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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Jeder weiß, was Substanz ist
Wenn es um die Substanz einer Straße geht, erhitzen sich in der Diskussion leicht die Gemüter der Beteiligten, und auch wenn nur Leute „vom Fach“ am Tisch sitzen, mag man sich lange darüber austauschen, warum eine Straße substanziell geschädigt ist, ehe man bemerkt, dass viele gänzlich unterschiedliche Vorstellungen von einem Substanzschaden besitzen. Am geläufigsten ist dabei wahrscheinlich die in der ZTV ZEB (FGSV, 2006) formulierte Definition „An der Fahrbahnoberfläche erkennbare Zustandsindikatoren für strukturelle Schäden der Fahrbahnbefestigung“. Hierunter werden nach diesem Regelwerk eine ganze Reihe von Schadensbildern wie Flickstellen, Risse, Ausmagerungen, offene Nähte, Splittverlust u. Ä. verstanden. Sie stellen für die Zustandserfassung und -bewertung Indizien für das Vorhandensein von strukturellen Schäden dar, ohne dass näher definiert ist, wo der ursächliche Substanzschaden im Aufbau aufzufinden ist. Manche dieser Schäden prägen sich nämlich als Substanzschaden direkt an der Fahrbahnoberfläche aus, während andere tiefer im Aufbau entstehen und teilweise erst Jahre später an der Fahrbahnoberfläche anlangen. Eine Beseitigung letzterer Schäden ist also mit einer vergleichsweise einfachen und kostengünstigen Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme nicht möglich. Solche strukturellen Substanzschäden entstehen in den allermeisten Fällen an der Unterseite des Asphaltaufbaus als initialer Riss, der sich bei fortwährender Verkehrsbelastung allmählich nach oben fortentwickelt. Er ist somit über Jahre hinweg weder an der Oberfläche noch durch heute verfügbare Messverfahren (z. B. Georadar) erkennbar. Auf der anderen Seite leitet sein Entstehen den Prozess der Zerstörung der gesamten Straßenbefestigung ein und wird in näherer Zukunft eine kostenintensive Erneuerungsmaßnahme erforderlich machen. Die Kenntnis über seine Existenz hilft also, wirtschaftlich unsinnige Erhaltungsmaßnahmen an Deck- und Binderschicht nicht in Betracht zu ziehen, und ermöglicht somit erhebliche finanzielle Einsparungen. Die strukturelle Substanz wird hierfür als ein Gesamtvorrat des Oberbaus von Verkehrsflächen an Widerstandsfähigkeit gegen Belastungen über die geplante Nutzungsdauer gesehen. Weder national noch international existiert derzeit ein Verfahren, das in der Lage ist, netzweit Messergebnisse zu liefern, mit denen eine Bewertung der strukturellen Substanz durchführbar wäre. Für konkrete Streckenabschnitte aber stellt die Anwendung zerstörender Prüfungen ein geringeres Problem dar. Hierfür liefert das Verfahren der rechnerischen Dimensionierung (FGSV, 2010) eine auf physikalischen Zusammenhängen basierende Theorie, mit der eine Bewertung der strukturellen Substanz möglich erscheint. Der Arbeitsausschuss „Substanzbwertung“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen hat deshalb einen Arbeitskreis mit der Aufgabe zur Erstellung einer entsprechenden Richtlinie gegründet. Nach fast dreijähriger Tätigkeit liegt hierfür mittlerweile eine Entwurfsfassung (FGSV, 2014) vor. Das darin beschriebene Bewertungsverfahren lässt sich grob in drei Schritte (Bild 1) gliedern:
