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1 Motivation
Seit den 1950er Jahren steigen die Verkehrsbelastungen und der Anteil des Schwerlastverkehrs mit hohen Achslasten nahezu kontinuierlich. Diese Entwicklung wird sich auch in der Zukunft so fortsetzen. Weiterhin ist mittelfristig die Verknappungen fossiler Rohstoffe zu erwarten. Individual- und Güterverkehr auf Straßen und Autobahnen sind für das Leben und die Wirtschaft in Deutschland und Europa von elementarer Bedeutung. Es ist zu befürchten, dass die bisherigen Standardbauweisen in Asphalt und Beton vor allem auf hochbelasteten Autobahnen im Bezug auf Dauerhaftigkeit, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit an Grenzen stoßen. Um zukünftig die erforderliche Mobilität gewährleisten zu können, sind innovative Lösungen gefragt.
Bisher werden die Asphalt- und Betonbauweisen im deutschen Straßenbauregelwerk getrennt voneinander behandelt. Die bisherigen Anwendungen haben gezeigt, dass Beton durch seine hohe Steifigkeit in der Lage ist, die Beanspruchungen aus Verkehr und Witterungseinflüssen sehr langfristig ohne bleibende Verformungen abträgt.
Wird der Beton nicht als unbewehrte Platten, wie in Deutschland standardisiert, ausgeführt, sondern fugenlos mit durchgehender Bewehrung, so kann die Nutzungsdauer zusätzlich verlängert werden.
Asphalt zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er die Anforderungen an Lärmminderung und Griffigkeit einer Deckschicht erfüllt und schnell und kostengünstig ersetzt werden kann. Kombiniert man die positiven Eigenschaften beider Bauweisen, so entsteht die Kompositbauweise. Diese besteht aus einer starren Konstruktionsschicht aus Beton und einer flexiblen Deckschicht aus Asphalt. In der Zeit von 1992 bis 2010 wurde diese Bauweise zunächst im Rahmen von Erhaltungsmaßnahmen und später auf Versuchsstrecken ausgeführt, siehe Neußner [1]. Von der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden die Maßnahmen wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Darüber hinaus betrachtete man entsprechende Erfahrungen aus dem europäischen und nordamerikanischen Ausland. Die bisherigen Anwendungen haben ein positives Verhalten gezeigt. Es sind längere Nutzungsdauern, geringere Verkehrseinschränkungen für Erhaltungsmaßnahmen und die Schonung fossiler Ressourcen zu erwarten. Zusammenfassend wird in der Bauweise eine Innovation gesehen, mit der unter den sich zukünftig verschlechternden Randbedingungen Mobilität auf höchstbelasteten Autobahnen dauerhaft und wirtschaftlich gewährleistet werden kann.
Um die Erkenntnisse zu untermauern und die Bauweisen „Durchgehend Bewehrte Betondecke mit Asphaltdeckschicht“, „Unbewehrte Betondecke mit Asphaltdeckschicht“ und „Unbewehrte Betondecke (Standard, direkt befahren)“ unmittelbar miteinander zu vergleichen, wurde vom Bundesministerium zusammen mit der Obersten Baubehörde des Freistaates Bayern und der BASt die Versuchsstrecke auf der BAB A 94 bei Forstinning östlich von München geplant und im Jahr 2011 realisiert.
2 Funktionsweise der Kompositbauweise
Die Kompositbauweise besteht aus einer starren Konstruktionsschicht aus Beton und einer flexiblen Deckschicht aus Asphalt. Die Konstruktionsschicht aus Beton erreicht im Schutz der Asphaltdeckschicht dauerhaft eine Lastabtragung ohne erforderliche Erhaltungsmaßnahmen. Angestrebt wird eine Nutzungsdauer von 50 Jahren.
Dazu können sowohl unbewehrte Platten von 5 m Länge eingesetzt werden, als auch die Durchgehend Bewehrte Betonfahrbahndecke mit freiem Rissbild. Die unvermeidlichen durch temperatur- und feuchtigkeitsabhängige Längenänderungen hervorgerufenen Risse entstehen bei der Plattenbauweise in Querscheinfugen im Abstand von 5 m. Die Öffnungsweiten können im ungünstigsten Fall bis zu 4 mm betragen, wie im Bild 1 rechts skizziert ist. In der Durchgehend Bewehrten Betondecke treten freie Querrisse im Abstand von ca. 0,7 bis 2,5 m auf. Diese werden von einer mittig verlegten Längsbewehrung auf Öffnungsweiten von maximal 0,5 mm begrenzt.
