FGSV-Nr. FGSV 002/125
Ort Koblenz
Datum 09.05.2019
Titel Brückenbau im Spannungsfeld von Natur und Technik – Planungswettbewerb für eine Brücke über die Ammerschlucht
Autoren Dr.-Ing. Hermann Streicher
Kategorien Landschaftstagung
Einleitung

Die Echelsbacher Brücke aus dem Jahr 1929 stellt ein herausragendes Bauwerk und ein hervorragendes Beispiel der Baukunst in einem beeindruckenden Landschaftsraum dar. Über die Jahre hatten jedoch der stark angestiegene Verkehr und die natürliche Beanspruchung der Werkstoffe ihre Spuren hinterlassen und eine grundhafte Instandsetzung bzw. gegebenenfalls Erneuerung notwendig gemacht. Die Brücke befindet sich in einem FFH-Gebiet und beherbergt im Brückenbogen ein europarechtlich geschütztes Fledermaushabitat. Zusätzlich ist sie in die Landesdenkmalliste eingetragen. Die Herausforderung bestand nun darin, die unterschiedlichen Interessen aus Naturschutz, Denkmalschutz und Anliegern zu einer gemeinsamen wirtschaftlichen Lösung zu vereinen. Aus diesem Grund wurden in einem Planungsdialog mit allen Beteiligten die Vorgaben erarbeitet, um einen Wettbewerb durchzuführen. Dieser hatte bei verschiedensten Lösungsansätzen einen eindeutigen Siegerentwurf zum Ergebnis. Der Auftrag für die Planungen konnte anschließend kurzfristig vergeben werden und die Maßnahmen zur Teilerneuerung der Echelsbacher Brücke haben im Jahr 2017 mit der Erstellung einer Behelfsbrücke und im Jahr 2018 mit den Arbeiten an der Brücke selbst begonnen.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Geschichte der Echelsbacher Brücke

Die Bundesstraße 17 verbindet den Ballungsraum Augsburg über Landsberg am Lech mit dem Werdenfelser Land und seinem Zentrum Garmisch-Partenkirchen. Die Echelsbacher Brücke ermöglicht im Bereich der Gemeinden Rottenbuch und Bad Bayersoien die Überquerung der bis zu 78 m tiefen Ammerschlucht ohne den bis dahin notwendigen und beschwerlichen Abstieg in den Talgrund mit einer Steigung bzw. einem Gefälle von bis zu 20 %. Die aufgeständerte Bogenbrücke mit einer Gesamtlänge von 182 m, einer Stützweite der Bögen von 130 m und einer Höhe im Stich von 32 m war im Jahr 1928 auch aus einem Wettbewerb hervorgegangen, den die Firma Hoch-Tief mit der Bauweise im System Melan-Spangenberg gewann. Prof. Josef Melan (1853 – 1941) entwickelte einen im Freivorbau hergestellten Fachwerkbogen aus Stahl, der anschließend mit Beton ummantelt wurde. Prof. Heinrich Spangenberg (1879 – 1936) erweiterte die Anwendung dieser Bauweise auf große Bogentragwerke, indem der Stahlgerüstbogen zunächst mit Kies vorbelastet und anschließend Schritt für Schritt durch einen gleichschweren Betonmantel ersetzt wurde. Hierdurch konnte eine ungleichmäßige Verformung des Stahlgerüstbogens verhindert werden. Der große Vorteil dieser Bauweise bestand darin, dass kein Lehrgerüst im Talraum errichtet werden musste und eine beachtlich kurze Bauzeit von nur 12 Monaten notwendig wurde. Die Brücke konnte rechtzeitig zu den Passionsfestspielen in Oberammergau im Jahr 1930 dem Verkehr übergeben werden. Sie wurde weitgehend im Originalzustand erhalten, lediglich im Jahr 1963 verbreiterte man die Fahrbahnplatte von 8,30 m auf 10,70 m.

Bild 1: Echelsbacher Brücke bis zum Jahr 2018

Bild 2: Herstellung der Echelsbacher Brücke im System Melan-Spangenberg

Die fortlaufenden Bauwerksuntersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Brücke in sich verstärkendem Maße starke Schäden in Form von Abplatzungen und korrodierten Bewehrungseisen aufweist. Aufgrund des schlechten Zustandes ist sie auf eine Traglast von 16 t mit einer Abstandsangabe für den Schwerverkehr von 100 m beschränkt worden. Ein beim Ingenieurbüro Zilch + Müller in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Jahr 2012 kam zu dem Ergebnis, dass die Brücke innerhalb der folgenden 5 bis 10 Jahre grundlegend zu sanieren bzw. zu erneuern ist.

