FGSV-Nr. | FGSV 001/28 |
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Ort | Dortmund |
Datum | 05.10.2022 |
Titel | Maßnahmenbereiche zur Einhaltung der CO2-Minderungsziele und deren Wirkungspotenziale |
Autoren | Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich |
Kategorien | Kongress |
Einleitung |
Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, bedarf es geeigneter Maßnahmen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Maßnahmen und beurteilt ihren Wirkungsbeitrag zur Erreichung der Klimaziele anhand von zwei Szenarien. Das erste Szenario „100 % Antriebswende“ zeigt, welche Entwicklungen bei der Flottenzusammensetzung erforderlich sind, um die Klimaziele allein durch eine Elektrifizierung der Fahrzeuge zu erreichen. Ergebnis des Szenarios: Selbst mit einem Verbrennerverbot für Pkw ab 2035 und für Lkw ab 2040 werden die Klimaziele nicht erreicht. Das zweite Szenario „67 % Antriebswende und 33 % Verkehrswende“ beschreibt eine Entwicklung, bei der etwa ein Drittel der CO2-Minderungsziele durch einen Rückgang der Fahrleistung im Pkw-Verkehr und durch Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen erreicht werden. Damit können die Klimaziele erreicht werden. Allerdings erfordert eine Verkehrswende Maßnahmen, die deutlich über die bisher diskutierten Maßnahmen hinausgehen und für die bisher die notwendigen Instrumente, u. a. Zulassungssteuern und Straßenbenutzungsgebühren, fehlen. |
Volltext | Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.1 EinleitungUm die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, bedarf es geeigneter Instrumente und Maßnahmen. Instrumente umfassen die Werkzeuge, die den Handelnden grundsätzlich zur Verfügung stehen, um die Klimaziele zu erreichen. Als Maßnahme wird die konkrete Ausgestaltung einer Handlung bezeichnet, bei der dann ein oder mehrere Instrumente genutzt werden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Maßnahmen und beurteilt ihren Wirkungsbeitrag zur Erreichung der Klimaziele anhand von zwei Szenarien. Der Inhalt baut auf früheren Veröffentlichungen auf (Friedrich 2020; Friedrich et al. 2017), in denen neben den Maßnahmen auch die erforderlichen Instrumente dargestellt sind. 2 Politische Ziele und bisherige EntwicklungDie Europäische Union hat mit der Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens dem Ziel zugestimmt, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Für Deutschland legt das Klimaschutzgesetz (KSG 2021) fest, dass die Treibhausgasemissionen bezogen auf 1990 bis 2030 um 65 % zu reduzieren sind und bis 2045 Treibhausgasneutralität erreicht wird. Für den Zeitraum 2020 bis 2030 konkretisiert das Klimaschutzgesetz die Minderungsziele differenziert nach sechs Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges). Das Bild 1 zeigt die Ziele und die bisherige Entwicklung der CO2-Emissionen in Deutschland für den Verkehrssektor. Die jährlichen Emissionen sollen von 164 Mio. t im Jahr 2019 um 48 % auf 85 Mio. t CO2 im Jahr 2030 sinken. § 4 (2) des Gesetzes besagt außerdem, dass ab 2021 Überschreitungen der jährlich zulässigen Jahresemissionsmenge auf die verbleibenden Jahresemissionsmengen angerechnet werden. Überschreitungen in einem Jahr müssen also in den Folgejahren zusätzlich eingespart werden. Die Zuordnung der Treibhausgase zu einem Sektor erfolgt nach dem Kyoto-Protokoll. Danach werden Treibhausgasemissionen aus der Stromerzeugung dem Sektor der Energiewirtschaft zugeordnet. Elektrisch betriebene Schienen- und Kraftfahrzeuge generieren damit keine Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Bild 1: CO2-Emissionen in Deutschland im Verkehrssektor (Daten: Umweltbundesamt 2022) 3 Energiewende, Antriebswende, Fahrzeugwende und VerkehrswendeUm die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, sind große Veränderungen in vier Bereichen erforderlich (siehe Bild 2):