Bild 1: Durchgehend Bewehrte Betondecke mit freiem Rissbild und unbewehrte Betonplatten von 5 m Länge mit Querscheinfugen Als flexible Deckschicht können grundsätzlich alle Asphaltdeckschichtarten eingesetzt werden, die die gestellten Anforderungen an Griffigkeit und Lärmminderung erfüllen. Diese sind in Abständen von 10 bis 20 Jahren zu erneuern. Asphaltdeckschichten können z. B. Splittmastixasphalt, Offenporiger Asphalt oder Dünnschichtbelag heiß auf Versiegelung sein, aber auch die Verwendung von Gussasphalt wäre denkbar.
Besonders zu beachten bei der Kompositbauweise sind drei Punkte:
- ein dauerhaft vollflächiger Verbund zwischen Beton und Asphaltdeckschicht,
- die Verhinderung von Reflexionsrissen aus dem Beton in die Asphaltdeckschicht und
- die Verhinderung von Blasenbildung in der Asphaltdeckschicht.
Um einen dauerhaften Verbund auf dem Beton zu erreichen, muss dieser eine ausreichende Festigkeit haben und lose Bestandteile an der Oberfläche sind zu entfernen. Auf dem Beton wird unmittelbar vor der Herstellung der Asphaltdeckschicht eine Bitumenemulsion aufgetragen.
Asphaltdeckschichten sind in der Lage die oben genannten Rissöffnungsweiten von maximal 0,5 mm bei der Durchgehend Bewehrten Betondecke zu überbrücken. Im Falle der Plattenbauweise mit Öffnungsweiten von maximal 4 mm würden Reflektionsrisse aus dem Beton im Asphalt entstehen und es bestünde die Gefahr, dass Wasser in die Konstruktion eindringt. Um dies zu vermeiden, ist in diesem Fall ist das Fugenraster auf die Asphaltdeckschicht zu übertragen und zu verschließen.
Betondecken sind prinzipiell undurchlässig. Beim Heißeinbau der Asphaltdeckschicht kann daher vorhandene verdunstende Feuchtigkeit nicht nach unten entweichen und es kommt bei dichten Deckschichten zur Blasenbildung. Um diese zu verhindern ist die Restfeuchte im Beton zum Zeitpunkt der Asphaltüberbauung zu begrenzen und die Anforderung an den Hohlraumgehalt im Asphalt einzuhalten.
3 Konzept der Versuchsstrecke und Bauausführung
Das Konzept der Versuchsstrecke beinhaltet eine starre Konstruktionsschicht als Durchgehend Bewehrte Betondecke und einer flexible Deckschicht aus Dünnschicht-Heißasphalt auf Versiegelung (DSH-V), Abschnitt 1. Um direkte Vergleiche zu ermöglichen, wurden im Abschnitt 2 eine unbewehrte Betondecke in Plattenbauweise mit DSH-V und eine direkt befahrene Betonfahrbahndecke in Plattenbauweise mit Grinding-Textur im Abschnitt 3 geplant.
Bei der Konzeptionierung orientierte man sich möglichst nahe am aktuellen deutschen Straßenbauregelwerk und kombinierte diese mit den eigenen und ausländischen Erfahrungen zur Durchgehend Bewehrten Betondecke.
In allen Abschnitten wurde ein Standardstraßenbeton C30/37 verwendet. In den Abschnitten 1 und 2 wurde dieser einschichtig mit Rundkorngesteinskörnungen 0/32 mm ausgeführt. Zur Erfüllung der Oberflächeneigenschaften erhielt der Abschnitt 3 zusätzlich einen dünnen Oberbeton mit polierresistenten gebrochenen Gesteinskörnungen 0/22 mm. Für die Bewehrung im Abschnitt 1 wurden die in der Tabelle 1 aufgelisteten Anforderungen formuliert. Sie entsprechen dem belgischen Standard [7] und der Versuchsstrecke BAB A 5 bei Darmstadt [5]. In [6] wurden Durchgehend Bewehrte Betondecken in Europa und Nordamerika untersucht und verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass solche auf flexiblen Unterlagen das beste Langzeitverhalten zeigen. Entsprechend wurden für die Versuchsstrecke einheitlich für alle Abschnitte eine Asphalttragschicht und eine Frostschutzschicht angeordnet. Das Bild 2 zeigt die Konstruktionsaufbauten der drei Versuchsabschnitte mit den jeweiligen Schichtdicken.
