FGSV-Nr. FGSV 001/28
Ort Dortmund
Datum 05.10.2022
Titel Maßnahmenbereiche zur Einhaltung der CO2-Minderungsziele und deren Wirkungspotenziale
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich
Kategorien Kongress
Einleitung

Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, bedarf es geeigneter Maßnahmen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Maßnahmen und beurteilt ihren Wirkungsbeitrag zur Erreichung der Klimaziele anhand von zwei Szenarien.

Das erste Szenario „100 % Antriebswende“ zeigt, welche Entwicklungen bei der Flottenzusammensetzung erforderlich sind, um die Klimaziele allein durch eine Elektrifizierung der Fahrzeuge zu erreichen. Ergebnis des Szenarios: Selbst mit einem Verbrennerverbot für Pkw ab 2035 und für Lkw ab 2040 werden die Klimaziele nicht erreicht. Das zweite Szenario „67 % Antriebswende und 33 % Verkehrswende“ beschreibt eine Entwicklung, bei der etwa ein Drittel der CO2-Minderungsziele durch einen Rückgang der Fahrleistung im Pkw-Verkehr und durch Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen erreicht werden. Damit können die Klimaziele erreicht werden. Allerdings erfordert eine Verkehrswende Maßnahmen, die deutlich über die bisher diskutierten Maßnahmen hinausgehen und für die bisher die notwendigen Instrumente, u. a. Zulassungssteuern und Straßenbenutzungsgebühren, fehlen.

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1 Einleitung

Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, bedarf es geeigneter Instrumente und Maßnahmen. Instrumente umfassen die Werkzeuge, die den Handelnden grundsätzlich zur Verfügung stehen, um die Klimaziele zu erreichen. Als Maßnahme wird die konkrete Ausgestaltung einer Handlung bezeichnet, bei der dann ein oder mehrere Instrumente genutzt werden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Maßnahmen und beurteilt ihren Wirkungsbeitrag zur Erreichung der Klimaziele anhand von zwei Szenarien. Der Inhalt baut auf früheren Veröffentlichungen auf (Friedrich 2020; Friedrich et al. 2017), in denen neben den Maßnahmen auch die erforderlichen Instrumente dargestellt sind.

2 Politische Ziele und bisherige Entwicklung

Die Europäische Union hat mit der Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens dem Ziel zugestimmt, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Für Deutschland legt das Klimaschutzgesetz (KSG 2021) fest, dass die Treibhausgasemissionen bezogen auf 1990 bis 2030 um 65 % zu reduzieren sind und bis 2045 Treibhausgasneutralität erreicht wird. Für den Zeitraum 2020 bis 2030 konkretisiert das Klimaschutzgesetz die Minderungsziele differenziert nach sechs Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges). Das Bild 1 zeigt die Ziele und die bisherige Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland für den Verkehrssektor. Die jährlichen Emissionen sollen von 164 Mio. t im Jahr 2019 um 48 % auf 85 Mio. t CO2 im Jahr 2030 sinken. § 4 (2) des Gesetzes besagt außerdem, dass ab 2021 Überschreitungen der jährlich zulässigen Jahresemissionsmenge auf die verbleibenden Jahresemissionsmengen angerechnet werden. Überschreitungen in einem Jahr müssen also in den Folgejahren zusätzlich eingespart werden.

Die Zuordnung der Treibhausgase zu einem Sektor erfolgt nach dem Kyoto-Protokoll. Danach werden Treibhausgasemissionen aus der Stromerzeugung dem Sektor der Energiewirtschaft zugeordnet. Elektrisch betriebene Schienen- und Kraftfahrzeuge generieren damit keine Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor.

Bild 1: CO2-Emissionen in Deutschland im Verkehrssektor (Daten: Umweltbundesamt 2022)

3 Energiewende, Antriebswende, Fahrzeugwende und Verkehrswende

Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, sind große Veränderungen in vier Bereichen erforderlich (siehe Bild 2):

  • Energiewende: Aufgabe des Energiesektors ist es, ausreichend Energie aus erneuerbaren Quellen zu generieren und die Energie den Nutzern mit geeigneten Energieträgern (Batterien, Brennstoffzellen, synthetische Kraftstoffe) an geeigneten Orten (z. B. Ladestationen) zur Verfügung zu stellen.
  • Antriebswende: Aufgabe der Fahrzeugentwicklung ist es, die direkten Emissionen und den Energieverbrauch der Fahrzeuge, durch neue Fahrzeugkonzepte, durch effizientere Verbrennungsmotoren und durch alternative Antriebe zu reduzieren.
  • Fahrzeugwende: Um die heutige Fahrzeugflotte durch emissionsarme oder emissionsfreie Fahrzeuge zu ersetzen, müssen den Käufern zum einen entsprechende Fahrzeuge angeboten werden. Zum anderen muss das Kaufverhalten so verändert werden, dass diese Fahrzeuge dann auch tatsächlich gekauft werden.
  • Verkehrswende: Aufgabe der Verkehrswende ist es, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Ortsveränderungen von Personen und Gütern mit möglichst geringen Emissionen verbunden sind. Das betrifft zum einen die Verkehrsnachfrage (Häufigkeit, Weite, Modus) und zum anderen den Verkehrsablauf (Geschwindigkeit, Beschleunigung).

