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1 Einleitung
Deutschland besitzt eines der leistungsfähigsten Verkehrssysteme in Europa. Dieses Verkehrssystem stellt die Voraussetzung für eine hohe Mobilität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dar. Das deutsche Bundesfernstraßennetz umfasst ca. 12.000 km Bundesautobahnen sowie über 41.000 km Bundesstraßen und stellt einen erheblichen Anteil am Bundesvermögen dar. Die Erhaltung der Bundesfernstraßen ist somit eine vordringliche Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe zur langfristigen Sicherung der Mobilität von Wirtschaft und Gesellschaft.
Um die Anforderungen an die Straßeninfrastruktur hinsichtlich Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit gewährleisten zu können, müssen Fahrbahnoberflächen griffig, eben, leise und vor allem dauerhaft sein. Im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung werden seit 1991 die Zustandsmerkmale Griffigkeit, Ebenheit und Substanzmerkmal Oberfläche auf Bundesfernstraßen in einem Turnus von vier Jahren erfasst [16]. Neben diesen Fahrbahnoberflächeneigenschaften ist in den letzen Jahren die Geräuschemission vor dem Hintergrund der Reduzierung des Straßenverkehrslärms zunehmend in den Fokus der Bewertung von Fahrbahnbelägen gerückt.
2 Zustandserfassung von Oberflächen
2.1 Griffigkeit
Die Griffigkeit einer Straßenoberfläche ist von entscheidender Bedeutung für das Kraftschlussvermögen zwischen Reifen und Fahrbahn. Sie übt einen großen Einfluss auf die Verkehrssicherheit bei Nässe aus [8, 9, 12].
Erste umfangreiche Griffigkeitsmessungen wurden in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren durchgeführt. Mit der Einführung des „Merkblattes über die Straßengriffigkeit und Verkehrssicherheit bei Nässe (FGSV, 1968)“ [10] wurde in Deutschland erstmals versucht, dem Problem der unzureichenden Griffigkeit von Fahrbahndecken durch die Festlegung von Mindestgriffigkeitsbeiwerten zu begegnen. Diese Werte dienten jedoch lediglich als Richtwerte.
Die Aufnahme vertragsrelevanter Anforderungs- und Abnahmewerte für die Griffigkeit von Fahrbahndecken wurden in den 1980er und 1990er Jahren in den Fachgremien sehr kontrovers diskutiert. Seit 1991 wird die Griffigkeit neben anderen Zustandsgrößen im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Fahrbahnoberflächen von Bundesfernstraßen systematisch erfasst [16].
Mit der Einführung der ZTV-Beton-StB 01 und ZTV Asphalt-StB 01 im Frühjahr 2001 wurden erstmals für fertig gestellte Fahrbahndecken aus Beton und Asphalt auf Straßen der Bauklassen SV bis IV Grenzwerte für die Griffigkeit angegeben. Diese Grenzwerte sind Bestandteil des Bauvertrages.
Messtechnisch wird die Straßengriffigkeit durch den Kraftschlussbeiwert μ beschrieben, der auch als Reibungsbeiwert oder Reibungskoeffizient bezeichnet wird. Zur Erfassung wird das standardisierte Seitenkraftmessverfahren (SKM) verwendet (Bild 1). Es wird der Kraftschlussbeiwert am schräglaufenden Messrad (20°) ermittelt, das mit einer unter statischen Bedingungen definierter Normalkraft in Höhe von 1960 N belastet wird. Der Quotient aus der zwischen Reifen und Fahrbahnoberfläche bei schräglaufendem Rad aktivierten Seitenreibungskraft und der Normalkraft ergibt den Kraftschlussbeiwert. Es wird eine rechnerisch konstante Wasserfilmdicke von 0,5 mm aufgebracht.