Der Abschnitt 1 wurde mit freien Querrissen geplant. Fahrstreifenweise wurden Längsfugen angeordnet. An den Endbereichen waren unverschiebliche Einspannungen auszuführen. Dies wurde mit bewehrten Endspornen realisiert.
In den Abschnitten 2 und 3 wurden konventionell Längs- und Querfugen vorgesehen und mit Dübeln und Ankern versehen.
Tabelle 1: Anforderungen an die Bewehrung Stahlgüte Bild 2: Konstruktionsaufbauten und Aufteilung der Versuchsstrecke
Zur Gewährleistung eines dauerhaften Verbunds zwischen Beton und Asphaltdeckschicht (DSH-V) war die Betonoberfläche mit Hochdruckwasserstrahl zu reinigen, abzutrocknen und eine Bitumenemulsion aufzutragen. Als Anforderungen wurden Abreißfestigkeiten und Restfeuchte für den Beton festgelegt.
Für die baupraktische Umsetzung des beschriebenen Konzeptes gab es im Freistaat Bayern mehrere Optionen. In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), der Obersten Baudirektion Bayern und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurde die BAB A 94 östlich von München bei Forstinning ausgewählt, da es sich hier um eine Neubaumaßnahme handelte. Im Vergleich zur grundhaften Erneuerung eines Autobahnabschnittes sind hier die zeitlichen und örtlichen Randbedingungen etwas günstiger. Darüber hinaus hat dieser Abschnitt der BAB A 94 den Vorteil, dass dort einheitliche Verhältnisse mit geringem Längsgefälle und keinen engen Radien herrschen. Das Bild 3 zeigt die Anordnung der drei Versuchsabschnitte. Jeder Abschnitt hat eine Länge von ca. 4 km. Die Gesamtlänge verteilt auf zwei Fahrtrichtungen beträgt ca. 12 km.
Die Unterbrechungen stellen jeweils Brückenbauwerke dar. Dort wurden die Betondecken unterbrochen. Im Abschnitt 1 mit Durchgehender Bewehrung ordnete man die beschriebenen Endsporne an.
Ausgeführt wurden Versuchsstrecken in den Jahren 2010 bis 2011 von den Firmen Rädlinger als Hauptauftragnehmer und Berger Bau für die Betondecke. Der Einbau erfolgte von April bis Juni 2011 mit einem Gleitschalungsfertiger Typ SP 1500 der Firma Wirtgen.
Unmittelbar vor Herstellung der Durchgehend Bewehrten Betondecke wurde die Bewehrung verlegt, wie im Bild 3 zu sehen. Die angelieferte Längsbewehrungsstäbe hatten nicht die exakte Länge von 14,00 m, sondern wichen um +/- 2 cm davon ab. Um trotzdem die Übergreifungsstöße wie geplant anzuordnen, erfolgte in jedem zehnten Stoß ein Ausgleich. Bild 3: Verlegte Quer- und Längsbewehrung Das Bild 4 zeigt den einlagigen Betoneinbau im Abschnitt 1. Man sieht den grundsätzlichen Unterschied zur Herstellung von unbewehrten Betonplatten. Durch die verlegte Bewehrung ist eine Frischbetonanlieferung unmittelbar vor dem Fertiger nicht möglich. Dies erfolgte auf der gegenüberliegenden Fahrtrichtung. Um diesen vom Lkw zum Fertiger zu bringen, wurden von der Bauausführenden Firma zwei Varianten diskutiert: der Einsatz eines großen Greifbaggers oder eines Seitenbeschickers. Aus Kapazitäts- und Wirtschaftlichkeitsgründen entschied man sich für den Greifer. Bild 4: Betonage der Durchgehend Bewehrten Betondecke Im Sommer 2011 wurde auf dem Versuchsabschnitt 3 die Oberflächentextur „Grinding“ hergestellt. In Fahrtrichtung Passau hatten die Schleifscheiben einen Rillenabstand von 2,8 mm und in Fahrtrichtung München 3,2 mm. Es wurde jeweils in Arbeitsbreiten von 1,2 m geschliffen, wie im Bild 5 (links) zu sehen. Ebenfalls im Sommer 2011 wurde der DSH-V ausgeführt, wie im Bild 5 (rechts) zu sehen. Es waren zwei Asphaltfertiger mit Sprühvorrichtungen zum Aufbringen der Bitumenemulsion im Einsatz. Ende August erfolgte die Verkehrsfreigabe des Bauabschnittes BAB A 94 bei Forstinning. Bild 5: Herstellung der Grinding-Textur und der Asphaltdeckschicht (DSH-V)
4 Wissenschaftliche Begleitung der Versuchsstrecke
Von der BASt wurde ein Programm zur messtechnischen und wissenschaftlichen Begleitung der Versuchsstrecke aufgestellt. Dabei standen drei Themenkomplexe im Mittelpunkt der Betrachtung
- das Verhalten der bewehrten und der unbewehrten Betonfahrbahndecke,
- die Verbindung zwischen Beton und Asphalt in der Grenzschicht,
- die Oberflächeneigenschaften der ausgeführten Texturen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse dargestellt.
