FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel dWiSta – Dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen
Autoren Dr.-Ing. Birgit Hartz
Kategorien Kongress
Einleitung

Dynamische Anzeigetafeln sollen künftig auf Bundesautobahnen in einem einheitlichen Design erscheinen. Dazu trägt die Veröffentlichung des Hinweispapiers für die einheitliche Gestaltung und Anwendung von dynamischen Wegweisern mit integrierten Stauinformationen (dWiSta) bei. Bei der Umsetzung der Erkenntnisse in Anwendungshinweise wurde Wert auf einfache, verständliche und wiedererkennbare Anzeigeformen (Gestaltung und Inhalt) gelegt. Die Vorgaben zu einheitlichen Anzeigeinhalten bilden damit einen Kompromiss zwischen dem Wunsch, den Verkehrsteilnehmern möglichst viel Informationen zur Verfügung zu stellen und der nur begrenzten Aufnahmekapazität der Autofahrer. Die moderne Technik der Anzeigetafeln erlaubt aber dennoch, denkbare zukünftige Erweiterungen der Anzeigeinhalte zu realisieren (z. B. Reisezeitangaben). Entsprechende Untersuchungsprojekte werden zurzeit geplant.

 

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1 Dynamische Anzeigetafeln zur Verkehrsbeeinflussung

Dieser Beitrag knüpft unmittelbar an einen Vortrag zum Thema „Dynamische Verkehrsinformationstafeln“ an, der im Jahr 2002 auf dem Deutschen Straßen- und Verkehrskongress in München vorgestellt wurde [1]. Darin wurde über denkbare Einsatzbereiche moderner dynamischer Anzeigetafeln berichtet.

Dynamische Anzeigetafeln sind ein neues Medium der straßenseitigen, kollektiven Verkehrsbeeinflussung. Gegenüber den heutigen Systemen (wie z. B. Verkehrswarndienst im Rundfunk, additive oder substitutive Wechselwegweiser, Streckenbeeinflussungsanlagen) verbinden dynamische Anzeigen die Information über eine Störung (Ort und Ausmaß) mit einer Umleitungsempfehlung (Routenempfehlung).

Im Ausland kommen verstärkt dynamische Anzeigetafeln zum Einsatz. Dabei gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Designs und angezeigter Inhalte (Bilder 1 bis 6). Ein Beispiel aus Deutschland zeigt das Bild 7.                                                  

Bild 1: Dynamische Anzeigetafel in UK              

Bild 2: Dynamische Anzeigetafel in UK

Bild 3: Dynamische Anzeigetafel in NL

Bild 4: Dynamische Anzeigetafel in UK        

Bild 5: Grafische Anzeigetafel in NL

Bild 6: Grafische Anzeigetafeln: Versuchsgelände AVV in NL

Bild 7: Grafische Anzeigetafel in München

Diese Anzeigetafeln dienen im Ausland hauptsächlich der Anzeige von Störungen, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Umleitungsempfehlungen. In Finnland und England warnen Textanzeigen häufig in Verbindung mit Piktogrammen vor Witterungseinflüssen oder Schneeverwehungen. Die Texte auf solchen Hinweistafeln geben auch Informationen über Großveranstaltungen, Wetterinformationen und Fahrzeiten oder stellen Willkommensgrüße, Sicherheitsratschläge oder die Uhrzeit dar.

Neben den Versuchen, die Information als Text auszugeben, gibt es neuerdings auch Bestrebungen, Informationen über die Verkehrslage auf grafischen Tafeln anzuzeigen.

Diese Vielzahl an unterschiedlichen Erscheinungsformen ist für den Verkehrsteilnehmer verwirrend. Ein einheitliches Erscheinungsbild ist aber ein bedeutender Sicherheitsfaktor. Die dargebotenen Informationen müssen vom Fahrer erkannt, gelesen und dechiffriert werden. Auf den schnell befahrenen Autobahnen steht dem Fahrer für den gesamten Vorgang nur wenig Zeit zur Verfügung. Je bekannter die Darstellung, desto eher ist eine Wahrnehmungsverarbeitung auf einer niederen kognitiven Ebene möglich und es bleiben umso mehr Reserven für die eigentliche Fahraufgabe.