Bild 1: Seitenkraftmessverfahren (SKM) der BASt
Seit über 10 Jahren wird in der BASt die Griffigkeitsdatenbank gepflegt. Seitens der Bundesländer werden die Ergebnisse aller Griffigkeitsmessungen auf Bundesfernstraßen im Rahmen der Abnahmeprüfung und bei Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche gemeldet. Im Bild 2 sind die Häufigkeitsverteilungen am Beispiel der Asphaltdeckschicht Splittmastixasphalt (SMA) dargestellt. Gemäß ZTV Asphalt-StB [15] ist der Grenzwert für die Griffigkeit einer Asphaltdeckschicht zum Zeitpunkt der Abnahme mit μSKM = 0,46 (80 km/h) festgelegt, bei Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche mit μSKM = 0,40 (80 km/h). Unter 2 % der neugebauten Asphaltdeckschichten (SMA) erfüllen nicht die Anforderungen gemäß ZTV Asphalt-StB, am Ende der Gewährleistungsfrist sind es 0,7 %. Hier sind Maßnahmen zur Verbesserung der Griffigkeit durchzuführen.
Bild 2: Häufigkeitsverteilung Griffigkeitswerte im Rahmen von Kontrollprüfungen nach Fertigstellung der Asphaltdeckschicht (SMA) und bei Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche (SMA)
2.2 Ebenheit
Neben der Griffigkeit ist die Ebenheit der Straße eine wichtige Oberflächeneigenschaft. Die Ebenheit bestimmt den Fahrkomfort und beeinflusst die Verkehrssicherheit sowie die Straßenbeanspruchung der gesamten Oberbaukonstruktion.
Die Ebenheit bzw. Unebenheit kennzeichnet den Wellenlängenbereich oberhalb der Megatextur mit Wellenlängen von 0,5 m bis zu 50 m. Unter Unebenheiten werden geometrische Unregelmäßigkeiten der Fahrbahnoberfläche verstanden, die nicht der Textur oder der Gradiente der Trasse zugerechnet werden können. Demzufolge spricht man bei Unebenheiten im Allgemeinen von Höhenabweichungen von der planmäßigen Oberflächengeometrie.
Dabei wird die Ebenheit (Unebenheit) unterschieden in Längs- und Querrichtung. Bei der Betrachtung der Unebenheiten in Längsrichtung erfolgt die Auswertung/Bewertung parallel zur Achse der Straße, während bei Betrachtung in Querrichtung die Unebenheiten rechtwinklig zur Achse der Straße erfasst werden.
In der BASt existieren für die Erfassung der Oberflächeneigenschaft „Ebenheit“ zwei unterschiedliche berührungslos arbeitende Messsysteme, die EFA (Erfassungssystem zur Fahrbahnoberflächenanalyse) und die MEFA (Multifunktionales Erfassungssystem zur Fahrbahnoberflächenanalyse).
Die EFA (Bild 3) ist ein kombiniertes Ebenheitsmessfahrzeug zur gleichzeitigen Messung der Längs- und Querebenheit auf Straßen. Die Erfassung der Längsebenheit erfolgt mittels fünf Lasersonden nach dem Prinzip der Mehrfachabtastung (HRM-Prinzip) mit zwei unterschiedlichen Messbasislängen. Bei der gebräuchlichen Messbasislänge von 2 m betragen die Abstände der Lasersensoren 0,1 m, 1 m und 2 m vom ersten Lasersensor. Die Querebenheit wird durch 41 Lasersonden im Abstand von 0,1 m erfasst. Beide Messeinrichtungen arbeiten mit Lasersensoren, welche nach dem Triangulationsprinzip arbeiten.
Bild 3: EFA – Erfassungssystem zur Fahrbahnoberflächenanalyse (BASt Messfahrzeug)
Eine neuere Entwicklung stellt das Messsystem MEFA dar (Bild 6). Es ist ebenfalls ein kombiniertes Ebenheitsmessfahrzeug zur gleichzeitigen Messung der Längs- und Querebenheit auf Straßen. Die Erfassung der Längsebenheit erfolgt nach dem gleichen Verfahren wie bei der EFA. Zur Erfassung der Querebenheit wurde durch das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM erstmals ein Laserscanner für den Einsatz auf Fahrbahnoberflächen entwickelt. Dieser Laserscanner besteht aus einem Laser mit einem rotierenden Oktaederspiegel zur Erfassung der Querebenheit. Damit wird ca.100 mal pro Sekunde ein Querprofil mit je 4.000 Messpunkten auf einer Breite von 4 m erfasst. Der Laserscanner ist mit der Einstufung in die Laserklasse 1 ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen einsetzbar. Im Vergleich zur EFA verspricht man sich mit diesem System durch den Wegfall der Vielzahl an Lasersensoren einen wesentlich niedrigeren Wartungsaufwand. Darüber hinaus konnte mit Einsatz des Laserscanners eine schmalere Fahrzeugbreite realisiert werden, die sich beim Einsatz auf Bundesstraßen bewähren soll.
