FGSV-Nr. FGSV 001/23
Ort Mannheim
Datum 15.09.2010
Titel Tragfähigkeit und Tragverhalten von Verkehrsflächenbefestigungen aus Beton
Autoren Dr.-Ing. Carsten Karcher
Kategorien Kongress
Einleitung

Im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen im Straßenbau sowie die Neuentwicklung hin zu verschiedenen Formen von PPP-Modellen wird deutlich, dass eine Bewertung der strukturellen Substanz von Fahrbahnkonstruktionen aus Beton zur Abnahme und zur Aufstellung einer nachhaltigen Erhaltungsstrategie erforderlich ist. Bislang wurde mit der ZEB lediglich die Ermittlung der Gebrauchs- und Substanzwerte (Oberfläche) systematisiert und als Vertragsbestandteil in Funktions- und Konzessionsbauverträge aufgenommen. Eine Bewertung von Verkehrsflächenbefestigungen über das Oberflächenbild hinaus ist zukünftig zu berücksichtigen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch nicht vorliegend. Ein wichtiges Hilfsmittel hierzu kann die Durchführung und Auswertung von Tragfähigkeitsmessungen sein. Mit dem Messsystem Falling Weight Deflectometer lässt sich mit entsprechender Messkonfiguration die Konstruktion gezielt an ihrer Schwachstelle, der Fuge, untersuchen. Bei der Bewertung der Messungen müssen insbesondere die Einflüsse aus Temperatur und Temperaturgradient in der Konstruktion zum Zeitpunkt der Messung mit einbezogen werden, um die Spannungs- bzw. Verformungsverhältnisse in der Betonplatte berücksichtigen zu können. Unter Einbezug dieser und weiterer Erkenntnisse wurden am Karlsruher Institut für Technologie in vielen Untersuchungen und verschiedenen Forschungsprojekten Bewertungsmöglichkeiten der Tragfähigkeit, der Querkraftübertragung zwischen den Betonplatten sowie der Auflagerverhältnisse erarbeitet und weiterentwickelt. Darüber hinaus liegen erste Bewertungskennzahlen für Betonkonstruktionen zum Zeitpunkt der Abnahme für verschiedene Bauweisen unter Einbezug der Temperaturverhältnisse vor. Eine Zusammenstellung der gesammelten Erkenntnisse gibt der Beitrag wieder.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Motivation

In den vergangenen Jahren ist die Bewertung des Zustandes von Verkehrsflächenbefestigungen aus Beton ebenso wie für Asphalt immer wichtiger geworden. Grund hierfür sind die knapper werdenden finanziellen Ressourcen für das Investitionsgut Straße. Für einen optimalen Mitteleinsatz sind umfassende und detaillierte Bewertungsgrundlagen notwendig, das heißt eine Bewertung des Zustandes vor dem Hintergrund der Einbeziehung der gesamten Fahrbahnkonstruktion über die Oberflächenmerkmale hinaus. Mit entsprechenden Verfahren, die die gesamte Struktur der Konstruktion erfassen, sind dann z. B. Aussagen zur Restnutzungsdauer möglich. Diese Kenntnisse können für die systematische Erhaltungsplanung genutzt werden. Auch bei der Übergabe/ Übernahme der Verkehrsflächen von Partner zu Partner ist eine Bewertung über den Gebrauchswert hinaus wünschenswert. Eine Bewertung ist ebenfalls zur fundierten Entscheidungsfindung auf Objektebene notwendig. In diesem Zusammenhang haben sich Tragfähigkeitsmessungen mit dem Falling Weight Deflectometer (FWD) sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern als zweckmäßig erwiesen. Als Tragfähigkeit wird dabei der Widerstand der Befestigung gegen kurzzeitige Verformungen angesehen. Die Änderung der Tragfähigkeit in Abhängigkeit der Zeit, dem Klima und/ oder der Verkehrsbelastung hingegen wird mit dem Begriff Tragverhalten bezeichnet.