Dieser Beitrag fokussiert auf Maßnahmen mit denen sich eine Verkehrswende und eine Fahrzeugwende als Beitrag für einen nachhaltigen Verkehr erreichen lässt (Abschnitt 6). Für die Antriebswende wird die Flottenentwicklung abgeschätzt, die sich aus einem gesetzlich vorgegebenen Zieljahr ergibt, ab dem Neufahrzeuge nicht mehr mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden dürfen (Abschnitt 5). Bild 2: Lösungsansätze für klimaverträglichen Verkehr 4 SzenarienUm die Klimaziele zu erreichen, bedarf es einer Antriebswende und einer Fahrzeugwende. Um Aussagen machen zu können, welchen zusätzlichen Beitrag eine Verkehrswende leisten müsste, sind Annahmen zur Antriebs- bzw. Fahrzeugwende notwendig. Diese Annahmen betreffen die folgenden Variablen:
Der Beitrag einer Verkehrswende wird durch zwei Wirkungen quantifiziert:
Im Folgenden werden die Ausprägungen für diese Variablen in zwei Szenarien so gesetzt, dass sich vorgegebene Anteile für den Beitrag der Antriebswende und die Verkehrswende zum Erreichen der Klimaziele im Jahr 2030 ergeben:
Beide Szenarien basieren auf folgenden zusätzlichen vereinfachenden Annahmen:
Der Ablauf der Berechnung für ein Szenario umfasst folgende Schritte:
In der Tabelle 1 sind die Ergebnisse für den Zustand 2019 und für die zwei Szenarien 2030 bezogen auf eine durchschnittliche Person dargestellt. Im Referenzszenario S0 des Jahres 2019 legt jede Person in Deutschland 14.400 Personenkilometer pro Jahr zurück. Außerdem entfallen etwa 850 Lkw-Kilometer auf eine Person. Das führt in der Summe zu direkten CO2-Emissionen (ohne Vorkette) von rund 1,9 Tonnen pro Person und Jahr. Um die Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen auf rund 1,0 Tonnen reduziert werden. Das kann mit den beiden Szenarien auf folgende Weise gelingen:
Die Klimaziele 2030 können ohne einen Beitrag der Verkehrswende erreicht werden, wenn 40 % der Pkw und 25 % der Lkw elektrisch betrieben werden. Zusätzlich müssen die spezifischen CO2-Emissionen der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren um 20 % sinken, z. B. durch leichtere Fahrzeuge oder durch Refuels.
In diesem Szenario werden die Klimaziele 2030 erreicht, wenn 33 % der Pkw und 15 % der Lkw elektrisch betrieben werden. Darüber hinaus müssen die spezifischen CO2-Emissionen der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren um 15 % gesenkt werden. Der Beitrag der Verkehrswende besteht in einer Reduktion der Pkw-Fahrleistung um 27 % kombiniert mit einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen. In diesem Szenario würde sich die Verkehrsleistung im ÖV und im Radverkehr in etwa verdoppeln oder die Verkehrsleistung der Personen reduziert sich durch eine andere Durchführung der Aktivitäten (Homeoffice, nahe Ziele wählen). Die praktische Umsetzbarkeit der beiden Szenarien wird in den beiden folgenden Abschnitten diskutiert. 5 AntriebswendeEs gibt viele Aussagen, wie sich der Anteil von Pkw mit Elektroantrieb entwickeln kann. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 unterstellte 6 Millionen Pkw-BEV. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung SPD, GRÜNE, FDP (2021) findet sich folgende Zielsetzung: “Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030“. Einen weiteren Hinweis auf eine mögliche Entwicklung gibt der Beschluss des EU-Parlaments, dass ab 2035 in der EU nur noch Autos und Transporter auf den Markt gebracht werden dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Tabelle 1: Personenbezogene CO2-Emissionen in Deutschland im Verkehrssektor (ohne Luftverkehr und Schiffverkehr) für den Zustand 2019 und zwei Szenarien 2030 Aussagen zur Entwicklung von Lkw mit Elektroantrieb finden sich seltener. Das mag daran liegen, dass sich schwere Lkw mit Batteriespeicher erst in der Entwicklung befinden. Eine Studie (ifeu und PTV, 2022) stellt allerdings fest, dass „Batterie-Lkw zukünftig das Rückgrat eines kosteneffizienten Straßengüterverkehrs bilden dürften. […] Mit öffentlichen Hochleistungsschnellladern ist prinzipiell der Einsatz von Batterie-Lkw im Fernverkehr auch auf längeren Strecken möglich. Die dafür benötigten Batterie-Lkw mit Reichweiten von etwa 500 km könnten 2030 kostenseitig gegenüber Diesel-Lkw in vielen Fällen konkurrenzfähig sein.