Das Bild 4 zeigt beispielhaft ein Messprotokoll der Zustandserfassung der Oberflächeneigenschaft Ebenheit, die mittels der MEFA aufgenommen wurde. Neben der Längs- und Querebenheit wird die Abstandsmessung als seitlicher Abstand der Messlinie zur rechten Fahrbahnmarkierung erfasst. Über ein Frontbild und die dazugehörigen Navigationsdaten ist eine genaue Zuordnung der Messwerte zum Straßennetz möglich.
Bild 4: Messprotokoll der Erfassung der Längs- und Querebenheit mittels MEFA
Die Entwicklung der Messtechnik ist in den letzten Jahren sehr rasant vorangeschritten. So wurde hinsichtlich der Bewertung der Straßenebenheit der Schritt von der zwei- in die dreidimensionale Abbildung der Straßenoberfläche mit schnell fahrenden Messsystemen ermöglicht. Ziel dieser neuen Erfassungstechnik ist es, künftig immer realere geometrische Abbildungen der Fahrbahnoberfläche zu erzielen. So ist es heute möglich, Fahrbahnoberflächen dreidimensional darzustellen. Bezug nehmend auf das Beispiel im Bild 4 wurde von der Fahrbahnoberfläche ein 3-D-Bild erzeugt. Man erkennt in der Frontaufnahme deutlich den Übergang von einer Betondeckschicht auf eine Asphaltoberfläche (Bild 5, links). In der dreidimensionalen Oberfläche stellen sich entsprechend der Charakteristik dieser Fahrbahnbeläge unterschiedliche Ebenheiten bzw. Unebenheiten ein. Im Bereich der Asphaltdeckschicht ist deutlich die Ausbildung von Spurrinnen (blau markiert) erkennbar, die sich im Betonabschnitt nicht zeigen (Bild 5, rechts).
Bild 5: Erfassung der Ebenheit auf einem Übergangsbereich Beton-Asphalt (links), 3-D-Darstellung der Messergebnisse (rechts)
Anhand dieser realen Abbildungen der Fahrbahnoberfläche wird es künftig möglich sein, Einflüsse der Fahrbahn auf das Fahrzeug und den Fahrer wesentlich umfassender analysieren und bewerten zu können. Die in der Vermessung erreichte Punktdichte und Genauigkeit sowie die Algorithmen zur Datenaufbereitung weisen für die 3-D-Erfassung noch ein deutliches Entwicklungspotenzial auf.
Hinsichtlich dieser Thematik wurde durch die Firma Lehmann und Partner im Auftrag der BASt das Forschungsprojekt „Integrale Bewertung der Ebenheit“ [5] durchgeführt. Ziel ist es, Grundlagen für eine integrale Beschreibung und Bewertung der Straßenoberflächen zu erarbeiten. Der Schlussbericht wird in Kürze veröffentlicht.
2.3 Substanzmerkmale (Oberfläche)
Gleichzeitig mit der Ebenheit werden im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) die Substanzmerkmale (Oberfläche) aufgenommen. Die Oberflächeneigenschaften Griffigkeit und Ebenheit stellen funktionale Kenngrößen dar, die sich auf den Gebrauchswert der Straße beziehen. Durch die Substanzmerkmale (Oberfläche) erfolgt ein Hinweis auf die Zerstörung der Substanz der Straße. Bei der optischen Beurteilung der Straßenoberfläche gemäß ZTV ZEB-StB [16] werden unter anderem die Anzahl von Rissen in einem Raster von 100-m-Abschnitten erfasst. Anhand der Schadensdetektierung können gegebenenfalls auch Hinweise auf Schädigungen im Aufbau der Straße gewonnen werden. Die Größe findet Eingang in die Erhaltungsplanung.