2 Funktionsweise und Messprinzip des FWD auf Verkehrsflächenbefestigungen aus Beton

Das FWD ist ein dynamisch wirkendes Messgerät zur Bestimmung der Tragfähigkeit von Verkehrsflächen. Durch ein Fallgewicht, das am Messpunkt aus definierter Höhe herabfällt, wird ein Kraftstoß erzeugt. Der Verlauf des Kraftstoßes ergibt sich im Wesentlichen aus der Anzahl der eingesetzten Massesegmente, der stufenlos wählbaren Fallhöhe und der Art des Gummipuffers. Je nach Konstruktion kann auf die Fahrbahnoberfläche eine Belastung bis zu einem Maximum von ca. 250 kN aufgebracht werden. Im Straßenbau wird in aller Regel mit einer Standardbelastung von 50 kN gearbeitet. Mit neun Geophonen wird die infolge dynamischer Belastung verursachte kurzzeitige Verformung an der Fahrbahnoberfläche erfasst (Bild 1). Es werden die an jedem Messpunkt anfallenden Messgrößen wie Verlauf des Kraftstoßes bei zeitlich veränderlicher Kraft, Maximum des Kraftstoßes, Dauer des Kraftstoßes, Deflexionen an allen Geophonen, Temperaturen (Luft, Straßenoberfläche) und Stationierung für die weitere Auswertung digital gespeichert.

Bei Tragfähigkeitsmessungen mit dem FWD auf Betonfahrbahnen können die maßgeblichen Lastfälle „Plattenecke“, „Plattenrand“ und „Plattenmitte“ erfasst werden. Es hat sich als praktikabel erwiesen, längere Streckenabschnitte im Bereich der rechten Radspur am Plattenrand bei der Querfuge und punktuell auch in Plattenmitte aufzunehmen. Es wird empfohlen, Messungen an jeder zweiten Platte durchzuführen (Roos et al. 2009).

Die infolge der aufgebrachten Belastung an der Fahrbahnoberfläche verursachten kurzzeitigen (elastischen) Verformungen bei jedem Geophon werden erfasst, eine Verformungskurve für die belastete und unbelastete Platte berechnet und damit in einem ersten Schritt bei der Standardbelastung von 50 kN die nachfolgend dargelegten Zustandsindikatoren ermittelt (siehe auch Bild 1 und Tabelle 1). Die maximale Deflexion D1 im Lastzentrum gilt als Indikator für die Tragfähigkeit der gesamten Konstruktion. Als Indikatoren für die Querkraftübertragung in Fugen und Rissen dienen die relative vertikale Fugenbewegung F und der Wirksamkeitsindex W, die aus den Deflexionen der zugehörigen Geophone entsprechend Bild 1 und Tabelle 1 approximiert werden (FGSV 2010).

Bild 1: Prinzipskizze des Messverfahrens für Verkehrsflächenbefestigungen aus Beton; empfohlene Anordnung der Geophone mit jeweiliger Entfernung vom Lastzentrum

Auf Basis bisheriger Untersuchungen (Grossmann 2003) hat sich gezeigt, dass weniger die Einzelergebnisse oder das mittlere Messwertniveau, sondern vorzugsweise die Streuungen (Standardabweichungen) der Messwerte D1 und F als Indikatoren für die Bewertung der Tragfähigkeit eines definierten Abschnittes herangezogen werden sollten. Für die Bewertung der Tragfähigkeit eines gleichartigen 100-m-Abschnittes dient danach die Standardabweichung sD1 der max. Deflexion D1 an der Querfuge als Indikator für die Tragfähigkeit der gesamten Konstruktion sowie die Standardabweichung srF der relativen vertikalen Fugenbewegung F als Indikator für die Querkraftübertragung.

