FGSV-Nr. FGSV 001/28
Ort Dortmund
Datum 05.10.2022
Titel HannoVerKehr – Module für ein Verkehrsmanagement für die Stadt Hannover
Autoren Dr.-Ing. Nicola Lehnhoff
Kategorien Kongress
Einleitung

In der Landeshauptstadt Hannover wurde in den letzten Jahren das modulare Verkehrsmanagementsystem HannoVerKehr aufgebaut und wird seitdem sukzessive erweitert. Die Kernkomponenten des Systems sind die automatisierte Verkehrslage- und Prognoseberechnung, die so feinteilig arbeiten, dass sie Prognosen mit sehr kurzen Prognosehorizonten auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher geschalteter Signalprogramme an den Lichtsignalanlagen erstellen können. Von grundlegender Bedeutung für das System ist die Qualität und natürlich auch die Quantität der zur Verfügung stehenden Daten. Aus diesem Grund erfolgten verschiedene Analysen z. B. der Detektionsqualität aber auch der Kabelverbindungen und darauf aufbauend weitgehende Infrastrukturmodernisierungen und erweiterungen. Auf den Kernkomponenten bauen verschiedene Module auf, die der Aktorik zugerechnet werden können. Dabei handelt es sich sowohl um nicht auf den ersten Blick sichtbare im Hintergrund arbeitende Module wie HannoVerKehrsSteuerung als auch um Module, die aktiv den Verkehr beeinflussen wie die im Straßenraum deutlich sichtbaren LED-Tafeln für die Weitergabe von Verkehrsinformationen.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Grundlagen und Rahmenbedingungen

Die Landeshauptstadt Hannover hat mit einem politischen Beschluss im Jahre 2017 den Grundstein für den Aufbau eines Verkehrsmanagementsystems gelegt. Inhalt dieses Beschlusses war die Erstellung eines Konzepts für die automatisierte Verkehrslageberechnung und die dadurch erfolgende Aktivierung von Steuerungsstrategien der Lichtsignalanlagen.

Eine elementare Hilfe für die Erfüllung dieses Beschlusses war das „Sofortprogramm Saubere Luft“, welches von der Bundesregierung 2017 ins Leben gerufen wurde und in mehreren Förderaufrufen, Kommunen, in denen eine besonders hohe Stickstoffdioxid-Belastung bestand, dabei unterstützt hat, die Mobilität nachhaltiger und emissionsarmer zu gestalten. Innerhalb der gesetzten Schwerpunkte dieses Sofortprogramms wurde die Einführung verschiedener Komponenten des Verkehrsmanagementsystems HannoVerKehr mit insgesamt vier Projekten gefördert.

Das Straßennetz der Landeshauptstadt ist rund 1.400 km lang. Das Verkehrssteuerungssystem umfasst ca. 600 Lichtsignalanlagen, einen Verkehrsrechner mit acht Gebietsrechnern und das Parkleitsystem City mit mehr als 100 dynamischen und ergänzenden statischen Anzeigen.

2 Zielsetzung

Die Einführung des Verkehrsmanagementsystems verfolgt verschiedene Ziele. Übergeordnet sollen natürlich die negativen Effekte des Verkehrs auf das Klima minimiert werden. Dafür soll einerseits eine Verflüssigung des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs erfolgen, um damit die Emissionen dieses Verkehrs zu minimieren. Andererseits soll eine Attraktivitätssteigerung des nichtmotorisierten Verkehrs stattfinden, um einen möglichst großen Anteil des Verkehrs auf diese Verkehrsarten zu verlagern.

Explizite Teilzeile für das Erreichen dieser übergeordneten Ziele sind die Digitalisierung des Verkehrs für das Schaffen der notwendigen Grundlage zum Erreichen der weiteren Ziele, die Vermeidung von Rückstaus durch die Lenkung des Verkehrs in gering ausgelastete Netzbereiche des Hauptverkehrsstraßennetzes, die Minimierung der Anzahl der Halte mit Hilfe einer dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen angepassten Verkehrssteuerung und die Erhöhung der Verkehrssicherheit insbesondere nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer.

