzung und des Managements problematischer gebietsfremder Arten untersucht.

1.1 Ökologisches Potenzial und Neobiota

Verkehrsbegleitflächen an Straßen, Schienen oder Wasserstraßen unterliegen im Gegensatz zu land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen keinem produktionsorientierten Nutzungsdruck und bergen daher ein großes Potenzial, positiv zur biologischen Vielfalt und den naturschutzrechtlichen Belangen beizutragen. Vor dem Hintergrund eines andauernden Landschaftswandels und künftiger Klimaveränderung nimmt der ökologische Wert solcher Flächen zu. Sie können für manche Arten wertvolle Refugiallebensräume und Ausbreitungsachsen darstellen. Allerdings sind die Potenziale der Verkehrsbegleitflächen für den Erhalt und die Entwicklung der Biodiversität noch unzureichend analysiert und daher nicht ausreichend ausgeschöpft. Vor allem die lineare und vernetzte Ausrichtung der Verkehrsbegleitflächen kann zudem ein Verbindungssystem darstellen, das einerseits die Lebensräume an und über verschiedene Verkehrsträger (Straße, Schiene, Wasserstraße) und andererseits diese wiederum mit dem Umfeld verbindet. Somit können Verkehrsbegleitflächen eine erhebliche Bedeutung als Rückzugs- und Verbindungselemente in unserer heutigen kultur- und agrarwirtschaftlich geprägten Landschaft einnehmen.

Gleichzeitig spielt die Verkehrsinfrastruktur aber auch eine entscheidende Rolle bei der Einbringung, Ausbreitung und Etablierung von Neobiota (Rabitsch et al., 2018). Die als invasiv eingestuften Arten können die heimische Biodiversität gefährden, hohe ökonomische Kosten verursachen oder die menschliche Gesundheit gefährden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (im nationalen Recht umgesetzt durch § 40a-f BNatSchG) ist ein verbindlicher rechtlicher Rahmen geschaffen worden, der den Umgang mit invasiven Tier- und Pflanzenarten der Unionsliste für alle Mitgliedstaaten regelt. Das Gesetz zielt dabei auf die Vermeidung der Einbringung, die Schaffung von Überwachungs- und Frühwarnsystemen, die Beseitigung von Populationen invasiver Arten in frühen Invasionsphasen und das Management bereits etablierter Populationen ab. Da Verkehrsbegleitflächen ein erhöhtes Vorkommen von invasiven Pflanzenarten aufweisen bzw. ein erhöhtes Invasionsrisiko erfahren, könnten Verkehrsbegleitflächen in Zukunft eine wichtige Rolle in der Prävention und dem Management von invasiven Arten spielen.

2 Die Relevanz gebietsfremder Arten für den Verkehrssektor

Neben den ökologischen Auswirkungen auf die einheimische Artenvielfalt verursachen einige gebietsfremde Pflanzenarten eine Vielzahl von Problemen, die einen direkten Einfluss auf die Sicherheit im Verkehr oder für die Betriebsdienste darstellen können. Schnell- und hochwüchsige Arten wie der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) können durch Zu- oder Überwachsen von Seiten- und Mittelstreifen an Bundesstraßen und -autobahnen oder im Randbereich von Bahnübergängen ein Sicherheitsrisiko für den Verkehr darstellen und die Infrastruktur selbst schädigen. Bei einjährigen Pflanzen wie dem drüsigen Springkraut (Impatiens glandulifera) kann es nach Absterben am Ende der Vegetationsperiode zu erhöhter Erosionsgefahr an Hanglagen oder an Böschungen kommen. Andere Arten, wie der gewöhnliche Sommerflieder (Buddleja davidii) oder der Götterbaum (Ailanthus altissima) können Schäden an Bauwerken oder der Infrastruktur selbst verursachen, da sie oft in den kleinsten Spalten wachsen können. Zuletzt können gesundheitsschädliche Arten wie die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) oder die Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum) ein Risiko für das Betriebsdienstpersonal darstellen. Die Ambrosie kann Allergien und Asthma auslösen, während Hautkontakt mit der Herkulesstaude im Sonnenlicht schwere Verbrennungen zur Folge haben kann. Daher sollte die Herkulesstaude nur mit ausreichender Schutzkleidung entfernt werden. Viele dieser Arten sind schwer zu beseitigen und für einen wirkungsvollen und nachhaltigen Umgang bedarf es in der Regel Maßnahmen, die über die Standardpflege hinausgehen und somit einen erhöhten Pflegeaufwand für die Betriebsdienste bedeuten können.

