Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einleitung
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im letzten Jahr eine Studie veröffentlicht, die den Verlust an gesunden Lebensjahren durch Umgebungslärm in Europa quantifiziert [4].
Der Untersuchung nach ist Verkehrslärm das Umweltproblem mit den zweitstärksten Auswirkungen auf die Gesundheit. Das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch (Verkehrs-)Lärm wird plakativ anhand des DALY (Disability Adjusted Life Years) quantifiziert. Ein DALY kann als ein verlorenes Jahr „gesunden“ Lebens aufgefasst werden. Im Bericht wird der aktuelle Wissensstand hinsichtlich der Zusammenhänge von Lärm und dem Auftreten von Herzkrankheiten, Schlafstörungen, kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen und Tinnitus zusammengefasst. Für jede dieser möglichen Krankheitsendpunkte wurden für das Ausmaß der Beeinträchtigung die in Europa durch die Lärmbelastung verlorenen gesunden Lebensjahre ermittelt (Bild 1). Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Europäer jedes Jahr mindestens 1 Million gesunde Lebensjahre durch die Auswirkungen von Umgebungslärm verlieren. Diese und viele andere Zahlen im Zusammenhang mit der Lärmbelastung zeigen, wie wichtig alle Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet sind, um effektive dauerhafte Lösungen zur Lärmreduzierung zu erarbeiten. Bild 1: Einfluss von Lärm auf die Lebensqualität und Gesundheit (nach [4]) Die Bundesanstalt für Straßenwesen koordiniert seit 2001 die durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Verbundprojekte Leiser Straßenverkehr, in denen zahlreiche Projektpartner aus Industrie und Forschung zusammenarbeiten. Nachdem es in den letzten Jahren gelungen ist, die Wirkmechanismen der Lärmentstehung im Zusammenspiel Reifen-Fahrbahn zu beschreiben, konnte die Entwicklung technischer Lösungen vorangetrieben werden, um die straßenverkehrsbedingte Geräuschemission zu reduzieren. Dabei wurde der Grundsatz verfolgt, den Lärm an der Lärmquelle zu minimieren.
2 Fachliche Ausrichtung der Forschungsarbeiten
In den vergangenen Jahren wurden umfangreiche Arbeiten zur Geräuschentstehung durchgeführt. Heute ist bekannt, dass die dominierende Schallquelle im Straßenverkehr das Reifen-Fahrbahn-Geräusch ist. Um die Potenziale der Lärmreduzierung weiter erschließen zu können, muss das Reifen-Fahrbahn-Geräusch in erster Linie an der Quelle reduziert werden. Die Forschungsaktivitäten konzentrieren sich deshalb auf die vier Schwerpunkte:
– Entwicklung von Simulationsmodellen zur Prognose von Reifen-Fahrbahn-Geräuschen,
– Akustische Optimierung von Reifen und Fahrzeugen,
– Entwicklung leiserer Fahrbahnbeläge,
– Erprobung und Umsetzung in die Praxis.
2.1 Simulationsmodelle zur Prognose von Reifen-Fahrbahn-Geräuschen
Ein Schwerpunkt im Verbundprojekt Leiser Straßenverkehr 3 ist die Weiterentwicklung des Simulationsmodells SPERoN (Statistical Physical Explanation of Rolling Noise) durch die Partner Müller BBM, Chalmers University, TU Hamburg Harburg und die Leibniz-Universität [6].
Mit diesem Modell lassen sich quantitativ Reifen-Fahrbahn-Geräusche berechnen. Es basiert auf einem Hybridansatz: Kombiniert werden ein physikalisches Modell zur Berechnung der Reifenschwingungen und Kräfte an der Kontaktstelle zwischen Reifen und Fahrbahn, ein empirisches Modell für die Geräuschemission der im Inneren des Reifentorus entstehenden Hohlraumresonanzen, ein empirisches Modell für die Geräuschentstehung durch aerodynamische Mechanismen und ein statistisches Modell für die Berücksichtigung des frequenzabhängigen Abstrahlmaßes, der Schallübertragung auf dem Ausbreitungsweg und die Kalibrierung zur Vorhersage des tatsächlichen Vorbeifahrtpegels. Dem statistischen Modell liegen eine Vielzahl von Messergebnissen zugrunde, welche eine große Variation bezüglich der Eigenschaften der Fahrbahnoberflächen und Reifen aufweisen. Im Rahmen des Verbundprojektes Leiser Straßenverkehr 3 wird das Modell umfassend erweitert, um auf der Basis theoretischer Analysen sowohl Fahrbahnbeläge als auch Reifen gezielt weiterentwickeln zu können.