1. Beibringen der Eingangsdaten,
2. Bildung homogener Abschnitte,
3. Ermittlung der strukturellen Substanz.
Einen vierten Schritt stellt die Bestimmung des monetären Werts der Straßenbefestigung dar. Dieser Teil der Richtlinie wurde durch eine ad-hoc-Gruppe im Arbeitsausschuss Wirtschaftlichkeit von Bauweisen erarbeitet und ist nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung. Bild 1: Ablaufschema zur Substanzbewertung von Asphaltbefestigungen
2 Ohne Wissen keine Erkenntnis
Für die Bewertung der strukturellen Substanz ist die Kenntnis über den Aufbau der Straßenbefestigung sowie dessen Belastungen selbstverständlich unablässig. Über den Aufbau sollten dabei die Dicke aller vorhandenen Schichten und das Alter zumindest der Asphalttragschicht bekannt sein. Die Schichtdicken werden benötigt, um die später aus den Verkehrsbelastungen resultierenden Spannungen und Dehnungen in allen Tiefen des Aufbaus ermitteln zu können. Da Deck- und Binderschichten in ihren Materialkennwerten weniger stark in die Berechnungen eingehen als die erheblich dickeren Asphalttragschichten, kann zumeist auf das Wissen über das Alter dieser Schichten verzichtet werden, zumal ansonsten Annahmen über die Kennwerte der zuvor eingebauten Asphaltschichten getroffen werden müssen. Vereinfachend kann deshalb davon ausgegangen werden, dass Deck- und Binderschichten unabhängig von allen Instandsetzungsmaßnahmen im Tiefeinbau über den Nutzungszeitraum der Asphalttragschicht konstante Materialeigenschaften aufwiesen.
Die Verfügbarkeit dieser historischen Werte ist voraussichtlich in einer Reihe von Fällen nicht unmittelbar gegeben, da entsprechende Informationen in den Bauakten oder auch in den Datenbanken nicht vorhanden sind. Georadarmessungen können aber zumindest für die Gesamtdicke der Asphaltbefestigung nutzbare Erkenntnisse liefern.
Die Verkehrsbelastung selbst sollte für die Zukunft sorgfältig prognostiziert werden, das heißt eine überschlägige Schätzung der voraussichtlich zu erwartenden 10-t-Achsübergänge auf der Basis einfacher DTVSV-Daten wird in vielen Fällen keine ausreichend genaue Ermittlung der noch zu erwartenden Nutzung ermöglichen. Hier sollten detailliertere Informationen über die Verkehrszusammensetzung und deren Beladungsgrad vorliegen und genutzt werden.
Für die allgemeine Anwendung des Verfahrens zur Bewertung der strukturellen Substanz, die im Bereich des konventionellen Erhaltungsmanagements liegen wird, ist die Kenntnis der bisherigen Verkehrsnutzung auf den zu bewertenden Streckenabschnitten nicht erforderlich, da allein die in Laborversuchen zu bestimmenden Materialkennwerte zusammen mit den Aufbaudaten die notwendigen Informationen für die Restsubstanz der Befestigungen bei gegebener Verkehrsprognose beinhalten. Für Vertragsformen allerdings, in denen eine Dimensionierung für eine konkrete Verkehrsbelastung durchgeführt wurde und somit eine Anforderung an die strukturelle Substanz gestellt wird, müssen diese Informationen vorliegen. Beide Vertragspartner werden Vorkehrungen treffen müssen, um entsprechende Daten zu dokumentieren und für die erforderlichen Nachweise bereit zu halten.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den klimatischen Daten für die Straßenbefestigungen. Die aus der bisherigen Nutzungsdauer resultierenden Auswirkungen auf die strukturelle Substanz der Asphaltschichten zeigen sich in den Ergebnissen der Materialuntersuchungen und sind deshalb für die Herleitung dieses Strukturzustands nicht notwendig. Aktuell wird diskutiert wie detailliert die Klimadaten für die rechnerische Dimensionierung und somit auch für die Bewertung der strukturellen Substanz vorliegen müssen. Es sollte aber nicht ignoriert werden, dass es sich hierbei praktisch um eine Wettervorhersage für die nächsten Jahre bis Jahrzehnte handelt. Selbst wenn hier statistische Verteilungen und probabilistische Verfahren eingesetzt werden, so basieren diese letztlich auf den Wetterdaten der Vergangenheit, mit deren exakter Abbildung nicht unbedingt eine bessere oder auch eine unbedingt erforderliche genaue Prognose erreicht wird. Überlegenswert erscheint hingegen das Argument, dass bei den aktuellen Regelungen hierzu in den RDO Asphalt und auch in der bereits vorliegenden Fortentwicklung des Ansatzes extremere Wetterereignisse praktisch keine Beachtung finden. Mit ihnen ist jedoch innerhalb eines Dimensionierungszeitraums durchaus zu rechnen.