Besonders wichtig ist es auch, die Möglichkeiten sinnvoll zu begrenzen. Einerseits sollen dem Fahrer im Sinne der Leichtigkeit des Verkehrs möglichst viel Informationen zur Verfügung gestellt werden, andererseits stößt man schnell an die Grenzen der visuellen Informationsverarbeitungskapazität. Der Fahrer wird zu sehr von seiner eigentlichen Fahraufgabe abgelenkt und löst so möglicherweise eine Gefährdung des Verkehrs durch unvermittelte Verzögerungs- oder Bremsmanöver aus.

Um diese Aufgabe zu optimieren, wurde ein Forschungsprojekt initiiert [2]1), an dem sowohl Verkehrstechniker als auch Psychologen beteiligt waren. Die Ergebnisse dieser Arbeit mündeten in Empfehlungen, die die BASt anschießend in ein „Hinweispapier für eine einheitliche Gestaltung und Anwendung von dynamischen Wegweisern mit integrierten Stauinformationen“ [3] umsetzte.

Die wichtigsten Forschungserkenntnisse und Grundlagen des Hinweispapiers werden im Folgenden vorgestellt.

2 Forschungsergebnisse, Gestaltungs- und Anwendungshinweise

2.1 Information und Empfehlung

In einer Befragung stellte sich u. a. heraus, dass ca. 75 % der Fahrer sich wünschen, dass eine Stauinformation stets mit einer Handlungsempfehlung (Routenführung) verbunden sein sollte. Die Vermutung, dass das Informationsbedürfnis der Ortskundigen sich von dem der Ortsunkundigen unterscheidet, konnte anhand der Befragungen nicht bestätigt werden. D. h. auch die Ortskundigen möchten neben der Information über den Ort und das Ausmaß der Störung auch eine Handlungsempfehlung. Zweckmäßig ist es deshalb, aktuelle Stauinformationen mit der Benennung einer Alternativroute (Umlenkungsempfehlung) zu verknüpfen. Empfehlungen dieser Art sollten jedoch nur angezeigt werden, wenn die Kapazitäten auf der Alternativroute oder im Alternativroutennetz ausreichend sind und keine unerwünschten Verlagerungseffekte zu erwarten sind.

Es zeigte sich z. B. auch, dass die Fahrer lieber einen Umweg in Kauf nehmen, als im Stau zu stehen, wenn sie dadurch Zeit gewinnen.

2.2 Bedeutung der Richtungspfeile

Die wahrnehmungspsychologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass Wegweisungs- und Informationsanzeigen mit Richtungspfeilen und nebeneinander angeordneten Textblöcken Vorteile gegenüber einer inhaltsgleichen Darstellung ohne Pfeile haben. Dies gilt vor allem für den Regelfall, bei dem die Information mit einer Umlenkungsempfehlung verknüpft wird. Diese Art der Darstellung erleichtert dem Fahrer festzustellen, ob er von der angezeigten Störung betroffen ist oder nicht. Denn diese Anzeigen sind klar gegliedert. Ein Textfeld zeigt die Art und den Ort der Störung, das zweite die empfohlene Aktion (soweit es eine Empfehlung gibt). Die Entscheidung, ob die Störung auf der betroffenen Route liegt, kann peripher wahrgenommen werden Der Fahrer muss seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf den weiteren Inhalt der Anzeige richten, sondern kann sich auf seine Fahraufgabe konzentrieren.

3 Grundsätze

3.1 Ziel und Einsatzzweck der dWiSta

Der Haupteinsatzzweck der dWiSta ist, neben alternativen Routenempfehlungen, auch zusätzliche unmittelbar entscheidungsrelevante Verkehrsinformationen an die Kraftfahrer zu übermitteln. dWiSta zeigen i.d.R. neben dem Ort und dem Ausmaß einer Störung (wie z. B. Stau oder Vollsperrung) auch eine Umleitungsempfehlung. Sie sind somit in erster Linie verbesserte, weil begründende, Wechselwegweiser. Verkehrsteilnehmer erhalten Kenntnis über die genaue Lage der Störung. Die Störungen können dabei sowohl auf der unmittelbar vor dem Fahrer liegenden Strecke liegen oder in einer weiter entfernten Netzmasche.