Bild 2: Herstellung von Modelloberflächen zur Analyse der Zusammenhänge zwischen Oberflächeneigenschaften und Rollgeräuschentstehung Um die physikalischen Effekte des Air Pumping beschreiben zu können, mussten im ersten Schritt Modelloberflächen hergestellt und akustisch vermessen werden. In 2011 ist es der BASt gelungen, ein Testgelände auf einer noch aktiven NATO-Airbase in Geilenkirchen anzumieten, um diese Modelloberflächen, bestehend aus Loch-, Längs- und Querrillenfeld herstellen zu können (Bild 2). Mit Hilfe dieser speziellen Oberflächen ist eine quantitative Analyse der Zusammenhänge zwischen Oberflächeneigenschaften und Rollgeräuschentstehung möglich. Auf Grundlage der Analysen und Messungen soll von den Verbundpartnern ein physikalisches Modell zur Beschreibung aerodynamischer Effekte erarbeitet werden.
2.2 Akustische Optimierung von Reifen und Fahrzeugen
Im Rahmen der Verbundprojekte Leiser Straßenverkehr hat die Firma Continental Reifen Deutschland GmbH sehr intensiv mit Verbundpartnern an der akustischen Optimierung von Reifen gearbeitet. Untersuchungen belegten, dass vor allem nachts der Emissionspegel des Schwerverkehrs dominiert. Das Bild 3 zeigt am Beispiel einer Zählstelle auf der BAB A 8 bei Leipheim typische Ergebnisse für den Geräuschemissionspegel in 25 m Entfernung von der Straße. Die schwarze Linie stellt den Emissionspegel für das gesamte Fahrzeugkollektiv dar, die blaue Linie für Pkw und leichte Lkw und die rote Linie die Geräuschemissionspegel für schwere Lkw. Anhand des Bildes wird deutlich, dass tagsüber schnellfahrende Pkw dominieren und nachts, in den Ruhe- und Erholungszeiten zwischen 2 und 6 Uhr, schwere Lkw bzw. Lastzüge. Detailuntersuchungen zeigten, dass Reifen auf der Antriebsachse ca. 3 dB(A) lauter sind als Lenkachsenreifen. Im Projekt Leiser Straßenverkehr 2 stand deshalb der longdistance Lkw-Reifen im Fokus. Im Ergebnis des Verbundprojektes konnte in 2009 ein Lkw-Reifen auf dem Markt eingeführt werden, der ca. 3,5 dB(A) leiser ist als sein Vorgängermodell [7].