Tabelle 1: Zustandsindikatoren zur Bewertung von Tragfähigkeitsmessungen für Verkehrsflächenbefestigungen aus Beton

 

3 Einflussfaktoren auf die Tragfähigkeitsmessergebnisse

Insbesondere der in der Betonkonstruktion vorherrschende Temperaturgradient beeinflusst die FWD-Messergebnisse. Tragfähigkeitsmessungen bei negativen Temperaturgradienten (Oberseite der Platte kälter als Unterseite) führen zu einer „Aufschüsselung“ der Platte und sind durch vergleichsweise hohe Deflexionen im Bereich der Querfuge und geringe Deflexionen in Plattenmitte gekennzeichnet. Ebenso kann ein positiver Temperaturgradient (Oberseite der Platte wärmer als Unterseite) infolge der Aufwölbung der Platte zu geringeren Deflexionen an der Querfuge führen. Durch hohe Temperaturen in der Betondecke verursachte Längenänderungen einzelner Platten oder der Plattenkette beeinflussen die querkraftübertragenden Mechanismen positiv. Grundsätzlich ist das so zu beschreibende Verhalten aber auch von anderen Faktoren wie z. B. der Nullspannungstemperatur und dem Feuchtegradienten abhängig.

Die Bewertung von FWD-Messergebnissen muss daher zwingend notwendig unter Berücksichtigung des vorliegenden Temperaturgradienten durch Messungen der Temperatur in verschiedenen Konstruktionstiefen während der Tragfähigkeitsmessungen vorgenommen werden. In Roos et al. (2009) werden Grenzen für den Temperaturgradienten (Formel in PDF) auf Basis bisheriger Erkenntnisse angegeben.

 

4 Bewertungsmöglichkeiten

4.1 Bewertungskennzahlen für die Zustandsindikatoren

Im Hinblick auf die Schaffung eines Bewertungshintergrundes für Tragfähigkeitsmessungen auf Betonfahrbahnen konnten auf der Basis von umfangreichen FWD-Messungen an Strecken unterschiedlichen Alters und Aufbaus für die Zustandsgrößen sD1 und srF Größenordnungen angegeben werden (Grossmann 2003). Allerdings wurde in der Anwendung dieser vorliegenden Bewertungskennzahlen deutlich, dass zum einen die Bauweise und zum anderen die vorliegenden klimatischen Randbedingungen einen erheblichen Einfluss auf die Größenordnungen der Zustandsindikatoren sD1 und srF, aber auch D1 und F haben. Daher sollten in einem Forschungsprojekt (Roos et al. 2009) des BMVBS umfassende Tragfähigkeits- und Temperaturmessungen an Strecken verschiedener Bauweisen mit jeweils vergleichsweise kurzer Liegedauer durchgeführt werden, um die als maßgeblich erachteten Einflüsse auf die Zustandsindikatoren untersuchen zu können und um Grundlagen für einen abnahmetauglichen Bewertungshintergrund für Tragfähigkeitsmessungen auf Betonfahrbahnen zu schaffen.

Untersucht wurden die Bauweisen

  • Betondecke auf hydraulisch gebundener Tragschicht (HGT) mit Vliesstoff,
  • Betondecke auf Asphalttragschicht (ATS) und
  • Betondecke auf Tragschicht ohne Bindemittel (ToB).

Insgesamt wurden die Messungen an jeder Untersuchungsstrecke jeweils mindestens viermal durchgeführt, um mögliche klimatisch- und jahreszeitbedingte Einflüsse herausarbeiten zu können. Als maßgeblicher Einflussfaktor auf die Zustandsindikatoren D1, sD1, F und srF zeigte sich dabei der lineare Temperaturgradient. Im Bild 2 sind beispielhaft die Zustandsindikatoren D1 und F sowie die zugehörigen linearen Temperaturgradienten bei verschiedenen Messterminen abgebildet. Auffallend sind hier die vergleichsweise hohen Werte von D1 und F bei negativem bzw. „um null“ liegenden Temperaturgradienten im September 2007 und November 2008 sowie das ähnlich sinkende Niveau der Werte von D1 im August 2008 und April 2009 bei steigenden Temperaturgradienten. Ein Einfluss der Umgebungs-, der Oberflächentemperatur und der Temperatur in einer bestimmten Tiefe sowie der Jahreszeit auf die Zustandsindikatoren konnte nicht festgestellt werden.