Die Auswirkungen auf den Verkehrsablauf und auf die Emissionen des Verkehrs wurden im Vorfeld durch den Masterplan „Nachhaltige Mobilität für die Stadt – Green City Plan“ (Landeshauptstadt Hannover 2018) auf Ihre mögliche Zielerreichung überprüft. Die dafür angestellten Berechnungen haben ein deutliches Reduktionspotenzial der einzelnen Maßnahmen gezeigt, so dass damit zum einen ihre Förderfähigkeit und zum anderen natürlich ihre Sinnhaftigkeit nachgewiesen war.

3 Projektaufbau

Das gesamte Projekt kennzeichnet sich durch einen modularen Aufbau. Wie im Bild 1 zu sehen ist, gliedert sich dieser in Basiskomponenten, den Kern des Systems und in verschiedene Aktorik-Module.

Bild 1: Aufbau HannoVerKehr

3.1 HannoVerKehrsLage und Prognose

Der Kern des Systems wird durch automatisierte Verkehrslage- und Verkehrsprognoseberechnung gebildet.

Die Module HannoVerKehrsLage und HannoVerKehrsPrognose bilden die Grundlage des neuen Verkehrsmanagementsystems der Stadt Hannover. Das erworbene Verkehrsmanagement- und prognosesystem VTManager der Firma GEVAS software vereint eine zentrale Datenhaltung, ein fahrstreifenfeines Netz- und Signalisierungsmodell sowie eine grafische Benutzeroberfläche zur zentralen Bedienung des Verkehrsmanagementsystems. Es stehen in dem System zahlreiche Komponenten zur Ermittlung und Darstellung der aktuellen und prognostizierten Verkehrslage über das integrierte Verkehrsmodell DRIVERS, zur Einrichtung und Bedienung eines Strategie- und Meldungsmanagements, weitreichende Eingriffsmöglichkeiten zur Schaltung der angeschlossenen Lichtsignalanlagen und eine Qualitätssicherung der Eingangsdaten (VTAnalyzer) zur Verfügung.

Die Erstellung des verkehrlichen Grundnetzes und die Schaffung der organisatorischen und technischen Voraussetzungen auf Seiten des Verkehrsprognosesystems erforderten eine Übergabe aller vorliegenden Planungsunterlagen zu den Lichtsignalanlagen in einem festgelegten Format (OIVD).

Die Systemintegration des Verkehrsmanagementsystems an das vorhandene Verkehrsrechnersystem Hannover (VRS5000web) erfolgte über die OCIT-C-Schnittstelle. Über diese bidirektionale Kommunikation werden sowohl die über das Verkehrsrechnersystem erfassten und verwalteten Verkehrsdaten der angeschlossenen Detektoren als auch die Prozessdaten mit Informationen über die Signalisierungszustände aller angeschlossenen Lichtsignalanlagen aus dem Verkehrsrechnersystem der Stadt Hannover übernommen, weiterverarbeitet und gegebenenfalls als Schaltbefehl an die Lichtsignalanlagen zurückgegeben.

Die aus dem Verkehrsrechnersystem Hannover übernommenen Verkehrsdaten werden im Bereich des integrierten Verkehrsmodells zudem durch Floating Car Daten (FCD) eines externen Anbieters als Referenzsystem unterstützt, um einen Abgleich der Daten aus den stationären Detektionen und der FCD zu erreichen und ein umfassendes und realistisches Bild der Verkehrslage für das relevante Verkehrsnetz erstellen zu können.

