FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Verfahren zur Ebenheitsmessung
Autoren Dr.-Ing. Dirk Ebersbach, Dr.-Ing. Andreas Ueckermann
Kategorien Kongress
Einleitung

Die Ebenheit von Verkehrsflächen ist ein wesentliches Komfort- und Substanzmerkmal. Im Regelwerk sind derzeit nur Anforderungen an Einzelhindernisse (4-m-Latte) verankert. Periodische sowie Unebenheiten mit einer Wellenlänge größer als 4 m können derzeit nicht bewertet werden. Diese sind aber ebenfalls relevant für den Fahrkomfort und die Substanz. Mit dem Bewerteten Längsprofil (englisch Weighted Longitudinal Profile – WLP) wird diese bestehende Lücke geschlossen. Das Verfahren wurde bereits im europäischen Regelwerk verankert (prEN 13036-5:2017).

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung und Problemstellung

An Verkehrsflächen werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Der Nutzer (Verkehrsteilnehmer) möchte eine sichere und komfortable Oberfläche (griffig, eben, geräuscharm). Der Straßenbaulastträger eine langlebige und verschleißarme Oberfläche. Zur Beschreibung dieser Eigenschaften stehen verschiedene Indikatoren zur Verfügung. Ein wesentliches Merkmal, welches beide Anforderungen beschreibt, ist die Längsebenheit. Diese beeinflusst zum einen wesentlich den Fahrkomfort aber auch die Substanz einer Straßenverkehrsanlage.

Es ist bekannt, dass eine schlechte Ebenheiten Achslasterhöhungen von bis zu 40 % erzeugen können (Bachmann u. a., 2008). Praktisch bedeutet dies, dass eine Straße durch eine schlechte Ebenheit um das bis zu 3,8-fache geschädigt wird gegenüber der zur Berechnung zugrundeliegenden Achslast.

Unebenheiten beeinflussen aber auch den Fahrkomfort negativ und sind gesundheitsschädlich. Aus diesem Grund werden dafür auch Grenzwerte definiert (siehe dazu [ISO 2631-1] und [VDI 2057]).

Im Regelwerk zur Bewertung der Längsebenheit werden diese Indikatoren so nicht abgebildet. Als Abnahmekriterium wird in den TP Asphalt-StB bzw. der TP Beton-StB das maximale Stichmaß unter der 4-m-Latte vereinbart. Zusätzlich wird gefordert, dass „periodische Unebenheit nicht zulässig sind“. Das zweite Kriterium lässt sich derzeit mit keinem im deutschen Regelwerk verankerten Indikator beurteilen.

Ziel der Forschungen der letzten Jahre war es daher, diese bestehenden Lücken zu füllen und ein Abnahmeverfahren mit folgenden Zielstellungen zu entwickeln:

Quantifizierung des Kriteriums Vermeidung periodischer Unebenheiten

– Beschreibung der Auswirkungen auf den Fahrkomfort und die Substanz.

Mit diesen Zielstellungen wurde das Bewertete Längsprofil (englisch Weighted Longitudinal Profile – WLP) in den letzten Jahren entwickelt und validiert. Das WLP kann mit schnellfahrenden Messfahrzeugen aufgenommen werden, die auch schon in der ZEB eingesetzt und qualitätsgesichert werden. 

2 Berechnungsverfahren Bewertetes Längsprofil

Das Bewertete Längsprofil (BLP, engl.: WLP – Weighted Longitudinal Profile) ist das Ergebnis eines Transformationsprozesses, der am gemessenen Straßenlängsprofil durchgeführt wird. In ihm werden die kurzen Wellen, die gegenüber den langen naturgemäß mit viel kleineren Amplituden in der Straße enthalten sind, so erhöht, dass sie zusammen mit den langen Wellen über den gleichen Bewertungsmaßstab (Millimeter) beurteilt werden können. Zudem sorgt eine spezielle Oktavbandfilterung dafür, dass eventuell in der Straße enthaltene Periodizitäten, die zu Resonanzerscheinungen am Fahrzeug führen können, in der Form des Bewerteten Längsprofils so herausgestellt werden, dass damit insbesondere kurze, in regelmäßigen Abständen auftretende Unebenheiteneiner angemessenen Bewertung zugeführt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade diese Unebenheiten häufiger auftreten und zu merklichen Komforteinbußen führen können. Typisch sind Anregungen im Eigenfrequenzbereich von Motorlagern und Lkw-Achsen (Größenordnung 10 Hz).