Die für die Bestimmung der strukturellen Substanz wichtigsten Eingangskennwerte sind die Materialkennwerte der gebundenen und ungebundenen Schichten. Diese können jedoch nicht im Vorfeld ermittelt werden, sondern werden an Bohrkernen aus Bereichen mit vergleichbaren substanzrelevanten Randparametern – so genannten homogenen Abschnitten – bestimmt.
Wie die gesamte Ermittlung der Eingangsdaten für die Bewertung der strukturellen Substanz sollte auch die Bildung dieser homogenen Abschnitte gut durchdacht und hinreichend genau durchgeführt werden, bevor die Bohrkernentnahme und die Bestimmung der Materialkennwerte (Abschnitt 4) angegangen werden.
3 Bildung homogener Abschnitte
Es ist für die Bewertung der strukturellen Substanz von elementarer Bedeutung, dass vor der Beprobung die zu bewertende Strecke in Abschnitte untergliedert wird, auf denen hinsichtlich der Substanzeigenschaften vergleichbare Verhältnisse vorliegen. Im Zuge der Bildung dieser so genannten homogenen Abschnitte ist die Strecke zunächst überall dort zu unterteilen, wo ein Wechsel der Bauweise oder der Baustoffgemische aufzufinden ist. Aber auch ein Wechsel im Alter der Asphalttragschicht um mehr als drei Jahre oder eine deutlich veränderte Verkehrsbelastung führen zu einer Abgrenzung von homogenen Abschnitten (Bild 2). Weitere Kriterien, wie bekannte Abschnitte mit Schäden im Entwässerungsbereich oder mit fehlendem Schichtenverbund sollten Berücksichtigung finden. Bild 2: Bildung homogener Gruppen anhand der Bauweise, der Verkehrsbelastung, des Alters der Asphalttragschicht (ATS) und der Dicke der Befestigung (FGSV, 2014) Im Weiteren werden alle gebildeten Abschnitte noch einmal auf die Homogenität der Aufbaudicke hin untersucht. Hier bieten sich Messungen mit einem Georadar an, um über den gesamten Streckenverlauf ausreichend viele Daten zur Verfügung zu bekommen. Zur Prüfung, ob die Dickenschwankungen zu einer weiteren Aufgliederung der homogenen Abschnitte veranlassen, wird ein Verfahren angewendet, das im Arbeitspapier „Grundlagen zur Ermittlung homogener Abschnitte zur Bewertung der strukturellen Substanz von Straßenbefestigungen“ (FGSV, 2009) beschrieben ist. Hierbei werden zunächst relative Summen nach Gleichung 1.
Formel (1) siehe PDF.