Bild 2: Gegenüberstellung der arithmetischen Mittel eines 100-m-Abschnittes von D1 und F und des Temperaturgradienten einer 2.000 m langen Messstrecke an vier verschiedenen Messterminen (Roos et al. 2009)

Im Bild 3 wurden die arithmetischen Mittel von D1 je 100-m-Abschnitt eines Intensivmessfeldes der untersuchten Strecken über dem jeweils vorherrschenden Temperaturgradienten aufgetragen. Mit Hilfe von Regressionsrechnungen für die jeweiligen Strecken wurden zunächst die Zusammenhänge verdeutlicht. Danach konnte für jede Bauweise ein abgegrenzter Wertebereich ausgewiesen werden. Mit den so entstandenen Bereichen ließ sich die oben bereits beschriebene Tendenz von sinkenden Werten für D1 bei steigenden Temperaturgradienten bei allen Bauweisen verdeutlichen.

Die abgegrenzten Wertebereiche bei den beiden Bauweisen mit Betondecke auf HGT mit Vliesstoff sowie auf Asphalttragschicht zeigten jeweils über den ansteigenden Temperaturgradienten hinweg konstante Spannweiten und hatten einen ähnlich abfallenden Verlauf. Bei der Bauweise Betondecke auf ToB hingegen wurde deutlich, dass die Werte im negativen Bereich des Temperaturgradienten weiter streuten als im positiven Bereich und somit der abgegrenzte Wertebereich hier deutlich größer war und höhere Werte aufwies. Im negativen Bereich lagen einige der arithmetischen Mittel über den Werten der Bauweise Betondecke auf HGT mit Vliesstoff. Im positiven Bereich hingegen war der Wertebereich vergleichsweise klein und lag nur wenig über dem der Bauweise mit Betondecke auf Asphalttragschicht sowie unter der Bauweise mit Betondecke auf HGT mit Vliesstoff.

Bild 3: Abgegrenzte Wertebereiche des Zustandsindikators D1 in Abhängigkeit des Temperaturgradienten für die verschiedenen Bauweisen auf Basis der Intensivmessungen (Roos et al. 2009)

Auf Basis der durchgeführten Messungen und der gewonnenen Erkenntnisse konnten bauweisenabhängig Bewertungskennzahlen abgeleitet werden. Dabei wurde eine Einteilung des Temperaturgradienten in die drei Vergleichsgruppen

  • Gruppe 1: < -0,005 K/mm,
  • Gruppe 2: -0,005 K/mm bis 0,005 K/mm und
  • Gruppe 3: > 0,005 K/mm

für die Zustandsindikatoren vorgenommen. Außerdem sollten die streckenspezifischen Randbedingungen mit einbezogen werden, durch die bei Messungen an verschiedenen Strecken gleicher Bauweise und ähnlicher Temperaturbedingungen naturgemäß Unterschiede der Größenordnungen der einzelnen Zustandsindikatoren auftraten. Daher wurde je Bauweise für jede untersuchte Strecke für die vier Zustandsindikatoren D1, sD1, F und srF jeweils das 95-% Quantil ermittelt und als Bewertungskennzahl für diese Bauweise und den jeweiligen Zustandsindikator in Abhängigkeit des Temperaturgradienten ausgewiesen. In der Tabelle 2 sind diese Bewertungskennzahlen zusammengestellt.

Für die hier untersuchten, vergleichsweise jungen Betonkonstruktionen ergab sich kein Einfluss der Temperaturbedingungen auf die Werte des Wirksamkeitsindexes W.

Tabelle 2: Zusammenstellung der abgeleiteten Bewertungskennzahlen als 95 %-Quantile für die Zustandsindikatoren D1, F, sD1 und srF, Einteilung in Bauweisen nach RStO 01 und in drei Vergleichsgruppen für den Temperaturgradienten (Roos et al. 2009)

4.2 Bewertungs-Diagramme

Auf Grundlage umfassender Untersuchungen und Tragfähigkeitsmessungen an Strecken verschiedenen Alters und Aufbaus konnten die für die Zustandsgrößen sD1 und srF verhaltensbeschreibende Funktionen in Abhängigkeit der Liegezeit sowie der Verkehrsbeanspruchung abgeleitet werden (Grossmann 2003).