Werden dWiSta sinnvoll geplant, so sollte es nur im Ausnahmefall vorkommen, dass keine Umlenkungsempfehlung angezeigt werden kann. Dies könnte z. B. dann der Fall sein, wenn auch auf der Alternativroute eine Störung vorliegt. In diesem Fall wird nur Ort und Ausmaß der Störung (evtl. für beide Routen) angezeigt.

Kann ein ansonsten statisch beschildertes Ziel mit herausragender regelmäßiger Verkehrsbelastung (z. B. Messe, Stadion) über verschiedene Anschlussstellen des Autobahnnetzes erreicht werden, so können dWiSta auch dazu genutzt werden, um den Verkehr über eine alternative leistungsfähige Anschlussstelle umzulenken.

In Ausnahmefällen ist eine Verkehrslenkung auch über das nachgeordnete Netz denkbar. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass untergeordnete Netze schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Eine ausreichende Leistungsfähigkeit ist daher stets zu gewährleisten.

3.2 Randbedingungen

Auf Grund der hohen Verkehrsdichte und Geschwindigkeiten muss sich der Verkehrsteilnehmer insbesondere auf Autobahnen in hohem Maße auf die Fahraufgabe konzentrieren. Dabei muss er eine Fülle von auf ihn einstürzenden Informationen filtern, selektieren und verarbeiten. Die Fähigkeit, dies zu tun, ist jedoch quantitativ begrenzt. In vielen Verkehrssituationen ist die Kapazität des Autofahrers, die ankommende Information adäquat zu verarbeiten, bis an die Grenzen ausgeschöpft. Der Einsatz zusätzlicher Informationen sollte daher sorgfältig auch im Zusammenhang mit möglichen anderen Informationsquellen (wie z. B. Verkehrsfunk, RDS/TMC, Navigationsgeräte) abgewogen werden.

3.2 Gestaltung

dWiSta bestehen aus einem statischen Teil, der die Richtungspfeile und BAB-Nummern beinhaltet und zwei freiprogrammierbaren, lichttechnischen Anzeigefeldern für Haupt- und Alternativroute (Symbolfeld und 3-zeiliges Textfeld), die je nach Bedarf das Sinnbild „Stau“, den Umlenkungspfeil (Zeichen 467 StVO) sowie weitere verkehrlich unmittelbar erforderliche Informationen zeigen (Bilder 8 und 9). Die Anzeigen werden i.d.R. als Überkopfbeschilderung ausgebildet, nur in Ausnahmefällen kann eine seitliche Bodenvariante in Betracht kommen (Bild 10).

Bild 8: Grundgerüst von dWiSta an zweistreifigen Autobahnen

Bild 9: Grundgerüst von dWiSta an dreistreifigen Autobahnen (Legende siehe Bild 10)

Bild 10: Grundgerüst von dWiSta als Bodenvariante

3.4 Inhalt und Wirkung

Beinahe so alt wie die Verkehrszeichen selbst sind auch die Bemühungen international einheitliche Systeme zu schaffen. Dies gilt auch für dWiSta. Es existieren eine Reihe von Empfehlungen zur Gestaltung und Anwendung lichttechnischer Tafeln, die zum Teil auf Untersuchungen oder Praxistests beruhen. Einig ist man sich darüber, dass möglichst wenig Textanzeigen verwendet werden sollen. Werden doch Textanzeigen benötigt, so sollen die Informationen auf wenige Worte oder Zeichen beschränkt sein. Sie sollen verständlich, zuverlässig, korrekt und nützlich sein (Bilder 11 bis 13).

Bild 11: Umlenkung via BAB-Nr. mit Fernzielangabe

Bild 12: Umlenkung via Autobahnkreuz

Bild 13: Bodenschildvariante

dWiSta zeigen neben Ausmaß und Ort einer Störung im BAB-Netz (…km Stau hinter ….) i. d. R. eine Empfehlung für eine alternative Route im BAB-Netz (ggf. im Einzelfall auch im nachgeordneten Netz). dWiSta sind somit in erster Linie informationsgestützte Verkehrsbeeinflussungsanlagen und auf Grund ihrer Flexibilität eine moderne verbesserte Form der klassischen additiven Wechselwegweisung. dWiSta sollen aktuelle und präzise Informationen über Störungen im Netz geben und den Verkehrsteilnehmern somit verbesserte Begründung für alternative Routenempfehlungen liefern.

