FGSV-Nr. FGSV 001/28
Ort Dortmund
Datum 05.10.2022
Titel Standards für eine zukunftsfähige Nachfragemodellierung
Autoren Prof. Dr.-Ing. Wilko Manz
Kategorien Kongress
Einleitung

Die „Empfehlungen zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen für den Personenverkehr“ (EVNM-PV), Ausgabe 2022, geben erstmals als R 2-Regelwerk der FGSV einen Überblick über das Themenfeld der Nachfragmodellierung im Personenverkehr und zeigen mit ihren neuen Standards den aktuellen Stand der Technik der Modellierung. Die EVNM-PV wurden über mehrere Jahre erarbeitet und geben Empfehlungen und Hinweise zu maßgeblichen Aspekten in den Phasen der Modellspezifikation, Modellerstellung und Modellanwendung. Die neuen Empfehlungen sind als Leitfaden für Verkehrsplaner gedacht, die in der Praxis mit Modellen arbeiten. Viele aktuelle Forschungsergebnisse sind während der Erarbeitung in das Dokument eingeflossen. In den kommenden Jahren werden sich durch neuartige Verkehrsangebote und die gesellschaftlichen Entwicklungen neue Anforderungen an Verkehrsplanungsmodelle ergeben, denen künftig auch beim Modelleinsatz Rechnung zu tragen sind.

 

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Seit etwa 50 Jahren werden Verkehrsplanungsmodelle eingesetzt, um die Wirkungen von veränderten Rahmenbedingungen und Maßnahmen auf die Verkehrsnachfrage abzubilden. Der Einsatz von Verkehrsplanungsmodellen ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn die Einflussfaktoren, Zusammenhänge und Wechselwirkungen des Untersuchungsgegenstandes komplex und vielschichtig sind und mit einfacheren Methoden nicht systematisch geordnet werden können (Pillat, Manz 2021).

Verkehrsplanungsmodelle bestehen aus mehreren Teilmodellen bzw. inhaltlichen Bausteinen, deren Zusammenspiel eine Abbildung der Ortsveränderungen in einem räumlich definierten Untersuchungsraum ermöglicht. Ein solches Modell besteht üblicherweise zunächst aus den Datenmodellen zum Mobilitätsverhalten, zum Verkehrsangebot und zur Siedlungsstruktur, mit deren Hilfe die Inputdaten der Abbildung von Ortsveränderungen strukturiert und für die anschließenden Berechnungen der Ortsveränderungen aufbereitet werden. Der Kern des Verkehrsplanungsmodells ist das Wirkungsmodell Ortsveränderungen, das aus den oben beschriebenen Inputdaten die räumlich und modal differenzierten Nachfragematrizen für den Personen- und Wirtschaftsverkehr berechnet. Dieser Teil wird als Verkehrsnachfragemodell bezeichnet, da aus den relevanten Inputdaten unter Verwendung von Modellierungsmethoden und Annahmen die verkehrliche Nachfrage ermittelt wird. Aufbauend auf den Berechnungen der Nachfrage werden die sekundären Verkehrsauswirkungen mit weiteren Wirkungsmodellen bestimmt, deren Ergebnisse dann wiederum Input für Bewertungsmodelle sind, mit denen z. B. die Bewertung der Qualität des Verkehrsangebots aus Nutzer, Betreibersicht oder aus dem Blickwinkel von Gesellschaft und Umwelt möglich wird.

In den fünf Jahrzehnten des Einsatzes von Verkehrsplanungsmodellen wurden diese in vielfältige Planungsbereichen eingesetzt und die Methoden anwendungs- und fragestellungsspezifisch weiterentwickelt und verfeinert. Parallel haben sich die Möglichkeiten der rechnergestützten Modellierung fundamental verändert, da Rechenleistung und Speichermedien mit ungeheurer Dynamik neue Möglichkeiten eröffnet haben. Als Ergebnis steht heute ein breiter Baukasten an methodischen Ansätzen und Modellkonzepten zur Verfügung, so dass die Auswahl eines geeigneten Vorgehens bei konkreten Modellierungsaufgaben und die Spezifikation und Ausgestaltung wiederum komplex und vielschichtig geworden ist.

Mit der Erarbeitung der „Empfehlungen zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen für den Personenverkehr“ (EVNM-PV) (FGSV 2022) steht nun ein Empfehlungspapier für den Modellpraktiker zur Verfügung, der sich mit den Methoden der Verkehrsnachfragemodellierung auseinandersetzt und diese für planerische Zwecke anwendet. Das Empfehlungspapier zeigt Methoden und Vorgehen der Nachfragemodellierung im Personenverkehr auf und erläutert Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen konzeptionellen Entscheidungen bei der Modellerstellung. Es zeigt den aktuellen Stand der Technik, soll als Handreichung Eingang in die fachliche Praxis finden und die mit Modellierung befassten Personenkreise für die Herausforderungen der Nachfragemodellierung sensibilisieren.