Die Berechnung des WLP vollzieht sich in vier Schritten, die in den nachfolgenden Bildern veranschaulicht werden:

In einem 1. Schritt („Bewertung“) wird das gemessene Straßenlängsprofil über eine FourierTransformation in sein „Spektrum“ überführt und anschließend durch ein „Bezugsspektrum“, das einer durchschnittlichen, guten Straße entspricht (siehe Bild 1), geteilt. Im Ergebnis liegt ein „Bewertetes“ Spektrum vor, das im Bild 2 (rechte Seite) dargestellt ist. 

Bild 1: Berechnung des WLP: Schritt 1

In einem 2. Schritt („Oktavbandfilterung“) wird das „Bewertete“ Spektrum in neun Oktaven eingeteilt und – jede Oktave für sich – einzeln in den Wegbereich zurücktransformiert. Im Ergebnis liegen neun „Bewertete“ Teilprofile Pi (langwellig bis kurzwellig) vor (siehe Bild 2, linke Seite).

Bild 2: Berechnung des WLP: Schritt 2

In einem 3. Schritt („Synthese“, siehe Bild 3) werden die neun „Bewerteten“ Teilprofile Pi wieder zu einem „Bewerteten Längsprofil“ zusammengefügt – und zwar gewichtet, das heißt gemäß ihres jeweiligen Leistungsbeitrages (σi) zur Gesamtleistung (σges). Die Berechnungsvorschrift lautet:

Formel siehe PDF 

mit:

σi:     = Standardabweichung von Pi

σges: = Standardabweichung von Pges = ΣPi 

Bild 3: Berechnung des WLP: Schritt 3

In einem 4. Schritt („Indikatoren“) geht es um die Beschreibung des Bewerteten Längsprofils mittels zweier Indikatoren: der Standardabweichung (SBL) und der Spannweite (DBL), wobei letztere die Differenz zwischen Maximum und Minimum in einem Auswerteabschnitt bestimmter Länge bezeichnet, (Bild 4). 

Bild 4: Berechnung des WLP: Schritt 4

Man unterscheidet beim WLP zwischen der Auswerteabschnittslänge und der Referenzlänge.

Auswerteabschnittslänge ist die Länge des WLP, die als Basis für die Bildung der beiden Indikatoren (Standardabweichung-SBL und Spannweite-DBL) herangezogen wird, siehe Bild 4). Das können z. B. 20 oder 100 Meter sein.

Referenzlänge ist die Länge, die der WLP-Algorithmus intern zur Berechnung des WLP heranzieht. Konkret ist das die Länge der Einzelprofile Pi im Bild 3, aus denen über die Berechnungsvorschrift

Formel siehe PDF 

das WLP berechnet wird. Diese kann beispielsweise ebenfalls 20 oder 100 m sein.

Die Bewertung über das Bewertete Längsprofil (WLP) ist sowohl von der gewählten Auswerteabschnittlänge als auch von der Referenzlänge abhängig. Dieses betrifft im Wesentlichen nur die Längen kleiner als 20 m. Zur Kennzeichnung ist es sinnvoll, beim WLP die verwendete Referenzlänge und bei den beiden Indikatoren (SBL, DBL) zusätzlich noch die gewählte Auswerteabschnittslänge anzugeben. Beispielsweise

WLP20 bei einer Referenzlänge von 20 m

SBL-20-20 bei einer Referenzlänge von 20 m und einer Auswerteabschnittslänge von 20 m

SBL20-100 bei einer Referenzlänge von 20 m und einer Auswerteabschnittslänge von 100 m In der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) von Bundesfernstraßen wird zurzeit für

Außerortsstraßen das WLP100 bzw. SBL/DBL100-100 und für

Ortsdurchfahrten das WLP20 bzw. SBL/DBL20-20 kalkuliert.