Das Kernkonzept des hier eingesetzten Verkehrsmanagement- und -prognosesystems beruht auf dem Verkehrsmodell DRIVERS. Mit DRIVERS werden zum einen die aktuelle Verkehrslage sowie entsprechende Verkehrslageprognosen für Prognosehorizonte von 15 bis 60 Minuten ermittelt. Zum anderen bewertet DRIVERS verschiedene optionale Steuerungsstrategien auf Basis der geschalteten Signalprogramme an den LSA bzw. im Vergleich mit weiteren vorhandenen Signalprogrammen und der Verkehrsprognose mittels Simulation. Die Bewertungsergebnisse der Steuerungsstrategien werden dem integriertem Strategiemanagement übergeben. Das Strategiemanagement erlaubt nun eine vollautomatische Umsetzung der am besten bewerteten Steuerungsstrategie und kann entsprechende Schaltbefehle an den Lichtsignalanlagen generieren. Neben der im Modul HannoVerKehrsSteuerung ergänzten Strategieprogramme für besondere Verkehrssituationen in bestimmten Regelbereichen ist grundsätzlich die Berücksichtigung aller an den Lichtsignalanlagen zur Verfügung stehenden Signalprogramme möglich. Daneben kann auch eine manuelle Aktivierung vorbereiteter Strategien über das Strategiemanagement vorgenommen werden.

Somit bietet das aufgebaute Verkehrsmanagementsystem Hannover eine sehr weitreichende Analyse und Visualisierung der aktuellen Verkehrslage in Abhängigkeit von den eingesetzten LSA-Steuerungen und bietet flexible Eingriffsmöglichkeiten zur Optimierung und Verstetigung des Verkehrsflusses insbesondere zu hoch belasteten Zeiten im Stadtgebiet von Hannover. Damit ist gewährleistet, dass ein erheblicher Beitrag zur Reduzierung der auftretenden Emissionen erreicht wird.

3.2 HannoVerKehrsDaten

Die extrem feinteilige Verkehrslage- und Prognoseberechnung erfordert als Eingangsgröße selbstredend hochaufgelöste und qualitätsgesicherte Verkehrsdaten.

Ursprünglich war eine teilautomatisierte Funktionsanalyse und Beurteilung der Verwendbarkeit als Verkehrsdatenlieferant für eine Teilmenge der an das Verkehrsrechnersystem der Stadt Hannover angeschlossenen Detektoren geplant.

Im Zuge des Aufbaus des Verkehrsmanagements im Modul HannoVerKehrsLage erwiesen sich die hier bereits verwendeten Komponenten als sehr effektive Alternative, die eine weitgehend automatisierte Analyse und Qualitätssicherung aller an das System angeschlossenen Detektoren ermöglicht. Eingesetzt wird das Analysetools VTanalyzer, das es ermöglicht, alle an den Lichtsignalanlagen der Stadt Hannover erhobenen Verkehrsdaten zu verifizieren, um eine hohe Datengüte bei der weiteren Verwendung im Verkehrsmanagementsystem sicherzustellen. Der VTanalyzer analysiert und bewertet die Verkehrsdaten bezüglich der Qualitätsmerkmale:

  • Verfügbarkeit: Prüfung des Status von Detektoren und Vollständigkeit der Datenlieferung,
  • Aktualität: Analyse der zeitlichen Gültigkeit und bestehender Latenzen,
  • Korrektheit: Analyse der Daten auf Plausibilität und Filterung von Falschmessungen.

Im Zuge der Analyse wurden zahlreiche defekte oder gestörte Detektoren und sich ergebende Netzlücken ausfindig gemacht. Diese Netzlücken wurden im Anschluss durch Erneuerungen der Bestandsdetektoren und durch Ergänzungen von weiteren Messquerschnitten für eine durchgängige Datenerfassung für das Verkehrsmanagement optimiert.

Aufgrund des großen Nutzens, wurde entschieden, die Analyse der Detektionsqualität als kontinuierliches Thema zu begreifen und als ein Bestandteil der Qualitätssicherung im laufenden Betrieb zu implementieren.