3 Die aktuelle Situation an den Verkehrsträgern Straße und Schiene

Um eine verlässliche Einschätzung über den Status quo des Vorkommens und den sich für die Praxis ergebenden Problemen mit invasiven Arten an den Verkehrsträgern Straße und Schiene zu erhalten, wurde eine online-Umfrage entwickelt, die an die Betriebsdienste der Bundesländer und die Außenbezirke der DB Netz gerichtet wurde.

3.1 Artenauswahl

Besonders hervorgehoben in der Umfrage wurden solche Arten (Tabelle 1), die aus den oben genannten Gründen relevant für den Verkehrssektor sein können, und solche, die auf der Unionsliste (Nehring & Skowronek, 2017) aufgeführt oder vom Bundesamt für Naturschutz als invasiv („Schwarze Liste“) oder potenziell invasiv („Graue Liste“) eingestuft wurden (Nehring et al., 2013).

Dabei schließt die Schwarze Liste solche Arten ein, die als invasiv gelten, da im jeweiligen Bezugsgebiet belegt ist, dass sie entweder heimische Arten direkt gefährden oder Lebensräume so verändern, dass dies heimische Arten (indirekt) gefährdet. Alle hier aufgeführten Schwarze-Liste-Arten kommen großräumig vor (Nehring et al., 2013). Für solche Arten sind Maßnahmen häufig nur lokal sinnvoll. Ziel sollte hier sein, den negativen Einfluss auf besonders schützenswerte Arten, Lebensräume oder Gebiete zu verringern. Angemessen sind auch eine Überwachung von Bestandsentwicklung, Verbreitung und der Gefährdung der Biodiversität. Hier ist es dringend erforderlich, effektive und standardisierte Bekämpfungsmethoden oder zumindest verbesserte Kontrollen zu entwickeln.

Für die Arten der Grauen Liste sind negative Auswirkungen aufgrund eines ungenügenden Wissenstandes noch nicht endgültig belegt, es liegen aber begründete Annahmen vor, dass sie heimische Arten direkt gefährden oder Lebensräume so verändern, dass dies heimische Arten (indirekt) gefährdet. Diese Einschätzung ist jedoch bereits ausreichend, um lokale Bekämpfungsmaßnahmen zu motivieren.

Tabelle 1: Liste der Arten, die in der Umfrage besonders hervorgehoben wurden

Zudem hatten die Teilnehmer der Umfrage die Möglichkeit, weitere problematische Arten (gebietsfremde oder einheimische Tier- und Pflanzenarten) von sich aus zu nennen. Insgesamt haben 293 Autobahn- und Straßenmeistereien und 26 Außenbezirke der DB Netz an der Umfrage teilgenommen (Stand 24.10. 2018). Da die Umfrage noch nicht endgültig abgeschlossen ist, werden hier die vorläufigen Ergebnisse präsentiert.

3.2 Vorkommen gebietsfremder Arten

Die Teilnehmer wurden nach einer Einschätzung des Vorkommens der jeweiligen Art in ihrem Zuständigkeitsbereich in „vereinzelt“, „wenige Gruppen“, „flächig“, „unbekannt“ oder „kommt nicht vor“ gefragt.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass alle hervorgehobenen Arten an beiden Verkehrsträgern vorkommen (Bild 1). Dabei gibt es Gemeinsamkeiten bei den beiden Verkehrsträgern, wie ein hohes Vorkommen von Japanischem Staudenknöterich. 81,9 bzw. 76,9 % der Teilnehmer der Betriebsdienststellen der Straße und Bahn gaben an, dass der Knöterich in ihrem Zuständigkeitsbereich vorkommt. Sommerflieder und Kartoffel-Rose kommen an beiden Verkehrsträgern selten vor. Ambrosie, Herkulesstaude und Lupine kommen vermehrt an der Straße vor, wobei hier 95,6 % aller Teilnehmer ein Vorkommen der Herkulesstaude in ihrem Zuständigkeitsbereich angaben. Robinie, Götterbaum und Goldrute weisen währenddessen eine stärkere Verbreitung an der Schiene auf. Die Ergebnisse sind eine konservative Einschätzung des tatsächlichen Vorkommens der verschiedenen Arten, da ein Großteil der Teilnehmer angab, dass ihnen das Vorkommen in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht bekannt sei.