4.1 Verhalten der Betonfahrbahndecke
Der Einbau der Betondecke in den drei Versuchsabschnitten erfolgte im Frühjahr 2011 bei milder bis warmer Witterung. Die geforderten Schichtdicken von 24,5 cm bzw. 26 cm wurden vollständig erreicht. Die tatsächlichen Schichtdicken lagen bei 25 cm bis 29 cm. An Bohrkernen wurden Druckfestigkeiten von 45 N/mm² bis 81 N/mm² erreicht und damit die geforderte Druckfestigkeitsklasse C30/37 bestätigt.
Deflektionsmessungen mit dem Falling-Weight-Deflectometer (FWD) wurden kurz nach der Herstellung durchgeführt. In den drei Versuchsabschnitten wurden geringe Einsenkungen ermittelt. Diese stehen für ein gutes Tragverhalten der Konstruktion.
Begehungen mit visuellen Zustandserfassungen der hergestellten unbewehrten Betondecken, Abschnitte 2 und 3, ergaben keine Auffälligkeiten. Kantenschäden, Eckabbrüche fehlender Deckenschluss oder Unebenheiten konnten nicht festgestellt werden.
Im Versuchsabschnitt 1 mit Durchgehend Bewehrter Betondecke erwartete man feine Querrisse. In [6] wurde gezeigt, dass freie Querrisse in mittleren Abständen von 0,7 m bis 2,5 m und Öffnungsweiten von maximal 0,5 mm das beste Langzeitverhalten erreichen. Daher war das sich einstellende freie Rissbild von großem Interesse. Am 5. 7. 2011 wurde eine manuelle Rissaufnahme mit Erfassung der Stationierungen und Öffnungsweiten durchgeführt.
Im Bild 6 ist das Ergebnis als Anzahl der Risse pro 100 m 79 Tage nach der Betonfertigung als rote Linie dargestellt. In dieser Zeit haben sich 38 Risse pro 100 m bzw. ein mittlerer Rissabstand von 2,6 m gebildet.
Im Jahr 2004 wurde auf der BAB A 5 bei Darmstadt eine Versuchsstrecke mit Durchgehend Bewehrter Betondecke gefertigt. Neben anderen Tragschichtvarianten führte man auch eine Asphalttragschicht aus. Die Rissentwicklung und die Tagesmitteltemperaturen dieser Maßnahme in den ersten drei Jahren nach der Herstellung sind im Bild 6 als grüne und blaue Linien eingetragen. Man erkennt, dass sich die meisten Risse im ersten Jahr bildeten. Im 2. und 3. Jahr kamen weniger Risse hinzu. Nach etwa drei Jahren war die Rissentwicklung abgeschlossen. Überträgt man diese Ergebnisse auf die Versuchsstrecke BAB A 94, so kann geschlussfolgert werden, dass die Rissbildung noch nicht abgeschlossen ist. In [6] konnte gezeigt werden, dass Abschnitte, die bei kühlerer Witterung betoniert wurden zu einer langsameren Rissentwicklung führen als solche bei wärmerer Witterung. Dies trifft auch hier zu. Bild 6: Rissentwicklung in der Durchgehend Bewehrten Betonkonstruktionsschicht Auf der Versuchsstrecke BAB A 94 bei Forstinning gab es höhere Einbautemperaturen als beim betrachteten Abschnitt der Versuchsstrecke BAB A 5 Darmstadt. Entsprechend liegt die rote Linie, Forstinning, in der Bild über der grünen Linie, Darmstadt.