3.3 HannoVerKehrsRechner

Zu Projektbeginn verfügten von den ca. 600 Lichtsignalanlagen der Landeshauptstadt Hannover ca. 100 über keinen Verkehrsrechneranschluss oder über eine nicht mehr aktuelle Konfiguration des Anschlusses. Mit den Zielen, einerseits auch die Daten dieser Lichtsignalanlagen in die Verkehrslageberechnung einfließen zu lassen und andererseits, diese Anlagen auch über HannoVerKehr steuern zu können, wurden daher diese Rechneranschlüsse hergestellt bzw. auf den aktuellen Stand gebracht.

Bei den Anlagen ohne Rechneranschluss handelte es sich in der Regel um Anlagen, die nicht entlang einer Trasse der Verkehrsrechnerverkabelung stehen. Aus diesem Grund erfolgte hier der Anschluss mittels Funk. In den meisten Fällen war dafür vorbereitend eine Aktualisierung der Steuergeräte notwendig.

3.4 HannoVerKehrsKabel

Die Anbindung der Lichtsignalanlagen der Landeshauptstadt Hannover an den Verkehrsrechner erfolgt in den meisten Fällen kabelgebunden. Das dafür verwendete Netzwerk ist schon relativ alt und wenig dokumentiert gewesen.

Bis zum Jahr 2016 erfolgte der Verkehrsrechneranschluss in der Landeshauptstadt Hannover mit der Schnittstelle SB15. Technische Rahmenbedingung dafür war, dass der Anschluss einer jeden Anlage direkt mittels eines Kabels an den Verkehrsrechner erfolgte (Sternverkabelung). Seit der Erneuerung des Verkehrsrechners im Jahre 2016 werden die Lichtsignalanlagen zunehmend mit der deutlich funktionaleren Schnittstelle OCIT-O 2.0 an den Verkehrsrechner angeschlossen. Die Verkabelung erfolgt bei dieser Schnittstelle in der Regel so, dass nicht jede Anlage direkt an den Verkehrsrechner angebunden ist, sondern über ein geroutetes Netz, bei dem die Informationen mehrerer Anlagen auch über das gleiche Kabel fließen können, auf dem dann natürlich eine höhere Datenlast liegt.

In der Praxis war die Bestandsinfrastruktur (bestehend aus dem Kabelnetz und Verteilern) nur bedingt für diese Aufgaben geeignet. Viele der Kabelstrecken sowie der Verteiler waren sehr alt, notwendige Rangierungen konnten nicht mehr erfolgen und die Dokumentation bestand nur rudimentär.

Aus diesem Grund war eine weitreichende Bestandsaufnahme sowie die Erneuerung vieler Komponenten für die durchgängige Kommunikation zwischen Verkehrsrechner und Lichtsignalanlage und damit auch für die wunschgemäße Funktion des Systems HannoVerKehr unabdingbar.

3.5 HannoVerKehrsSteuerung

Im Modul HannoVerKehrsSteuerung wurden Strategieprogramme für besondere Verkehrssituationen in drei Regelbereichen entwickelt und umgesetzt. Die Strategiegebiete sind im Bild 2 dargestellt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um

  • das Umfeld des Stadions und des Schützenplatzes,
  • den nördlichen Innenstadtbereich und
  • das Messegelände.

Bild 2: Strategiegebiete HannoVerKehrsSteuerung

Die verkehrlichen Rahmenbedingungen dieser Strategiegebiete sind durchaus unterschiedlich. Das Umfeld des Schützenplatzes und des Stadions mit daran angrenzenden Sportpark Hannover bestehend aus Sportleistungszentrum und Erika-Fisch-Stadion sowie den weiteren Veranstaltungsorten Gilde Parkbühne und Swiss Life Hall ist durch starken Veranstaltungsverkehr geprägt. Dabei kann es sich um Fußballspiele, Großkonzerte oder um sonstige Ereignisse auf den Schützenplatz handeln. Bei Veranstaltungen im Stadion wird der Schützenplatz – sofern dieser frei ist – als Parkplatz genutzt. Ist der Schützenplatz belegt, stehen Parkplätze im direkten Umfeld nur in geringer Anzahl zur Verfügung. Weiterhin gibt es auch eine sehr gute ÖPNV-Anbindung des Bereiches mit mehreren Haltestellen und daraus resultierenden hohen Verkehrsstärken des Fußverkehrs im Veranstaltungsfall. Aufgrund der innenstadtnahen Lage des Gebiets werden alle Verkehre stark durch den Normalverkehr überlagert.