Anzeigen mit Inhalten, die nicht der unmittelbaren aktuellen Wegweisung und Stauinformation dienen (z.B. präventive Hinweise auf Veranstaltungen, auf vermutete Verkehrsstörungen oder zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl bzw. des Fahrverhaltens etc.) sind auf Autobahnen nicht vorgesehen.

Jede Form der Werbung ist unzulässig.

Bei störungsfreiem Verkehr, bleiben die Anzeigefelder dunkel, d.h. es werden keine Inhalte angezeigt.

3.5 Standorte

dWiSta sind nur dort zweckmäßig, wo im Bedarfsfall eine alternative Zielführung gezeigt werden kann. Sie sollen deshalb in angemessener Entfernung vor wichtigen Entscheidungpunkten wie Autobahnkreuzen oder -dreiecken stehen. Nur in besonderen Fällen können sie auch vor BAB-Anschlussstellen sinnvoll sein.

dWiSta stehen an Autobahnkreuzen und -dreiecken 500m vor dem ersten Vorwegweiser und als Wiederholung 250 m nach dem ersten Vorwegweiser.

4 Offene Fragen

Nachdem nun die gestalterischen Aspekte der dWiSta festgelegt sind, gilt es, die Vorgaben der technischen Ausgestaltung festzulegen.

Ein offener Punkt dabei ist u.a. die optische Wirkung der dWiSta, insbesondere des kleinen Umlenkungspfeils, die noch nicht abschließend analysiert ist.

Der Nutzen und die Verständlichkeit weiterer Anzeigeninhalte (wie z.B. Reisezeitvergleiche) wird im Rahmen von Forschungsprojekten überprüft werden.

Untersuchungen, die den Nutzen von Netzbeeinflussungsanlagen belegen, sind nur für wenige Anlagen bekannt. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die Wirksamkeit der Anzeigen schwer messbar ist, da auch die Nutzung anderer Informationsquellen (Radio, RDS/TMC, ...) zur Verhaltensänderung (Routenwechsel) führen kann.

5 Ausblick

Eine entscheidende Anforderung für einen erfolgreichen Einsatz der Tafeln ist die einheitliche Darstellung der Informationen im gesamten Netz der Bundesautobahnen.

Die Einhaltung der genannten Kriterien ist aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs besonders wichtig. Die einheitlichen Grundregeln sollen die Verständlichkeit der Anzeigen verbessern.

Für einen Erfolg oder Misserfolg solcher Tafeln ist neben der einheitlichen Gestaltung, die Qualität der Informationen entscheidend. Eine veraltete Information vermindert die Glaubwürdigkeit der Anzeigen. Die Qualität der Information hängt wiederum von einer entsprechend guten Datenerfassung und -aufbereitung ab.

Der dritte Faktor, der zum Erfolg der dWiSta beiträgt, ist ein ausgewogener, gut durchdachter Einsatzplan.

Werden alle Kriterien beachtet, so können dWiSta den Fahrern einen Nutzen bringen.

Die ersten dWiSta, die durch Mittel des Verkehrsbeeinflussungsprogramms 2002 bis 2007 des Bundes finanziert werden, sollen noch im Jahr 2005 aufgestellt werden.

Literaturverzeichnis

  1. Balz, W.: Dynamische Verkehrsinformationstafeln – Einsatzmöglichkeiten und –grenzen, Deutscher Straßen- und Verkehrskongress, München 2002
  2. Siegener, W.; Färber, B.: Schlussbericht zum Forschungsprojekt dynamische Verkehrsinformationstafeln (FA 3.352)
  3. BASt, BMVBW: Dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen (dWiSta), Hinweise für die einheitliche Gestaltung und Anwendung an Bundesfernstraßen, Ausgabe 2004