“ Glaubt man den Ankündigungen der Lkw-Hersteller, dann werden schwere Batterie-Lkw ab 2024 in die Serienproduktion gehen. Da Lkw schneller ersetzt werden als Pkw, kann sich die Flottenzusammensetzung bei Lkw auch schneller ändern, so dass Lkw den Rückstand bei der Elektrifizierung gegenüber dem Pkw aufholen können. Trotzdem bleibt festzustellen, dass es bisher zur Entwicklung der Flottenzusammensetzung keine wirklichen Prognosen, sondern nur annahmenbasierte Szenarien gibt. Das Bild 3 zeigt eine Beispielrechnung der Pkw-BEV-Flottenentwicklung. Sie beruht im Wesentlichen auf zwei Annahmen: einer Lebensdauer für Pkw und einem Zieljahr, ab dem fast alle Pkw als BEV zugelassen werden. Ausgehend von einem Neuzulassungsanteil von 14 % im Jahr 2021 werden die Neuzulassungsanteile dann bis zum Zieljahr linear interpoliert. Geht man beispielsweise davon aus, dass ab 2035 fast alle neuzugelassenen Pkw einen elektrischen Antrieb haben, ergibt sich für das Jahr 2030 ein Flottenanteil von 28 %. Bild 3: Pkw-BEV-Flottenentwicklung für verschiedene Zieljahre Für die Lkw-BEV-Flottenentwicklung ergibt sich aufgrund der kürzeren Fahrzeuglebensdauer ein anderer zeitlicher Verlauf, der im Bild 4 dargestellt ist. Bei den angenommenen Verläufen würden Pkw und Lkw ab dem Jahr 2040 etwa ähnlich hohe Anteile aufweisen. Für die beiden untersuchten Szenarien A und A+V lassen sich mit den obigen Abschätzungen folgende Aussagen zur Antriebswende machen:
Bild 4: Lkw-BEV-Flottenentwicklung für verschiedene Zieljahre Damit die Klimaziele in den Jahren 2035 und 2040 ohne eine Verkehrswende eingehalten werden, müssten dann etwa 60 % bzw. 75 % der Fahrzeugflotte elektrifiziert sein. Das ist mit den Zieljahren 2035 und 2040 für ein Verbrennerverbot zumindest theoretisch möglich. In welchem Umfang Refuels im Straßenverkehr die Anforderungen an die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte reduzieren können, ist derzeit schwer absehbar. Eine E-Fuel-Studie (dena, 2017) weist darauf hin, dass sich E-Fuels in der Entwicklungs- und Marktvorlaufphase befinden und einen starken Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erfordern, da die Energieeffizienz von E-Fuels bei der Nutzung in Verbrennungsmotoren vier bis sechs Mal geringer ist als bei BEV. 6 VerkehrswendeDie Tabelle 2 zeigt eine Reihe ausgewählter Maßnahmen und vermutete Größenordnungen ihrer Wirksamkeit. Grundlage für diese qualitative Abschätzung sind u. a. Abschätzungen auf Modellrechnungen mit Verkehrsnachfragemodellen. Zwei Beispiele für derartige Modellrechnungen werden kurz vorgestellt:
Tabelle 2: Qualitative Wirksamkeit von Maßnahmen im Personenverkehr Bild 5: Entwicklung des Personenverkehrs in Baden-Württemberg im BVWP und in zwei Klimaschutzszenarien (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg 2017) ersetzt haben, die sonst mit dem Pkw unternommen worden wäre“ und dass so in drei Monaten „1,8 Millionen Tonnen CO2“ eingespart wurden. Hochgerechnet auf ein Jahr ergeben sich Einsparungen von 7,2 Mio. t. Das entspricht rund 7 % der CO2-Emissionen des Jahres 2019 im Pkw-Verkehr. Die VDV-Veröffentlichung macht allerdings nur Aussagen zur Zahl der verlagerten Fahrten und nicht der Personenkilometer. Sie unterscheidet beim Pkw außerdem nicht zwischen Selbstfahrern und Mitfahrern. Deshalb können die tatsächlichen Einsparungen auch niedriger liegen. Geht man davon aus, dass die in der Tabelle 2 dargestellten Maßnahmenwirkungen in der richtigen Größenordnung liegen, lassen sich folgende Aussagen zum Beitrag einer Verkehrswende zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor machen: Maßnahmen des Mobility PricingMit einer Erhöhung der Nutzungskosten lassen sich deutliche CO2-Reduktionen erzielen. Die Wirksamkeit hängt natürlich von der Höhe der Preise ab. Höhere Nutzungskosten wirken allerdings in unterschiedlicher Weise:
Tabelle 3: Preisänderungen der fahrleistungsabhängigen Pkw-Kosten für einen Pkw: erforderlicher CO2-Preis oder erforderliche Straßenbenutzungsgebühren, um eine vorgegebene Preisänderung zu erreichen
Maßnahmen der Verkehrsnetz- und VerkehrsangebotsgestaltungViele Maßnahmen der Verkehrsnetz- und Verkehrsangebotsgestaltung wirken nicht direkt auf die CO2-Emissionen. Die Maßnahmen sind erforderlich, um alternative Angebote zum Pkw- und Lkw-Verkehr zu schaffen. Eine Verlagerung von 1 % der Pkw-Personenkilometer (Fahrer und Mitfahrer) auf den ÖV erhöht die Personenkilometer im ÖV um rund 5 %. Wird eine fahrleistungsproportionale Aufteilung auf ÖV und Rad angenommen, führt eine Reduktion der Pkw-Fahrleistung um 25 % bis 30 % in etwa zu einer Verdopplung der Personenkilometer im ÖV und im Radverkehr. Wie das Klimaschutzszenario für Baden-Württemberg zeigt, ergeben sich aus diesem Zusammenhang erhebliche Anforderungen an Infrastrukturmaßnahmen im Schienennetz, besonders in den Zuläufen zu Großstädten. Außerdem sind zusätzliche Fahrzeuge und zusätzliches Personal erforderlich, um das Angebot an Fahrplanfahrten an die erhöhte Nachfrage anzupassen. Um die Zuwächse im Radverkehr abwickeln zu können, sind zusätzlich zu einem Ausbau der Radverkehrsanlagen durchgängige Straßennetze, die auf eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h oder weniger begrenzt sind, eine mögliche Lösung. Bei diesen Geschwindigkeiten können sich Kfz und langsame Verkehrsmittel den Straßenraum teilen. Maßnahmen der VerkehrssteuerungDer Verkehrsfluss in Städten wird maßgeblich von der Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte und der Qualität der Lichtsignalkoordinierung beeinflusst. Durch eine Minimierung der Zahl der Halte und damit der Beschleunigungsvorgänge kann der Energieverbrauch reduziert werden. Das kann in gewissem Umfang mit einer verkehrsabhängigen Lichtsignalsteuerung erreicht werden. Der Reduktionsbeitrag wird mit etwa 1 bis 2 % der verkehrsbedingten Emissionen allerdings klein sein, da die Netzstruktur, Überlastungssituationen und die Anforderungen anderer Verkehrsteilnehmenden (ÖV, Rad, Fuß) dem Lösungsraum einer Steuerung enge Grenzen setzen. Reboundeffekte aufgrund eines verbesserten Verkehrsflusses werden den Reduktionsbeitrag verkleinern (Schmaus et al. 2022). Tabelle 4: Pkw-Fahrleistungsanteile auf der Autobahn und im gesamten Straßennetz differenziert nach tatsächlicher Fahrgeschwindigkeit (Quelle: Schmaus et al. 2022) Eine technisch vergleichsweise einfache und gleichzeitig billige Lösung ist die immer wieder diskutierte Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen. Mit Floating-Car-Daten kann man abschätzen, dass etwa 45 % der gesamten Pkw-Verkehrsleistung auf Autobahnen in Deutschland auf Verkehrszustände mit einer Fahrtgeschwindigkeit über 120 km/h entfällt (siehe Tabelle 4). Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h würde den Energieverbrauch im Pkw-Verkehr um rund 4 % und bezogen auf den Verkehrssektor um knapp 2,5 % reduzieren (Schmaus et al. 2022). Mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h wird ein Rückgang von etwa 7 % im Pkw-Verkehr bzw. um 5 % im Verkehrssektor erreicht. Berücksichtigt man zusätzlich Routenwahleffekte und modale Verlagerungseffekte einer Geschwindigkeitsbeschränkung, steigt der Reduktionsbeitrag im Pkw-Verkehr auf rund 6% bei einer Beschränkung auf 120 km/h und auf rund 10 % bei einer Beschränkung auf 100 km/h. Maßnahmen zur Beeinflussung der FahrzeugwahlEs gibt eine große Auswahl an Pkw mit Verbrennungsmotoren, die deutlich weniger Kraftstoff benötigen als der mittlere Verbrauch der derzeitigen Fahrzeugflotte. Für Elektrofahrzeuge ergibt ein Preisvergleich des ADAC