Bild 3: Schäden an der Brücke

Bild 4: Schutzgebiete im Umfeld der Echelsbacher Brücke

Abgesehen von den technischen Überlegungen zum Zustand der Brücke bestehen zusätzlich einige Besonderheiten, die für eine mögliche Ertüchtigung zu berücksichtigen waren:

  • Die Echelsbacher Brücke ist ein in der Landesdenkmalliste eingetragenes Baudenkmal und weitestgespannte Brücke in Melan Bauweise.

  • Die Ammerschlucht ist vollständig als FFH-Gebiet festgesetzt und enthält geschützte Lebensraumtypen (z. B. Hangschluchtwälder, Kalk-Tuff Quellen).

  • Die Umleitungsstrecken für den Schwerverkehr bei einer Sperrung der Brücke betragen etwa 50 km. Die örtlichen Umfahrungen sind für ein größeres Verkehrsaufkommen aufgrund des fehlenden Ausbaustandes und der teilweisen Lage in Wohngebieten nicht geeignet. Die durchschnittliche Verkehrsbelastung beträgt derzeit etwa 10.000 Fahrzeuge/Tag.

  • Im südlichen Brückenbogen befindet sich eine bedeutende Fledermauskolonie des großen Mausohrs als europäisch geschütztes Habitat, die von Mai bis September bis zu 300 Muttertiere und 150 Jungtiere als Wochenstube umfasst.

Bild 5: Fledermauskolonie im Brückenbogen (© E. Krinner)

Aufgrund der Vielzahl an Randbedingungen und der großen Zahl an Beteiligten mit jeweils sehr unterschiedlichen Interessen, die auf den ersten Blick auch schwer vereinbar erscheinen, wurde von Seiten der Bayerischen Staatsbauverwaltung entschieden, einen Planungsdialog unter Leitung eines externen Moderators durchzuführen. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.

2 Planungsdialog und Lösungsfindung

Das Ziel des Planungsdialogs war es, klare Vorgaben und Randbedingungen für die Auslobung eines Wettbewerbs festzulegen, welche auch für alle Beteiligten mit Ihren jeweils unterschiedlichen Interessen vertretbar sind. Teilnehmer am Planungsdialog waren die Bürgermeister der fünf im Umfeld der Brücke gelegenen Gemeinden, die beiden Landratsämter, da die Landkreisgrenze auf der Brücke verläuft, der amtliche Naturschutz, das Landesamt für Denkmalschutz, das zuständige und planende Staatliche Bauamt Weilheim, das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (damals noch Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr) sowie ein Vertreter der Baupraxis und des Ingenieurbüros, das den Wettbewerb vorbereitete.

Zu Beginn des Dialogs wurden alle denkbaren Lösungsansätze ohne Wertung aufgezeigt. Darunter befand sich beispielsweise eine vollständige Sanierung, ein möglicher Neubau an gleicher Stelle bzw. daneben mit Abriss oder Erhalt der alten Brücke und auch der Bau eines Staudamms, der bereits zur Errichtung der bestehenden Echelsbacher Brücke einmal angedacht worden war. Im weiteren Verlauf wurde aus neun Lösungsansätzen eine Variante herausgearbeitet, deren Umsetzung möglich erschien.

Es hat sich gezeigt, dass das Interesse der Gemeinden und Landkreise in erster Linie auf einer leistungsfähigen und zukunftsorientierten Verbindung mit sehr geringen Verkehrsbehinderungen während der Bauzeit liegt und eine sichere und für die Bevölkerung akzeptable Verkehrsführung nur mit einer Behelfsbrücke umgesetzt werden kann. Der Bau einer temporären Brücke neben der bestehenden Brücke erschien jedoch im ersten Moment nicht umsetzbar, da die Eingriffe ins FFH-Gebiet der Ammerschlucht zu umfangreich waren. Erst mit dem Vorschlag, die zeitweiligen Widerlager außerhalb des Schluchtbereichs und damit außerhalb des FFH-Gebietes zu legen, waren wieder weitere Überlegungen möglich. Im Hinblick auf eine wirtschaftliche Lösung ist nunmehr ein Brückengerät SS 80, das als System- bzw. Modulbauweise in der Verwaltung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgehalten wird, mit temporären Pfeilerstandorten in der Nähe der Ammer und im Waldbereich vorgesehen. Die entstehende zeitweilige Flächenbeanspruchung wird dabei vom amtlichen Naturschutz als vertretbar angesehen. Die Behelfsbrücke wurde nicht Gegenstand des Wettbewerbsverfahrens, sondern einheitlich als vorhandene Baustellenumfahrung festgesetzt.