Bis zum Jahr 2014 werden etwa 80 Risse pro 100 m bzw. ein mittlerer Rissabstand von 1,25 m als „endgültiges Rissbild“ erwartet. Dies kann aber aufgrund der DSH-V-Überbauung nicht überprüft werden.
Bei Abkühlung oder Austrocknung treten in der Durchgehend Bewehrten Betondecke Zugspannungen auf. Dort wo keine Querrisse vorhanden sind, werden diese Spannungen vom Beton zusammen mit der Längsbewehrung aufgenommen. Unmittelbar an Querrissen müssen die auftretenden Zugspannungen von der Längsbewehrung alleine übernommen werden.
Für ein günstiges Langzeitverhalten ist es wichtig, dass der verwendete Bewehrungsstahl dauerhaft seine Streckgrenze nicht erreicht. In [3] wird beschrieben, dass die Spannungen in der Längsbewehrung unmittelbar bei der Rissbildung am größten sind und danach abklingen. Auf der Versuchsstrecke wurde ein Bewehrungsstahl BSt 500 T mit einer Streckgrenze von bei 500 N/mm² verwendet. Mittels Dehnungsmesstreifen (DMS) wurde untersucht, welche Spannungen im Stahl in Situ auftreten. Das Bild 7 zeigt die Längsbewehrung mit den applizierten DMS. Um sicherzustellen, dass am Ort der DMS ein „freier“ Querriss entsteht, wurde der Querschnitt dort durch ein Kunststoffrohr gezielt geschwächt, Bild 7 (rechts). Die Messungen werden kontinuierlich durchgeführt. Entsprechende Auswertungen und Ergebnisse werden zu einem späteren Zeitpunkt erwartet.
Weiterhin werden die Temperaturen in der Betonfahrbahndecke an zwei Messquerschnitten kontinuierlich gemessen und aufgezeichnet. Messquerschnitt 1 befindet sich im Versuchsabschnitt 1 „unbewehrte Betondecke mit Grinding-Textur“ und Messquerschnitt 2 im Versuchsabschnitt 2 „Durchgehend Bewehrter Beton mit DSH-V“. Im Bild 8 wurden die Temperaturdifferenzen zwischen beiden Messquerschnitten mit der Oberkante Betondecke, Mitte Betondecke, Unterkante Betondecke und der Lufttemperatur in 2 m Höhe dargestellt. Es ist der Zeitraum 10 Tage vor und nach der Überbauung mit DSH-V abgebildet.
Vor der Überbauung mit DSH-V handelt es sich bei beiden betrachteten Bereichen theoretisch um direkt befahrende Betondecken. Die Temperaturverhältnisse im Beton sind an beiden Messquerschnitten bei geringen Toleranzen gleich. Nach der Überbauung unterscheiden sich die beiden Bereiche. Am Messquerschnitt mit DSH-V Überbauung wurden 4 °C bis 6 °C höhere Temperaturen als in der direkt befahrenen Betondecke gemessen. Bild 7: DMS-Streifen auf der Längsbewehrung und Querschnittsschwächung Bild 8: Temperaturen in den Betondecken mit und ohne Überbauung Es ist aber anzumerken, dass sich diese Temperaturverhältnisse auf den Neuzustand beziehen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Gesteinskörnungen des DSH-V noch vollständig mit einem Bitumenfilm bedeckt. Mit dem Abrieb dieses Films kommen die Gesteinskörnungen zum Vorschein und die Oberfläche wird heller. Dieser Effekt beeinflusst auch die Temperaturen im darunterliegenden Beton. Es ist zu erwarten, dass sich die Temperaturverhältnisse beider Messquerschnitte in den nächsten Jahren angleichen.
An den Endbereichen von Durchgehend Bewehrten Betondecken sind Einspannungen zu realisieren, damit ankommende horizontale Druckkräfte nicht auf benachbarte Straßenkonstruktionen oder Bauteile wirken und dort zu Schäden führen. In [4] wird diskutiert, welche Druckkräfte in Abhängigkeit von der Abschnittslänge, den Untergundverhältnissen und den Einbautemperaturen auftreten können. Die Versuchsstrecke wurde dazu genutzt, diese Berechnungen in situ zu quantifizieren.