Um einen visuellen Eindruck vom WLP zu bekommen, ist im Bild 5 das Beispiel eines 50 m langen Längsprofils gezeigt, das eine kurzwellige Periodizität mit kleinen Amplituden enthält. Im Originalprofil (links) noch undeutlich erkennbar, stellt das Bewertete Längsprofil WLP (rechts) die Periodizität (Wellenlänge ca. 1,5 m) deutlich heraus. 

Bild 5: Längsprofil (links) und Bewertetes Längsprofil (rechts) am Beispiel eines 50 m langen Straßenabschnittes mit einer kurzwelligen Periodizität

3 Anwendung und Ergebnisse

Die Anwendbarkeit des Bewerteten Längsprofils im Bauvertragswesen wird im Rahmen des Forschungsprojektes „Erweiterung des Einsatzes des bewerteten Längsprofils auf bauvertragliche Anwendungen und Vergleich mit dem herkömmlichen Abnahmeverfahren“ (Ebersbach, Ueckermann u. a. 2017) untersucht.

In einem Teil ging es darum, Streckenabschnitte zu finden, die die Bandbreite typischer Ebenheiten abdecken, die bei Abnahmeprüfungen anzutreffen sind. Unterschiedliche Ebenheitscharakteristika (langwellig, kurzwellig, aber auch periodische Unebenheiten und Einzelhindernisse) wurden abgedeckt, ferner unterschiedliche Unebenheitsniveaus. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Streckenabschnitten, die vom Nutzer anders als mit der bisherigen Ebenheitsbewertung bewertet wurden. Neben den für Neubaustrecken typischen Unebenheiten wurden auch Kurven, Querneigungswechsel, überhöhte Querneigungen, Fugen, Einbauten (z. B. Übergangskonstruktionen und Kanaldeckel) und die Lage des Höhenlängsprofils als besondere „Randbedingungen“ bei der Streckenauswahl beachtet. Folgende Anforderungen wurden gestellt:

Mindestlänge von 2.000 m, um zwanzig 100-m-Bewertungsabschnitte bilden zu können

Mindestens fünf Wiederholungsmessungen je Messgerät und Erfassung mit mindestens 2 schnellfahrenden Messgeräten und zwei Planographen

Abdeckung aller typischen Anwendungsfälle:

   ● Innerörtlich (Asphalt, Querneigungswechsel, Einbauten, kurzwellige Trassierung, Kuppen und Wannen mit geringem Radius)

   ● Außerorts (Beton, Fugen, Autobahn, langwellig Trassierung)

   ● Außerorts (Asphalt, Landstraße, langwellige Trassierung)

   ● Außerorts Rampe einer Autobahn (Beton oder Asphalt, Querneigungswechsel, enge Radien, kurzwellige Trassierung).

Auf Grundlage dieser Datenbasis wurde das Bewertete Längsprofil unter anderem auf die Anwendbarkeit überprüft. Das Bild 6 zeigt im oberen Bild die Ergebnisse der Auswertung des WLP auf einem Autobahnabschnitt und im unteren Bild die einer kurvenreichen Kreisstraße. Dargestellt sind jeweils die Ergebnisse von zwei unterschiedlichen schnellfahrenden Messgeräten.

Bild 6: Vergleich der Ergebnisse des WLP durch zwei unterschiedliche Messgeräte (oben auf einer Autobahn, unten Kreisstraße) 

Zu erkennen ist die gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit unterschiedlichen Messgeräten.

4 Vorgeschlagenes Abnahmeverfahren

Auf Basis der Untersuchungen wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen, um die Toleranzüberschreitungen mittels WLP zu bestimmen:

1. Erfassung des vorhandenen Höhenlängsprofil mit einem schnellfahrenden Messsystem mit folgenden Anforderungen:

   ● Durchführung von zwei Messungen (Doppelmessung) und beide Messungen müssen innerhalb der Toleranz nach TP Eben – Berührungslose Messungen, Anhang 5 (Tabelle 16) liegen.

   ● Es dürfen nur Messsysteme verwendet werden, welche eine gültige zeitbefristete Betriebszulassung der Bundesanstalt für Straßenwesen besitzen.