Dieser Beitrag fokussiert auf Maßnahmen mit denen sich eine Verkehrswende und eine Fahrzeugwende als Beitrag für einen nachhaltigen Verkehr erreichen lässt (Abschnitt 6). Für die Antriebswende wird die Flottenentwicklung abgeschätzt, die sich aus einem gesetzlich vorgegebenen Zieljahr ergibt, ab dem Neufahrzeuge nicht mehr mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden dürfen (Abschnitt 5).

Bild 2: Lösungsansätze für klimaverträglichen Verkehr

4 Szenarien

Um die Klimaziele zu erreichen, bedarf es einer Antriebswende und einer Fahrzeugwende. Um Aussagen machen zu können, welchen zusätzlichen Beitrag eine Verkehrswende leisten müsste, sind Annahmen zur Antriebs- bzw. Fahrzeugwende notwendig. Diese Annahmen betreffen die folgenden Variablen:

  • Anteil der Elektrofahrzeuge im Plan-Zustand für die Fahrzeugklassen Pkw und Lkw.
  • Spezifische CO2-Emissionen [CO2/km] im Plan-Zustand für die Fahrzeugklasse Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotor.

Der Beitrag einer Verkehrswende wird durch zwei Wirkungen quantifiziert:

  • Rückgang der Fahrleistung im Pkw-Verkehr. Im Lkw-Verkehr wird kein Rückgang unterstellt. Maßnahmen, mit denen der Rückgang erreicht werden kann, werden in Abschnitt 6 diskutiert.
  • Eine Maßnahme Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen reduziert im Pkw-Verkehr die flottenspezifischen CO2-Emissionen der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

Im Folgenden werden die Ausprägungen für diese Variablen in zwei Szenarien so gesetzt, dass sich vorgegebene Anteile für den Beitrag der Antriebswende und die Verkehrswende zum Erreichen der Klimaziele im Jahr 2030 ergeben:

  • Szenario A: Beitrag Antriebswende 100 % und Verkehrswende 0 %
  • Szenario A+V: Beitrag Antriebswende 67 % und Verkehrswende 33 %

Beide Szenarien basieren auf folgenden zusätzlichen vereinfachenden Annahmen:

  • Es werden nur die Verkehrsmittel Fuß, Rad, ÖV, Pkw und Lkw Luftverkehr und Schiffsverkehr werden nicht berücksichtigt.
  • Im Lkw-Verkehr wird ein Lkw angenommen, der die mittleren Eigenschaften eines Lkw über alle Gewichtsklassen und Fahrleistungen aufweist.
  • Es werden nur die Antriebsarten Elektromotor (BEV = Battery Electric Vehicle) und Verbrennungsmotor (ICEV = Internal Combustion Engine Vehicle) unterschieden. Plug-in-HybridFahrzeuge oder Fahrzeuge, die Refuels (Renewable Energy Fuels) nutzen, reduzieren die spezifischen CO2-Emissionen der Kraftstoffe. Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge (FCEV = Fuel Cell Electric Vehicle) werden in der Betrachtung wie BEV behandelt.
  • Referenzzustand sind die Verkehrsleistung und der CO2-Ausstoß im Jahr 2019.
  • Die jährliche Fahrleistung eines BEV entspricht der Fahrleistung eines ICEV, das heißt der Anteil an der Fahrzeugflotte entspricht dem Anteil an der Fahrleistung.
  • Die Lkw-Fahrleistung bleibt unverändert.
  • Die Verkehrsleistung im Personenverkehr bleibt über alle Modi unverändert. Ein Rückgang der Pkw-Fahrleistung führt zu Verlagerungen der Verkehrsleistung der Modi Pkw-Selbstfahrer und Pkw-Mitfahrer auf die Modi Fuß, Rad und ÖV. Es wird eine Verlagerung proportional zur Verkehrsleistung im Jahr 2019 angenommen. Grundsätzlich sind auch andere Annahmen zur Verlagerung eines Rückgangs der gesamten Verkehrsleistung möglich. Sie verändern das Ergebnis für die CO2-Emissionen nicht oder bei einer Steigerung der Fahrleistung im ÖV nur wenig.
  • Beim ÖV wird eine CO2-Effizienzsteigerung von 20 % angenommen.
  • Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen reduziert die mittleren spezifischen CO2-Emissionen von Pkw mit Verbrennungsmotoren auf allen Straßen. Bei einer Beschränkung auf 120 km/h beträgt der Rückgang rund 4 % und bei einer Beschränkung auf 100 km/h rund 7 %. Diese Werte ergeben sich aus Abschätzungen zu Fahrleistungsanteilen auf Autobahnen differenziert nach Geschwindigkeiten (siehe Tabelle 4).

Der Ablauf der Berechnung für ein Szenario umfasst folgende Schritte:

  • Ableitung der zulässigen CO2-Emissionen aus dem Klimaschutzgesetz: Für das Jahr 2030 ergibt sich ein Zielwert von 85 Mio. tCO2/a. Bei einer Bevölkerung von 83 Mio. Menschen entspricht das ziemlich genau 1,0 tCO2/a. Bezogen auf das Jahr 2019 mit 164 tCO2/a entspricht das einem Rückgang um 48 %.
  • Wirkungen der Antriebswende: Festlegung des Anteils von Elektrofahrzeugen und der Effizienzsteigerungen bei den spezifischen CO2-Emissionen, so dass die Zielvorgaben (100 % oder 67 % aus einer Antriebswende) erreicht werden.
  • Wirkungen der Verkehrswende: Der erforderliche Rückgang der Pkw-Fahrleistung ohne zusätzliche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsbegrenzung ergibt sich direkt aus dem Beitrag der Verkehrswende. Dieser Wert wird um den Einfluss der Geschwindigkeitsbegrenzung reduziert.