Dazu wurden Teilstücke der Durchgehend Bewehrten Betondecke an den Enden jeweils mit einem bzw. mit vier bewehrten Endspornen ausgestattet, wie dies im Bild 9 dargestellt ist. Dahinter wurden jeweils Extensometer platziert, die horizontale Bewegungen kontinuierlich erfassen. Hinter den Endspornen wurden abgetrennt durch eine Raumfuge ohne Fugeneinlage unbewehrte Betonplatten als Widerlager für die Extensometer hergestellt.
Die Extensometer führen stündlich Messungen durch. Diese werden von einem Datenlogger aufgezeichnet. Im Bild 10 sind die Ergebnisse der bisherigen Extensometermessungen dargestellt. Die blaue Punktwolke zeigt die horizontalen Verschiebungen in Millimeter in Abhängigkeit von der Temperatur in °C am Ende des Systems aus vier Endspornen und die rote Punktwolke am Ende des Bereichs mit einem Endsporn. Das Extensometer an den vier Endspornen wurde bei etwa 20 °C installiert, das Extensometer am einzelnen Endsporn bei 28 °C. Es gibt Verschiebungen von –10 mm bis +26 mm. Beim System aus vier Endspornen gibt es bei 0 °C eine Verschiebung von +14 mm. Bei einem Endsporn bei 0 °C beträgt die Verschiebung 24 mm.
Bild 9: Ein bzw. vier Endsporne im Versuchsabschnitt 1
Damit wird von keiner der beiden Konstruktionsvarianten eine vollständige Einspannung geschaffen. Aber mit dem System der vier Endsporne können die horizontalen Bewegungen deutlich besser reduziert werden. Zur Schaffung einer vollständigen Einspannung wären weitere Endsporne, bzw. größer dimensionierte Endsporne erforderlich. Bild 10: Ergebnisse der Extensometermessungen an den Endspornen
4.2 Die Überbauung mit DSH-V
Am 2. August 2011 bei trockenem sonnigem Wetter wurden die Betondecken in den Versuchsabschnitten 1 und 2 mit DSH-V überbaut. Vorher waren die Anforderungen
- Abreißfestigkeit mindestens 1,0 N/mm²,
- Betonrestfeuchte maximal 3,0 %,
zu überprüfen.
Dies erfolgte am 5. 7. 2011 vor der Behandlung mit dem Hochdruckwasserstrahl, Dreh-JetVerfahren, und danach. Bei Betriebs-km 13+130 und Betriebs-km 16+600 wurden jeweils auf den Seitenstreifen (SS), den 1. Fahrstreifen (1.FS) und den 2. Fahrstreifen (2. FS) die Abreißfestigkeit und die Restfeuchte des Betons bestimmt. Im Bild 11 sind die Abreißfestigkeiten und das jeweilige Betonalter in Tagen dargestellt. Es lag bei 54 bis 79 Tagen. Die Festigkeiten betrugen 0,3 N/mm² bis 2,3 N/mm². Die Anforderung von 1,0 N/mm² wurde als rote Linie dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass alle Bereiche mit einem Betonalter von 65 Tagen und älter die Anforderungen erfüllen. Nur der zuletzt eingebaute Beton mit einem Alter von 54 Tagen erfüllt die gestellten Anforderungen noch nicht.
Weiterhin wurden am 5. 7. 2011 die Restfeuchten im Beton mit einem elektromagnetischen Verfahren, Messgerät HI 520 und dem CM-Verfahren bestimmt. Die Messergebnisse des HI 520 sind im Bild 12 für das Betonalter 54 Tage bis 79 Tage in vier Diagrammen dargestellt. In jedem Diagramm sind die gemessenen Betonfeuchten in Tiefen von 10 mm bis 40 mm eingezeichnet. Die Werte reichen von 2,0 % bis etwa 4,6 % Restfeuchte. In allen Bereichen wurden oberflächennah die höchstem Werte bestimmt und mit zunehmender Tiefe geringere Werte. Die meisten Werte liegen noch über den zulässigen 3,0 %. Eine Beziehung zwischen Betonalter und Feuchte, bzw. zeitlichem Austrocknen konnte hier nicht aufgestellt werden. Die Messungen nach dem CM-Verfahren ergaben für alle Bereiche 3,0 % Betonrestfeuchte.
