FGSV-Nr. FGSV 002/108
Ort Köln
Datum 28.11.2013
Titel Baustellenkoordinierung im Ballungsraum Planung und Koordination von Arbeitsstellen längerer Dauer aus Sicht einer Regionalniederlassung
Autoren Dipl.-Ing. Mario Korte, Dipl.-Ing. Kathrin Heffe
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Das Ruhrgebiet ist eines der größten Ballungsräume in Europa. Neben einer dichten Siedlungsstruktur weist das Ruhrgebiet ein enges Netz an Bundesautobahnen auf. Dieses Verkehrsnetz ist charakterisiert von einem hohen Verkehrsaufkommen sowohl im Individualverkehr als auch im Schwerverkehr. Kurze Knotenpunktabstände, schmale Fahrbahnquerschnitte sowie häufig fehlende Seitenstreifen erschweren die Durchführung von Standardbauweisen. Wie in anderen Landesteilen ist das Verkehrsnetz des Ruhrgebietes ebenfalls in die Jahre gekommen und muss den heutigen Ansprüchen entsprechend modernisiert werden. Zahlreiche Erhaltungsabschnitte, Brückeninstandsetzungen, Um- und Ausbauvorhaben sowie Lärmschutzmaßnahmen müssen aktuell und in Zukunft umgesetzt werden. Dies möglichst wirtschaftlich, sicher und „störungsfrei“. Die Regionalniederlassung Ruhr stellt sich dieser Herausforderung und plant die einzelnen Bauvorhaben in dem Ballungsraum Ruhrgebiet. Unter Beachtung der technischen, finanziellen und verkehrlichen Möglichkeiten, wird die optimalste Ausführungsvariante zur Abwicklung eines Bauvorhabens gesucht. Hierzu ist ein umfangreicher Abwägungs- und Abstimmungsprozess mit den unterschiedlichsten Beteiligten erforderlich. Aber mit der Planung und Vorbereitung einer Einzelbaumaßnahme ist die Arbeit der Planungsingenieure nicht erledigt. Abhängigkeiten zu anderen Baumaßnahmen innerhalb der Niederlassung oder zu anderen Niederlassungen bzw. Bau- und Verkehrsträgern müssen berücksichtigt werden. Zur Unterstützung dieser Tätigkeit installierte der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen einen Prozess zur zentralen Arbeitsstellenkoordination. Mit Hilfe dieses Prozesses wird eine transparente und qualitätsgesicherte Baustellenplanung geschaffen. Vermeidbare Konflikte zwischen einzelnen Baumaßnahmen sollen verhindert werden, Abhängigkeiten zu anderen Maßnahmen aufgezeigt und Baustellenschwerpunkte identifiziert werden. In dem Ballungsraum Ruhrgebiet lassen sich aufgrund der vorhandenen Randbedingungen, trotz größter Sorgfalt bei der Planung und Koordination von Baumaßnahmen, nicht sämtliche Beeinträchtigungen gänzlich vermeiden. Mehr und mehr stellen auch zeitlich kurze aber mit zum Teil erheblichen Eingriffen in den Verkehr verbundene Ausführungsvarianten (Beispiel Vollsperrung BAB A 40) eine denkbare Option dar. Diese „Quick and Dirty“ Maßnahmen setzen aber ein hohes Maß an Vorbereitung und Kommunikation voraus. Eine gute und transparente Kommunikationspolitik im Zusammenhang mit der Planung und Koordination von Baumaßnahmen trägt einen großen Teil dazu bei, dass auch in Zukunft die steigende Anzahl von Baumaßnahmen in den Ballungsräumen sinnvoll und für den Verkehrsteilnehmer nachvollziehbar abgewickelt werden können.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Gründe für Baumaßnahmen im Straßenbau sind vielschichtig. Unsere Infrastruktur muss:

– Instand gehalten und modernisiert werden,

– an Stellen mit Kapazitätsproblemen um- und ausgebaut werden,

– Knotenpunkte müssen leistungsfähiger gestaltet werden,

– Unfallschwerpunkte beseitigt und

– Ansprüche auf Schutz vor Lärm und anderen Immissionen müssen erfüllt werden.