2 Aufgaben, Anforderungen und Einsatzbereiche von Modellen

Die Aufgaben und Einsatzbereiche für Verkehrsplanungsmodelle haben sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten stetig gewandelt. Zum Verständnis der heute verfügbaren vielfältigen Modellansätze ist ein kurzer Blick in die Historie der Verkehrsmodellierung hilfreich: In der frühen Phase der Modellierung stand insbesondere die Bewältigung des anwachsenden motorisierten Individualverkehrs im Vordergrund. Methoden der Modellierung waren neuartig, kaum erforscht und erprobt. Entsprechend wurden empirisch-statistische Ansätze verwendet und maßgeblich Trendrechnungen und Wachstumsfaktoren in Modellen eingesetzt, die die weitere Entwicklung ohne kausale Ursache-Wirkungen-Zusammenhänge berücksichtigen. Diese Modelle waren meist auf den Modus des Kfz-Verkehrs beschränkt und konnten Wechselbeziehungen zu anderen Modi nicht abbilden.

In den nachfolgenden Dekaden rückten verkehrsbeeinflussende Planungen in den Mittelpunkt, entsprechend sollten Modelle nun insbesondere befähigt werden, die Wechselwirkungen zwischen Verkehrsangebot und Verkehrsnachfrage integriert, unter Berücksichtigung aller verfügbaren Verkehrsmittel, abzubilden. Hierzu rückten die Bedürfnisse und Entscheidungen der Verkehrsteilnehmer in den Fokus integrierter Modellansätze, die auch auf eine Beeinflussung verkehrsbezogener Entscheidungen der Nutzenden abzielten.

Diese Entwicklung hat sich durch die spezifischen Anforderungen an die Verkehrssysteme weiter ausdifferenziert. So wird heute von Verkehrsplanungsmodellen gefordert, dass diese auch Umweltwirkungen zum Beispiel in Form von Lärm- und Luftschadstoffemissionen ausweisen, neue Sharing- und Mobility-on-Demand-Konzepte abbilden oder die Wirkung von Marketing und Bewusstseinsbildung berücksichtigen können, um nur einige exemplarische Anforderungen zu nennen.

Diese planerische Entwicklungshistorie zeigt die steigenden Anforderungen an die Modellierung, die zu einer Vielzahl an eigenständigen Modellkonzepten und ausdifferenzierten Modellierungsmethoden geführt hat. Der Planer heute muss für eine spezifische Planungsaufgabe z. B. entscheiden, ob ein synthetischer oder inkrementeller Ansatz zielführend ist, ein Einzelwegmodell ausreichend ist oder zwingend Wegeketten abzubilden sind, ob ein Modellkonzept statisch sein darf oder eher dynamisch sein sollte, ob mikroskopische, agentenbasierte Ansätze erforderlich sind oder makroskopische Ansätze problemadäquat sind. Die Auflistung zeigt nur einige beispielhafte, übergeordnete Modellentscheidungen, die im Detail wiederum jeweils eigene Modellspezifikationen aufweisen und weitere Entscheidungen erfordern.

Diese vielfältigen methodischen Möglichkeiten treffen auf grundlegende Anforderungen an Verkehrsmodelle, die bei der Auswahl und Spezifikation von Verkehrsnachfragmodellen grundlegend zu berücksichtigen sind. Modelle sollen wirklichkeitstreu sein: Die vom Modell ermittelten Werte und Wirkungszusammenhänge sollen beispielsweise mit den beobachteten oder erwarteten Werten gut übereinstimmen. Modelle sollen transparent sein, so dass Modellergebnisse unabhängig geprüft werden können. Zudem spielt die Operabilität von Modellen in der Praxis eine große Rolle, so dass zu untersuchende Entwicklungen und Maßnahmen einfach und nachvollziehbar in das Modell eingepflegt werden können und die Ergebnisse reproduzierbar sind.