Bild 11: Abreißfestigkeiten der Betonoberfläche Bild 12: Restfeuchte im Beton Nach einer weiteren Liegezeit von etwa einem Monat bei trockenem warmen Wetter und der Behandlung mit dem Dreh-Jet-Verfahren wurden die Messungen wiederholt. Dann erfüllten alle Bereiche die gestellten Anforderungen an Abreißfestigkeit und Restfeuchte. Dann wurde der DSH-V einschließlich der für den Schichtenverbund erforderlichen Bitumenemulsion in Dicken von 1,5 cm bis 2,0 cm erfolgreich eingebaut.
Im Rahmen der Kontrollprüfungen wurden Bohrkerne zur Schichtdicken- und Festigkeitsprüfung entnommen. An diesen Kernen wurden auch die Haftzugfestigkeiten zwischen Beton und Asphalt bestimmt. Bei zwei Abweichungen von 0,9 N/mm² lagen alle Festigkeiten über den geforderten 1,0 N/mm².
4.3 Geräuschentwicklung der Oberflächentexturen
Um das akustische Verhalten der Oberflächentexturen zu beurteilen wurde ein Messprogramm beauftragt. Es wurden sowohl Nahfeldmessungen (CPX) als auch statistische Vorbeifahrtsmessungen (SPB) durchgeführt.
Ziel war es zum einen, dass akustische Potenzial der Grindingtextur zu erkunden und zum anderen herauszufinden, ob es zwischen dem DSH-V auf der Durchgehend Bewehrten Betondecke und dem DSH-V mit Fugen auf der konventionellen Betondecke schalltechnisch erkennbare Unterschiede gibt.
Die Erstmessung nach dem CPX-Verfahren erfolgte im November 2011, die zweite Messung im Juni 2012. Im April 2012 wurden die ersten Messungen nach der SPB-Methode im Bereich der Grindingstrecken durchgeführt.
Insbesondere aus den CPX-Messungen lassen sich erste Tendenzen herauslesen. Im Bereich der Grindingstrecken war ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen erkennbar. Das Grinding mit der Stegbreite von 3,2 mm hat einen höheren Schalldruckpegel, als das Grinding mit dem Rillenabstand von 2,8 mm (Bild 13). Bild 13: Ergebnisse CPX-Messungen im Bereich Grindig Bild 14: Ergebnisse CPX-Messungen im Bereich DSH-V Auch ist auf allen Fahrstreifen innerhalb der 7 Monate von der Erst- zur Zweitmessung eine Abnahme der Schallemission zu bemerken, die wahrscheinlich davon herrührt, dass die nach der Herstellung relativ raue Oberfläche der Stege vom Verkehr glatt gefahren wird und dadurch die Reifen weniger zu Schwingungen anregt.
Während bei den DSH-V-Belägen bei der Erstmessungen noch ein Unterschied zwischen der Durchgehend Bewehrten Betondecke und der Betondecke mit Fugen erkennbar war, ist dieser bereits bei der Zweitmessung nicht mehr vorhanden (Bild 14).
Aus Ergebnissen anderer Messungen kann zurzeit auf eine Anfangsschallminderung von etwa 6 bis 7 dB(A) geschlossen werden. Der Schalldruckpegel wird sich insbesondere im Bereich der Laststreifen durch die Änderungen der Textur infolge des Schwerverkehrs wieder erhöhen. Die Messungen der folgenden Jahre wird zeigen, welches Lärmminderungspotenzial dieser Bauweise innewohnt.
Ein direkter Vergleich der CPX-Ergebnisse der beiden Bauweisen DSH-V und Grinding ist nicht möglich, da die CPX-Ergebnisse im Grinding-Bereich durch die gerichtete Textur auf einem anderen Messniveau liegen, als im Bereich der isotropen Textur des DSH-V. Die Vorbeifahrtmessungen sind noch nicht ausgewertet und interpretiert worden.