In der Tabelle 1 sind die Ergebnisse für den Zustand 2019 und für die zwei Szenarien 2030 bezogen auf eine durchschnittliche Person dargestellt. Im Referenzszenario S0 des Jahres 2019 legt jede Person in Deutschland 14.400 Personenkilometer pro Jahr zurück. Außerdem entfallen etwa 850 Lkw-Kilometer auf eine Person. Das führt in der Summe zu direkten CO2-Emissionen (ohne Vorkette) von rund 1,9 Tonnen pro Person und Jahr. Um die Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen auf rund 1,0 Tonnen reduziert werden. Das kann mit den beiden Szenarien auf folgende Weise gelingen:

  • Szenario A: Beitrag Antriebswende 100 % und Verkehrswende 0 %:

Die Klimaziele 2030 können ohne einen Beitrag der Verkehrswende erreicht werden, wenn 40 % der Pkw und 25 % der Lkw elektrisch betrieben werden. Zusätzlich müssen die spezifischen CO2-Emissionen der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren um 20 % sinken, z. B. durch leichtere Fahrzeuge oder durch Refuels.

  • Szenario A+V: Beitrag Antriebswende 67 % und Verkehrswende 33 %:

In diesem Szenario werden die Klimaziele 2030 erreicht, wenn 33 % der Pkw und 15 % der Lkw elektrisch betrieben werden. Darüber hinaus müssen die spezifischen CO2-Emissionen der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren um 15 % gesenkt werden. Der Beitrag der Verkehrswende besteht in einer Reduktion der Pkw-Fahrleistung um 27 % kombiniert mit einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen. In diesem Szenario würde sich die Verkehrsleistung im ÖV und im Radverkehr in etwa verdoppeln oder die Verkehrsleistung der Personen reduziert sich durch eine andere Durchführung der Aktivitäten (Homeoffice, nahe Ziele wählen).

Die praktische Umsetzbarkeit der beiden Szenarien wird in den beiden folgenden Abschnitten diskutiert.

5 Antriebswende

Es gibt viele Aussagen, wie sich der Anteil von Pkw mit Elektroantrieb entwickeln kann. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 unterstellte 6 Millionen Pkw-BEV. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung SPD, GRÜNE, FDP (2021) findet sich folgende Zielsetzung: “Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030“. Einen weiteren Hinweis auf eine mögliche Entwicklung gibt der Beschluss des EU-Parlaments, dass ab 2035 in der EU nur noch Autos und Transporter auf den Markt gebracht werden dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen.

Tabelle 1: Personenbezogene CO2-Emissionen in Deutschland im Verkehrssektor (ohne Luftverkehr und Schiffverkehr) für den Zustand 2019 und zwei Szenarien 2030

Aussagen zur Entwicklung von Lkw mit Elektroantrieb finden sich seltener. Das mag daran liegen, dass sich schwere Lkw mit Batteriespeicher erst in der Entwicklung befinden. Eine Studie (ifeu und PTV, 2022) stellt allerdings fest, dass „Batterie-Lkw zukünftig das Rückgrat eines kosteneffizienten Straßengüterverkehrs bilden dürften. […] Mit öffentlichen Hochleistungsschnellladern ist prinzipiell der Einsatz von Batterie-Lkw im Fernverkehr auch auf längeren Strecken möglich. Die dafür benötigten Batterie-Lkw mit Reichweiten von etwa 500 km könnten 2030 kostenseitig gegenüber Diesel-Lkw in vielen Fällen konkurrenzfähig sein.“ Glaubt man den Ankündigungen der Lkw-Hersteller, dann werden schwere Batterie-Lkw ab 2024 in die Serienproduktion gehen. Da Lkw schneller ersetzt werden als Pkw, kann sich die Flottenzusammensetzung bei Lkw auch schneller ändern, so dass Lkw den Rückstand bei der Elektrifizierung gegenüber dem Pkw aufholen können.

Trotzdem bleibt festzustellen, dass es bisher zur Entwicklung der Flottenzusammensetzung keine wirklichen Prognosen, sondern nur annahmenbasierte Szenarien gibt. Das Bild 3 zeigt eine Beispielrechnung der Pkw-BEV-Flottenentwicklung. Sie beruht im Wesentlichen auf zwei Annahmen: einer Lebensdauer für Pkw und einem Zieljahr, ab dem fast alle Pkw als BEV zugelassen werden. Ausgehend von einem Neuzulassungsanteil von 14 % im Jahr 2021 werden die Neuzulassungsanteile dann bis zum Zieljahr linear interpoliert. Geht man beispielsweise davon aus, dass ab 2035 fast alle neuzugelassenen Pkw einen elektrischen Antrieb haben, ergibt sich für das Jahr 2030 ein Flottenanteil von 28 %.

Bild 3: Pkw-BEV-Flottenentwicklung für verschiedene Zieljahre

Für die Lkw-BEV-Flottenentwicklung ergibt sich aufgrund der kürzeren Fahrzeuglebensdauer ein anderer zeitlicher Verlauf, der im Bild 4 dargestellt ist. Bei den angenommenen Verläufen würden Pkw und Lkw ab dem Jahr 2040 etwa ähnlich hohe Anteile aufweisen.