Für den Planenden, der mit einer konkreten Planungsaufgabe befasst ist, ergeben sich daher vielfältige Entscheidungen, die je nach Größe des Untersuchungsraums, des spezifischen Planungsgegenstand je nach Einsatzbereich des Verkehrsplanungsmodells variieren können und ein geeignetes Modellkonzept erfordern. Mögliche Einsatzbereiche für Verkehrsplanungsmodelle reichen dabei von raumplanerischen Fragestellen zum Beispiel der Flächennutzung über verkehrsträgerübergreifende, strategische Planungen und verkehrsmittelspezifischen Fachplanungen und deren Umweltwirkungen bis hin zu Aufgaben des Verkehrsmanagements. Dabei muss zusätzlich der Größe des Untersuchungsraums und der räumlichen Auflösung der gewünschten Ergebnisse, der Verfügbarkeit von und dem Beschaffungsaufwand für die notwendigen Inputdaten Rechnung getragen werden.

Es ist zu konstatieren, dass die Auswahl eines Modellkonzeptes und eine fachlich geeignete Ausgestaltung eines Verkehrsplanungsmodells eine komplexe Aufgabe ist. Da Verkehrsplanungsmodelle in der Regel über einen längeren Zeitraum genutzt werden sollen, muss auch die sich stetig entwickelnde Modellierungstechnik berücksichtigt werden. Die Entscheidenden müssen daher den aktuellen Stand der Modelltechnik kennen und idealerweise die fachliche Eignung neuerer Ansätze für ihre Aufgabe einordnen können. Auch ist zu antizipieren, welche neue Aufgaben in den kommenden Jahren an die Modelle gestellt werden, und wie diesen bei der Modellkonzeption Rechnung zu tragen ist. Als Beispiel für eine aktuelle Entwicklung in diesem Bereich sind die planerischen Anforderungen aus den Klimazielen der Politik und neue Ansätze zur Bewertung von Maßnahmen, die eine Reduktion der verkehrsbedingten Emissionen von Treibhausgasen zum Ziel haben.

Bisher gab es trotz mehrfacher Anläufe und umfangreicher Bemühungen in der Vergangenheit von Seiten der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen kein Empfehlungspapier, das den Planenden im Themenfeld der Verkehrsnachfragemodellierung im Personenverkehr unterstützt und ihm Hilfestellung und Leitplanken bei wichtigen konzeptionellen und anwendungsbezogenen Fragestellungen gibt. Diese Lücke konnte nun mit dem neuen Empfehlungspapier geschlossen werden.

3 Erarbeitung des FGSV-Empfehlungspapier EVNM-PV

Der aktuelle Arbeitskreis 1.2.6 „Konzeption und Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen des Personenverkehrs“ und seine Vorgänger nehmen sich schon lange dieser Fragestellung an und hatten die Erarbeitung eines solchen Empfehlungspapiers schon lange zum Ziel.

Die Arbeiten an den jetzt erschienenen Empfehlungen wurden nach einem Wechsel des Arbeitskreisleiters mit einer (wieder-)konstituierenden Sitzung am 8. Oktober 2013 neu begonnen. In dieser Phase wurden neue Mitglieder angeworben, um eine geeignete Mischung aus Vertretern der Wissenschaft, erfahrenen Modellerstellern sowie Modellanwendern und Modellergebnisnutzern zu erhalten. Ziel war es alle diese Sichtweisen auf die Modellierung im Arbeitskreis einzubeziehen, was mit einem Team aus 24 Arbeitskreismitgliedern gut gelungen ist.

Die Diskussionen in den Arbeitskreissitzungen zeigten schon bald die Vielfalt der Herausforderungen, die mit der Erarbeitung des Empfehlungspapiers verbunden waren: Die Abgrenzung des Themenfeldes war immer wieder Diskussionsgegenstand. Die Frage, ob neben synthetischen Modellen auch eine Hochrechnung von Zähldaten für Planungszwecke unter Verwendung von Annahmen und Analogieschlüssen bereits als Modell zu betrachten ist, macht die Diskussion vielleicht ebenso deutlich wie die räumliche Spannbreite von Modellen zwischen nationalen, strategischen Modellen über Landesverkehrsmodelle bis hin zu teilstädtischen oder gar knotenpunktbezogenen Modellansätzen. Dieser Vielfalt der Einsatzzwecke und Ziele der Modellierung erschwert es an vielen Stellen, allgemeingültige Erläuterungen und Empfehlungen als Hilfestellung für die Erarbeitung angemessener Modellkonzepte auszusprechen.

Auch die inhaltliche Ausrichtung musste immer wieder neu gedacht werden, da auf der einen Seite fachliche Erläuterungen im Sinne eines Lehrbuches für das Verständnis der Thematik erforderlich sind, andererseits konkrete Empfehlungen für spezifische Modellierungskontexte gegeben werden sollten.