Gleich welcher Grund vorliegt, eines haben alle gemeinsam. Sie verursachen Baustellen im Bestandsnetz und sorgen somit auch oftmals für Störungen im Verkehrsfluss. Im Hinblick auf die Altersstruktur der vorhandenen Infrastruktur sowie den weiter steigenden Verkehrsbelastungen, insbesondere durch den Güterverkehr, wird die Anzahl der Baustellen zukünftig weiter zunehmen.

Demgegenüber stehen hohe Ansprüche an die Nutzbarkeit der Infrastruktur. Täglich wollen zahlreiche Pendler innerhalb einer eng kalkulierten Fahrtzeit termingerecht zu ihrem Zielort fahren. Im Zeitalter von Warenlieferung „Just in Time“ sind Logistikunternehmen auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen. Jede bekannte oder unbekannte Störung im Verkehrsnetz gefährdet somit den Wirtschaftsstandort Deutschland und sorgt vielerorts für eine Menge Verärgerung beim Verkehrsteilnehmer.

In diesem Spannungsfeld ist es die Aufgabe der zuständigen Niederlassung die notwendigen Baumaßnahmen sorgfältig unter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und verkehrlicher Aspekte zu planen, vorzubereiten und letztlich abzuwickeln.

2 Planung und Vorbereitung von Einzelbaumaßnahmen

Jede Baumaßnahme muss frühzeitig sehr sorgfältig geplant und vorbereitet werden. Je nach Art und Umfang sind mehrjährige Planungs- und Vorbereitungszeiten keine Seltenheit. Bereits zu Beginn einer Planung müssen sich die Ingenieure Gedanken um die verkehrliche Abwicklung der Baumaßnahme machen. Oberste Priorität hat dabei die Aufrechterhaltung des Verkehrs während der einzelnen Bauphasen. Reduktion von Fahrstreifen oder Sperrungen von Fahrbeziehungen an Knotenpunkten sind weitestgehend zu vermeiden. In Bereichen in denen diese Vorgabe nicht oder nur bedingt eingehalten werden können, ist zu prüfen, ob durch Vorabmaßnahmen die Anzahl der Fahrstreifen in ausreichend sicherer Breite während der anschließenden Hauptbauphasen sichergestellt werden kann. Verbreiterungen bzw. Verstärkungen vorhandener Seitenstreifen sind daher eine gängige Praxis, allerdings sind die Vorabmaßnahmen ebenfalls mit Eingriffen in den Verkehrsraum verbunden und im Kontext mit der Gesamtbaumaßnahme zu betrachten.

In den Ballungsräumen des Landes Nordrhein-Westfalen stoßen die Ingenieure vielerorts an die Grenzen der Machbarkeit. Dichte Bebauung unmittelbar an die Infrastruktur angrenzend sowie zu enge Fahrbahnquerschnitte verhindern zum Beispiel oftmals eine – provisorische – Verbreiterung. Erschwerend kommen neue Entwicklungen im Bereich des Arbeitsschutzes hinzu. Die Ankündigung der Einführung der Regeln für Arbeitsstätten (ASR A 5.2) ist differenziert zu betrachten. Zum einen ist der optimale Schutz der Bauarbeiter innerhalb einer Baustelle sicherzustellen. Auf der anderen Seite bedeutet die Vergrößerung von Sicherheitsabständen zum Schutz der Bauarbeiter auch einen zusätzlichen Platzbedarf, um die Anzahl der Fahrstreifen in ausreichend sicherer Breite zu ermöglichen.

Gemäß gültiger „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA-95) ist eine in dem nachfolgenden vereinfachten Beispiel Gesamtfahrbahnbreite von 7,50 m notwendig (siehe Bild 1). Durch die Vergrößerung der Sicherheitsabstände gemäß ASR A 5.2 erhöht sich die notwendige Fahrbahnbreite bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h auf 8,86 m (siehe Bild 2).