Im derzeit laufenden Projekt steht der Antriebsreifen für den Regionalreifen im Mittelpunkt. Diese kommen im regionalen Güterverkehr zum Einsatz. Insbesondere an der Antriebsachse sind Profile mit einem hohen Anteil an Querrillen erforderlich, um die nötige Traktion zu gewährleisten. Daher kommen bei diesen Fahrzeugen Reifen mit Blockprofilen zum Einsatz, die eine erhöhte Geräuschemission zeigen. Bild 3: Ermittelte Geräuschemissionspegel über 24 Stunden (Zählstelle bei Leipheim BAB A 8) In der ersten Projektphase fand eine systematische Vorauswahl verschiedener Profilvarianten unter Berücksichtigung eines möglichst guten Geräuschverhaltens statt. Dabei müssen ebenfalls Varianten ausgewählt werden, die den bestmöglichen Kompromiss aus Akustik und anderen Qualitätskriterien bilden. Alle Varianten werden dann umfangreichen Laborversuchen unterzogen (Bild 4). Hierbei werden sowohl die Einflüsse der Profilgestaltung auf das Geräuschverhalten der Reifen untersucht als auch auf die übrigen Merkmale wie Bremsleistung, Traktionsvermögen, Laufleistung etc. In der zweiten Projektphase finden die entsprechenden Tests am fahrenden Fahrzeug statt. Neben der Akustik sind auch hier die allgemeinen Qualitätsmerkmale zu prüfen. Anhand der Erkenntnisse aus den beiden Projektphasen werden Formreifen hergestellt, die dann in Feldversuchen weitere Erkenntnisse hinsichtlich des Bauteilverhaltens im realen Einsatz liefern. Hier steht dann bereits die Umsetzbarkeit in ein marktfähiges Produkt im Fokus der Untersuchung. Bild 4: Prüfstand für Geräuschmessungen (Nahfeld) der Firma Continental Reifen Deutschland GmbH (Foto: Continental Reifen Deutschland GmbH) Ein weiterer Schwerpunkt im Verbundprojekt Leiser Straßenverkehr 3 [4] ist die akustische Optimierung des Fahrzeugunterbodens. Mit dem Ziel der CO2-Reduzierung von Pkw kommen vermehrt aerodynamisch günstige Unterbodenverkleidungen zum Einsatz. Die Materialien können auch akustisch absorbierend gestaltet werden. Die Firma Röchling Automotive AG & Co. KG hat im Verbundprojekt Leiser Straßenverkehr 3 die Aufgabe, eine Unterbodenverkleidung für Transporter und Klein-Lkw zu entwickeln, die speziell auf das Reifengeräuschspektrum abgestimmt und optimal positioniert ist. Zu Beginn des Projekts wurden an einem Lkw Potenzialuntersuchungen mit einer großflächigen Sandwich-Unterbodenverkleidung durchgeführt (Bild 5) und die Schallausbreitungsmechanismen zwischen Fahrbahn und Fahrzeugboden analysiert. Bild 5: Akustische Optimierung des Fahrzeugunterbodens, Analyse der Schallausbreitungsmechanismen
2.3 Entwicklung leiserer Fahrbahnbeläge
Straßenoberflächen leisten ebenfalls einen Beitrag zur Lärmminderung. Mit den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen [5] wurden bereits im Jahr 1990 lärmmindernde Straßenoberflächen in das Technische Regelwerk eingeführt. Als lärmarm werden Straßenoberflächen mit einer Lärmminderung von mindestens 2 dB(A) bezeichnet. Der Referenzbelag ist der nicht geriffelte Gussasphalt. Die Fahrbahnbeläge erhielten einen Korrekturwert, der mit DStrO bezeichnet wird. Entsprechend dem Stand der Technik wurde die RLS 90 durch Allgemeine Rundschreiben des BMVBS erweitert und aktualisiert [3]. In der Tabelle 1 sind Fahrbahnbeläge mit den dazugehörigen DStrO-Werten gemäß RLS 90 aufgeführt, wobei die Richtlinien nicht das gesamte Spektrum an heute möglichen Fahrbahnbelägen wiedergeben.
Tabelle 1: DStrO-Werte für Straßenoberflächen (RLS 90)
Seit einigen Jahren werden neue Fahrbahnbeläge entwickelt. Grundsätzlich werden dichte und offenporige Fahrbahnbeläge unterschieden. Dichte Fahrbahnbeläge weisen heute Lärmminderungen zwischen 2 bis 4 dB(A), offenporige Beläge zwischen 5 bis 9 dB(A) auf. Viele der neu entwickelten Fahrbahnbeläge werden heute den semiporösen Fahrbahnbelägen zugeordnet. Messungen auf ersten Erprobungsstrecken zeigen eine Lärmminderung zwischen 4 und 5 dB(A) gegenüber dem Referenzwert gemäß RLS 90.
Ein relativ neuer lärmarmer Asphaltbelag ist der hohlraumreich zusammengesetzte Splittmastixasphalt lärmarm (SMA LA). Um die Dauerhaftigkeit zu gewährleisten, kommen hoch modifizierte Bindemittel und ein hoher Bindemittelgehalt zum Einsatz. Die fertige Deckschicht wird nicht abgestumpft und weist dennoch gute Griffigkeitskennwerte auf. Der Einbau erfolgt auf einer abdichtenden Schicht. Erste Erprobungsstrecken mit SMA LA wurden im Jahr 2005 gebaut. Inzwischen liegen umfangreiche Erfahrungen vor. Die Messung der akustischen Eigenschaften dieses Belages zeigte eine Lärmminderung von ca. 4 dB(A) im Vergleich zur Referenzbauweise. Aussagen zur akustischen und bautechnischen Dauerhaftigkeit sind derzeit noch nicht möglich.