Die Bewertung der Qualität von Modellen ist ein außerordentlich komplexes Thema. Zum einen da die Güte der Modellierung in einem aus einzelnen Teilmodellen bestehenden Modellkonstrukt in der Regel nur für einzelne konkrete Arbeitsschritte oder Teilmodelle nachgewiesen werden kann aber eine allgemeine Aussage für das Gesamtmodell wünschenswert ist. Zum anderen, da die bisher verfügbaren Gütemaße und Bewertungsmethoden für Modelle verschiedene Nachteile aufwiesen. Der Erarbeitungsprozess wurde zusätzlich erschwert, da die Anforderungen an die Modelle je nach Fragestellung variieren und die Wirtschaftlichkeit der Modellierung ebenfalls bei der Definition von Mindeststandards nicht aus dem Blick geraten durfte. Die Fragestellung „Was ist angemessen?“ hat den Arbeitskreis über den gesamten Erarbeitungsprozess begleitet.

Die Mitglieder des Arbeitskreises stammen aus unterschiedlichen „Modellschulen“, viele Fachbegriffe werden auch heute mit unterschiedlicher Definition verwendet, für gleiche Sachverhalte werden auch unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. Auch werden Begriffe aus der allgemeinen Verkehrsplanung in der Modellierung abweichend verwendet, was weiteren Abstimmungsaufwand verursachte. Die Harmonisierung des Sprachgebrauchs war eine Aufgabe, der die gesamte Arbeitsphase begleitete.

Ein weiterer wichtiger Aspekt lag in der Abstimmung mit andere thematisch verwandten Arbeitskreisen der FGSV. Zu nennen sind hierbei insbesondere der Arbeitskreis 1.8.4 „Konzeption und Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen zur Berechnung des Wirtschaftsverkehrs“ mit den zeitgleich erarbeiteten „Empfehlungen zur Konzeption und zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen im Wirtschaftsverkehr“ (EVNM-WiV) (FGSV 2020) sowie den „Empfehlungen zur Nutzung von Daten zur Beschreibung von Raumstruktur und Verkehrsnetzen bei der Erstellung von Verkehrsmodellen“ (FGSV 2021) des AK 1.2.7 „Inputdaten für Verkehrsmodelle“. Mit beiden Arbeitskreisen wurden Begrifflichkeiten, thematische Abgrenzung und inhaltliche Schnittstellen abgestimmt und einzelne inhaltliche Aussagen harmonisiert.

Zudem bestand der vielfältige Wunsch einer Abstimmung mit den deutschsprachigen Nachbarländern Schweiz und Österreich. Hierzu wurden mehrere virtuelle Treffen organisiert und der jeweilige Sachstand des Entwurfs diskutiert. Aus diesen Diskussionen sind viele wertvolle Hinweise in das Empfehlungspapier eingegangen. Einzelne Aspekte wurden aber auch kontrovers diskutiert und waren für den Arbeitskreis hilfreich, um die eigenen Standpunkte und Argumentationen kritisch zu hinterfragen und zu festigen. Der große inhaltliche Konsens zu vielen der diskutierten Punkte ist ermutigend für das erarbeitete Empfehlungspapier.

Die Erarbeitung dauerte insgesamt etwa neun Jahre und erforderte mehr als 40 physische und später auch eine Reihe digitale Arbeitskreissitzungen sowie viele bilaterale Diskussionen und eine aufwändige redaktionelle Bearbeitung des Empfehlungspapiers. Teile der Inhalte wurden in eigenständigen Forschungsprojekten, wie zum Beispiel dem Projekt „Anforderungen an städtische Verkehrsnachfragemodelle“ (Friedrich, Pestel et. al. 2019) im Forschungsprogramm Stadtverkehr bearbeitet und die Ergebnisse durch den Arbeitskreis adaptiert und zum Teil weiterentwickelt. Auch wenn zum Beginn der Bearbeitung im Jahr 2013 bereits Vorarbeiten vorlagen, so musste letztendlich doch alles vollständig neu erarbeitet und neu diskutiert und bewertet werden. Dabei wurden stetig neuere Forschungsergebnisse und Erkenntnisse berücksichtigt, so dass Teile des Empfehlungspapiers im Verlauf der Jahre mehrfach angepasst, ergänzt oder überarbeitet werden mussten.