Diese ermöglichen eine differenzierte Bewertung von einzelnen gleichartigen 100-m-Abschnitten. Sie entsprechen der Maßzahl von ca. 50 µm für die Zustandsgröße sD1 Schadensbilder einer beginnenden Rissbildung im Bereich der Radspur oder kleinere Plattenversätze. Ab einer Standardabweichung von sD1 » 75 µm treten Schadensbilder auf, die sich in Ausmaß und Häufigkeit erheblich von diesen Schadensbildern unterscheiden und visuell beispielsweise durch ausgeprägte Plattenversätze, Eckabbrüche oder durchgehende Längs- und Querrisse erkennbar werden. Analog hierzu lassen sich auch für die Zustandsgröße srF entsprechende Maßzahlen definieren. Ab einer Größenordnung für die Zustandsgröße srF von ca. 50 µm lassen sich spezifische Schadensausprägungen (z. B. erhebliche Stufenbildungen) nachweisen. Die sinnvolle und für eine umfassende Bewertung der Tragfähigkeit erforderliche kombinierte Betrachtung beider Zustandsgrößen hat im Übrigen gezeigt, dass bei Abschnitten mit einer Standardabweichung für sD1 von ca. 50 µm einhergehend mit srF von ca. 20 µm eine reduzierte Querkraftübertragung vorliegen kann.

Durch eine grafische Verknüpfung der genannten Maßzahlen mit den verhaltensbeschreibenden Funktionen sowohl in Abhängigkeit der Liegezeit als auch der Verkehrsbeanspruchung ergeben sich die in den Bildern 4 und 5 dargestellten Bewertungs-Zeit- und die Bewertungs-Beanspruchungs-Diagramme für die Zustandsgrößen sD1 und srF. Diese ermöglichen eine absolute Bewertung des Tragverhaltens und der Querkraftübertragung von gleichartigen 100-m-Abschnitten. Alle Bewertungs-Diagramme gelten jeweils für verschiedene Bauweisen und für während der Messung vorliegende Temperaturgradienten zwischen 0 und 0,03 K/mm.                                                                             

Bild 4: Bewertungs-Zeit-Diagramme mit Bereichen I bis V unterschiedlichen Tragverhaltens bzw. unterschiedliche Querkraftübertragung sD1 bzw. srF in Abhängigkeit der Liegezeit (Grossmann 2003)

Bild 5: Bewertungs-Beanspruchungs-Diagramme mit Bereichen I bis V unterschiedlichen Tragverhaltens bzw. unterschiedliche Querkraftübertragung sD1 bzw. srF in Abhängigkeit der Beanspruchung (Grossmann 2003)

Die abgeleiteten 1,5-Werte sowie Warn- und Schwellenwerte mit den Verhaltensfunktionen führen zu 5 Bereichen unterschiedlichen Tragverhaltens bzw. unterschiedlicher Querkraftübertragung. Damit steht für FWD-Messungen an beliebigen Strecken bzw. Abschnitten mit bekannten Liegezeiten eine Bewertungsmöglichkeit für die Variabilität der Tragfähigkeit bzw. der Querkraftübertragung der jeweiligen Konstruktion zur Verfügung. In diesem Zusammenhang werden für gleichartige 100-m-Abschnitte oder homogene Gruppen mit Maßzahlen in einem der 5 Bereiche nach der Tabelle 3 Handlungshinweise für zu ergreifende Maßnahmen vorgeschlagen. Diese sind in erster Linie für den Entscheidungsträger bzw. Baulastträger gedacht.

Tabelle 3: Handlungshinweise für Bereiche unterschiedlichen Tragverhaltens (sD1) und unterschiedlicher Querkraftübertragung (srF) (Grossmann 2003)

4.3 Regressionsparameterverfahren

Eine zielführende Methode zur Beurteilung der Auflagerverhältnisse besteht darin, neben der Standardbelastung von 50 kN zusätzliche Belastungen von z. B. 75 und 90 kN aufzubringen und somit unterschiedliche lastabhängige Reaktionsmechanismen zu erfassen (Roos et al. 2006). Die Auswertung erfolgt derart, dass zunächst die gemessenen Deflexionen im Lastzentrum D1 gegen die Höhe der Belastung aufgetragen werden und jeweils eine Regressionsgerade eingerechnet wird (Bild 6). Die Größen der ermittelten Regressionsparameter „a“ (Steigung der Regressionsgeraden) und „b“ (y-Achsenabschnitt der Regressionsgeraden) ermöglichen eine für die Praxis hinreichende quantitative Bewertung im Hinblick auf die Qualität der Auflagerverhältnisse der betreffenden Betonfahrbahnplatte, z. B. auch hinsichtlich der Wirksamkeit von durchgeführten Injektionsmaßnahmen.