Der Bundesanstalt für Straßenwesen stehen zwei Messsysteme zur Erfassung des Oberflächenbildes zur Verfügung. Mit Hilfe der MEFA kann neben der Längs- und Querebenheit auch das Oberflächenbild der Fahrbahn aufgezeichnet werden. Sie verfügt über zwei Zeilenkameras mit je 2.048 Pixeln. Die Beleuchtung erfolgt über gepulste rote LED-Leuchten, wobei je 1 mm Fahrstrecke eine Zeilenaufnahme aufgenommen wird. Bei einer Messgeschwindigkeit von 80 km/h entspricht dies ca. 22.000 Zeilenaufnahmen pro Sekunde. Die Erfassungsbreite beträgt 4,50 m.
Das Messfahrzeug MESOB (Messsystem zur Erfassung des Substanz-Oberflächen-Bildes) stellt ein Messystem dar, mit dem ausschließlich Oberflächenbilder von Straßen erzeugt werden können. Sie verfügt über Stroboskop-Leuchten und zwei hochauflösende Flächenkameras. Die Messgeschwindigkeit beträgt 70 bis 80 km/h (Bild 6, links).
Bild 6: BASt Messfahrzeuge: MEFA – Multifunktionales Erfassungssystem zur Fahrbahnoberflächenanalyse (links) und MESOB – Messsystem zur Erfassung des Substanz-Oberflächen-Bildes (rechts)
Das Bild 7 zeigt beispielhaft Oberflächenbilder, die im Rahmen der ZEB aufgenommen wurden.
Bild 7: Beispiel für Substanzmerkmale (Oberfläche), Flickstelle (links), Riss (rechts)
2.4 Geräuschemission
Neben den oben genannten Fahrbahnoberflächeneigenschaften ist in den letzen Jahren die Geräuschemission vor dem Hintergrund der Reduzierung des Straßenverkehrslärms zunehmend in den Fokus der Forschungsaktivitäten gerückt. Die Emission und Ausbreitung von Straßenverkehrsgeräuschen hängt hauptsächlich von den Eigenschaften der Straßenoberfläche ab, insbesondere von der Textur und der Porosität. Beide Eigenschaften beeinflussen sowohl die Erzeugung als auch die mögliche Absorption des Reifen-Fahrbahn-Geräusches.
Für die Bewertung der akustischen Eigenschaften von Fahrbahnbelägen stehen derzeit zwei genormte Prüfverfahren zur Verfügung: die Methode der Statistischen Vorbeifahrt SPB (Fernfeldmessungen) gemäß DIN ISO 11819-1 [3] und die CPX-Methode (Nahfeldmethode) gemäß ISO/CD 11819-2 [4].
Mittels SPB-Methode wird der Geräuschpegel an Mikrofonen in vier Höhen (1,20 m / 2,40 m / 3,60 m / 4,80 m) und 7,50 m von der Mitte des Fahrstreifens entfernt gemessen. Gleichzeitig werden die Geschwindigkeiten der vorbeifahrenden Fahrzeuge sowie die Fahrzeugkategorie ermittelt. Für jede Fahrzeugkategorie wird der maximale A-bewertete Geräuschpegel jeder Vorbeifahrt gegen den zugehörigen dekadischen Logarithmus der jeweiligen Fahrzeuggeschwindigkeit aufgetragen. In einer Regressionsanalyse wird dann für jede Fahrzeugkategorie eine Gerade durch die Messwerte gelegt.
Durch eine Vielzahl von Messungen an unterschiedlichen Messquerschnitten wird für jeden Straßenbelag ein mittlerer Geräuschpegel ermittelt. Dieser wird zu dem Geräuschpegel auf einem Referenzbelag (gemäß RLS-90: nicht geriffelter Gussasphalt) in Beziehung gesetzt. Als Pegeldifferenz ergibt sich so ein Wert, der nach einer offiziellen Einführung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als Korrekturwert für unterschiedliche Straßenoberflächen die DStrO-Werte bei der Lärmprognose von dem Neubau und der baulichen Erweiterung von Straßen im Rahmen der „Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen“ RLS-90 [11] angewendet wird. Der Messaufbau der Statistischen Vorbeifahrt-Methode der BASt ist im Bild 8 darstellt.