über den betrachteten Abschnitt gebildet und grafisch aufgetragen (Bild 3). Steigungsänderungen und -wechsel liefern visuelle Anhaltspunkte für eine Unterteilung in homogene Abschnitte, entscheidend ist aber eine Überprüfung auf Einhaltung der maximalen relativen Spanne von 10 %. Ist dies der Fall, kann der entsprechende Abschnitt formal als ein homogener Abschnitt angenommen werden. Wird die Grenze überschritten, kann das Vorliegen von weiteren homogenen Abschnitten nicht ausgeschlossen werden. Das Arbeitspapier dient lediglich als Hilfsmittel für die Abschnittsbildung, so dass die Grenzen abschließend noch einmal auf Plausibilität geprüft werden sollten. Bild 3: Beispiel einer Auswertung von Messergebnissen aus Tragfähigkeitsmessungen zur Bildung von homogenen Abschnitten (FGSV, 2009) Bewährt hat sich eine Involvierung weiterer Kenngrößen in die Bildung der homogenen Abschnitte, auch wenn grundsätzlich streng darauf geachtet werden sollte, dass jede hinzugezogene Randbedingung auch einen Einfluss auf die strukturelle Substanz ausüben muss. So sind beispielsweise die Griffigkeitswerte kein Grund zur Einfügung einer Abschnittsgrenze. Ebenso wenig muss aber auch die Anzahl der Fahrstreifen nicht betrachtet werden, da sie sich allein durch die von ihr beeinflusste Verteilung des Verkehrs auf die Substanz auswirkt, der Verkehr selbst aber bereits durch die Anzahl der Achsübergänge berücksichtigt wurde. Sinnvoll hingegen ist die Integration von Tragfähigkeitswerten, wie sie beispielsweise mit dem Falling Weight Deflectometer oder dem Lacroix erfasst werden können. Da hierfür verschiedene Auswertungen zur Verfügung stehen (FGSV), ist es jedoch wichtig, sich auf die Ergebnisse zu beschränken, die nutzbringend für die Bewertung der Substanz sind. Es bietet sich beispielsweise an, nur einen Kennwert für die Tragfähigkeit des gesamten Oberbaus oder aber jeweils einen Kennwert für die des Untergrunds bzw. Unterbaus und einen für die gebundenen Schichten zu nutzen. Zur Unterstützung bei der Festlegung der Abschnittgrenzen kann wiederum das Arbeitspapier zur Ermittlung homogener Abschnitte zur Bewertung der strukturellen Substanz von Straßenbefestigungen angewendet werden (Bild 4). Bild 4: Bildung homogener Gruppen bei Involvierung weiterer Kenngrößen (FGSV, 2014) Immer wieder werden auch Kenngrößen der Zustandserfassung und -bewertung in die Substanzbewertung in Bezug auf den gesamten Oberbau integriert. Dieser zunächst naheliegend erscheinende Ansatz ist aufgrund der einleitenden Ausführungen zur Definition der Substanz nicht immer ratsam. Da die Zustandserfassung und -bewertung Schäden wie Flicken und Risse ohne einen Ursachenbezug aufnimmt, verbietet sich bei Asphaltbefestigungen ein Rückschluss auf eine Qualität der vorhandenen strukturellen Substanz. Gegebenenfalls können vertiefende Untersuchungen hierzu weitere Erkenntnisse liefern, die eine Berücksichtigung der ZEB-Daten erlauben oder auch ausschließen.
In Abhängigkeit von der Heterogenität der Eingangsgrößen, die ihrerseits von der Straßenkategorie beeinflusst wird, ergeben sich nach dieser Vorgehensweise unterschiedlich viele homogene Abschnitte. Ihre Anzahl ist zudem umso größer, je mehr Daten zur Bildung der Abschnitte herangezogen werden, denn ein homogener Abschnitt muss hinsichtlich aller Kennwerte vergleichbare Ausprägungen besitzen. Dies kann insgesamt dazu führen, dass ein erheblicher Aufwand für die Bewertung der strukturellen Substanz erforderlich wird, zumal es streng genommen erforderlich ist, jeden einzelnen homogenen Abschnitt auf seine Substanz zu bewerten, wozu in den meisten Fällen eine Beprobung durchgeführt werden muss. Der Grund für diesen vergleichsweise großen Aufwand liegt darin, dass aus den substanzrelevanten Eingangsdaten und Randbedingungen keine direkten Rückschlüsse auf die strukturelle Substanz selbst gezogen werden können. Konkret besteht also kein Zusammenhang zwischen einer guten bzw. schlechten Tragfähigkeit oder einer dünnen bzw. dicken Befestigung und der strukturellen Substanz der Befestigung. Damit ist es nur unter Beachtung von bestimmten Voraussetzungen möglich, einen der definierten homogenen Abschnitte als den mit einer repräsentativen oder vermeintlich schlechtesten bzw. besten Substanz zu detektieren und die weitere Bewertung allein auf diesen zu beschränken. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass die zu vergleichenden homogenen Abschnitte
- die gleiche Bauweise,
- die gleiche Zusammensetzung aller Asphaltmischgüter in allen Schichten (nachweisbar beispielsweise durch Kontrollprüfungen am Mischgut),
- vergleichbare Einbauqualitäten (nachweisbar beispielsweise durch Kontrollprüfungen am Bohrkern) und
- unveränderte Steifigkeiten (Ev2-Werte) der ungebundenen Schichten
aufweisen. Nur in diesen Fällen kann eine auf den geringsten oder größten Substanzwert eingeschränkte Bewertung eines Streckenabschnitts mit einer geringeren Anzahl an zu berücksichtigenden homogenen Abschnitten erfolgen.