von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und Elektroantrieb (ADAC 2022b) unter Einbeziehung der aktuellen Kaufprämien einen ähnlichen Kilometerpreis für beide Antriebsarten. Damit bleiben als wesentliche Nachteile eines Elektrofahrzeugs die geringere Reichweite und die begrenzten Lademöglichkeiten. Um die Fahrzeugwende zu erreichen, sind Anreize durch Kaufprämien weniger sinnvoll als die oben beschriebene Zulassungssteuer. Mit Blick auf die Klimaziele sollte diese in Abhängigkeit der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs gestaltet werden. Auch hier gilt, dass die geplanten CO2-Preise nicht ausreichen, um die Fahrzeugwahl zu beeinflussen. Maßnahmen zur Beeinflussung des VerhaltensDie räumliche und modale Ausprägung der Verkehrsnachfrage wird maßgeblich vom verfügbaren Verkehrsangebot und von den Preisen für die Nutzung des Angebots bestimmt. Zusätzlich können die angebotenen Arbeitsformen (Homeoffice, Videokonferenz) die Verkehrsnachfrage beeinflussen. Die Erhebung Mobilität in Deutschland (BMVI 2019b) weist für die Wegezwecke Arbeit und Dienstliches einen Anteil von 21 % bzw. 17 % der Personenkilometer aus. Hier stecken also ein gewisses Potenzial, um die Pkw-Fahrleistung zu reduzieren. Gelingt es gegenüber dem Jahr 2019 durch Homeoffice 10 % der Arbeitswege und durch Videokonferenzen 20 % der dienstlichen Wege zu vermeiden, dann sinkt die Verkehrsleistung im Personenverkehr um rund 5 %. Das erscheint aufgrund der Erfahrungen von Covid technisch erreichbar. Allerdings kann Homeoffice mittelfristig auch dazu führen, dass Menschen den Wohnort wechseln und längere Arbeitswege in Kauf nehmen. Eine weitere, möglicherweise unterschätzte Maßnahme besteht in der Beeinflussung des Fahrverhaltens. Durch energieeffizientes Fahren reduziert sich der spezifische Energieverbrauch. Der ADAC (2022a) benennt Einsparungen von bis zu 20 %. Realistisch erscheinen Einsparungen von 3 % bis 5 %. Da eine energieeffiziente Fahrweise allerdings nicht erzwungen werden kann, müsste die regelmäßige Teilnahme an Fahrtrainings Pflicht werden. 7 FazitEine Klimastrategie für den Verkehrssektor, die vorrangig auf technische Lösungen setzt, sieht etwa so aus: Die Energietechnik und die Fahrzeugtechnik stellen uns Elektrofahrzeuge zur Verfügung, die mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Verkehrstechnik sorgt für einen störungsfreien Verkehrsablauf. Ein gut ausgebautes ÖV-System, bessere Radverkehrsanlagen und Sharingangebote bieten im Personenverkehr Alternativen zum Pkw. Maßnahmen, die auf technische Verbesserungen setzen, sind einfacher umzusetzen als Maßnahmen, die Verhaltensänderungen erfordern. Maßnahmen zu Verhaltensänderungen sind dann akzeptabel, wenn sie mit Anreizen und nicht mit Restriktionen erreicht werden. Die obigen Abschätzungen zeigen allerdings, dass eine Klimastrategie, die nur auf die technischen Lösungen einer Antriebswende setzt, nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen:
Eine Verkehrswende, die den Primärenergiebedarf und damit die CO2-Emissionen im Straßenverkehr um rund ein Drittel reduziert, erfordert Maßnahmen, die deutlich über die bisher diskutierten Maßnahmen hinausgehen und für die bisher die notwendigen Instrumente für eine Umsetzung fehlen. Für die Planung einer Verkehrswende wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:
Die dargestellte Vorgehensweise beginnt – anders als bisher üblich – nicht mit Maßnahmen, die auf Anreize durch Verbesserungen setzen. Sie geht stattdessen davon aus, dass eine deutliche Reduktion der Kfz-Fahrleistung durch restriktive Maßnahmen erforderlich ist. Das führt dann in der Folge zu modalen Verlagerungen, die einen Ausbau des Verkehrsangebot im Fuß- und Radverkehr und im ÖV erfordern. In der Tabelle 5 sind wesentliche Handlungsfelder zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 mit ihrem Zielbeitrag zusammengestellt. Die Darstellung verdeutlicht die Bedeutung der Antriebswende, die in Kombination mit einer Fahrzeugwende etwa zwei Drittel der geforderten CO2-Reduktion beitragen kann und muss. Zur Erreichung der Klimaziele bis 2030, aber auch darüber hinaus bis 2045, bedarf es zusätzlich einer Verkehrswende, die Ortsveränderungen um etwa ein Drittel effizienter macht. Für diese Verkehrswende zahlen wir als Verkehrsteilnehmende auf zwei Arten:
Die Erkenntnisse dieses Beitrages und die daraus abgeleiteten Maßnahmen erfordern Veränderungen, die vielen Menschen nicht gefallen und die deshalb politisch schwer umsetzbar sind. Deshalb ist es in der Diskussion wichtig zwei Dinge darzustellen:
Tabelle 5: Handlungsfelder zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 LiteraturverzeichhnisADAC (2022a): Sprit sparen: Die 10 besten Tipps. URL abgerufen am 01.09.2022: ADAC (2022b): Kostenvergleich e-Fahrzeuge + Plug-In Hybride gegen Benziner und Diesel. URL abgerufen am 01.09.2022: Axhausen, K.W.; Fröhlich, P. (2012): Übersicht zu Stated Preference Studien in der Schweiz und Abschätzung von Gesamtelastizitäten. Herausgeber Bundesamt für Raumentwicklung (ARE). BMVI – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2019a): Verkehr in Zahlen 2019/2020. BMVI – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2019b): Mobilität in Deutschland – MiD, Ergebnisbericht. Blanck, R.; Zimmer, W.; Runkel, M.; Kresin, J.; Klinski, S. (2020): Klimaschutz im Verkehr: Reformbedarf der fiskalpolitischen Rahmenbedingungen und internationale Beispiele. Forschungsbericht im Auftrag des Umweltbundesamt, Texte 155/2020. BVerfG (2021), Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, Rn. 1-270, URL abgerufen am 20.08.2022: http://www.bverfg.de/e/rs20210324_1bvr265618.html Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) (2017): E-Fuels Study: The Potential of Electricity-Based Fuels for Low-Emission Transport in the EU. An expertise by Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST) and dena. KSG (2019): Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2513), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18.August 2021 (BGBl. I S. 3905) geändert worden ist. Friedrich, M. (2020): Instrumente und Maßnahmen für eine Verkehrswende − was bringt wie-viel für die Klimaziele? Straßenverkehrstechnik, 64, 12, Kirschbaum Verlag, Bonn, S. 819–831. Friedrich, M.; Schmaus, M.; Waßmuth, V. (2017): Entwicklung von Instrumenten und Maßnahmen. Projekt Klimaschutzszenario Verkehr 2030, Verkehrsministerium Baden-Württemberg. URL abgerufen am 15.10.2020: Ifeu, PTV (2022): Vergleichende Analyse der Potentiale von Antriebstechnologien für Lkw im Zeithorizont 2030. URL abgerufen am 20.08.2022: Kunert, U. (2018): Diesel: Kraftstoff und Pkw-Nutzung europaweit steuerlich bevorzugt, Besteuerung in Deutschland reformbedürftig. DIW Wochenbericht 32-2018. Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (2017): Verkehrsinfrastruktur 2030 - Ein Klimaschutzszenario für Baden-Württemberg: URL abgerufen am 15.10.2020: Mocanu, T.; Winkler, C.; Kuhnimhof, T. (2018): The travel demand impacts of fare-free regional public transport in Germany. Internationales Verkehrswesen 70.1 (2018): 38-41. Schmaus, M.; Bawidamann, J.; Friedrich, M.; Haberl, M.; Uhlig, J.; Lohse, R.; Pestel, E. (2022): Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung, Entwurf Abschlussbericht, im Auftrag der Umweltbundesamts. SPD, GRÜNE, FDP (2021): Mehr Fortschritt wagen. Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Umweltbundesamt (2022): Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland in der Abgrenzung der Sektoren des Klimaschutzgesetzes (KSG). URL abgerufen am 20.08.2022: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/361/dokumente/2022_03_15_trendtabellen_thg_nach_sektoren_v1.0.xlsx VDV (2022): Bilanz eines Erfolgsmodells: Rund 52 Millionen verkaufte 9-Euro-Tickets, Pressemitteilung Verband Deutscher Verkehrsunternehmen vom 29. 8. 2022. |