2. Punktgespiegelte Erweiterung (Padding) des Profils am Anfang und Ende um Einflüsse aus vorgelagerten und nachgelagerten Streckenabschnitten auszuschließen.
Bei dem WLP handelt es sich um ein schwingendes Bewertungssystem, dies bedeutet, dass zu Beginn eines Bewertungsabschnittes der vorangegangene Abschnitt einen Einfluss besitzen kann. Um dies im Rahmen der Bewertung eines Streckenabschnittes bei einem Bauvorhaben auszuschließen, werden nur Daten des betrachteten Bauabschnittes verwendet.

3. Berechnung des Bewerteten Längsprofils mit einer Referenz- und Auswertelänge von 20 m nach dem unter Punkt 3 beschriebenen Verfahren. Der komplette Berechnungsalgorithmus ist in der DIN EN 13036-5 abgedruckt.

4. Berechnung des Maximums (WLPMAX) aus SBL und DBL/6 – für jeden 20-m-Auswerteabschnitt. Hierzu werden SBL und DBL/6 für jede der beiden Einzelmessungen im entsprechenden 20-m-Auswerteabschnitt gebildet. Der höhere der beiden SBL-Werte wird gestrichen, ebenso der höhere der beiden DBL/6-Werte. Von dem verbleibenden SBL- und DBL/6-Wert wird der höhere der beiden Werte als WLPMAX zur Bewertung der Ebenheit des betroffenen 20-m-Abschnittes relevant.

5. Bestimmung der Toleranzüberschreitungen

Ein Grund für Toleranzüberschreitungen bei der Bewertung mit dem WLP kann das Auftreten von konstruktiv bedingten Einzelhindernissen, wie z. B. Brückenübergängen, sein. Die damit verbundenen Profilsprünge treten in dem WLP-Profil prinzipbedingt stark hervor, da Einzelunebenheiten u. a. den Fahrkomfort stark einschränken.

In der bauvertraglichen Bewertung sind diese Einzelunebenheiten aus der Auswertung auszuschließen. Dies kann durch eine ingenieurtechnische Betrachtung manuell im Postprocessing geschehen und ist somit analog zu dem üblichen Vorgehen bei den klassischen Abnahmeverfahren (Richtlatte oder Planograf) zu sehen. 

5 Zusammenfassung

Das Bewertete Längsprofil ist ein Abnahmeverfahren, welches es ermöglicht, die Ebenheit einer Straße nach objektiven Kriterien praktikabel zu bewerten. Neben der Bewertung von Einzelunebenheiten ermöglicht es auch die Bewertung der vom Nutzer als störend empfundenen und gemäß bestehendem Regelwerk unzulässigen periodischen Unebenheiten, die mit den bisherigen Verfahren nur unzureichend erfasst wurden. Zu den bewertbaren Unebenheiten gehören auch Wellenlängen von weit über 4 m, die mit dem bisherigen Abnahmeverfahren (4-m-Latte, Planograph) ebenfalls nicht bewertet werden können. Es soll zukünftig vermieden werden, dass neugebaute Straßen zwar den Abnahmekriterien genügen (4-m-Latte und/oder Planograph), jedoch im Rahmen einer Bewertung der Längsebenheit (z. B. bei der Substanzbewertung im Rahmen des Erhaltungsmanagements) bereits den Warnwert überschreiten und somit Erhaltungsmaßnahmen auslösen.

Literaturverzeichnis

B a c h m a n n, Christian; G i e s, Stefan; W ö h r m a n n, Mark; S c h r ü l l k a m p, Thomas: Realistische Lastannahmen für die Bemessung des Straßenoberbaues, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Heft 998, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr, 2008

E b e r s b a c h; U e c k e r m a n n; H e r r m a n n; S c h m i d t: Erweiterung des Einsatzes des Bewerteten Längsprofils auf bauvertragliche Anwendungen und Vergleich mit herkömmlichen Abnahmeverfahren,

FE 04.0286/2014/DGB, Zwischenbericht

prEN 13036-5:2017: Oberflächeneigenschaften von Straßen und Flugplätzen – Prüfverfahren – Teil 05: Bestimmung der Längsunebenheitsindizes, 2017

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Technische Prüfvorschriften für Ebenheitsmessungen auf Fahrbahnoberflächen in Längs- und Querrichtung, TP Eben – Teil: Berührungslose Messungen, Ausgabe 2009, Köln (FGSV 404/2)