Bild 1: Bisherige Sicherheitsabstände gemäß RSA 95

Bild 2: Sicherheitsabstände gemäß ASR A 5.2

Insbesondere in dem dicht besiedelten Ballungsraum Ruhrgebiet kann diese Entwicklung zu vermehrten Fahrstreifenreduktionen oder gar Vollsperrungen führen, da die notwendigen Querschnittsbreiten vielerorts nicht vorhanden sind. Fahrstreifenreduktionen wiederum bedeuten eine Störung im Verkehrsnetz und stellen eine potenzielle Gefahrenstelle für den Verkehrsteilnehmer, der sich einer Baustelle mit Rückstau nähert, dar. Eine neue Form der Abwägung zwischen den Belangen des Arbeitsschutzes und der Verkehrssicherheit ist daher zukünftig bei der Planung einer Baumaßnahme erforderlich.

Insgesamt ist ein intensiver Abstimmungs- und Abwägungsprozess bei der Planung und Vorbereitung einer Baumaßnahme notwendig. Dabei müssen die Belange und Forderungen der unterschiedlichsten Beteiligten berücksichtigt werden. In der Abstimmung möglicher Ausführungsvarianten zum Beispiel mit den zuständigen Verkehrsbehörden ist darzustellen, dass:

– die baulichen Eingriffe in den Verkehr auf ein zeitliches Minimum begrenzt sind

– verkehrliche kritische Bauphasen, z. B. Einrichtung von Verkehrsführungen in den verkehrsschwachen Zeiten erfolgen

– Großereignisse, wie Fußballspiele, Messen, usw. berücksichtigt werden.

Die Berücksichtigung dieser Belange ist zwingend notwendig, wenn gleich sich nicht immer sämtliche Forderungen erfüllen lassen. Die Forderung nach Ausnutzung der verkehrsschwachen Zeiten zur Verkürzung der Bauzeit und damit Minimierung der verkehrlichen Beeinträchtigungen – 24-Stundenbetrieb, 7 Tage die Woche – wird beispielhaft näher betrachtet.

In der Regel wird bei der Planung von Erhaltungs- und Ausbauvorhaben auf Bundesautobahnen die Betriebsform 2, das heißt Arbeiten an allen Werktagen unter Ausnutzung der Tageshelligkeit, 6-Tage die Woche, zu Grunde gelegt. Darüber hinaus werden für einzelne Gewerke bei Bedarf Nachtarbeit vereinbart. Unter diesen Vorgaben wird eine ambitionierte aber realistische Bauzeit abgeschätzt. Zur Einhaltung der Bauzeiten werden in der Regel „Bonus-Malus“-Regelungen oder Vertragsstrafen vertraglich vereinbart. Die Baufirmen disponieren innerhalb dieser zeitlichen Vorgaben im Anschluss ihre notwendigen Arbeitsprozesse und sind unter anderem für die Einholung von Ausnahmegenehmigungen für Nachtarbeit zuständig. Dies bedeutet im Umkehrschluss wenn ein 24-Stundenbetrieb vorgegeben wird, muss durch die Straßenbauverwaltung sichergestellt sein, dass diese Betriebsform auch ausführbar ist. In Ballungsräumen ist dies nicht immer der Fall. Der Schutz von Anwohnern vor nächtlicher Ruhestörung durch die Baumaßnahme oder fehlende Betriebserlaubnisse in der Nacht für Mischwerke sind nur zwei Gründe, die gegen einen 24-Stundenbetrieb sprechen.

3 Prozess zur Qualitätssicherung von Baustellenplanungen

Die Abwägungen und Abstimmungen im Rahmen einer Planung und Vorbereitung einer Baumaßnahme sind komplex, führen aber in aller Regel zu einer mit den zuständigen Behörden abgestimmten Ausführungsvariante, welche zur Ausschreibung gelangt. Damit die Gründe, welche zu dieser Ausführungsvariante geführt auch für einen Dritten besser nachvollziehbar sind, führte der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen eine Auditierung von Baumaßnahmen ein. Diese Auditierung beinhaltet eine Zusammenfassung der wesentlichen Entscheidungen im Laufe des umfangreichen Planungs- und Vorbereitungsprozesses.