Verstärktes Interesse galt in der letzten Zeit der Erhaltungsbauweise Dünne Schichten im Heißeinbau auf Versiegelung DSH-V gerichtet. Der Einbau erfolgt mit einem Sprühbalkenfertiger, der eine Schicht aus Bitumenemulsion vorlegt, die sofort mit dem Heißmischgut überbaut wird. Große Flächen im Bereich der Autobahndirektion Südbayern wurden mit dieser Bauweise gebaut. Messungen belegen ein Lärmminderungspotenzial von etwa 4 bis 5 dB(A) im Neuzustand. Die optimierte Bauweise wurde in die Neufassung der ZTV BEA-StB aufgenommen. Die akustische Alterung kann noch nicht abschließend bewertet werden.
Neue Entwicklungen im Bereich der Straßenbautechnik stellen die dichten Asphaltdeckschichtbeläge LOA 5D (Lärmoptimierte Asphaltdeckschicht) und PMA (Porous Mastic Asphalt) dar. Beide Deckschichten sind auf Basis einer „dichten“ Asphaltzusammensetzung entwickelt worden, so dass deren lärmtechnische Wirkung durch die geometrische Ausbildung der Oberflächentextur geprägt wird.
Der erste Einbau des an der Ruhr-Universität Bochum entwickelten LOA 5D erfolgte 2007 in Düsseldorf im Bereich der kommunalen Straßen. Für die Zusammensetzung werden Rüttelversuche mit unterschiedlichen Gewichtungen der einzelnen Kornfraktionen zur Bestimmung der optimalen Lagerungsdichte durchgeführt. Als Bindemittel wird ein PmB bzw. ein Additiv eingesetzt. Die Sieblinie enthält ca. 1/3 feine und 2/3 grobe Gesteinskörnungen. Dadurch entsteht eine feinkörnige, texturoptimierte Oberfläche, die ein deutliches Lärmminderungspotenzial aufweist. Aussagen zur Dauerhaftigkeit können derzeit noch nicht gemacht werden.
Der PMA entspricht konzeptionell einem Gussasphalt mit offenporiger Oberfläche. Er weist im Vergleich zum traditionellen Gussasphalt einen wesentlich höheren Anteil grober Gesteinskörnung (≥ 70 M.-%) auf. Der Einbau erfolgt konventionell mit Straßenfertigern und anschließender Verdichtung. Im Ergebnis entsteht eine Deckschicht, die im unteren Bereich dicht (Gussasphalt) und im oberen Bereich offenporig strukturiert ist. Die akustische Wirksamkeit ergibt sich aus der günstigen Oberflächentextur und dem großen Hohlraumgehalt. Im Jahr 2009 wurden erste Erprobungsstrecken auf den Bundesautobahnen BAB A 44 und BAB A 24 gebaut.