Bild 1: Anteil der Betriebsdienststellen, bei denen ein Vorkommen (vereinzelt, wenige Gruppen, flächig) der aufgeführten Arten angegeben wurde

3.3 Probleme in der Unterhaltung

Die Teilnehmer wurden gebeten zu beschreiben, welche Probleme mit den aufgeführten Arten in ihrem Zuständigkeitsbereich auftreten. Hier war es möglich, zwischen erhöhtem Pflegeaufwand, Sichtbehinderung, Bauwerksschäden, gesundheitlichen Problemen oder keinen Problemen zu unterscheiden. Mehrfachantworten waren möglich, wenn eine Art mehrere Probleme verursacht.

Bild 2: Anteil der Betriebsdienststellen, in denen die aufgeführten Arten Probleme verursachen (erhöhter Pflegeaufwand, Sichtbehinderung, Bauwerksschäden oder gesundheitliche Probleme)

Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den beiden Verkehrsträgern (Bild 2). An der Schiene scheinen gebietsfremde Arten häufiger Probleme zu verursachen als an der Straße. So wurden Robinie, Götterbaum und Sommerflieder vermehrt an der Schiene genannt. Die problematischsten Arten für beide Verkehrsträger waren die Herkulesstaude und der Japanische Staudenknöterich.

Zusätzlich wurden die Teilnehmer gebeten, weitere Arten aufzuführen, die in ihren Zuständigkeitsbereich Probleme verursachen. Hier konnten gebietsfremde oder einheimische Tier- und Pflanzenarten aufgeführt werden. Die Teilnehmer der Straßenbetriebsdienste führten eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten an. Am häufigsten (34,1 % der Betriebsdienststellen) wurde das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea) genannt. Da das Jakobskreuzkraut stark leberschädigend ist und deshalb hoch toxisch für Vieh ist (Wiedenfeld, 2011), aber auch im Honig nachgewiesen werden kann (Deinzer et al., 1977), werden die Betriebsdienste häufig von anliegenden Landwirten oder Imkern um eine Bekämpfung gebeten. Weiterhin wurden wühlende Tiere, wie Maus, Maulwurf, Kaninchen (9,6 %), Eichenprozessionsspinner (6,5 %), verschiedene Strauch- und Baumarten (3,8 %), der Biber (3,1 %) und Pilz- bzw. Bakterienbefall wie das Erlensterben oder Feuerbrand (2,1 %) aufgeführt. Vereinzelt wurden weitere 28 Tier- und Pflanzenarten (z. B. Orientalisches Zackenschötchen, Disteln, Wildschweine, Waschbär) aufgeführt.

Die Teilnehmer der Betriebsdienste der DB Netz gaben verschiedene Strauch- und Baumarten an (hier vor allem die Gattung Populus) und den Eichenprozessionsspinner. Vereinzelt wurden auch die bereits bei der Straße aufgeführten Arten genannt (Bild 3).

Bild 3: Junger Götterbaumbestand im Gleisbereich (Foto © M. Leiblein-Wild)

3.4 Bekämpfungsmaßnahmen

85,7 % der Teilnehmer des Straßenbetriebsdienstes und 67,9 % der Teilnehmer der Betriebsdienste der Bahn gaben an, schon einmal Neophyten in ihrem Zuständigkeitsbereich bekämpft zu haben. Des Weiteren wurden die Teilnehmer gefragt, gegen welche der aufgeführten Arten Maßnahmen ergriffen wurden. Dabei wurden die Arten, die vermehrt Probleme an den jeweiligen Verkehrsträgern verursachen, auch am häufigsten bekämpft (Bild 4).