Das nun nach langer Arbeit vorliegende Empfehlungspapier war nur möglich, weil die Mitglieder des Arbeitskreises gemeinsam sehr viel Arbeit und Energie investiert haben und alle Akteure über den gesamten Bearbeitungszeitraum immer konstruktiv und kollegial zusammengearbeitet haben. Die vielen geführten Diskussionen haben das Bearbeitungsteam inhaltlich an vielen Stellen weitergebracht und schließlich eine gemeinsame Sichtweise auf die vielschichtigen Themen der Modellierung ermöglicht. Als Leiter des Arbeitskreises bin ich allen Mitgliedern für ihr langjähriges Engagement und ihre wertvollen Beiträge sehr dankbar und freue mich rückblickend insbesondere auch über die sehr persönliche Zusammenarbeit im Arbeitskreis. Mein besonderer Dank gilt der Redaktionsgruppe, die zum Abschluss der Arbeiten die redaktionelle Fertigstellung getragen hat. Der Arbeitskreis 1.2.6 kann stolz auf das Erreichen seines Ziels, der Fertigstellung eines Empfehlungspapiers für die Nachfragemodellierung im Personenverkehr, sein.

Das Empfehlungspapier umfasst insgesamt etwa 260 Seiten und behandelt eine große Bandbereite an Aspekten der Modellierung. Der Arbeitskreis hat die Hoffnung, dass das Empfehlungspapiers der großen Breite an modellbezogenen Fragestellungen und Anwendungsbereichen gerecht wird und dem Modellpraktiker und Modellinteressierten eine wertvolle Hilfestellung für die Arbeit an und mit Modellen ist. Die im Dokument getroffenen Standards des Empfehlungspapiers sollen Eingang in die Planungsverfahren finden und sich in der Praxis bewähren. Da sich der Forschungsstand stetig weiterentwickelt, sind neue Erkenntnisse künftig in die Empfehlungen einzubeziehen. Insofern beschreibt der aktuelle Stand des Empfehlungspapiers den heutigen Status quo zur Modellierung und bedarf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Aufbau und Inhalt der Empfehlungen

Der Aufbau der Empfehlungen spiegelt den Ablauf der Erstellung eines Modells für den Personenverkehr sowie dessen Modellanwendung wider. Die erforderlichen Arbeitsschritte und die Zuordnung zu den einzelnen Kapiteln des Empfehlungspapiers sind im Bild 1 dargestellt.