Im Projekt Leiser Straßenverkehr 3 arbeitet die Ruhr-Universität Bochum mit den Partnern Willy Dohmen GmbH & Co. KG, Ingenieurgesellschaft für Zuschlag- und Baustofftechnologie (ZuB), Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sowie mit Unterstützung durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW an der Optimierung der lärmtechnischen und bautechnischen Wirksamkeit und Nutzungsdauer der beiden dichten Asphaltdeckschichtarten LOA 5D und PMA. Im Rahmen von Laboruntersuchungen werden Mischgutkonzeptionen entwickelt, die einen Einbau in der Straßenbaupraxis ohne materialtechnische Schwankungen gewährleisten sollen. Anhand spezieller rheologischer Stoffuntersuchungen sollen Optimierungen in den Funktionseigenschaften und den Verarbeitungseigenschaften (Fördern, Einbau, Verdichtung etc.) vorgenommen werden. Darüber hinaus sollen die ermittelten Kenndaten für die Erstellung eines Materialmodells für das Simulationsmodell SPERoN genutzt werden. Die Erweiterung des SPERoN-Modells um ein derartiges Materialmodell ermöglicht später die akustische Optimierung von Fahrbahnoberflächen und -konstruktionen unter Anwendung neuer Baustoffe. Ein Teilergebnis aus dem Projekt Leiser Straßenverkehr 1 [8] zeigt, dass elastische (dämpfende) Zwischenlagen das Reifen-Fahrbahn-Geräusch sowohl für Pkw- als auch für Lkw-Reifen vermindern. Durch den Einsatz einer elastischen Dämpfungsschicht wurde bei identischer Textur eine Lärmpegelminderung (Vorbeirollpegel) im Bereich von 1 KHz von 4 dB(A) gemessen. Die aus lärmtechnischer Sicht für diesen Zweck optimale elastische Dämpfungsschicht wäre eine Matte aus elastischem Gummigranulat. Die Verbundpartner Berleburger Schaumstoffwerke, Hansa Nord Labor, Ruhruniversität Bochum und Müller BBM untersuchen in LeiStra 3, inwieweit eine derartige Straßenkonstruktion entwickelt werden kann.
Im zweiten Ansatz soll der Asphalt selbst so konzipiert werden, dass er möglichst ähnliche Dämpfungseigenschaften besitzt. Um dies zu erreichen, müssen die Ausgangsstoffe des Asphalts, das heißt das Bindemittel und die Gesteinskörnungen, auf ihr elastisches Potenzial hin charakterisiert werden. Hinsichtlich der Gesteinskörnungen bedeutet dies eine Untersuchung des Einflusses verschiedenster Randbedingungen (z. B. Kornform und Korngröße, Lagerungsdichten, Kornverteilungen) auf das Elastifizierungs- und Dämpfungspotenzial innerhalb des Gesteinskörnungshaufwerks und der fertigen Schicht. Neben der Charakterisierung der Gesteinskörnungskomponente wird auch die Zugabe von Gummigranulat (Trockenverfahren) in unterschiedlichen Korngrößen und Mengen bezüglich des Einflusses auf das Dämpfungspotenzial hin untersucht. Ziel der Modifizierung des Bindemittels ist es, einen möglichst hohen Elastifizierungsgrad des Bindemittels zu erreichen. In diesem Fall sind dies Gummi-, SBSund Latex-Modifikationen mit variierenden Bindemittel- und Zugabeanteilen. Die elastischen Eigenschaften von Bitumen und Asphalt können mit Hilfe dynamischer Prüfmaschinen und Schwingungsmessungen bestimmt werden. Die Laborkennwerte stellen ebenfalls Eingangsgrößen für SPERoN dar, welches im Rahmen des Projektes „LeiStra 3“ um ein Materialmodell erweitert werden soll.
Im Verbundprojekt wird durch die Partner Schnorpfeil GmbH, Ruhruniversität Bochum und mit Unterstützung des Landesbetriebs NRW untersucht, inwieweit die Herstellung einer Betondecke mit offenporiger Oberfläche (COPS) bautechnisch möglich ist. Die Grundidee des Systems COPS ist in ihrer akustischen Wirkungsweise angelehnt an die im Asphaltstraßenbau bereits erfolgreich konzipierte und angewandte Deckschicht mit einem großen Grobkornanteil und einer feinkörnigen standfesten Bindemittel-/Mörtelphase. Durch gezielt eingestellte Fehlkörnungen im feinkörnigen Mineralstoffanteil wird dabei eine offenporige Oberfläche erreicht (Bild 6). Bild 6: Oberflächenstruktur eines Betons mit offenporiger Oberfläche und Bau erster Testflächen (Foto: Schnorpfeil GmbH) Die Betonrezeptur des COPS besteht ebenfalls aus einem ausreichend hohen Anteil an Grobkorn. Während des Einbau- und Verdichtungsvorgangs sinkt der feinkörnige Mörtel nach unten ab, so dass innerhalb der oberen 10 mm der Deckschicht eine offenporige Oberfläche entsteht. Nach dem maschinellen Einbau erfolgt ein Ausrichten des die Oberfläche bildenden Korngerüstes durch einen Walzvorgang dahingehend, dass die einzelnen Körner flach zur Oberfläche gelegt werden. Hierdurch wird ein ausgesprochen hohes Maß an Ebenflächigkeit der Oberfläche garantiert.