Für die beiden untersuchten Szenarien A und A+V lassen sich mit den obigen Abschätzungen folgende Aussagen zur Antriebswende machen:

  • Szenario A: Beitrag Antriebswende 100 % und Verkehrswende 0 %:
    Es ist unwahrscheinlich, dass bis 2030 die erforderlichen BEV-Anteile von 40 % der Pkw und 25 % der Lkw erreicht werden. Um das Ziel zu erreichen, müssten in den kommenden 8 Jahren über 60 % der Pkw und über 20 % der Neuzulassungen auf BEV entfallen.
  • Szenario A+V: Beitrag Antriebswende 67 % und Verkehrswende 33 %:
    Damit ein BEV-Anteil von 33 % beim Pkw und von 15 % beim Lkw erreicht wird, dürfen Pkw mit Verbrennungsmotoren spätestens ab 2035 und Lkw spätestens ab 2040 nicht mehr zugelassen werden.

Bild 4: Lkw-BEV-Flottenentwicklung für verschiedene Zieljahre

Damit die Klimaziele in den Jahren 2035 und 2040 ohne eine Verkehrswende eingehalten werden, müssten dann etwa 60 % bzw. 75 % der Fahrzeugflotte elektrifiziert sein. Das ist mit den Zieljahren 2035 und 2040 für ein Verbrennerverbot zumindest theoretisch möglich.

In welchem Umfang Refuels im Straßenverkehr die Anforderungen an die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte reduzieren können, ist derzeit schwer absehbar. Eine E-Fuel-Studie (dena, 2017) weist darauf hin, dass sich E-Fuels in der Entwicklungs- und Marktvorlaufphase befinden und einen starken Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erfordern, da die Energieeffizienz von E-Fuels bei der Nutzung in Verbrennungsmotoren vier bis sechs Mal geringer ist als bei BEV.

6 Verkehrswende

Die Tabelle 2 zeigt eine Reihe ausgewählter Maßnahmen und vermutete Größenordnungen ihrer Wirksamkeit. Grundlage für diese qualitative Abschätzung sind u. a. Abschätzungen auf Modellrechnungen mit Verkehrsnachfragemodellen. Zwei Beispiele für derartige Modellrechnungen werden kurz vorgestellt:

  • Klimaschutzszenario Baden-Württemberg (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg 2017): Für das Land Baden-Württemberg wurden mit dem Verkehrsnachfragemodell des Bundesverkehrswegeplans Szenarien für das Jahr 2030 berechnet. Das Bild 5 zeigt eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse für die Personenkilometer. Während Maßnahmen, die nur mit Anreizen arbeiten, die Pkw-Nachfrage gegenüber dem BVWP-Szenario nur um 3 % reduzieren, führt die Kombination mit restriktiven Maßnahmen zu Rückgängen von 19 %.
  • Kostenfreier ÖPNV (Mocanu et al. 2018): Modellrechnungen, die einen kostenfreie Nutzung des ÖPNV im Nahverkehr in Deutschland unterstellen, zeigen fast eine Verdopplung der Personenkilometer im ÖPNV. Die zusätzliche Nachfrage kommt allerdings nur knapp zur Hälfte vom Pkw. Der größte Zuwachs resultiert aus Neuverkehr von Fahrgästen, die das kostenlose Angebot für zusätzliche Wege nutzen. Die Fahrleistung im Pkw-Verkehr geht nur um etwa 7 % zurück. Wie beim Klimaschutzszenario Baden-Württemberg führen Anreize nicht nur zu Rückgängen im Pkw-Verkehr, sondern auch zu zusätzlichem Verkehr. Eine ähnliche Größenordnung zeigen ersten Auswertungen zum 9-Euro-Ticket (VDV 2022). Der VDV geht davon aus, dass „10 % der Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket eine Fahrt

Tabelle 2: Qualitative Wirksamkeit von Maßnahmen im Personenverkehr

Bild 5: Entwicklung des Personenverkehrs in Baden-Württemberg im BVWP und in zwei Klimaschutzszenarien (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg 2017)

ersetzt haben, die sonst mit dem Pkw unternommen worden wäre“ und dass so in drei Monaten „1,8 Millionen Tonnen CO2“ eingespart wurden. Hochgerechnet auf ein Jahr ergeben sich Einsparungen von 7,2 Mio. t. Das entspricht rund 7 % der CO2-Emissionen des Jahres 2019 im Pkw-Verkehr. Die VDV-Veröffentlichung macht allerdings nur Aussagen zur Zahl der verlagerten Fahrten und nicht der Personenkilometer. Sie unterscheidet beim Pkw außerdem nicht zwischen Selbstfahrern und Mitfahrern. Deshalb können die tatsächlichen Einsparungen auch niedriger liegen.

Geht man davon aus, dass die in der Tabelle 2 dargestellten Maßnahmenwirkungen in der richtigen Größenordnung liegen, lassen sich folgende Aussagen zum Beitrag einer Verkehrswende zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor machen:

Maßnahmen des Mobility Pricing

Mit einer Erhöhung der Nutzungskosten lassen sich deutliche CO2-Reduktionen erzielen. Die Wirksamkeit hängt natürlich von der Höhe der Preise ab. Höhere Nutzungskosten wirken allerdings in unterschiedlicher Weise:

  • Parkgebühren: Preiserhöhungen für Parken wirken nur auf einen relativ kleinen Teil der Pkw-Nachfrage. Sonderregelungen für Bewohnerparken und die Verfügbarkeit privater Stellplätze begrenzen die Wirksamkeit der Maßnahme. Ein Parkraummanagement reduziert besonders Parkvorgänge längerer Dauer (Wegezweck Arbeit). Die Verfügbarkeit freier Stellplätze kann die Zahl der Parkvorgänge und damit die Zahl der Pkw-Fahrten für Wegezwecke mit kurzer Parkdauer (Einkauf, private Erledigung) erhöhen. Bisher existieren keine empirischen Ergebnisse, die einen statistisch abgesicherten, direkten Zusammenhang zwischen Parkraummanagement, Parkgebühren und Verkehrsnachfrage Messbare Wirkungen zeigen einen Rückgang ordnungswidriger Parkvorgänge, der sich aus einer erhöhten Kontrollrate in Gebieten mit Parkraummanagement ergibt. Für einen messbaren Rückgang der Pkw-Nachfrage müssten die Parkgebühren deutlich steigen.
  • Zulassungssteuer: Rund drei Viertel der europäischen Staaten erheben eine Zulassungssteuer für die Registrierung von Die Zulassungsteuer ist dabei häufig von den spezifischen CO2-Emissionen des Fahrzeugs abhängig. Ein Zulassungsteuer wirkt auf den Pkw-Besitz und die Wahl des Fahrzeugtyps. Der Pkw-Besitz beeinflusst die Verkehrsmoduswahl, der Fahrzeugtyp die spezifischen CO2-Emissionen. Dänemark erhebt derzeit die höchsten Zulassungssteuern für Pkw in Europa. Sie liegen mindestens bei 85 % des Anschaffungspreises (skat.dk). Diese hohen Steuern können eine Ursache dafür sein, dass die Pkw-Dichte in Dänemark mit etwa 450 Pkw pro 1.000 Einwohner deutlich unter dem deutschen Wert von 570 Pkw pro 1.000 Einwohner liegt. Untersuchungen (Blanck et al. 2020; Kunert 2018) zeigen einen Zusammenhang zwischen den steuerlichen Rahmenbedingungen und den CO2-Emissionen der Fahrzeugflotte.
  • Straßenbenutzungsgebühren: Mit Straßenbenutzungsgebühren lassen sich die CO2-Emissionen über Veränderungen bei der Ziel- und Moduswahl (weniger Fahrzeugkilometer), bei der Abfahrtszeit- und Routenwahl (besserer Verkehrsfluss) und über die Fahrzeugbeschaffungswahl beeinflussen. Das erfordert eine fahrleistungsabhängige Gebührenerfassung, die nach Fahrzeugtyp, Straßenkategorie und Tageszeit differenziert werden kann. Um messbare Wirkungen zu erzielen, sind deutliche Preiserhöhungen erforderlich, da die Elastizität der Pkw-Nachfrage auf die fahrleistungsabhängigen Pkw-Kosten relativ gering ist. Sie liegt in der Größenordnung von -0,15 bis -0,35 (Axhausen und Fröhlich 2012), was auf einen ausgeprägtes Beharrungsverhalten der Nutzer hinweist. Eine Reduzierung der Pkw-Fahrleistung um etwa 20 % bis 25 % erfordert eine Verdopplung der fahrleistungsabhängigen Die Tabelle 3 zeigt, dass hierfür mittlere Straßenbenutzungsgebühren von knapp 0,1 €/km erforderlich sind. Das entspricht, bezogen auf eine Person in Deutschland, jährlichen Mehrkosten von etwa 700 €. Auf die Lkw-Fahrleistung wirken Straßenbenutzungsgebühren deutlich geringer, da hier die fixen Kosten und die Personalkosten die fahrleistungsabhängigen Kosten dominieren.

Tabelle 3: Preisänderungen der fahrleistungsabhängigen Pkw-Kosten für einen Pkw: erforderlicher CO2-Preis oder erforderliche Straßenbenutzungsgebühren, um eine vorgegebene Preisänderung zu erreichen

  • CO2-Preise: Die Gegenüberstellungen von CO2-Preisen und Preisänderungen bei den fahrleistungsabhängigen Pkw-Kosten in der Tabelle 3 verdeutlichen, dass die derzeit für Deutschland beschlossenen CO2-Preise (25 €/t für 2021 und höchstens 65 €/t bis 2030) keine messbaren Wirkungen auf die Kfz-Fahrleistungen haben Um eine Verdopplung der fahrleistungsabhängigen Kosten zu erreichen, sind CO2-Preise von etwa 650 €/t erforderlich. Gewisse Wirkungen lassen sich ab 200 €/t erreichen.
  • ÖV-Tarife: Der Einfluss der Tarifgestaltung im öffentlichen Verkehr auf die CO2-Emissionen ist vermutlich relativ gering. Wie Untersuchungen (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg 2017, Mocanu et al. 2018) zeigen, führen Preisreduktionen zwar zu Nachfragesteigerungen im ÖV, reduzieren die Pkw-Fahrzeugkilometer aber nur in kleinem Die Bedeutung von Preisreduktionen im ÖV liegt besonders in der sozialen Akzeptanz von restriktiven Maßnahmen, die eine Verkehrswende erfordert.