Das „reine“ Reifen-Fahrbahn-Geräusch eines Fahrbahnbelages wird mit dem CPX-Verfahren (Nahfeldmethode) ermittelt. Die Messungen erfolgen gemäß ISO/CD 11819-2 mit zwei Referenzreifen. Der Reifen CPXP (Passenger cars) ist sehr gut geeignet, um die akustische Qualität der Textur der Oberfläche zu beurteilen. Der Reifen CPXP repräsentiert ein dem Pkw-Reifen ähnliches Verhalten. Der Reifen CPXH (Heavy cars) ist hinsichtlich der Texturunterschiede einer Fahrbahnoberfläche verhältnismäßig unempfindlich, reagiert aber empfindlich auf das Absorptionsvermögen und den Hohlraumgehalt einer Oberfläche. Der Reifen CPXH repräsentiert ein dem Lkw-Reifen ähnliches Verhalten. Mit dem CPX-Verfahren werden pro Streckenabschnitt im Abstand von 20 m die A-bewerteten Schalldruckpegel gemessen und gemittelt. Die Messungen erfolgen bei Geschwindigkeiten von 50 km/h (innerorts) und 80 km/h (außerorts). Das Bild 8 zeigt den Messanhänger der BASt.
Bild 8: CPX-Anhänger der BASt (links), Messaufbau der Statistischen Vorbeifahrt-Methode (SPB) (rechts)
2.5 Parameterorientierte Charakterisierung von Straßenoberflächen
Die Texturen von Fahrbahnoberflächen können sich entsprechend des verwendeten Baustoffes (z. B. Asphalt- oder Betonfahrbahn) und dessen Zusammensetzung (z. B. Größtkorn) stark voneinander unterscheiden. Darüber hinaus üben sowohl die Herstellungstechnologie als auch die Herstellungsbedingungen einen Einfluss auf die Ausbildung der Textur von Fahrbahnoberflächen aus. Im Regelwerk ist derzeit lediglich die Messung der Texturtiefe von Straßendeckschichten, z. B. der Mittleren Textur- bzw. Profiltiefe, verankert. Für die Charakterisierung von Straßenoberflächen ist dies nicht ausreichend.
Auf dem Gebiet der Lärmforschung wurden in den vergangenen Jahren umfangreiche Untersuchungen zur Entstehung des Reifen-Fahrbahn-Geräusches durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurden Abhängigkeiten zwischen Texturparametern und den akustischen Eigenschaften von Fahrbahnoberflächen analysiert [1]. Die Beschreibung der akustischen Eigenschaften einer Fahrbahnoberfläche stellt sich äußerst komplex dar. Neben der Fahrbahnrauigkeit spielen die Schallabsorption sowie die Nachgiebigkeit der Fahrbahnoberfläche bzw. -decke eine wichtige Rolle. Jede dieser Eigenschaften lässt sich mit einer Vielzahl an Parametern beschreiben. Im Bild 9 sind die drei akustisch relevanten Oberflächeneigenschaften und die jeweils dazugehörigen Parameter dargestellt [1].
Nach ISO 13473 können die Texturkenngrößen mittlere Texturtiefe MPD und geschätzte Texturtiefe ETD bestimmt werden. Sie beschreiben die geometrischen Eigenschaften einer Fahrbahnoberfläche. Die Korrelation mit der Geräuschemission ist noch nicht abschließend bestimmt. In Forschungsarbeiten wurden weitere Texturkenngrößen definiert, die für eine Bewertung des möglichen akustischen Verhaltens der Fahrbahnoberfläche herangezogen werden können. Dazu zählen der Gestaltfaktor und die charakteristische Gestaltlänge. Unter anderem wurden auf Grundlage dieser Kenndaten Kriterien für eine akustisch günstige Textur formuliert [2]. Im FGSV-Arbeitspapier „Textureinfluss auf die akustischen Eigenschaften von Fahrbahndecken“ [7] ist der aktuelle Kenntnisstand dokumentiert.
Im Rahmen künftiger Forschungsarbeiten werden zunehmend derartige Zusammenhänge zwischen Texturparametern und Oberflächeneigenschaften analysiert, um ein besseres Verständnis für die Einflüsse auf die funktionalen Eigenschaften zu entwickeln. Diese Erkenntnisse fließen unter anderem in die Weiterentwicklung von Messsystemen ein.
Bild 9: Parameter zur Beschreibung der akustisch relevanten Eigenschaften von Fahrbahnbelägen [1]
3 Neue Aufgaben der Zustandserfassung von Straßenoberflächen
Die intakte Straßeninfrastruktur stellt die Voraussetzung für eine hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dar. Die Erhaltung der Bundesfernstraßen ist somit eine vordringliche Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe zur langfristigen Sicherung der Mobilität von Wirtschaft und Gesellschaft. Grundlage für verlässliche und stabile Prognosen der zu erwartenden Kosten stellen Messdaten dar, die Auskunft über den Zustand der Straßen geben.