Im Rahmen erster Laborversuche wurden unterschiedliche Mischungen mit 3, 5 und 8 mm Größtkorn hergestellt. Dabei versprach die Labormischung mit 5 mm Größtkorn im Hinblick auf die Lärmminderung das größte Potenzial.
Die Konzeption dieser innovativen Bauweise setzt die Entwicklung neuer Einbautechnologien voraus. Für die Optimierung der Oberflächentextur wird das Simulationsmodell SPERoN herangezogen, um anhand von Geräuschprogosen die Entwicklungsschritte fortzusetzen. Spätere akustische Messungen des neuen Fahrbahnbelages sollen der Validierung des Simulationsprogrammes dienen.
Bestandteil weiterer Forschungsarbeiten ist die Entwicklung einer lärmtechnisch optimalen Grindingtextur auf Grundlage existierender theoretischer Berechnungsmodelle. Künftig soll in der Praxis ein Texturierungsverfahren für Neubau- und Erhaltungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, mit dem geräuschmindernde Deckschichten hoher Dauerhaftigkeit hergestellt werden können.
Um das lärmtechnische Potenzial dieser Bauweise einschätzen zu können, wurden durch die BASt auf vier Strecken SPB-Messungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen Geräuschemissionswerte bei 120 km/h (Pkw) zwischen 82,2 und 82,8 dB(A). Im Vergleich zur Referenzbauweise gemäß RLS 90 bedeutet dies eine Pegelminderung von ca. 2 bis 3 dB(A) (Bild 7). Bild 7: Erste SPB-Messungen verschiedener Grinding-Strecken Parallel dazu wurde im Jahr 2010 eine Pilotstudie [9] in Auftrag gegeben, um die lärmtechnischen Eigenschaften von Grinding-Oberflächen zu untersuchen. Das Bild 8 zeigt die Ergebnisse der CPX-Messungen auf sieben Grindingstrecken unterschiedlichen Alters, die von der Firma Müller BBM durchgeführt wurden. Die Messergebnisse zeigen ein deutliches Lärmminderungspotenzial. Bild 8: CPX-Messungen auf sieben verschiedenen Grinding-Strecken
Auf allen Strecken wurde das Grinding-Verfahren eingesetzt, um Griffigkeits- oder Eben-heitsprobleme zu beheben. In einem derzeit laufenden Forschungsprojekt wird im Labormaßstab untersucht, inwieweit das Grindingverfahren hinsichtlich der Anforderungen an eine leise Fahrbahnoberfläche optimiert werden kann. Das Projekt wird in Kürze abgeschlossen.
Das Erreichen einer signifikant höheren Pegelminderung setzt voraus, dass neben den texturabhängigen auch die texturunabhängigen akustischen Eigenschaften der Fahrbahnoberfläche ausgenutzt werden. Insbesondere ist hier der oberflächenzugängliche Hohlraumgehalt der Deckschicht zu nennen, der ab einem Hohlraumgehalt von über 8 Vol.-% zu einer zusätzlich wirksamen Pegelminderung beitragen kann. Je höher der Hohlraumgehalt, desto besser ist das Schallabsorptionsvermögen der Deckschicht. Offenporige Fahrbahnbeläge können gegenüber einer gleichartig texturierten dichten Oberfläche eine zusätzliche Pegelminderung von mindestens -5 dB(A) [1] aufweisen. Im Forschungsprojekt „Leiser Straßenverkehr 1“ wurde die akustische Wirksamkeit offenporiger Betondecken nachgewiesen. Die Erprobungsstrecke auf der B 56 bei Düren zeigte Pegelminderungen von bis zu -7 dB(A) gegenüber dem Referenzbelag nach RLS 90 und eine gute Entwässerungsfähigkeit. Aufgrund von verschiedenen Problemen (Haftverbund, Kornausbrüche, Fugenkonstruktion, etc.) wies diese Strecke nur eine unzureichende Dauerhaftigkeit auf und wurde nach ca. 5-jähriger Liegedauer grundhaft erneuert. In einer gemeinsamen Forschungsarbeit der Gütegemeinschaft für Verkehrsflächen aus Beton und der BASt wird an der Lösung dieser bautechnischen Probleme unter Beachtung neuer Erkenntnisse derzeit gearbeitet.