  • Kapitel 1 – Einleitung:
    Das Kapitel beschreibt Anlass, Zielgruppen und Aufbau des Empfehlungspapiers. Ein Abschnitt befasst sich mit dem Projektmanagement während der Modellerstellung.
  • Kapitel 2 – Verkehrsnachfragemodelle:Das Kapitel gibt einen Überblick über Verkehrsnachfragemodelle. Es wird dargestellt, was ein Verkehrsnachfragemodell umfasst, zeigt Annahmen zur Nachfragemodellierung, erklärt die einzelnen Modellstufen und verschiedene Typologien von Modellen. Es werden Variablen und Parameter eines Verkehrsnachfragemodells und die Ergebnisse einer Modellberechnung erläutert.
  • Kapitel 3 – Einsatzbereiche für Verkehrsnachfragemodelle:
    Das Kapitel befasst sich mit den notwendigen Festlegungen für eine Modellspezifikation. Dazu wird auf den Anlass der Modellerstellung und die abzubildenden Entwicklungen und Maßnahmen und den gewünschten Modelloutput eingegangen. Anhand von typischen Planungsaufgaben werden die Spezifikationen erläutert. Eine Arbeitshilfe zur Modellspezifikation gibt Hilfestellung für die Projektumsetzung.
  • Kapitel 4 – Hinweise und Empfehlungen für den Aufbau von Personenverkehrsnachfragemodellen:
    Dieses zentrale Kapitel gibt Erläuterungen zu den wesentlichen Aspekten der Modellumsetzung und gibt Hinweise und Empfehlungen zu den Modellstufen. Es geht auf eine Vielzahl von Aspekten ein, die für eine zielorientierte Modellumsetzung von Bedeutung sind: Abgrenzung des Untersuchungsraums, Abbildung der Raum- und Siedlungsstruktur, Abbildung des Verkehrsangebots und Abbildung der Verkehrsnachfrage. Es wird auf den aktuellen Aspekt der geteilten Verkehrsmittel eingegangen und Hinweise zum Umgang mit dem externen Verkehr des Untersuchungsgebiets gegeben. Ausführungen zur Prognoserechnung und Planfällen schließen das Kapitel ab. Zu allen Aspekten werden für die praktische Anwendung Hinweise und Empfehlungen ausgesprochen und begründet.
  • Kapitel 5 – Datengrundlagen und Datenquellen:
    Die notwendigen Daten für die Erstellung und die Validierung eines Verkehrsnachfragemodells ist Thema dieses Kapitels. Dabei werden u.a. wichtige Grundlagen zu den Daten zur Raumstruktur, den Siedlungsstrukturdaten, zur Sozioökonomie, zum Mobilitätsverhalten sowie zu Verkehrsangebotsdaten vermittelt. Es wird in einem Exkurs auf den Datenbedarf makroskopischer und mikroskopischer Modelle eingegangen, es werden Erhebungsdaten zum Verkehrsablauf im Netz vorgestellt und das Thema externer Nachfragematrizen behandelt.
  • Kapitel 6 – Qualitätssicherung von Verkehrsnachfragemodellen:
    Den Anforderungen an ein adäquates Modell und der Qualitätssicherung von Modellen kommt ein besonderer Stellenwert zu, entsprechend befasst sich ein eigenes Kapitel mit diesem Aspekt. Es werden die notwendigen Anforderungen an die Erstellung und die Qualität von Verkehrsnachfragemodellen formuliert und dabei Gütemaßen zur Beurteilung von Einzelwerten, Mengen von Einzelwerten und Verteilungen vorgestellt. In diesem Abschnitt werden auch neuere Erkenntnisse und Entwicklungen aus den parallel bearbeiteten Forschungsprojekten vorgestellt. Erläuternd wird auf Ursachen für Abweichungen zwischen Modell und Erhebungen eingegangen und Konzepte zur Verifizierung der Modellspezifikation und Modellimplementierung vorgestellt. Es werden die Prozesse der Kalibrierung und Validierung vorgestellt und Hinweise für den Umgang mit den Ergebnissen der Qualitätssicherung gegeben. Ausführungen zur Abschätzung der Prognosegenauigkeit runden das Kapitel ab.
  • Kapitel 7– Modellanwendung und Modellpflege:
    Nach Abschluss des Modellaufbaus beginnt die Nutzungsphase eines Verkehrsnachfragemodells. Dieses Kapitel befasst sich mit den Methoden zur Abbildung von Maßnahmen und mit der Durchführung von planfallgestützten Modellrechnungen und Modellauswertungen. Es wird auf die Aufbereitung und Interpretation von Modellergebnissen eingegangen und der Aspekt der Modellpflege thematisiert.
  • Kapitel 8 – Dokumentation:
    Für einen transparente und nachvollziehbaren Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen ist eine umfassende Dokumentation der Eingangsdaten und des Modellansatzes, sowie des Kalibrierungs- und Validierungsprozesses notwendig. Das Kapitel definiert hierzu genauso Anforderungen wie zur Dokumentation von Modellergebnissen, Es werden auf das Modellhandbuch und den Validierungsbericht als Bestandteil der Dokumentation eingegangen.
  • Kapitel 9 – Glossar:
    Im Umfeld der Modellierung existiert eine Vielzahl an fachspezifischen Begriffen. Im Glossar werden diese geordnet, soweit gegeben deren Bezüge untereinander erläutert und verwendete Synonyme benannt. Mit diesem Glossar soll ein Beitrag zur Harmonisierung des Sprachgebrauchs geleistet werden. Die Inhalte des Glossars wurden mit dem Querschnittsausschuss Begriffsbestimmungen abgestimmt, und einzelne Begrifflichkeiten in die„Begriffsbestimmungen für das Straßen- und Verkehrswesen“ (BBSV) (FGSV 2020) aufgenommen.

Das Dokument umfasst zudem verschiedene Anhänge: Es werden in Anhang 1 spezifische Empfehlungen für typische Einsatzbereiche von Modellen gegeben. Anhang 2 fasst mögliche Quellen für Eingangsdaten für die Umsetzung von Verkehrsnachfragemodellen zusammen. Anhang 3 gibt vertiefende Erläuterungen zu den Methoden der Verkehrsmodellierung.

Bild 1: Arbeitsschritte zur Erstellung eines Verkehrsnachfragemodells und Zuordnung der Arbeitsschritte zu den Kapiteln der Empfehlungen

4 Einsatz von Modellen in der Planungspraxis

Mit den „Empfehlungen zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen für den Personenverkehr“ (EVNM-PV) liegt nun ein R 2-Regelwerk der FGSV vor, dass den aktuellen Stand der Modellierung darstellt und für die Modellierung in der Praxis wertvolle Impulse geben soll. Der aktuelle Stand des Empfehlungsdokuments entspricht dem Status quo, bedarf aber aus zwei Gründen einer stetigen Weiterentwicklung.