Von Seiten des Denkmalschutzes erfolgte die klare Aussage, dass für die Ablesbarkeit der damaligen Bauweise mindestens die Bögen zu erhalten sind und der Erhalt weiterer Strukturen positiv bewertet werden sollte. Eine in Auftrag gegebenen Nachrechnung der bestehenden Bögen hinsichtlich des Lastniveaus, das nach einer Instandsetzung erreicht werden kann, hat ergeben, dass das für eine zukunftsfähige Brückenklasse mindestens geforderte Lastmodell LM 1 nach DIN-Fachbericht mit einer statisch tragenden Verwendung der alten Bögen nicht wirtschaftlich erreichbar ist.

Die Vorgabe für den Wettbewerb bestand somit darin, dass die alten Bögen mit der enthaltenen Fledermauswochenstube nichttragend in das neue Bauwerk zu integrieren sind und der Erhalt weiterer Strukturen wünschenswert ist. In der Ammerschlucht durften keine dauerhaften Stützen vorgesehen werden und die Flächeninanspruchnahme im FFH Gebiet musste so gering wie möglich ausfallen. Ein Neubau neben der bestehenden Brücke oder an anderer Stelle wurde ausgeschlossen.

Der Planungsdialog konnte nach zehn Terminen einschließlich der Auftaktveranstaltung beendet werden und hat die Grundlagen für den folgenden Wettbewerb geschaffen.

3 Wettbewerb

Der Wettbewerb wurde als nichtoffener Realisierungswettbewerb nach § 3 (2) „Richtlinien für Planungswettbewerbe“ (RPW, 2013) mit vorgeschaltetem europaweitem Teilnehmerwettbewerb gemäß § 5 VOF im Jahr 2014 durchgeführt.

Es waren nur interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaften aus Bauingenieuren, Architekten und Landschaftsarchitekten unter Federführung der Bauingenieure zugelassen. Nach dem Eingang von 17 Bewerbungen wurden nach umfangreicher Wertung sieben Bietergemeinschaften die Auslobungsunterlagen übersandt.

Je Arbeitsgemeinschaft war nur ein Wettbewerbsbeitrag zugelassen, der nach einer Bearbeitungszeit von 13 Wochen von allen termingerecht übersandt und der umfangreichen Vorprüfung übergeben werden konnte. Das Bearbeitungshonorar war in einer Höhe von 15.000 € festgelegt und konnte ausgezahlt werden.

Bild 6: Zeitlicher Ablauf des Wettbewerbs

Die Preisgerichtssitzung fand am 3. Dezember 2014 in Tutzing am Starnberger See statt. Die Jury setzte sich aus neun Preisrichtern mit je einem Vertreter aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr (damals Oberste Baubehörde), der Technischen Universität München sowie einer freien Landschaftsarchitektin, einem Architekten und einem Architekten und Bauingenieur zusammen. Außerdem gehörten dem Preisgericht der Leiter des Staatlichen Bauamtes in Weilheim, der Bürgermeister der Gemeinde Rottenbuch und die Bürgermeisterin der Gemeinde Bad Bayersoien an.

Bild 7: Preisgericht im Wettbewerb

In einem Informationsrundgang stellte zunächst die Vorprüfung alle sieben Arbeiten vor. Die maßgeblichen Wertungskriterien für das Preisgericht waren dabei:

  • statisch-konstruktive Konzeption,
  • architektonische Gestaltung,
  • technische Realisierbarkeit,
  • vorgeschlagenes Bauverfahren,
  • Eingriffe in den Verkehr,
  • Eingriffe in Natur und Landschaft,
  • Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange,
  • Inanspruchnahme von Flächen für Baulogistik,
  • Wirtschaftlichkeit hinsichtlich Herstellung, Erhaltung und Unterhalt.

Im ersten Wertungsrundgang blieben alle Arbeiten in der Wertung. Im anschließenden zweiten Wertungsrundgang wurden drei Arbeiten und im dritten Rundgang zwei weitere Arbeiten ausgeschieden, so dass nur zwei Arbeiten verblieben. Das Preisgericht entschied einstimmig, keinen dritten Platz zu vergeben und das Preisgeld mit 40.000 € für den ersten Platz und 25.000 € für den zweiten Platz aufzuteilen.