Zunächst wird jeder homogene Abschnitt für jeden betrachteten Parameter anhand seines Mittelwerts in Bezug auf den gesamten Abschnitt als über- oder unterdurchschnittlich klassifiziert (Bild 5). Anhand der in der Tabelle 1 angeführten Zusammenhänge zwischen einigen Kennwerten der Straßenbefestigung und der Höhe der strukturellen Substanz kann dann eine Beschränkung auf weniger homogene Abschnitte in folgender Weise vollzogen werden:
- Unbedingt beprobt und bewertet werden müssen stets diejenigen homogenen Abschnitte, die bei jedem einzelnen betrachteten Parameter über- bzw. unterdurchschnittliche Werte aufweisen. In dem Fall können alle anderen homogenen Abschnitte unberücksichtigt bleiben.
- Liegen solche homogenen Abschnitte nicht vor, müssen alle Abschnitte zur Bestimmung der maximalen (minimalen) strukturellen Substanz bewertet und beprobt werden, die nicht in einem Vergleich untereinander eine geringere (höhere) Substanz aufweisen müssen. Diese Betrachtung führt im Bild 5 bei der Bestimmung des Maximalwerts der strukturellen Substanz zum Ausschluss des Abschnitts 2, da er gegenüber Abschnitt 1 eine geringere Dicke der Asphaltbefestigung sowie eine geringere Tragfähigkeit aufweist und damit eine geringere strukturelle Substanz besitzen muss.
Tabelle 1: Mögliche Abschätzungen zu den Auswirkungen verschiedener Einflussgrößen auf die strukturelle Substanz (Voraussetzungen sind zu beachten)
Eine weitere Möglichkeit zur Einschränkung der Beprobungen homogener Abschnitte besteht darin, solche Abschnitte mit identischen Parametern, die jedoch an verschiedenen Orten liegen, als gemeinsamen homogenen Abschnitt zu definieren. Dies ist auch für homogene Abschnitte möglich, die sich nur hinsichtlich ihrer laut Verkehrsprognose noch zu ertragenen Verkehrsbelastungen unterscheiden, allerdings können diese dann nur gemeinsam beprobt werden. Die Bewertung beider Einzelabschnitte hat im Weiteren getrennt voneinander zu erfolgen. Bild 5: Herleitung der zu beprobenden und zu bewertenden homogenen Abschnitte zur Ermittlung der maximalen bzw. minimalen strukturellen Substanz unter Beachtung der in Tabelle 1 genannten Voraussetzungen Auch eine Vereinigung gänzlich unterschiedlicher homogener Abschnitte ist für die Beprobung und Bewertung denkbar. Hierdurch wird jedoch das Ergebnis der Bewertung der strukturellen Substanz beeinflusst, weshalb dieses Vorgehen auf kleinere zuzuschlagende Abschnitte von maximal 500 m bzw. auf einen maximalen Anteil aller zugeschlagenen Abschnitte von 5 % (Bk100 – Bk10) bzw. 10 % (Bk3,2 – Bk1,0) begrenzt sein soll. In diesem Fall werden die zugeschlagenen Abschnitte nicht beprobt und unterstellt, dass sie über keine Restsubstanz mehr verfügen. Die Substanz des Gesamtabschnitts wird dann im Weiteren unter Berücksichtigung der Längenanteile der zugeschlagenen Abschnitte an der Gesamtstrecke ermittelt. Dieses Vorgehen nach den RSO Asphalt erscheint für Straßen, die sich augenscheinlich in einem vergleichsweise guten Zustand befinden, sehr weit auf der sicheren Seite. Im Einzelfall wird zu klären sein, in welchen Größenordnungen Annahmen für die nicht beprobten Abschnitte getroffen werden können.