Auf der einen Seite sind aus der Anwendung der Empfehlungen in den kommenden Jahren neue Erkenntnisse und Rückmeldungen aus der praktischen Modellierung zu erwarten, die eine Nachführung und Überarbeitung des Kompendiums erfordern können. Der Arbeitskreis wünscht sich aus der Praxis Feedback zu den Erfahrungen im Umgang mit den Empfehlungen. Hinzu kommen neue Erkenntnisse aus der Forschung, die das Modellwissen erweitern und neue Ansätze und Methoden einbringen werden.

Auf der anderen Seite verändern derzeit die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Anforderungen an verkehrsplanerische Modelle und neue Impulse werden aus der Fachwelt, der Politik und der Gesellschaft an die Modellierung herangetragen. Dies betrifft zum einen die insbesondere durch die Digitalisierung und Automatisierung künftig möglichen Fahrzeug-, Betriebs- und Angebotskonzepte, die mit Nachfragemodellen auf Ihre Wirkungen hin zu untersuchen sind. So stellen innovative Konzepte wie Mobility-as-a-Service mit möglichen maßgeschneiderten, kundenzentrierten Angeboten neue Anforderungen an die Modellmethodik, da das Verkehrsangebot hierdurch ein deutlich dynamischeres Erscheinungsbild erhält, dem die Modelle Rechnung tragen müssen.

Auch die durch Politik und Gesellschaft formulierte Transformation des Verkehrs mit den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitszielen wird die Modellierung in den kommenden Jahren prägen und verändern. Die nächste Generation von z. B. Stadt-Umland-Modellen wird ganz selbstverständlich klimarelevante Kenngrößen und Indikatoren ermitteln, um die politischen Fragen der Wirksamkeit in Hinblick auf den Klimaschutz beantworten zu können. Die Klimaschutzbemühungen werden aber auch neue Maßnahmenansätze initiieren, die mit den heutigen Modellen nicht oder nur ungenau zu beantworten sind. Hierbei kann es zum Beispiel um Planungsansätze gehen, die unmittelbar auf den Pkw-Besitz der Haushalte wirken; ein Zusammenhang, für den heutige Modellkonzepte weitgehend „blind“ sind, da der Pkw-Besitz meist als statische Inputgröße behandelt wird. Auch neue Ansätze, die mittels einer attraktiven Gestaltung der Stadträume auf das Mobilitätsverhalten und eine Stärkung des Fuß- und Radverkehrs beabsichtigen, können heute nicht oder nur mittelbar mit Modellen abgebildet werden. Die genannten Beispiele sollen die Erwartung unterstreichen, dass auch künftig die Anforderungen an Modelle und ihre methodischen Möglichkeiten steigen werden. Die Nachhaltigkeitsziele werden unsere Mobilität aber auch unsere Verkehrsplanungsmodelle künftig wahrscheinlich vielfältiger und „bunter“ machen.

Über 50 Jahre haben Verkehrsnachfragemodelle unsere verkehrlichen Planungen in verschiedenen Phasen begleitet. Dabei haben das modellspezifische Wissen und die Fähigkeit, Modelle problemadäquat einzusetzen, stetig zugenommen. Vor uns liegt vermutlich die größte verkehrsplanerische Herausforderung der jüngeren Geschichte: Eine zügige Transformation unserer auf fossiler Energie fußenden Mobilität hin zu einer nachhaltigen, energiesparsamen und sozial gerechten Mobilität. Dies ist maßgeblich eine gesellschaftliche, politische und verkehrsplanerische Herausforderung. Es wird aber auch für Wissenschaft und Modellanwendung eine große Herausforderung sein, die notwendigen Werkzeuge zur Unterstützung dieser Transformation bereitzustellen. Machen wir uns gemeinsam an die Arbeit!

5 Einsatz von Modellen in der Planungspraxis

Mit den „Empfehlungen zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen für den Personenverkehr“ (EVNM-PV) liegt nun ein R 2-Regelwerk der FGSV vor, dass den aktuellen Stand der Modellierung darstellt und für die Modellierung in der Praxis wertvolle Impulse geben soll. Der aktuelle Stand des Empfehlungsdokuments entspricht dem Status quo, bedarf aber aus zwei Gründen einer stetigen Weiterentwicklung.

Auf der einen Seite sind aus der Anwendung der Empfehlungen in den kommenden Jahren neue Erkenntnisse und Rückmeldungen aus der praktischen Modellierung zu erwarten, die eine Nachführung und Überarbeitung des Kompendiums erfordern können. Der Arbeitskreis wünscht sich aus der Praxis Feedback zu den Erfahrungen im Umgang mit den Empfehlungen. Hinzu kommen neue Erkenntnisse aus der Forschung, die das Modellwissen erweitern und neue Ansätze und Methoden einbringen werden.