Maßnahmen der Verkehrsnetz- und Verkehrsangebotsgestaltung

Viele Maßnahmen der Verkehrsnetz- und Verkehrsangebotsgestaltung wirken nicht direkt auf die CO2-Emissionen. Die Maßnahmen sind erforderlich, um alternative Angebote zum Pkw- und Lkw-Verkehr zu schaffen. Eine Verlagerung von 1 % der Pkw-Personenkilometer (Fahrer und Mitfahrer) auf den ÖV erhöht die Personenkilometer im ÖV um rund 5 %. Wird eine fahrleistungsproportionale Aufteilung auf ÖV und Rad angenommen, führt eine Reduktion der Pkw-Fahrleistung um 25 % bis 30 % in etwa zu einer Verdopplung der Personenkilometer im ÖV und im Radverkehr. Wie das Klimaschutzszenario für Baden-Württemberg zeigt, ergeben sich aus diesem Zusammenhang erhebliche Anforderungen an Infrastrukturmaßnahmen im Schienennetz, besonders in den Zuläufen zu Großstädten. Außerdem sind zusätzliche Fahrzeuge und zusätzliches Personal erforderlich, um das Angebot an Fahrplanfahrten an die erhöhte Nachfrage anzupassen. Um die Zuwächse im Radverkehr abwickeln zu können, sind zusätzlich zu einem Ausbau der Radverkehrsanlagen durchgängige Straßennetze, die auf eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h oder weniger begrenzt sind, eine mögliche Lösung. Bei diesen Geschwindigkeiten können sich Kfz und langsame Verkehrsmittel den Straßenraum teilen.

Maßnahmen der Verkehrssteuerung

Der Verkehrsfluss in Städten wird maßgeblich von der Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte und der Qualität der Lichtsignalkoordinierung beeinflusst. Durch eine Minimierung der Zahl der Halte und damit der Beschleunigungsvorgänge kann der Energieverbrauch reduziert werden. Das kann in gewissem Umfang mit einer verkehrsabhängigen Lichtsignalsteuerung erreicht werden. Der Reduktionsbeitrag wird mit etwa 1 bis 2 % der verkehrsbedingten Emissionen allerdings klein sein, da die Netzstruktur, Überlastungssituationen und die Anforderungen anderer Verkehrsteilnehmenden (ÖV, Rad, Fuß) dem Lösungsraum einer Steuerung enge Grenzen setzen. Reboundeffekte aufgrund eines verbesserten Verkehrsflusses werden den Reduktionsbeitrag verkleinern (Schmaus et al. 2022).

Tabelle 4: Pkw-Fahrleistungsanteile auf der Autobahn und im gesamten Straßennetz differenziert nach tatsächlicher Fahrgeschwindigkeit (Quelle: Schmaus et al. 2022)

Eine technisch vergleichsweise einfache und gleichzeitig billige Lösung ist die immer wieder diskutierte Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen. Mit Floating-Car-Daten kann man abschätzen, dass etwa 45 % der gesamten Pkw-Verkehrsleistung auf Autobahnen in Deutschland auf Verkehrszustände mit einer Fahrtgeschwindigkeit über 120 km/h entfällt (siehe Tabelle 4). Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h würde den Energieverbrauch im Pkw-Verkehr um rund 4 % und bezogen auf den Verkehrssektor um knapp 2,5 % reduzieren (Schmaus et al. 2022). Mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h wird ein Rückgang von etwa 7 % im Pkw-Verkehr bzw. um 5 % im Verkehrssektor erreicht.

Berücksichtigt man zusätzlich Routenwahleffekte und modale Verlagerungseffekte einer Geschwindigkeitsbeschränkung, steigt der Reduktionsbeitrag im Pkw-Verkehr auf rund 6% bei einer Beschränkung auf 120 km/h und auf rund 10 % bei einer Beschränkung auf 100 km/h.

Maßnahmen zur Beeinflussung der Fahrzeugwahl

Es gibt eine große Auswahl an Pkw mit Verbrennungsmotoren, die deutlich weniger Kraftstoff benötigen als der mittlere Verbrauch der derzeitigen Fahrzeugflotte. Für Elektrofahrzeuge ergibt ein Preisvergleich des ADAC von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und Elektroantrieb (ADAC 2022b) unter Einbeziehung der aktuellen Kaufprämien einen ähnlichen Kilometerpreis für beide Antriebsarten. Damit bleiben als wesentliche Nachteile eines Elektrofahrzeugs die geringere Reichweite und die begrenzten Lademöglichkeiten. Um die Fahrzeugwende zu erreichen, sind Anreize durch Kaufprämien weniger sinnvoll als die oben beschriebene Zulassungssteuer. Mit Blick auf die Klimaziele sollte diese in Abhängigkeit der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs gestaltet werden. Auch hier gilt, dass die geplanten CO2-Preise nicht ausreichen, um die Fahrzeugwahl zu beeinflussen.

Maßnahmen zur Beeinflussung des Verhaltens

Die räumliche und modale Ausprägung der Verkehrsnachfrage wird maßgeblich vom verfügbaren Verkehrsangebot und von den Preisen für die Nutzung des Angebots bestimmt. Zusätzlich können die angebotenen Arbeitsformen (Homeoffice, Videokonferenz) die Verkehrsnachfrage beeinflussen. Die Erhebung Mobilität in Deutschland (BMVI 2019b) weist für die Wegezwecke Arbeit und Dienstliches einen Anteil von 21 % bzw. 17 % der Personenkilometer aus. Hier stecken also ein gewisses Potenzial, um die Pkw-Fahrleistung zu reduzieren. Gelingt es gegenüber dem Jahr 2019 durch Homeoffice 10 % der Arbeitswege und durch Videokonferenzen 20 % der dienstlichen Wege zu vermeiden, dann sinkt die Verkehrsleistung im Personenverkehr um rund 5 %. Das erscheint aufgrund der Erfahrungen von Covid technisch erreichbar. Allerdings kann Homeoffice mittelfristig auch dazu führen, dass Menschen den Wohnort wechseln und längere Arbeitswege in Kauf nehmen.