2.4 Erprobung und Umsetzung in die Praxis
Im Rahmen der Verbundprojekte Leiser Straßenverkehr und anderer Forschungsprojekte hat die BASt die Aufgabe, die Begutachtung der neuen Fahrbahnbeläge von der Laborentwicklung bis zur Einrichtung von Testfeldern und Erprobungsstrecken hinsichtlich ihrer Eignung für den Einsatz im Straßenbau vorzunehmen. Die Erprobungsstrecken werden einem umfangreichen Messprogramm unterzogen. Neben der Erfassung der akustischen Eigenschaften der Fahrbahnbeläge werden Textur- und Griffigkeitsmessungen durchgeführt.
Voraussetzung für eine erfolgreiche bautechnische Umsetzung der neuen Konzepte sind umfangreiche Laborprüfungen und die darauf aufbauende Einrichtung von Testfeldern. Mit der Einrichtung der Testfelder soll zunächst geprüft werden, ob die Herstellung der neuen Fahrbahnbeläge bzw. -aufbauten mit herkömmlichen Straßenbaugeräten möglich ist und wo gegebenenfalls Optimierungen der Mischgutkonzeption erforderlich sind. Darüber hinaus sind die Gebrauchseigenschaften und der Oberflächenzustand (z. B. Griffigkeit, Ebenheit) zu prüfen. Für den Bau von Testflächen stehen der BASt Flächen auf dem oben genannten NATO-Gelände zur Verfügung. Erste Testflächen wurden im Jahr 2012 gebaut; sieben Testflächen mit verschiedenen Aufbauten der beschriebenen „Elastischen Schichten“ und insgesamt sechs Testflächen unterschiedlicher Mischgutkonzeption der beiden Fahrbahnbeläge LOA 5D und PMA.
Auf der BAB A 553 bei Brühl wird derzeit vom Landesbetrieb Straßen NRW eine Erprobungsstrecke mit verschiedenen PMA-Varianten hergestellt. Diese wird hinsichtlich der Mischgutund Einbauparameter untersucht. Die ersten Abschnitte sind bereits fertiggestellt (Bild 9).
Auf der BAB 23 bei Itzehoe wurde eine Erprobungsstrecke mit dem Grindingverfahren hergestellt, die durch die BASt messtechnisch begleitet wird (Bild 10).
Der Bau weiterer Erprobungsstrecken, der durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finanziell unterstützt wird, soll im Jahr 2013 fortgesetzt werden. Bild 9: Erprobungsstrecke mit verschiedenen PMA-Varianten (Foto: Ruhr-Universität Bochum) Bild 10: Erprobungsstrecke mit Grinding-Verfahren (Foto: Villaret)
3 Zusammenfassung
In den bereits abgeschlossenen Verbundprojekten Leiser Straßenverkehr 1 und 2 ist es gelungen, die Wirkmechanismen der Geräuschentstehung im Zusammenspiel Reifen-Fahrbahn detailliert zu beschreiben und Anforderungen für eine dauerhafte Lärmreduzierung zu formulieren. In der Straßenbautechnik wurden Regelbauweisen lärmtechnisch optimiert. Als Beispiele seien hier der lärmarme Gussasphalt, die längere Nutzungsdauer offenporiger Asphalte genannt. Zusammen mit dem Verbundpartner Continental Reifen Deutschland GmbH konnten Pkw- und Lkw-Reifen akustisch optimiert werden.
Ein zentrales Ziel im Verbundprojekt Leiser Straßenverkehr 3 ist es, das Simulationsmodell SPERoN zu optimieren und zu erweitern. Im Ergebnis soll ein Werkzeug zur Verfügung stehen, mit dem unter Berücksichtigung verschiedener Einflüsse aus Reifen und Fahrbahn Geräuschprognosen möglich sind. Dabei sollen Einflüsse wie Materialkennwerte des Fahrbahnbelages, die Fahrbahntextur, der Profileinfluss und Rollwiderstand des Reifens und aerodynamische Effekte berücksichtigt werden. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Geräuschprognosen können Oberflächentexturen lärmtechnisch weiter optimiert werden.