Auf der anderen Seite verändern derzeit die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Anforderungen an verkehrsplanerische Modelle und neue Impulse werden aus der Fachwelt, der Politik und der Gesellschaft an die Modellierung herangetragen. Dies betrifft zum einen die insbesondere durch die Digitalisierung und Automatisierung künftig möglichen Fahrzeug-, Betriebs- und Angebotskonzepte, die mit Nachfragemodellen auf Ihre Wirkungen hin zu
untersuchen sind. So stellen innovative Konzepte wie Mobility-as-a-Service mit möglichen maßgeschneiderten, kundenzentrierten Angeboten neue Anforderungen an die Modellmethodik, da das Verkehrsangebot hierdurch ein deutlich dynamischeres Erscheinungsbild erhält, dem die Modelle Rechnung tragen müssen.

Auch die durch Politik und Gesellschaft formulierte Transformation des Verkehrs mit den Klimaschutz- und Nachhaltigkeitszielen wird die Modellierung in den kommenden Jahren prägen und verändern. Die nächste Generation von z. B. Stadt-Umland-Modellen wird ganz selbstverständlich klimarelevante Kenngrößen und Indikatoren ermitteln, um die politischen Fragen der Wirksamkeit in Hinblick auf den Klimaschutz beantworten zu können. Die Klimaschutzbemühungen werden aber auch neue Maßnahmenansätze initiieren, die mit den heutigen Modellen nicht oder nur ungenau zu beantworten sind. Hierbei kann es zum Beispiel um Planungsansätze gehen, die unmittelbar auf den Pkw-Besitz der Haushalte wirken; ein Zusammenhang, für den heutige Modellkonzepte weitgehend „blind“ sind, da der Pkw-Besitz meist als statische Inputgröße behandelt wird. Auch neue Ansätze, die mittels einer attraktiven Gestaltung der Stadträume auf das Mobilitätsverhalten und eine Stärkung des Fuß- und Radverkehrs beabsichtigen, können heute nicht oder nur mittelbar mit Modellen abgebildet werden. Die genannten Beispiele sollen die Erwartung unterstreichen, dass auch künftig die Anforderungen an Modelle und ihre methodischen Möglichkeiten steigen werden. Die Nachhaltigkeitsziele werden unsere Mobilität aber auch unsere Verkehrsplanungsmodelle künftig wahrscheinlich vielfältiger und „bunter“ machen.

Über 50 Jahre haben Verkehrsnachfragemodelle unsere verkehrlichen Planungen in verschiedenen Phasen begleitet. Dabei haben das modellspezifische Wissen und die Fähigkeit, Modelle problemadäquat einzusetzen, stetig zugenommen. Vor uns liegt vermutlich die größte verkehrsplanerische Herausforderung der jüngeren Geschichte: Eine zügige Transformation unserer auf fossiler Energie fußenden Mobilität hin zu einer nachhaltigen, energiesparsamen und sozial gerechten Mobilität. Dies ist maßgeblich eine gesellschaftliche, politische und verkehrsplanerische Herausforderung. Es wird aber auch für Wissenschaft und Modellanwendung eine große Herausforderung sein, die notwendigen Werkzeuge zur Unterstützung dieser Transformation bereitzustellen. Machen wir uns gemeinsam an die Arbeit!

Literaturverzeichnis

Friedrich, Markus; Pestel, Eric; Schiller, Christian; Simon, Robert; Heidl, Udo; Pillat, Juliane (2019): Anforderungen an städtische Verkehrsnachfragemodelle. Schlussbericht zum FE-Projekt 70.919/2015

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2020): Empfehlungen zur Konzeption und zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen im Wirtschaftsverkehr (EVNM-WiV), Ausgabe 2020, Köln (FGSV 168/1)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2020): Begriffsbestimmungen für das Straßen- und Verkehrswesen (BBSV), Ausgabe Juni 2020, Köln (FGSV 005/1)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2021): Empfehlungen für Inputdaten zur Raumstruktur und zum Verkehrsangebot für Verkehrsnachfragemodelle (EIV), Ausgabe 2021, Köln (FGSV 168/3)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2022): Empfehlungen zum Einsatz von Verkehrsnachfragemodellen für den Personenverkehr (EVNM-PV), Ausgabe 2022, Köln (FGSV 168/2)

Pillat, Juliane; Manz, Wilko (2021): Modelle des Personenverkehrs. In: Vallée D., Engel B., Vogt W. (eds) Stadtverkehrsplanung, Band 2, Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg, S. 273–339