4 Ermittlung der Materialkennwerte
Die reine Bewertung der strukturellen Substanz basiert wie eingangs beschrieben auf dem Verfahren der RDO Asphalt, also auf der rechnerischen Dimensionierung. Im Unterschied zum dort beschriebenen Vorgehen werden bei der Bewertung der strukturellen Substanz jedoch nicht im Labor zusammengesetzte und zu Probeplatten verdichtete Asphaltmischgüter, sondern die Schichten der bereits genutzten Straßenbefestigung geprüft. Zur Ermittlung der Materialparameter werden aus jedem zu bewertenden homogenen Abschnitt jeweils
- 10 Bohrkerne zur Bestimmung der Ermüdungsfunktion (AL Sp-Asphalt)
- vier Bohrkerne zur Bestimmung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion (AL Sp-Asphalt)
- zwei Bohrkerne zur Bestimmung des Schichtenverbunds (TP Asphalt, Teil 80 oder AL Asphalt, Teil 48)
entnommen. Die 16 Bohrkerne beziehen sich auf einen 1 km langen Abschnitt und werden für jeden weiteren begonnenen Kilometer um fünf weitere ergänzt. Für ihre Entnahme stehen grundsätzlich zwei Verfahren zur Verfügung: die Querschnitts- und die Abschnittsbeprobung (Bild 6). Erstgenannte Form der Probengewinnung wurde bereits in verschiedenen Forschungsprojekten (Ressel, Benner, Wellner, Werkmeister, Lipke, 2008) und auch bei Substanzbewertungen für konkrete Strecken der Bundesländer angewendet (Zander, Buch, Grohs, Birbaum, 2013), so dass viele Fachkundige im Straßenbau damit vertraut sind. Dabei werden die Bohrkerne vorzugsweise im Bereich der Rollspur auf einer möglichst kurzen Fläche des zu bewertenden homogenen Abschnitts entnommen. Auf diese Weise sollen die Schwankungen der Materialeigenschaften gering gehalten werden. Da dieser Ansatz jedoch nur ein wenig repräsentatives Ergebnis liefern kann, schlägt die RSO Asphalt die Abschnittsbeprobung vor. Nach einer Unterteilung des Abschnitts in so viele Bereiche, wie Bohrkerne erforderlich sind, werden diese an zufällig festzulegenden Punkten innerhalb dieser entnommen. Die Abschnittsbeprobung bietet damit einen weitestgehend auf dem Zufallsprinzip basierenden Bohrplan und liefert somit Probekörper, die die Charakteristik des Abschnitts in all seinen Ausprägungen abbildet. Bild 6: Anordnung der Bohrkerne bei der Abschnitts- und Querschnittsbeprobung Zusätzlich zu den bereits genannten an den Asphaltproben zu bestimmenden Materialkennwerten (Ermüdungsfunktion, Steifigkeits-Temperaturfunktion und Schichtenverbund) sind gegebenenfalls für die hydraulisch gebundenen und die ungebundenen Schichten die aus den RDO Asphalt bekannten dimensionierungsrelevanten Parameter – also der Elastizitätsmodul und die Querdehnzahl sowie der Ev2-Wert – zu definieren. Sofern hierzu keine Daten vorliegen bzw. Zweifel an der fortwährenden Qualität der Schichten bestehen, kann ihre Ermittlung nach den bekannten Ausführungen der RDO Asphalt durchgeführt werden.