Das Preisgericht erklärte die Wettbewerbsarbeit der Arbeitsgemeinschaft Dr. Schütz Ingenieure, Kolb Ripke Architekten und Narr Rist Türk Landschaftsarchitekten einstimmig zum Wettbewerbssieger.

Bild 8: Visualisierung des Siegerentwurfes

Bild 9: Ansicht und Blick von der Aussichtsplattform des Siegerentwurfes

Nach Ansicht des Preisgerichts greift die sehr schlanke aufgeständerte Bogenstruktur aus Stahlbeton das Konzept der vorhandenen Brücke auf. Sie überspannt den bestehenden Bogen und bildet dabei optisch eine diskrete und elegante Ergänzung zum Bestandsbauwerk. Die Gesamtkonstruktion stellt eine Neuinterpretation des bestehenden Bogentragwerks dar, wobei die historische Bogenkonstruktion weiterhin vollständig erkennbar bleibt. Das neue Bauwerk zeigt die Weiterentwicklung des Stahlbetonbaus gegenüber der Melanbauweise. Die schlanke Massivkonstruktion korrespondiert hervorragend mit dem Bestandsbogen. Zudem schützt der Neubau den Bestandsbogen vor unmittelbaren Witterungseinflüssen. Das Gesamturteil des Preisgerichts lautet: „Die Arbeit stellt einen hervorragenden Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe dar.“

Einstimmig auf den zweiten Platz wählte das Preisgericht die Arbeit der Bietergemeinschaft Ingenieurbüro Grassl GmbH, Reinhart + Partner, Sr. H.M. Schober Gesellschaft für Landschaftsarchitektur mbH.

Bild 10: Visualisierung des Entwurfes auf dem zweiten Platz

Das Brückenbauwerk stellt ein Sprengwerk mit einem dreifeldrigen Überbau dar, wobei die Stiele als Stahlhohlkastenquerschnitt ausgeführt werden sollen. Der Überbau ist als Stahlverbundkonstruktion mit einem einzelligen Stahlhohlkasten geplant und für Kämpfer und Widerlager sind Flachgründungen vorgesehen. Das Preisgericht sieht den Ansatz, der vorhandenen Brücke eine neue Konstruktion kontrapunktisch entgegenzusetzen, als gelungen an. Die vorhandenen Brückenbogen werden mit der Landschaft zusammen inszeniert, wobei es mit einfachen Mitteln gelingt, eine klare und prägnante Gesamtsituation zu schaffen. Das Gesamturteil des Preisgerichts lautet: „ Der Entwurf stellt einen gelungenen Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe dar.“

4 Umsetzung des Siegerentwurfes

Nach der Preisgerichtssitzung wurden die Bietergemeinschaften des ersten und zweiten Platzes zur Abgabe eines Angebotes für die weiteren Planungsschritte und damit zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens gemäß VOF aufgefordert. Im Februar 2015 hatten beide Preisträger die Gelegenheit ihre Arbeiten und Angebote am Staatlichen Bauamt in Weilheim ausführlich vorzustellen und aufgetretene Fragen zu beantworten. Nach der Wertung aller im Wettbewerb und dem Verhandlungsverfahren festgelegten Kriterien konnte schließlich der Auftrag an die Bietergemeinschaft des ersten Preises vergeben werden.

Die Planungen haben bereits unmittelbar nach der Auftragsvergabe begonnen. Wesentliche Punkte waren im bisherigen Planungsverlauf neben der Entwicklung der neuen Brücke auch die Abstimmung des detaillierten Bauablaufs mit den Naturschutzbehörden, um keine Beeinträchtigung des Fledermausquartiers im Brückenbogen hervorzurufen, die genauen Festlegungen in der Ertüchtigung des Bestandsbogens, da dieser als Traggerüst zur Betonage des neuen Bogens dient sowie die Erkundung des Baugrundes, um die zulässigen Belastungen bestimmen zu können. Nachdem eine Zufahrt in die Ammerschlucht naturschutzfachlich nicht zulässig ist, mussten die Bohrgeräte mit Hilfe eines Hubschraubers eingeflogen werden.