Eine hohe Qualität dieser Messdaten sowie die Möglichkeit weiterführender Analysen werden im Rahmen der Planung baulicher Erhaltungsmaßnahmen zunehmend erforderlich sein. Ein Beispiel dafür ist die direkte Überlagerung von Ebenheit und Substanzmerkmalen zum Detektieren von Ausbrüchen und Flickstellen oder die Erkennung sehr feiner Risse im Rahmen der Früherkennung von AKR-Schäden. Diese detaillierten Zustandsinformationen sollen langfristig eine verbesserte Auswahl der Maßnahmen zur baulichen Erhaltung ermöglichen bzw. zu deren Erhaltungserfolg herangezogen werden.
Beispiel 1: Entwicklung eines modularen Schnellreparatursystems
Auf Bundesautobahnen in Betonbauweise können Strukturschädigungen des Deckenbetons auftreten, die sich besonders ausgeprägt an den Fugenkreuzen und an den Scheinfugen zeigen. In der Praxis wird für die kurzfristige Instandsetzung das geschädigte Material entfernt und durch eine Asphaltfüllung ersetzt. Diese Maßnahmen kommen hauptsächlich dann zur Anwendung, wenn ein akuter Handlungsbedarf hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht des Baulastträgers besteht. Darüber hinaus stellt diese Form der Instandsetzung eine wesentlich kostengünstigere Variante im Vergleich zu jenen Maßnahmen dar, die im Regelwerk verankert sind.
Bild 10: Instandsetzung im Fugenkreuz einer Betonfahrbahn durch eine Asphaltfüllung
Derartige Maßnahmen der baulichen Erhaltung besitzen jedoch hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit nur einen temporären Charakter. Hinzu kommt, dass die technisch erforderlichen Überstände im Höhenniveau der Asphaltauffüllung (Nachverdichtung durch Verkehr) zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Verschlechterung der Längsebenheit und somit des Fahrkomforts führen können. Neben einer erhöhten dynamischen Beanspruchung infolge Längsunebenheit können bei stark reduziertem Betonquerschnitt auch ungünstige Spannungsverhältnisse infolge klimatischer Beanspruchungen insbesondere bei hohen Temperaturen im Befestigungssystem auftreten [14]. Die BASt hat daher im Rahmen eines internen Forschungsprojektes die technische und technologische Machbarkeit einer neuen Erhaltungsmethode „Instandsetzung mit Betonfertigteilen im Straßenbau“ als optimierte Alternative zur Instandsetzung mit Gussasphalt untersucht [14].
Im Rahmen des Projektes wurden im Herbst 2012 auf der BAB A 9 Versuchsabschnitte mit einer Asphaltfüllung, mit Reparaturbeton und mit Betonfertigteilen (Abmessungen jeweils 160 cm x 160 cm x 26 cm) hergestellt.
Bild 11: Erprobung Instandsetzung auf der Betonfahrbahn der BAB A 9 mit einer Asphaltfüllung (links) und einem Betonfertigteil (rechts)
Im Frühjahr 2013 wurden unter anderem Untersuchungen zur Längs- und Querebenheit durch die Firma Lehmann und Partner im Auftrag der BASt durchgeführt. Die Ergebnisse sind im Bild 12 dargestellt, wobei sich bereits nach wenigen Monaten Verkehrsbelastung deutlich zeigt, dass der Bereich mit einer Asphaltfüllung einen stärkeren Höhenversatz im Vergleich zum Betonfertigteil aufweist.
Bild 12: Vergleich der Ebenheit in Querrichtung Asphaltinstandsetzung und Betonfertigteil
Im Rahmen von Forschungsarbeiten wird derzeit an der Weiterentwicklung der Lasertechnik zur Erfassung von Oberflächenbildern gearbeitet. Erste Messfahrzeuge bieten die Möglichkeit, derartige Aufnahmen mittels Lasern zu gewinnen. Das Bild 13 zeigt im Rahmen der Erprobung des Betonfertigteils Aufnahmen der Instandsetzungsbereiche (Flickstellen), die mittels einer herkömmlichen Kamera und parallel dazu mittels Laser (Umrechnung von Intensitätswerten in Grauwerte) aufgenommen wurden. Mittels Lasertechnik erhält der Betrachter sehr schnell einen Eindruck vom bestehenden Unebenheitsniveau.