Im Vorfeld des Projektes wurden einige der angrenzenden Lichtsignalanlagen bei diesen Ereignissen abgeschaltet und die Verkehrslenkung erfolgte durch die Polizei. Dies ist sehr personalintensiv und ist in der Betrachtung auf die Auswirkungen sehr stark auf einzelne Knotenpunkte beschränkt. Eine Analyse der weiträumigeren Wirkungen bzw. von Wechselwirkungen mit anderen Verkehrsströmen erfolgte lediglich qualitativ.

In dem nördlichen Innenstadtbereich gibt es eine starke Konzentration von öffentlichen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge. An besonders kundenintensiven Einkaufstagen wie z. B. in der Vorweihnachtszeit oder an verkaufsoffenen Sonntagen ist es hier in der Vergangenheit immer wieder zu deutlichen Überlastungssituationen des Verkehrsnetzes bis hin zu einer gegenseitigen Blockade in die Innenstadt hinein- bzw. aus der Innenstadt herausfahrender Verkehre gekommen. Um dem zu begegnen, wurden spezielle Signalprogramme entwickelt, die vorrangig eine Entleerung des nördlichen Innenstadtbereichs forcieren. Diese werden bisher an Tagen, für die ein sehr hohes Verkehrsaufkommen angenommen wird, zeitplanabhängig geschaltet. Durch die situationsangepasste Aktivierung dieser Signalprogramme werden nicht genutzte Potenziale durch zu späte bzw. nicht erfolgte Schaltung dieser Signalprogramme ausgeschöpft und im Gegenzug mögliche negative Auswirkungen bei eigentlich nicht notwendiger Aktivierung vermieden. Weiterhin ist es hier aber auch von Bedeutung, Strategien für eine optimale Verteilung des Verkehrs von den Einfallrouten auf die unterschiedlichen Richtungen des Innenstadtrings zu schalten.

Bei dem dritten Bereich handelt es sich um das temporär extrem hoch belastete Straßennetz im Umfeld des Messegeländes Hannover. Insgesamt gibt es in diesem Bereich mehr als 30.000 Stellplätze für Messegäste. Zusätzlich besteht östlich des Messegeländes eine Veranstaltungshalle für bis zu 14.000 Zuschauer und es finden sowohl auf dem Messegelände als auch auf der Expo-Plaza im Sommer Großveranstaltungen (meist Konzerte) statt. Folglich wird das Verkehrsaufkommen im motorisierten Individualverkehr auf dem „Messering“ (Hermesallee, Weltausstellungsallee) stark durch den An- und Abreiseverkehr bei Großveranstaltungen (Messen, Konzerte, Sport) geprägt.

Ziel war in allen drei Strategiegebieten die Entwicklung von Steuerungsstrategien, die das An- und Abreiseverhalten für unterschiedliche Veranstaltungen sowie die jeweilige Parkplatzsituation im Regelgebiet berücksichtigen. Es wurden jeweils Signalprogramme mit einer angepassten Umlaufzeit und optimierter Koordinierung für die An- und Abreiseverkehre entwickelt. Die entwickelten Strategieprogramme sind über den Verkehrsrechner dem neu aufgebauten Verkehrsmanagement zugeführt und stehen hier dem manuell bzw. automatisiert bedienbaren Strategiemanagement zur Verfügung. Übergeordnetes Ziel ist es, ein Abschalten der Lichtsignalanlagen zu vermeiden und die verschiedenen Verkehrssituationen mit optimierten Signalprogrammen zu steuern.