5 Bewertung der strukturellen Substanz
Mit dem Vorliegen der Verkehrs-, Aufbau- und Materialdaten kann die Bewertung der Substanz für die gebildeten homogenen Abschnitte vollzogen werden. Diese bezieht sich ähnlich wie bei der rechnerischen Dimensionierung auf den Nachweis der untersten nicht im Verbund zu einer unter ihr liegenden Schicht bzw. Lage gegenüber den auftretenden Biegezugbeanspruchungen. Die Spannungen und Dehnungen am Nachweispunkt werden in Abhängigkeit von der Anzahl an Achsübergängen mit verschiedenen Lasten und den während der verbleibenden Nutzungsdauer voraussichtlich vorherrschenden Temperaturen über den Aufbau berechnet. Aus diesen Beanspruchungen resultieren für jeden Lastfall Schädigungsanteile in der Form
Formel (2) siehe PDF.
Wie bei der rechnerischen Dimensionierung werden alle Schädigungen nach der MinerHypothese aufsummiert, und sobald diese Summe den Wert „1“ erreicht, wird der Ausfall der Befestigung detektiert, das heißt zu diesem Zeitpunkt ist die strukturelle Substanz des Straßenaufbaus aufgebraucht.
Formel (3) siehe PDF.
Diese Verfahrensweise ist den Anwendern der RDO Asphalt hinlänglich bekannt. Neu hingegen ist, dass neben diesem deterministischen Ansatz auch eine probabilistische Auswertung zur Verfügung steht (Bild 7). Der Vorteil der probabilistischen Herangehensweise liegt darin, dass sie den Ausfall der Befestigung für eine definierte Ausfallwahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Streuungen der Eingangswerte liefert. Konkret kann also vorgegeben sein, dass die strukturelle Substanz vollständig aufgebraucht ist, sobald beispielsweise 10 % der zu bewertenden Verkehrsfläche entsprechend der Nachweisführung ausgefallen sind. Für diese Ausfalldefinition wird die zum Bewertungszeitpunkt noch vorhandene Restsubstanz bzw. Restnutzungsdauer ermittelt. Demgegenüber stellt der deterministische Ansatz lediglich ein definitives Eintrittsergebnis für den Mittelwert aller Eingangsgrößen dar. Die Abschnittsbeprobung ist deshalb auch sinnvolle Voraussetzung für die Anwendung der probabilistischen Herangehensweise. Bild 7: Charakteristika der deterministischen und probabilistischen Verfahrensweise bei der Bestimmung der strukturellen Substanz von Straßenbefestigungen
6 Möglichkeiten der Ergebnisnutzung
Der probabilistische Ansatz bietet sich aber auch für die rechnerische Dimensionierung an, weshalb entsprechende Einarbeitungen für die nächste Version der RDO Asphalt bereits in Angriff genommen wurden. Eine Baufirma kann dann beispielsweise auch für sich ermitteln, wie sich eine erreichte Homogenität der Strecke positiv auf die Nutzungsdauer auswirkt und gewinnt gegenüber der deterministisch bestimmten Aussage ein gesteigertes Sicherheitsmaß der Ausfallprognose.