Bild 11: Erkundungsbohrungen (© Werner Schubert)

In diesem Zuge wurden auch die vorgesehenen Pfeilerstandorte für die Behelfsbrücke erkundet und als Ergebnis die gesamte temporäre Brücke in Ihrer Achse verschwenkt, da sich herausgestellt hat, dass an den ursprünglichen Pfeilerstandorten einerseits europarechtlich geschützte Kalk-Tuff Quellen betroffen gewesen wären und sich andererseits ein Pfeiler auf einem historischen Bergwerksstollen zur Wetzsteingewinnung befunden hätte, der zudem noch ein Winterquartier von Fledermäusen enthält.

Bild 12: Lebensraumtypen im Umfeld der Echelsbacher Brücke

Bild 13: Neuer Standort der Behelfsbrücke

Aufgrund der umfangreichen Abstimmungen im Planungsdialog zwischen allen Beteiligten und der hohen Akzeptanz der Maßnahme in der Öffentlichkeit und bei Grundstücksbetroffenen konnte die Planfeststellung im Jahr 2016 in kurzer Zeit durchgeführt und somit Baurecht erlangt werden. Parallel wurden bereits die Ausschreibungsunterlagen für die Errichtung der Behelfsbrücke erstellt.

5 Bau der Behelfsbrücke

Für die Herstellung der 266 m langen Behelfsbrücke erhielt die Arbeitsgemeinschaft SEH Engineering GmbH aus Hannover/Dortmund zusammen mit der Hermann Assner GmbH & Co. KG aus Landsberg am Lech den Zuschlag. Der Bau begann im April 2017. Letztlich musste für den Bau der Behelfsbrücke jedes benötigte Einzelteil exakt bestimmt werden. Das komplette Überbaumaterial wurde mit 70 Lkw-Ladungen zur Baustelle transportiert und am Montageplatz in sechs Verschubabschnitten zusammengefügt und sukzessive über die Ammerschlucht eingeschoben.

Das Brückenüberbaugewicht beträgt insgesamt 1.300 t. Die Gründungen für die drei Behelfspfeiler mit Höhen von rund 14 m, 50 m und 70 m sind auf möglichst geringer Fläche erfolgt und müssen nach dem Rückbau der Behelfsbrücke wieder entfernt werden. Der komplette Überbau konnte bis Dezember 2017 vollständig in die Endlage verschoben werden.

Nach dem Absenken des Überbaus auf die Brückenlager, dem Einbau der Fahrbahnplatten, der Montage der Gehwegeinhausungen sowie weiterer Restarbeiten und einer Anpassung an das bestehende Straßennetz konnte die Behelfsbrücke am 23. Juni 2018 dem Verkehr übergeben werden.

Bild 14: Einschub der Behelfsbrücke (BSE-AIRpix.de)

Bild 15: Behelfsbrücke im Endzustand (BSE-AIRpix.de)

Das Gesamtkonzept zur Teilerneuerung der Echelsbacher Brücke wurde von der Bundesvereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure e.V. – kurz BSVI – am 22. September 2017 mit dem Deutschen Ingenieurpreis Straße und Verkehr in der Kategorie „Baukultur“ ausgezeichnet. Der Laudator Rainer Ueckert würdigte für die Jury, „dass es Herrn Pahl (Dr. Schütz Ingenieure) und dem Staatlichen Bauamt Weilheim nicht nur gelang, mit viel Kreativität aus einem moderierten Planungsdialog und einem Ingenieurwettbewerb das gefährdete Denkmal zu erhalten und für die gestiegenen Ansprüche zu ertüchtigen“. Die Jury zeigte sich zudem „fasziniert von der filigran anmutenden Lösung, die Denkmal- und Naturschutz respektiert, und dass die Ästhetik der Konstruktion spüren lässt, wie avantgardistisch das Bauwerk bereits von 90 Jahren war“. (https://www.bsvi.de/de/thema/der-deutsche-ingenieurpreis-strasse-und-verkehr-2017-geht-nach-hamburg-bremerhaven-und-weilheim.html.)

6 Beginn der Arbeiten zur Teilerneuerung der Echelsbacher Brücke

Nach der Verkehrsfreigabe der Behelfsbrücke konnten die Arbeiten an der bestehenden Echelsbacher Brücke beginnen. Nach dem Aufbau eines Arbeitsgerüstes wurden das Geländer, die Betongleitwände, die Brückenkappen und die Fahrbahntafel zurückgebaut. Anschließend trennte man die Längs- und Querträger in einzelne Stücke und hob sie mit dem Kran aus. Die aufgehenden Pfeiler wurden bis zu den zu erhaltenden Bögen zurückgeschnitten und in gleicher Weise ausgehoben. Der Eintrag von Bau- oder Abbruchmaterial in die Ammerschlucht ist dabei nicht zulässig.