Bild 13: Oberflächenbild der Flickstelle aufgenommen mit Kameratechnik (links) und Lasertechnik (rechts) (Quelle: Lehmann und Partner)
Beispiel 2: Früherkennung von AKR in Fahrbahndecken aus Beton
In den letzten Jahren sind verstärkt auf Bundesautobahnen in Betonbauweise Schäden aufgetreten, die auf eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) im Beton zurückzuführen sind. Diese Strukturschädigungen des Deckenbetons zeigen sich besonders ausgeprägt an den Fugenkreuzen und an den Scheinfugen. Sie führen zu einer erheblichen Verschlechterung der Gebrauchseigenschaften.
Im Mai 2012 wurde mit einem Rundschreiben des BMVBS eine „Empfehlung für die Schadensdiagnose und die Bauliche Erhaltung von AKR-geschädigten Fahrbahndecken aus Beton“ veröffentlicht. Hier sind verschiedene Schadenskategorien beschrieben (Bild 14) und Handlungsoptionen für Erhaltungsmaßnahmen aufgeführt.
Bild 14: AKR-Schadenskategorien gemäß Empfehlungen [6]
Die Erfahrungen zeigen, dass der Schädigungsprozess der AKR von vielen Randbedingungen beeinflusst wird und der Schädigungsprozess unterschiedlich stark voranschreitet. Die Planung einer baulichen Erhaltungsmaßnahme im Falle einer nachgewiesenen AKR ist unumgänglich. Mit der Früherkennung bieten sich jedoch bessere Möglichkeiten der zeitlichen Planung, gegebenenfalls sind Maßnahmen ergreifbar, die den Schädigungsprozess verlangsamen können.
Mit der MESOB der BASt ist es möglich, bei Fahrgeschwindigkeiten zwischen 70 und 80 km/h Rissweiten unter 1 mm aufzunehmen. In einer ersten Messkampagne im Oktober 2013 wurden auf der BAB A 44 Oberflächenbilder aufgenommen und ausgewertet. Aufgrund des Zustandsbildes der Strecke wurde hier ein AKR-Schaden vermutet.
Die Aufnahmen des MESOB zeigen (Bild 15), dass Rissbreiten von ca. 0,2 mm erfasst werden können. Da sich auf der Betonfahrbahn der dunkle Riss deutlich von der sonst hellen Oberfläche abhebt und die Risskanten scharf ausgebildet sind, ist mit der Oberflächenbeleuchtungs- und Bilderfassungstechnik dieses Messsystems die Detektion derartig feiner Risse möglich.
Bild 15: Betonfahrbahndecke mit Verdacht auf AKR-Schaden (links), Oberflächenbild mittels MESOB (rechts)
Derzeit werden die Möglichkeiten der Rissweitenerkennung dieses Messsystems im Detail untersucht, wobei auch die Möglichkeit eruiert wird, bereits die typischen Verfärbungen im Frühstadium einer AKR zu erfassen. Diese verfeinerte Zustandsinformation kann langfristig eine verbesserte Auswahl der Maßnahmen zur baulichen Erhaltung ermöglichen.
5 Zusammenfassung
Im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung werden seit 1991 die Zustandsmerkmale Griffigkeit, Ebenheit und Substanzmerkmale (Oberfläche) auf Bundesfernstraßen in einem Turnus von 4 Jahren erfasst. Diese Zustandserfassung bietet grundsätzlich die Möglichkeit einer Bewertung des Netzzustandes sowie im Vergleich zu vorangegangenen Messkampagnen die Beurteilung hinsichtlich Verbesserung und/oder Verschlechterung des Straßennetzes. Die Entwicklung der Messtechnik ist in den letzten Jahren sehr rasant vorangeschritten. So wurde hinsichtlich der Bewertung der Straßenebenheit der Schritt von der zwei- in die dreidimensionale Abbildung der Straßenoberfläche mit schnell fahrenden Messsystemen ermöglicht. Anhand dieser realen geometrischen Abbildungen der Fahrbahnoberfläche wird es künftig möglich sein, Einflüsse der Fahrbahn auf das Fahrzeug und den Fahrer wesentlich umfassender analysieren und bewerten zu können.