Für die Bewertung der strukturellen Substanz besteht ein grundsätzlicher Unterschied bei der Bestimmung des Ausfallzeitpunktes gegenüber der rechnerischen Dimensionierung. Während die Materialkennwerte für die Dimensionierung im Labor gewonnen werden, stehen bei der Substanzbewertung Probekörper direkt aus der bereits jahrelang unter Verkehr liegenden Straßenbefestigung zur Verfügung. In die in den RDO Asphalt verankerten Sicherheitsbeiwerte wurde die Übertragung der Laborwerte in die auszuführenden Schichten und die Konstruktion eingerechnet. Dieser Anteil des Sicherheitsbeiwerts ist für die Substanzbewertung nicht erforderlich und kann sich aufgrund der damit verbundenen Realitätsferne deutlich negativ auf die Genauigkeit der Prognose auswirken. Somit werden in den RSO Asphalt andere Sicherheitsbeiwerte erscheinen, die aber nicht im Widerspruch zu denen der rechnerischen Dimensionierung stehen. Keinesfalls dürfen deshalb diese neuen Sicherheitsbeiwerte in der Weise interpretiert werden, dass sie aufgrund des aktuelleren Veröffentlichungsdatums für die rechnerische Dimensionierung übernommen werden könnten. Auch ist es nicht zulässig zu behaupten, dass ausreichende Erfahrungen und ein gutes Qualitätsmanagement seitens eines Bauunternehmens dazu berechtigen. Bild 8: Möglichkeiten für die Verwendung der ermittelten strukturellen Substanz Die sich aus der Nachweisführung ergebende verbleibende strukturelle Substanz offenbart die noch ertragbare Anzahl an Achsübergängen für die zu bewertende Befestigung. In den meisten Fällen wird dieses Ergebnis dazu beitragen, dass das weitere Erhaltungsmangagement der Bauverwaltung die Dauerhaftigkeit der Asphalttragschicht berücksichtigt (Bild 8). Wie groß die dadurch ermöglichten wirtschaftlichen Nutzen ausfallen können, wird derzeit in einem von der TU Dresden und der Universität Siegen gemeinsam durchgeführten Forschungsauftrag anhand der in den RSO Asphalt enthaltenen Systematik zur monetären Beurteilung ermittelt (Wellner, Zander, Dragon, Birbaum, Buch, 2013). Denkbar ist aber auch, dass die strukturelle Substanz als Anforderung an die erbrachte Bauleistung definiert wird. Hierfür sind selbstverständlich entsprechende Erfahrungen mit dem Verfahren selbst erforderlich. Für den Bereich der Überprüfung der erzielten strukturellen Substanz direkt nach dem Neubau, also bei dem Vergleich der Eigenschaften der ausgeführten Baumaßnahme gegenüber dem Ergebnis der rechnerischen Dimensionierung könnten hier voraussichtlich am ehesten Möglichkeiten gegeben sein (Anforderungen hinsichtlich der verbleibenden Belastung). Für Regelungen im Rahmen von neueren Vertragsformen, also in Funktionsbauverträgen oder Konzessionsmodellen, wären entsprechende Anforderungen aber auch hinsichtlich der Gesamtbelastung vorzusehen. Da hier – gerade bei der Wahl des probabilistischen Verfahrens – noch verschiedene Anwendungen in der Praxis fehlen, wäre zunächst ein ausreichender Bewertungshintergrund aufzubauen. Entsprechende Maßnahmen hierfür wurden bereits angegangen.
Literaturverzeichnis
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Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitspapier Tragfähigkeit von Verkehrsflächenbefestigungen Teil B 2.1 Falling Weight Deflectometer (FWD): Beschreibung, Messdurchführung – Asphaltbauweisen, Ausgabe 2008, Köln (FGSV 433 B 2.1)
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Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Begriffsbestimmungen, Teil: Straßenbautechnik, Ausgabe 2003, Köln (FGSV 924)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Ausgabe 2009, Köln (FGSV 498)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO 12), Ausgabe 2012, Köln (FGSV 499)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise (RSO Asphalt) (in Bearbeitung)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB-StB), Ausgabe 2006, Köln (FGSV 489)
R e s s e l, W.; B e n n e r, A.; W e l l n e r, F.; W e r k m e i s t e r, S.; L i p k e, S. (2008): Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung, Stuttgart/Dresden: Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Heft 1003
W e l l n e r, F.; Z a n d e r, U.; D r a g o n, I.; B i r b a u m, J.; B u c h, M. (2013): Grundlagen für die Beurteilung der dimensionierungsrelevanten Eigenschaften und der Wirtschaftlichkeit von Oberbaubefestigungen aus Asphalt, Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 07.0236/2010/AGB, Dresden
Z a n d e r, U.; B u c h, M.; G r o h s, S.; B i r b a u m, J. (2013): Bewertung der strukturellen Substanz von Verkehrsflächenbefestigungen, Schlussbericht zum Forschungsprojekt im Innovationsprogramm des BMVBS, Siegen |