Bild 6: Lastabhängige Änderung der Deflexion D1 im Lastzentrum einer gestörten und ungestörten Betonfahrbahnplatte

Anhand einer Vielzahl bisheriger Untersuchungen an verdübelten Betonfahrbahnen auf Tragschichten mit hydraulischem Bindemittel unterschiedlichen Zustandes wurden Größenordnungen für die Regressionsparameter a und b festgelegt. Demnach darf bei ungestörten Auflagerverhältnisse die Steigung der Regressionsgeraden a maximal 1,75 und der y-Achsenabschnitt b maximal 15 µm betragen. Abweichungen hiervon können entsprechend Bild 7 kategorisiert und definierten Systemzuständen zugeordnet werden (Roos et al. 2006).

Bild 7: Kategorisierung nach dem Regressionsparameter-Verfahren für den Lastfall „Plattenrand“ auf gebundenen Tragschichten (Roos et al. 2006)

 

5 Ausblick

Mit den hier aufgezeigten Bewertungsmöglichkeiten lassen sich die Auflagerverhältnisse, die Tragfähigkeit, die Querkraftübertragung sowie das Tragverhalten vorliegender Betonfahrbahnen bewerten. Gleichzeitig ergeben sich mit der Anwendung dieser Bewertungsmöglichkeiten weiterführende Fragestellungen:

Die Bewertungs-Diagramme in Abhängigkeit der Liegedauer bzw. der Beanspruchung wurden bereits in der Vergangenheit erfolgreich bei Forschungsprojekten und diversen Gutachten zur Abschätzung der strukturellen Substanz in der Praxis eingesetzt. Die Untersuchungen der letzten Jahre haben allerdings auch ergeben, dass diese Systematik aufgrund

  • unterschiedlichen Verhaltens verschiedener Bauweisen mit Betondecke und insbesondere
  • der Größe und des Vorzeichens des Temperaturgradienten in der
  • Betondecke während der Messungen zu modifizieren ist.

Die vorgelegten Bewertungskennzahlen für junge Betonkonstruktionen sollten in der Praxis eingesetzt und mit Daten von weiteren Untersuchungen und weiteren Strecken und Bauweisen präzisiert bzw. ergänzt werden.

 

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Arbeitspapier Tragfähigkeit Teil B 2.2 „Falling Weight Deflectometer (FWD): Beschreibung, Messdurchführung“ – Teil Verkehrsflächenbefestigungen aus Betonbauweise, Entwurf des AK 4.4.1 vom Oktober 2010

Grossmann, A. (2003): Bewertung des Tragverhaltens von Betonfahrbahnen basierend auf Messungen mit dem Falling Weight Deflectometer, Dissertation, Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen, Universität Karlsruhe, Veröffentlichungen Heft 52, Karlsruhe

Roos, R.; Freund, H.-J.; Stammler, L.; Grossmann, A.; Müller, H. S.; Guse, U.; Foo s, S. (2006): Untersuchungen an Betonfahrbahnen mit hydraulisch gebundenen Tragschichten, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik (BMV), Heft 942, Bonn

Roos, R.; Karcher, C.; Kubanek, K.; Freund, H.-J.; Chakar, T. (2009): Erarbeitung von Grundlagen für einen abnahmetauglichen Bewertungshintergrund für Tragfähigkeitsmessungen an Betonbefestigungen unter Beachtung temperatur- und jahreszeitbedingter Einflüsse, FA 04.203/2005/AGB im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Entwurf des Schlussberichtes, Karlsruhe