Herkulesstaude und Japanischer Staudenknöterich sind die am häufigsten bekämpften Arten an beiden Verkehrsträgern, wobei gegen die Herkulesstaude häufiger an der Straße Maßnahmen ergriffen wurden als an der Schiene. Im Gegensatz dazu wurden Robinie, Götterbaum, Sommerflieder und Goldrute wesentlich häufiger an der Schiene bekämpft als an der Straße.

Die Teilnehmer wurden weiterhin aufgefordert, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung verschiedener Arten aufzuführen. Hier gab es keine Vorgaben hinsichtlich der bekämpften Art oder der Maßnahme. Insgesamt gaben die Teilnehmer 531 Maßnahmen an der Straße und 56 an der Schiene an. Dabei zielten 43,9 % der Maßnahmen an der Straße und 32,1 % an der Schiene auf die Bekämpfung der Herkulesstaude ab. Als zweithäufigste Zielart an beiden Verkehrsträgern wurde der Japanische Staudenknöterich mit 22,0 % an der Straße und 30,4 % an der Schiene aufgeführt.

Die Teilnehmer gaben eine Vielzahl von Maßnahmen an, die in die folgenden Kategorien eingeteilt wurden: Ausgraben, Blütenstand entfernen, Einsatz von Herbiziden, eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen (z. B. Mahd und Herbizideinsatz), Mahd, Mulchen, Rückschnitt bzw. Abschneiden, thermische Methoden und andere. Unter „andere“ wurden Maßnahmen zusammengefasst, die keiner der oben genannten Kategorien zuzuordnen war, da sie entweder nur sehr vereinzelt genannt wurden (z. B. Abdecken mit Vlies) oder unspezifisch waren.

Bild 4: Anteil der Betriebsdienststellen, in deren Zuständigkeitsbereich Maßnahmen gegen die aufgeführten Arten ergriffen wurden

Als am häufigsten verwendete Maßnahmenart (29,4 %) an der Straße wurde die Mahd aufgeführt. Hier gaben viele Teilnehmer zusätzliche Informationen an wie z. B. die Häufigkeit oder den Zeitpunkt. Andere häufig genannten Maßnahmen waren Ausgraben (19,4 %), der Einsatz von Herbiziden (15,8 %) und eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen (12,8 %), wobei hierbei oft die Kombination von Mahd und anschließendem Einsatz von Herbiziden genannt wurde.

An der Schiene wurden als häufigste Maßnahmen der Rückschnitt (24,5 %), eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen (22,6 %) und der Einsatz von Herbiziden (20,8 %) aufgeführt.

3.5 Erfolg der Maßnahmen

Die Teilnehmer wurden zusätzlich aufgefordert, den Erfolg der angegebenen Maßnahmen einzuschätzen. Hierzu wurden die folgenden Kategorien vorgegeben: vollständig und dauerhaft entfernt, Ausbreitung verlangsamt, weitere Ausbreitung verhindert, nicht erfolgreich und keine Aussage möglich.

Generell war die Erfolgsquote der unterschiedlichen Maßnahmen ähnlich bei den beiden Verkehrsträgern (Bild 5). Am häufigsten wurde nach einer Maßnahme die Ausbreitung verlangsamt. An beiden Verkehrsträgern waren allerdings ca. 20 % der Maßnahmen nicht erfolgreich. Von den 103 erfolglosen Maßnahmen an der Straße waren 38,8 % gegen den Japanischen Staudenknöterich und 19,4 % gegen die Herkulesstaude gerichtet. Auch an der Schiene war der Großteil der erfolglosen Maßnahmen gegen den Staudenknöterich gerichtet (6 von 11 Maßnahmen). Die restlichen Maßnahmen waren gegen Robinie (27,3 %) und Herkulesstaude (18,2 %) gerichtet.

Bei der Straße führten 10,4 % und bei der Bahn nur 3,6 % zu einer vollständigen und dauerhaften Entfernung der Bestände. Am häufigsten erfolgreich bekämpft wurde die Herkulesstaude: 83,6 % der Maßnahmen, die zu einer vollständigen und dauerhaften Entfernung an der Straße führten, waren gegen die Herkulesstaude gerichtet. An der Schiene wurde von nur 2 erfolgreichen Maßnahmen berichtet, jeweils eine Bekämpfung der Herkulesstaude und der Ambrosie.