Auch die technischen Potenziale der Fahrzeugtechnik zur Schallreduzierung sind Bestandteil aktuell laufender Forschungsarbeiten. Mit dem Ziel der CO2-Reduzierung von Pkw kommen vermehrt aerodynamisch günstige Unterbodenverkleidungen zum Einsatz. Hiermit bietet sich die Möglichkeit, eine absorbierende Unterbodenverkleidung an Fahrzeugen zu entwickeln, die in ihrer Frequenzcharakteristik auf das Reifen-Fahrbahn-Geräuschspektrum abgestimmt ist.
Darüber hinaus stehen die akustische Optimierung eines leisen Lkw-Antriebsachsenreifens für den Regionalverkehr sowie die weitere Entwicklung leiserer Fahrbahnoberflächen im Fokus der Forschungsarbeiten.
Neue Entwicklungen im Bereich der Straßenbautechnik stellen die dichten Asphaltdeckschichtbeläge LOA 5D und PMA dar. Im Verbundprojekt Leiser Straßenverkehr 3 wird an der Optimierung der lärmtechnischen und bautechnischen Wirksamkeit und Nutzungsdauer dieser dichten Asphaltdeckschichtarten gearbeitet. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung einer leiseren Betondecke mit offenporiger Oberfläche.
Parallel dazu wird im Betonstraßenbau aktiv an der Weiterentwicklung leiser Fahrbahndecken gearbeitet. Im Forschungsprojekt Leiser Straßenverkehr 1 wurde die akustische Wirksamkeit offenporiger Betondecken nachgewiesen, jedoch zeigt diese Bauweise noch Schwächen hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit. Zusammen mit der Bauindustrie wird intensiv an der Lösung dieser bautechnischen Probleme unter Beachtung neuer Erkenntnisse gearbeitet. Bestandteil weiterer Projekte, die durch Forschungsgelder des Bundes finanziert werden, ist die Entwicklung einer lärmtechnisch optimalen Grindingtextur.
Literaturverzeichnis
1 B e c k e n b a u e r, T. et al.: Einfluss der Fahrbahntextur auf das Reifen-Fahrbahn-Geräusch, Schlussbericht zu FA 03.293/1995/MRB. Planegg, Juni 2001 2 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 22/2010, Sachgebiet 12.1 Umweltschutz; Lärmschutz, Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) Fahrbahnoberflächen – Korrekturwert DStrO für Lärmarmen Gussasphalt 3 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 22/2010, Sachgebiet 12.1 Umweltschutz; Lärmschutz, Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90), Fahrbahnoberflächen – Korrekturwert DStrO für Lärmarmen Gussasphalt 4 Weltgesundheitsorganisation (WHO): Burden of Disease from Environmental Noise – Quantification of Healthy Life Years Lost in Europe, WHO Regional Office for Europe, Copenhagen (2011) 5 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 22/2010, Sachgebiet 12.1 Umweltschutz; Lärmschutz, Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90), Ausgabe 1992 6 S t ö c k e r t, U.; B ü c k e r s, C.: LeiserStraßenverkehr – Rückblick und das neue Forschungskonzept, in: Straße und Autobahn, Heft 12, 2011 7 Verbundprojekt: Leiser Straßenverkehr 2 – Gemeinsamer Schlussbericht, Technische Informationsbibliothek u. Universitätsbibliothek Hannover 2010, Förderkennzeichen BMWi 19 U 5002 A-E 8 Verbundprojekt: Leiser Straßenverkehr – Reduzierte Reifen-Fahrbahn-Geräusche, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Straßenbau, Heft S37, Bergisch Gladbach, Dezember 2004 9 V i l l a r e t, S. et al.: Untersuchung der lärmtechnischen Eigenschaften von Betonfahrbahndecken mit Grinding – Oberflächen, Forschungsprojekt FA 08.0210/2010, Hoppegarten Juni 2011 |