5 Zusammenfassung und Ausblick
Die Versuchsstrecke BAB A 94 bei Forstinning mit den Abschnitten „Durchgehend Bewehrte Betondecke mit DSH-V“, „Betondecke in Plattenbauweise mit DSH-V“ sowie „Konventionelle Betondecke mit Grinding-Textur“ konnte im Jahr 2011 erfolgreich eingerichtet werden. In allen Abschnitten sind Beton, Asphalt und vollflächige Verklebung nach der Herstellung und dem ersten Jahr der Nutzung in einem einwandfreien Zustand. Die bewehrten Endsporne an der Durchgehend Bewehrten Betondecke haben neue Erkenntnisse gebracht. Die messtechnische Ausstattung der Strecke ist vollständig. Temperaturmessungen haben gezeigt, dass Asphaltüberbauungen zu höheren Temperaturen im darunterliegenden Beton führen. Die installierten Dehnungsmesstreifen an der Längsbewehrung lassen neue Erkenntnisse erwarten. Die Deckschichtart DSH-V und die Grinding-Textur erfüllen die gestellten Griffigkeitsanforderungen. Sie zeigen welche Schalltechnischen Potenziale vorhanden sind, aber auch welche Unterschiede es zwischen den einzelnen Texturen gibt. Die ersten Ergebnisse ermutigen dazu, in Richtung dieser Texturen weiterzuarbeiten. Von großer Bedeutung wird dabei die Entwicklung der Schallemissionen in der Zukunft sein. Die Strecke wird von der BASt zusammen mit dem Freistaat Bayern weiter beobachtet.
Im Neuzustand befinden sich alle Versuchsabschnitte in einem einwandfreien Zustand. Von besonderem Interesse wird sein, wann und in welchem Umfang erste Unterschiede zwischen den einzelnen Abschnitten erkennbar werden. Zum Beispiel wann die Asphaltdeckschicht erneuert werden muss. Da die Versuchsstrecke BAB A 94 bei Forstinning und auch die vorher ausgeführten Strecken mit Durchgehender Bewehrung und Asphaltüberbauung ein positives Verhalten zeigen, hat die FGSV im Jahr 2011 beschlossen, sich mit der Kompositbauweise intensiver zu beschäftigen. Es wurde der Arbeitskreis 8.3.4 „Durchgehend Bewehrte Betonfahrbahndecke“ gegründet. Der Arbeitskreis setzt sich aus Vertretern von Bauausführenden Firmen, der Betonindustrie, der Bundesanstalt für Straßenwesen, der Universitäten und Hochschulen, der Ingenieurbüros, der Straßenbauverwaltungen und der Zementindustrie zusammen. Er erhielt den Auftrag ein Wissensdokument zu erstellen, in dem die im Rahmen von Versuchsstrecken gesammelten Erfahrungen mit Durchgehend Bewehrten Betonfahrbahndecken und Asphalt auf Beton dargestellt werden. Dies ist der erste Schritt zur Einführung der Bauweise ins Straßenbauregelwerk. Gleichzeitig erhielt Prof. Freudenstein von der Technische Universität München, Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen vom Ministerium für Verkehr-, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), vertreten durch die BASt den Auftrag, das Forschungsprojekt „Optimierung der Kompositbauweise“ zu bearbeiten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in einer weiteren Versuchsstrecke auf einer Bundesautobahn baupraktisch umgesetzt werden.
6 Literaturverzeichnis
1 N e u ß n e r, E.: Straßenbefestigungen mit Schichten aus Asphalt und Beton – Überblick über nationale und internationale Konzeptionen, Straße und Autobahn 9/1995
2 Ministerie van de Vlaamse Gemeenschap: Standaardbestek 250 voor de wegenbouw – versie 2.0 Deel I, Juni 2000
3 CROW: Doordgaand gewapende betonverhardingen – Autosnelwegen en overige toepassingenn, Publicatie 160, Dezember 2001
4 P f e i f e r, L.: Beanspruchung und konstruktive Ausbildung der Endbereiche von Betondecken, Forschungsbericht BASt 2004
5 H ö l l e r, S.: Erprobung der Bauweise Durchgehend Bewehrte Betonstraße, FGSV Betonstraßentagung, Erfurt 2007
6 H ö l l e r, S.: Optimierung der Durchgehend Bewehrten Betonfahrbahndecke, Diplomarbeit Technische Universität Dresden, 2009
7 H ö l l e r, S.: Durchgehend Bewehrte Fahrbahndecke aus Beton, Versuchsstrecke BAB A 5 bei Darmstadt, Forschungsbericht BASt, Februar 2010 |