Bild 5: Anteil der Maßnahmen, die zu einer vollständigen und dauerhaften Entfernung führten, eine weitere Ausbreitung verhindert oder die Ausbreitung verlangsamt haben, nicht erfolgreich waren und bei denen keine Aussage möglich war

4 Neue Herausforderungen durch problematische Arten

Die in der Umfrage hervorgehobenen gebietsfremden Arten kommen häufig auf Verkehrsbegleitflächen an Straßen und Schienenwegen vor. Einige dieser Arten sind unproblematisch für den Verkehrssektor, obwohl sie naturschutzfachlich ein Risiko für die Biodiversität darstellen. Jedoch gibt es auch einige Arten, die massive Probleme für die Betriebsdienste verursachen. An beiden Verkehrsträgern sind die Herkulesstaude und der Japanische Staudenknöterich die am häufigsten bekämpften Arten. Die Herkulesstaude ist gesundheitsgefährdend und damit ein Risiko für das Betriebsdienstpersonal, während der Staudenknöterich durch seine Wachstumseigenschaften vor allem ein Sicherheitsrisiko für den Verkehr darstellt (Bild 6). Zudem kann er Schäden an Bauwerken oder an der Infrastruktur verursachen, was einen hohen Kostenaufwand zur Folge haben kann. An der Schiene verursachen zusätzlich der Götterbaum und die Robinie Probleme, vorwiegend durch Sichtbehinderungen und Bauwerksschäden. Auch diese Arten werden häufig bekämpft und es kommt daher zu einem erhöhten Aufwand für das Pflegepersonal. Zuletzt bieten Verkehrsbegleitflächen auch Lebensraum für problematische einheimische Arten. Das Jakobskreuzkraut breitet sich seit Jahren stark auf solchen Flächen aus, die nicht wirtschaftlich genutzt werden oder nur extensiv bewirtschaftet werden (LANUV, 2011). Hier besteht ein dringender Handlungsbedarf, Maßnahmen zur Kontrolle zu entwickeln.

Bild 6: Flächiger Bestand des Japanischen Staudenknöterichs auf einer Straßenbegleitfläche im Frühjahr (Foto © M. Leiblein-Wild)

Viele Teilnehmer haben angemerkt, dass eine wirkungsvolle Bekämpfung von problematischen Arten mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Ressourcen kaum möglich ist. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Großteil der bisher angewandten Maßnahmen nicht zu einer dauerhaften Kontrolle der vorhandenen Bestände führt. Es ist daher von hoher Wichtigkeit, Maßnahmen zur effizienten Kontrolle zu entwickeln. Hierbei stehen solche Arten im Fokus, die die Verkehrssicherheit und das Pflegepersonal gefährden oder die wirtschaftliche Kosten in Folge von Bauwerks- oder Infrastrukturschäden verursachen. Das BMVI-Expertennetzwerk setzt hier an und entwickelt Managementkonzepte für eine verkehrsträgerübergreifende Kontrolle von problematischen Arten. Im Vordergrund steht die Prävention, d. h. die Verhinderung der Etablierung und Ausbreitung problematischer Arten unter Berücksichtigung der Anforderungen aus Naturschutz und Landschaftspflege. Hier sollen Konzepte zur Förderung der Biodiversität und der ökologischen Vernetzung auf Verkehrsbegleitflächen aller Verkehrsträger entwickelt und abgestimmt werden. Funktionale artenreiche Lebensgemeinschaften haben in der Regel eine wesentlich höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber gebietsfremden Arten als artenarme gestörte Gemeinschaften (Kennedy et al., 2002; Stachowicz et al., 1999), wie sie häufig an Verkehrsbegleitflächen zu finden sind. Ziel der Forschungsvorhaben innerhalb des Expertennetzwerkes ist es, durch eine ökonomische und ökologische Pflege der Verkehrsbegleitflächen, die die Artenvielfalt fördert, die Etablierung von problematischen Arten präventiv zu verhindern. Mittel- bis langfristig sollen die Managementkonzepte zur (Kosten-) Entlastung bei der Unterhaltung bestehender und der Planung zukünftiger Infrastruktureinrichtungen beitragen.

Literaturverzeichnis

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