Eine weitere, möglicherweise unterschätzte Maßnahme besteht in der Beeinflussung des Fahrverhaltens. Durch energieeffizientes Fahren reduziert sich der spezifische Energieverbrauch. Der ADAC (2022a) benennt Einsparungen von bis zu 20 %. Realistisch erscheinen Einsparungen von 3 % bis 5 %. Da eine energieeffiziente Fahrweise allerdings nicht erzwungen werden kann, müsste die regelmäßige Teilnahme an Fahrtrainings Pflicht werden.

7 Fazit

Eine Klimastrategie für den Verkehrssektor, die vorrangig auf technische Lösungen setzt, sieht etwa so aus: Die Energietechnik und die Fahrzeugtechnik stellen uns Elektrofahrzeuge zur Verfügung, die mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Verkehrstechnik sorgt für einen störungsfreien Verkehrsablauf. Ein gut ausgebautes ÖV-System, bessere Radverkehrsanlagen und Sharingangebote bieten im Personenverkehr Alternativen zum Pkw. Maßnahmen, die auf technische Verbesserungen setzen, sind einfacher umzusetzen als Maßnahmen, die Verhaltensänderungen erfordern. Maßnahmen zu Verhaltensänderungen sind dann akzeptabel, wenn sie mit Anreizen und nicht mit Restriktionen erreicht werden.

Die obigen Abschätzungen zeigen allerdings, dass eine Klimastrategie, die nur auf die technischen Lösungen einer Antriebswende setzt, nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen:

  • Selbst mit einem Verbrennerverbot für Pkw ab 2035 und für Lkw ab 2040 werden die jährlichen Klimaziele bestenfalls im Jahr 2035 erstmals erreicht.
  • Im Zeitraum 2021 bis 2035 haben sich dann Mehremissionen von rund 250 Mio. angesammelt, die bis 2045 nicht abgebaut werden können.
  • Es ist unwahrscheinlich, dass diese Mehremissionen bis 2045 durch die Nutzung von Refuels im Straßenverkehr kompensiert werden können. Refuels erfordern zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energien, da die Energieeffizienz von Refuels bei der Nutzung in Verbrennungsmotoren vier bis sechs Mal geringer ist als bei BEV (dena 2017).
  • Ein Import von Refuels aus anderen Ländern erscheint für den Straßenverkehr erst dann vertretbar und sinnvoll, wenn in diesen Ländern die Dekarbonisierung des Verkehrs weitgehend abgeschlossen Andernfalls werden Refuels unnötigerweise über große Entfernungen transportiert, obwohl sie direkt vor Ort den gleichen CO2-Minderungsbeitrag liefern.
  • Es wird auch nach 2045 kein Zustand des „Energiereichtums“ geben, in dem wir beliebige Mengen von Strom oder synthetischen Kraftstoffen für den Verkehr nutzen können.

Eine Verkehrswende, die den Primärenergiebedarf und damit die CO2-Emissionen im Straßenverkehr um rund ein Drittel reduziert, erfordert Maßnahmen, die deutlich über die bisher diskutierten Maßnahmen hinausgehen und für die bisher die notwendigen Instrumente für eine Umsetzung fehlen. Für die Planung einer Verkehrswende wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:

  1. Festlegung von Maßnahmen zur Reduktion des spezifischen Energieverbrauchs [kWh/ km] bzw. der spezifischen CO2-Emissionen [CO2/km]:
    • Beeinflussung der Fahrzeugbeschaffungswahl durch Zulassungssteuern. Vorstellbar wäre auch eine verbindliche Fahrzeugberatung vor jedem Fahrzeugkauf.
    • Begrenzung der zulässigen Geschwindigkeiten auf Autobahnen und Landstraßen. Um ausreichende Wirkungen zu erzielen, ist eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf maximal 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen erforderlich.
    • Beeinflussung der Fahrweise durch die regelmäßige Teilnahme an verbindlichen Fahrtrainings.
  2. Festlegung von Maßnahmen zur Reduzierung der Fahrleistung im Kfz-Verkehr:
    • Maßnahmen, die die zulässigen Geschwindigkeiten reduzieren, werden dann zu messbaren modalen Verlagerungen führen, wenn die Reisezeiterhöhungen so groß sind, dass der ÖV eine Alternative darstellt. Das kann vor allem im Fernverkehr gelingen, wo eine sehr kleine Menge an Wegen (< 2 %) für fast die Hälfte aller Personenkilometer verantwortlich Hier verändert Tempo 100 auf Autobahnen das Reisezeitverhältnis zugunsten des ÖV deutlich.
    • Straßenbenutzungsgebühren haben vermutlich das größte Potenzial zur Reduktion der Fahrleistung. Die Preise für den Kfz-Verkehr müssen so gewählt, dass die erforderlichen Reduzierungen der CO2-Emissionen durch eine Reduzierung der Fahrzeugkilometer: erreicht werden. Eine Reduzierung der Pkw-Fahrleistung um etwa 20 % bis 25 % erfordert allerdings eine Verdopplung der fahrleistungsabhängigen Kosten.
    • Maßnahmen zur Erhöhung des Pkw-Besetzungsgrads können dann funktionieren, wenn die Einfahrt in definierte Gebiete nur mit einem Mindestbesetzungsgrad zulässig ist. Außerdem könnten Straßenbenutzungsgebühren an den Besetzungsgrad gekoppelt werden.
  3. Festlegung von Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsangebots im Fuß- und Radverkehr und im ÖV. Die Maßnahmen zur Reduzierung der Kfz-Fahrzeugkilometer führen zu modalen Verlagerungen. Das Angebot im Fuß- und Radverkehr und im ÖV muss so ausgebaut werden, dass die verlagerte Nachfrage bedient werden Bei der Planung des ÖV-Angebots müssen dabei Taktverdichtungen im Vordergrund stehen. Fahrtzeitreduktionen sind natürlich ebenfalls erstrebenswert, sie werden allerdings nur auf wenigen Relationen dazu führen, dass der ÖV schnellere Alternativen anbietet als der Pkw. Wir sollten deshalb den Menschen keinen Zustand versprechen, bei dem der ÖV schneller als der Pkw ist.