Bild 16: Rückbau der Echelsbacher Brücke (Blick von der Webcam)

Der Stand der Arbeiten kann über eine im Baustellenbereich eingerichtete Webcam unter https://www.bayerninfo.de/webcams/b12-kempten-lindau jederzeit verfolgt werden. Im Frühjahr 2019 hat die Betonsanierung der Bestandsbögen begonnen, wobei im Bereich der Fledermauskolonie im nördlichen Bogen während der Jungtieraufzucht nicht gearbeitet werden darf. Dieser Teilbereich ist dann instand zu setzen, wenn sich die Fledermäuse in ihren Winterquartieren befinden.

Im nächsten Schritt werden derzeit die Fundamente für die neue Brücke über den Fundamenten der bestehenden Brücke und das östliche Widerlager hergestellt. Die Bestandsbögen dienen anschließend während der Bauphase des neuen und sehr schlanken Brückenbogens als Lehrgerüst für dessen Erstellung. Der Bauablauf ist dabei symmetrisch in mehrere Abschnitte aufgeteilt.

Der neue Brückenüberbau stellt beidseitig einen kombinierten Geh- und Radweg zur Verfügung und ermöglicht ein Verweilen und Betrachten der unberührten Natur in der Ammerschlucht von der Brücke aus. Das architektonisch nur für das Bauwerk gestaltete Geländer vermittelt bei der Überfahrt eine flächenhafte Wirkung, während es rechtwinklig zur Fahrbahn eine hohe Transparenz aufweist.

Die neue Echelsbacher Brücke soll im Jahr 2021 dem Verkehr übergeben werden. Anschließend erfolgt der Rückbau der Behelfsbrücke und aller bauzeitlich erforderlichen Fundamente und Einbauten sowie die Renaturierung betroffener Bereiche.

7 Zusammenfassung

Der Bauwerkszustand der Echelsbacher Brücke machte eine umfassende Instandsetzung bzw. teilweise Erneuerung notwendig. Die Lage in einem FFH-Gebiet, die Einstufung als Denkmal, eine geschützte Fledermauskolonie in einem Bogen und die fehlenden Umleitungsstrecken haben zur Einrichtung eines Planungsdialogs unter der Leitung eines unabhängigen und externen Moderators geführt, um die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten zusammenzuführen und eine umsetzbare und zufriedenstellende Lösung zu finden. Die gesetzten Erwartungen konnten dabei voll erfüllt werden. In einem konstruktiven und sachlichen Arbeitsablauf wurden die Rahmenbedingungen und Vorgaben für einen interdisziplinären Wettbewerb geschaffen, der im Anschluss einen äußerst gelungenen Entwurf als ersten Preis hervorbrachte. Dem Aufwand zur Auslobung und zur Durchführung des Wettbewerbs steht dabei gegenüber, dass nach dem Abschluss eine sehr schnelle Auftragsvergabe und ein schneller Planungsbeginn möglich war. Auch das Planfeststellungverfahren zur Erlangung des Baurechts konnte durch die umfangreichen Vorabstimmungen und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sehr schnell abgeschlossen werden. Zudem zeigte sich bereits in den ersten Planungsschritten, dass der interdisziplinäre Ansatz zur Entwicklung der neuen Brücke, der im Wettbewerb und im Planungsdialog bewusst betont wurde, auch in der weiteren Planung wirkungsvoll fortgesetzt werden kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entscheidung für einen Planungsdialog und einen Realisierungswettbewerb im Fall der Echelsbacher Brücke ein äußerst zielführendes und erfolgreiches Vorgehen war. Der zu Beginn des Planungsdialogs vorgegebene Zeitplan konnte bis heute eingehalten werden.

Bild 17: Rückbau der Echelsbacher Brücke im Dezember 2018 (BSE-AIRpix.de)

Literaturverzeichnis

  1. G o j, K.: Planungsdialog „Echelsbacher Brücke“. Entwicklung möglicher Lösungsansätze. In: Brückenbau, 6. Jg., Heft 1/2, 2014, S. 14–18
  2. G o j, K.: Wettbewerb „Echelsbacher Brücke“. Anlass und Ergebnis. In: Brückenbau, 7. Jg., Heft 1/2, 2015, S. 12–17
  3. P r a u s e, Ch.: Erneuerung der Echelsbacher Brücke. In: VSVIsion 2018, Jahreszeitschrift der Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Bayern e.V., 2018, S. 8–17