3.6 HannoVerKehrsInformation

Mit HannoVerKehrsInformation wurde ein multimodales Informationssystem realisiert. Es wurden insgesamt acht großflächige dynamische Anzeigetafeln in LED-Technik errichtet. Die Standorte sind für die Information der Stadionverkehre optimiert, wobei zwei Tafeln auch an den Einfallstraßen auf den Cityring stehen.

Basierend auf einer weitreichenden Marktanalyse, wurde sich entschieden, LED-Tafeln auszuschreiben und auch zu realisieren, die eine sehr hohe Pixeldichte aufweisen, um die Anzeigeinhalte möglichst flexibel gestalten zu können. Weiterhin war es von uns von Bedeutung, dass die LED-Tafeln auch bei einem sehr schrägen Blickwinkel wie ihn z. B. zu Fuß Gehende haben, die unter dem Schild entlanggehen und sich noch mal des Anzeigeinhalts vergewissern wollen, gut lesbar sind.

Im Bild 3 sind beispielhaft verschiedene Anzeigemöglichkeiten dargestellt. Im Falle der wegweisenden Beschilderung wechseln wir in der Regel zwischen der ganz links dargestellten Variante mit dunklem Hintergrund und der helleren Variante in der Mitte. Eine gute Lesbarkeit der Anzeigeinhalte wird dabei durch eingebaute Helligkeitssensoren gewährleistet, die entsprechend der vorliegenden Sonneneinstrahlung die Leuchtkraft optimieren.

Bild 3: HannoVerKehrsInformation – Beispielhafte Anzeigemöglichkeiten

Bei dem Aufbau der LED-Tafeln hat sich an einem der Standorte im Vorfeld ein Anzeiger des Parkleitsystems mit dynamischer Anzeige der Stellplatzverfügbarkeit befunden. Sofern keine anderen Anzeigeinhalte relevant sind, wird nun auf der LED-Tafel das dynamische Parkleitsystem nachgestellt. Die Informationen über die Stellplatzverfügbarkeit werden durch eine entsprechende Schnittstelle durch das Parkleitsystem zur Verfügung gestellt und hier – natürlich ebenfalls dynamisch – zur Verfügung gestellt.

3.7 HannoVerKehrsParken

Der Parkraumsuchverkehr macht einen großen Anteil emittierter Schadstoffe in der Landeshauptstadt Hannover aus und ist weitgehend vermeidbar. Mit der Verfügbarkeit von Informationen zur Echtzeitbelegung von Parkraum wird es möglich, diesen direkt und zuverlässig anzufahren.

Häufig werden P+R-Parkflächen oft nicht im gewünschten Maße genutzt, da hierzu wichtige Informationen fehlen. Durch die Möglichkeit eines Zugriffs auf Informationen wie die exakte Parkplatzlage, Parkkosten, Echtzeit-Stellplatzverfügbarkeit sowie Informationen zur Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel soll deren Nutzung gefördert werden. Insgesamt wurden 30 Parkierungseinrichtungen im Stadt- und Regionsbereich in das Parkraummanagementsystem integriert. An insgesamt sechs P+R-Plätzen, die durch die Region Hannover betrieben werden, ist eine Online-Datenintegration der Stellplatzauslastungen realisiert. Eine Bereitstellung der Daten erfolgt über den MDM und kann aktuell für drei P+R-Stellplätze aktiviert werden. Alle übrigen P+R-Parkierungsanlagen sind mit statischen Informationen zum Stellplatzangebot und Informationen zu den angeschlossenen Linien des öffentlichen Nahverkehrs integriert.

Gleichfalls sollen Informationen über den Off-Street-Parkraum als eine Art digitales Parkleitsystem nutzbar gemacht und ebenfalls als integrativer Informationsdienst fungieren. Neben der Anzeige der Stellplatzverfügbarkeit werden auch weitere Informationen bereitgestellt, wie z. B. die Öffnungszeiten, die Preise oder die Ausstattung der Parkhäuser. Damit wird eine Wissenslücke der Verkehrsteilnehmer geschlossen, die für diese die Attraktivität ein Parkhaus anzufahren im Vergleich zu der Nutzung des Parkens am Fahrbahnrand deutlich heben soll.