Die dargestellte Vorgehensweise beginnt – anders als bisher üblich – nicht mit Maßnahmen, die auf Anreize durch Verbesserungen setzen. Sie geht stattdessen davon aus, dass eine deutliche Reduktion der Kfz-Fahrleistung durch restriktive Maßnahmen erforderlich ist. Das führt dann in der Folge zu modalen Verlagerungen, die einen Ausbau des Verkehrsangebot im Fuß- und Radverkehr und im ÖV erfordern.

In der Tabelle 5 sind wesentliche Handlungsfelder zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 mit ihrem Zielbeitrag zusammengestellt. Die Darstellung verdeutlicht die Bedeutung der Antriebswende, die in Kombination mit einer Fahrzeugwende etwa zwei Drittel der geforderten CO2-Reduktion beitragen kann und muss. Zur Erreichung der Klimaziele bis 2030, aber auch darüber hinaus bis 2045, bedarf es zusätzlich einer Verkehrswende, die Ortsveränderungen um etwa ein Drittel effizienter macht. Für diese Verkehrswende zahlen wir als Verkehrsteilnehmende auf zwei Arten:

  • Höhere Nutzungskosten für den Pkw und den Gütertransport. Die Mehrkosten belasten die privaten Haushalte, um auf diese Weise Anreize für Verhaltensänderung zu setzen. Gleichzeitig führen die Mehrkosten zu Mehreinnahmen des Staates. Es ist dann eine weitere Aufgabe, diese Mehreinnahmen so zu verwenden, dass die Erreichbarkeit von Aktivitätenorten im Sinne einer emissionsarmen Daseinsvorsorge auch in Zukunft für alle Bevölkerungsgruppen gewährleistet ist.
  • Höhere Reisezeiten für Ortsveränderungen im Personenverkehr: Aus der Erhebung Mobilität in Deutschland (BMVI 2019b) ergibt sich ein mittlerer täglicher Zeitaufwand für Ortsveränderung von rund 80 Minuten oder knapp 500 Stunden pro Jahr. Ein Tempolimit auf Autobahnen erhöht den Zeitaufwand um etwa 1,5 Minuten pro Tag oder um 10 Stunden pro Jahr. Eine Verlagerung von etwa 2.000 Personenkilometern vom Pkw auf den ÖV führt zu einem zusätzlichen Zeitaufwand von etwa 7 Minuten pro Tag oder 40 Stunden pro Jahr. 50 Stunden Mehraufwand entspricht etwa dem Zeitaufwand, den wir heute im Stau verbringen. Damit wir die Klimaziele erreichen, müssen wir also täglich rund 10 Minuten mehr Zeit einplanen oder unsere Wegeketten durch eine andere Wahl der Aktivitätenorte einschließlich anderer Arbeitsformen (Homeoffice, Videokonferenz) Das wird je nach Wohnort und der Lage von Pflichtaktivitätenorten unterschiedlich gut gelingen.

Die Erkenntnisse dieses Beitrages und die daraus abgeleiteten Maßnahmen erfordern Veränderungen, die vielen Menschen nicht gefallen und die deshalb politisch schwer umsetzbar sind. Deshalb ist es in der Diskussion wichtig zwei Dinge darzustellen:

  • Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Klimaschutzgesetz (BVerfG 2021) a. festgestellt, dass eine Verschiebung der Klimaziele keine verhältnismäßige Lösung ist: „Die Grundrechte verpflichten den Gesetzgeber, die […] verfassungsrechtlich notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen bis hin zur Klimaneutralität vorausschauend so zu gestalten, dass die damit verbundenen Freiheitseinbußen trotz steigender Klimaschutzanforderungen weiterhin zumutbar ausfallen und die Reduktionslasten über die Zeit und zwischen den Generationen nicht einseitig zulasten der Zukunft verteilt sind […] Aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit folgt, dass nicht einer Generation zugestanden werden darf, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine – von den Beschwerdeführenden als „Vollbremsung“ bezeichnete – radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben schwerwiegenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.“
  • Eine Verkehrswende in Deutschland ist sehr wohl technisch machbar und finanziell verkraftbar. Wir bekommen als Ergebnis einen Verkehr, der die Dominanz des Pkw reduziert, aber weiter die Vorteile des Kfz in großen Umfang nutzt. Das Kfz wird auch mit einer Verkehrswende das Verkehrsmittel sein, auf das die höchste Verkehrsleistung entfällt. Es muss allerdings vor allem in Stadtregionen und im Fernverkehr an Bedeutung verlieren. Das erfordert Verhaltensänderungen, die anstrengend sein werden, die aber besonders im Stadtverkehr zusätzliche Vorteile bringen können.

Tabelle 5: Handlungsfelder zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030

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