Die Auditerung von Baumaßnahmen ist in zwei Stufen unterteilt. In der Stufe 1 – Vorprüfung – wird anhand von vorgegebenen Kriterien überprüft, ob ein Audit erforderlich ist. Sollte dies der Fall sein, ist die Dokumentation der weiteren Planungen dementsprechend aufzubereiten. In der zweiten Stufe erfolgt dann das Audit. Hierzu werden wesentliche Elemente der Planung und Vorbereitung im Rahmen eines Auditgespräches durch die jeweilige Projektleitung einem Auditteam vorgestellt. Dazu zählen auch die Ergebnisse einer ersten groben Einschätzung der verkehrlichen Auswirkungen.

Ziel der Auditierung ist es, neben der Verbesserung der Transparenz, auch mögliche Defizite in der Planung und Vorbereitung möglichst frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu beheben.

4 Koordination von Baustellen

Frühzeitig – wenn möglich ein bis zwei Jahre im Voraus – werden die notwendigen Baumaßnahmen in das Arbeitsstellenprogramm des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen mit dem jeweils vorliegenden Planungsständen aufgenommen. Mit Hilfe des Arbeitsstellenprogramms erfolgt eine zentrale Koordination von Baumaßnahmen auf den Bundesautobahnen. Neben der regionalen Abstimmung und Koordination auch mit anderen Baumaßnahmen im nachgeordneten Netz durch die zuständigen Niederlassungen, übernimmt die Zentrale des Landesbetriebes in Zusammenarbeit mit der Verkehrszentrale die übergeordnete Koordination.

Für die zentrale Koordination ist eine regelmäßige Fortschreibung des Arbeitsstellenprogramms mit der Aktualisierung der Planungsstände aller Baumaßnahmen erforderlich. Dies erfolgt im Rahmen von Quartalsbesprechungen mit den zuständigen Niederlassungen.

Durch die frühzeitige und umfangreiche Information, welche Baumaßnahmen längerer Dauer auf den Bundesautobahnen geplant sind, kann eine effektive Abstimmung und Koordination von Baumaßnahmen stattfinden. Die Koordination erfolgt nicht nach starren Kriterien. Vielmehr muss jede Maßnahme, welche offensichtlich in Abhängigkeit zu anderen Baumaßnahmen steht, individuell betrachtet werden. Anhand der vorliegenden Randbedingungen der betroffenen Maßnahmen, wie z. B. Zustand von Bauwerken oder Strecken, Vorgaben, Auflagen, besondere Dringlichkeiten, usw. muss im engen Dialog mit den zuständigen Niederlassungen eine Priorisierung der Maßnahmen erfolgen. Nicht immer gelingt es dabei sämtliche sich beeinflussende Beeinträchtigungen auszuschließen. In diesen Fällen wird angeraten eine besondere öffentlichkeitswirksame Begleitung der Baumaßnahmen in den Arbeitsschwerpunkten vorzunehmen.

5 Zusammenfassung

In der Vergangenheit hat Straßen.NRW positive Erfahrungen mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit bei besonderen Projekten wie z. B. Vollsperrung BAB A 40 oder Teilsperrung BAB A 52 gemacht. Durch die transparente und nachvollziehbare Projektplanung, -vorbereitung und -abwicklung konnte hinreichend Akzeptanz und Verständnis bei den Verkehrsteilnehmern und anderen Betroffenen geschaffen werden, so dass die Projekte trotz großer Beeinträchtigungen erfolgreich abgewickelt werden konnten.

Mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen zukünftig auch bei der Koordination von Baumaßnahmen ermöglichen. Durch eine frühzeitige Information über das bevorstehende Programm sowie zusätzliche Erläuterungen über die Notwendigkeiten, Abhängigkeiten oder Randbedingungen bei der jeweiligen Baustellenplanung soll mehr Verständnis für das Handeln von Straßen.NRW geschaffen werden. Dieses Verständnis bei sämtlichen Betroffenen wird bei den bevorstehenden Aufgaben erforderlich sein.