Ergänzend dazu werden alle innenstadtnahen zur Verfügung stehenden Stellplätze ermittelt und in das Parkraummanagementsystem integriert. Es wird eine Prognose der Auslastung angezeigt und auch hier werden als ergänzende Informationen die Preise zur Verfügung gestellt. Insbesondere die Anzeige der in aller Regel sehr geringen Wahrscheinlichkeit der Verfügbarkeit von Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum soll die Verkehrsteilnehmer dazu bewegen, entweder sofort in eines der Parkhäuser zu fahren oder im noch besseren Fall P+R zu nutzen.

3.8 HannoVerKehrsAssistent

In diesem Modul wurde ein sogenannter Ampelphasenassistent in Betrieb genommen. Es handelt sich hier um das Produkt TrafficPilot der Firma Gevas Software, welches direkt auf dem Verkehrsmanagementsystem aufbaut und die dort seitens der Lichtsignalanlagen auflaufenden Daten nutzt. Der Ampelphasenassistent beinhaltet die Analyse und Vorhersage der Schaltbefehle von Lichtsignalanlagen in Echtzeit und die Weitergabe der Information direkt in die Fahrzeuge hinein.

Dafür werden die im Bild 4 dargestellten Anzeigen genutzt. In der linken Darstellung sieht man die Ansicht bei Zufahrt auf eine Lichtsignalanlage. Diese wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bei „Grün“ erreicht. In der mittleren Darstellung ist die Prognose deutlich ungenauer. Das Erreichen der Lichtsignalanlage bei „Grün“ ist möglich, aber nicht sicher. Zudem erkennt man, dass Prognosen für zwei unterschiedliche Signalgruppen vorliegen und durch die eingezeichneten Kästen wird symbolisiert, dass die Signalgruppen nur auf Anforderung freigegeben werden. Kommt man an einer Lichtsignalanlage zum Stehen, erscheint die rechte Anzeige, in der die Prognose der verbleibenden Rotzeit zu sehen ist.

Bild 4: Mögliche Anzeigen des Ampelphasenassistenten

Ursprünglich sollte der Ampelphasenassistent lediglich in zwei begrenzten Testfeldern eingesetzt werden. Es war jedoch relativ schnell klar, dass die Installation und Anwendung einer App für die möglichen Nutzer nur dann attraktiv ist, wenn sie auch in einem größeren Testgebiet zur Verfügung steht. Aus diesem Grund wurde das Testgebiet um den gesamten Innenstadtring sowie um wichtige Zulaufstrecken dazu erweitert (vgl. Bild 5).

Bild 5: Lichtsignalanlagen mit Prognosen im TrafficPilot

3.9 HannoVerKehrsIntermodal

Für die bedarfsgerechte Steuerung der Lichtsignalanlagen, erfolgt eine sehr genaue Detektion des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs. Im Gegensatz dazu erhalten die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer in der Regel eine feste Freigabezeit, die sich nach der benötigten Zeit für die Querung der Konfliktfläche bemisst, also unabhängig von der Menge der zu Fuß Gehenden ist.