Die Erfassung der Substanzmerkmale (Oberfläche) wird langfristig eine größere Bedeutung erhalten. Die BASt verfügt über ein Messfahrzeug, das mit Stroboskop-Leuchten und zwei hochauflösenden Flächenkameras ausgerüstet ist und bei Fahrgeschwindigkeiten zwischen 70 und 80 km/h Rissweiten unter 1 mm aufnehmen kann. Derzeit werden die Möglichkeiten der Rissweitenerkennung dieses Messsystems im Detail untersucht. Erste Erfahrungen zeigen, dass mit Hilfe dieses Messsystems Verdachtsfälle von AKR-Schäden auf Betonfahrbahndecken bereits im Frühstadium detektiert werden können. Dies bietet langfristig eine verbesserte Auswahl der Maßnahmen zur baulichen Erhaltung.
Vor dem Hintergrund der Reduzierung des Straßenverkehrslärms ist in den letzen Jahren die Geräuschemission zunehmend in den Fokus der Forschungsaktivitäten gerückt. Im Rahmen von Forschungsprojekten erfolgt zunehmend eine parameterorientierte Charakterisierung von Straßenoberflächen (unter anderem Texturmessungen, Strömungswiderstand etc.). Es sollen Zusammenhänge zwischen Texturparametern und Oberflächeneigenschaften analysiert werden.
Literaturverzeichnis
1 Beckenbauer, T.: Reifen-Fahrbahn-Geräusche – Minderungspotenziale der Straßenoberfläche, Müller-BBM GmbH, Planegg
2 Beckenbauer, Th.; Spiegler, P.; van Blokland, G. et. al: Einfluss der Fahrbahntextur auf das Reifen-Fahrbahn-Geräusch, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 847, BMVBW, 2002
3 DIN EN ISO 11819-1: Akustik – Messung des Einflusses von Straßenoberflächen auf Verkehrs geräusche – Teil 1: Statistisches Vorbeifahrtverfahren (ISO 11819-1:1997); Deutsche Fassung EN ISO 11819-1:2001
4 DIN ISO/CD 11819-2: „Acoustics – Method for measuring the influence of road surfaces on traffic noise – Part 2: The close-proximity method
5 Ebersbach, D.: FE 4.0248/2011/DGB Integrale Bewertung der Ebenheit, Entwurf des Schlussberichtes, 2014
6 Empfehlungen für die Schadensdiagnose und die Bauliche Erhaltung von AKR-geschädigten Fahrbahndecken aus Beton, Bonn, Mai 2012
7 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitspapier Textureinfluss auf die akustischen Eigenschaften von Fahrbahndecken, Ausgabe 2013, Köln, FGSV 442
8 Franke, H.-J.: Griffigkeit von Fahrbahndecken aus Beton, Straße und Autobahn, Heft 4/2004
9 Huschek, S.: Bewertung der Straßengriffigkeit bei Nässe, Straße und Autobahn, Heft 3/1995
10 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt über die Straßengriffigkeit und Verkehrssicherheit bei Nässe, Ausgabe 1968, Köln
11 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90), Ausgabe 1990, Berichtigter Nachdruck Februar 2002, Köln, FGSV 334
12 Schulze, K.-H.; Dames, J.; Lange, H.: Untersuchungen über die Verkehrssicherheit bei Nässe, Griffigkeitsmessungen bei hohen Geschwindigkeiten, Bundesministerium für Verkehr, 1975, Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 189
13 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Griffigkeitsmessungen im Straßenbau (TP Griff-StB), Teil: Seitenkraftmessverfahren (SKM) – TP Griff-StB (SKM), Ausgabe 2007, Köln, FGSV 408/1 Teil: Messverfahren SRT – TP Griff-StB (SRT), Ausgabe 2004, Köln, FGSV 408/2
14 Wieland, M.; Villaret, S.: Schnellreparatursystem – Betonfertigteil, Straße und Autobahn, Heft 9/2013
15 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB 07), Ausgabe 2007, Köln, FGSV 799
16 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen (ZTV ZEB-StB), Ausgabe 2007, Köln, FGSV 489 |