Zur Verbesserung dieser Situation wird in diesem Modul angestrebt, auch die Menge der zu Fuß Gehenden messtechnisch zu erfassen und die Freigabezeit dann entsprechend ihres tatsächlichen Bedarfs zu bemessen. Insbesondere an Haltestellen der Stadtbahn, die noch dazu von einer tageszeitlich stark schwankenden Verkehrsnachfrage betroffen sind, hat dies bei Ankunft vieler zu Fuß Gehenden mit einer Bahn verschiedene positive Effekte:

  • Die durchschnittlichen Wartezeiten der zu Fuß Gehenden verkürzen sich aufgrund der längeren Freigabezeit.
  • Der Abfluss der Fahrgäste aus der Bahn, über den Bahnsteig und dann die Fußgängerfurt erfolgt wesentlich flüssiger. Damit treten weniger Gefährdungen durch die entstehende Enge auf dem Bahnsteig auf.
  • Kraftfahrzeuge müssen zwar einmalig etwas länger warten. Geht man jedoch von einer vorherigen Freigabezeit der Fußgängerfurt von z. B. 10 s aus, muss man beachten, dass bei einem hohen Fußgängeraufkommen diese Zeit dann einschließlich der anschließenden Räumzeiten zweimal geschaltet würde. Betrüge die Räumzeit ebenfalls 10 s, hätte man insgesamt eine Sperrung für den Kraftfahrzeugverkehr von 40 s. Könnte man nun jedoch die erste Freigabezeit bedarfsabhängig verlängern und würde dies z. B. eine Freigabezeit von 20 s sein, hätte man insgesamt für den Kraftfahrzeugverkehr nur die Sperrzeit der Fußgänger und eine einmalige Räumzeit (30 s). Die Beeinträchtigung des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs wäre also um 25 % reduziert.
  • Insgesamt ist durch die bessere Erreichbarkeit der Haltestellen eine Erhöhung der Attraktivität und damit auch des Potenzials des öffentlichen Verkehrs zu erwarten.

Im Rahmen dieses Projektmoduls werden daher 20 Fußgängerfurten mit stark schwankenden Fußgängerverkehrsaufkommen mit einer Detektion ausgestattet werden. Vorgesehen sind dafür Thermalkameras, da diese sich für die Detektion von nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern am besten eignen. Um diese Kameras auch über den Verkehrsrechner konfigurieren und qualitätssichern zu können, ist die Verbindung der Lichtsignalanlage mit dem Verkehrsrechner über die OCIT-O 2.0 Schnittstelle notwendig, was wiederum in einigen Fällen eine Erneuerung der gesamten Lichtsignalanlage bedeutet.

4 Ausblick

Das mit den verschiedenen Modulen von HannoVerKehr aufgebaute Verkehrsmanagementsystem dient bereits als Grundlage für weitere Projekte und Projektideen. So dient die aufgebaute Infrastruktur als Plattform für die Kommunikation im durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Projektes „LOGIN – Lichtsignalanlagen optimal gesteuert im Nahverkehr“. Ziel ist hier, die Grundlagen für die ÖPNV-Bevorrechtigungssysteme der Zukunft zu entwickeln und die Bevorrechtigung in Hannover weiterzuentwickeln. Ein Baustein dieses Projektes ist die Anwendung des TrafficPilot auch für die Prognose von Ankunftszeiten im Nahverkehr. Dafür wird das Testgebiet sukzessive erweitert und die Prognosequalität durch die Erweiterung der verkehrsabhängigen Steuerungen erweitert.

Weiterhin wird Hannover im Rahmen des Förderprogramms „Smart Cities made in Germany“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert. Ein Bestandteil des Projekts „restart: #HANnovativ“ ist das Thema Smart.Rad. Dieses wiederum soll eine Ausweitung des TrafficPilot auch auf den Radverkehr beinhalten und die Möglichkeiten der bidirektionalen Kommunikation zwischen Radverkehr und Lichtsignalanlage testen.

Für die Zukunft sind aber noch verschiedene Ergänzungen der aufgebauten Systeme sowie auch zusätzlicher Module denkbar und sicher in Hinblick auf übergeordnete Entwicklungen wie dem Trend zum automatisierten Fahren auch notwendig. Im Prinzip weckt jede gefundene Lösung den Wunsch nach weiteren Komponenten – fertig wird man in diesem Bereich wohl nie.

Literaturverzeichnis

Landeshauptstadt Hannover (2018): Masterplan (Green City Plan Hannover) für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität.