FGSV-Nr. FGSV 002/108
Ort Köln
Datum 28.11.2013
Titel Das Infrastrukturmanagement in der FGSV – Rückblick und Ausblick
Autoren Dr.-Ing. Christoph Dröge
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Ziel des Infrastrukturmanagements ist es, alle Aktivitäten und Prozesse zu unterstützen, die notwendig sind, um mit Hilfe des netzweiten Bestandes von Straßen über einen gewissen Zeitraum ein definiertes Leistungsniveau der Verkehrswege zu gewährleisten. Dabei sind unterschiedliche Anforderungen aus der Gesellschaft, aus dem Kreis der Straßennutzer, aus den ökonomischen Zwängen und natürlich auch aus dem Selbstverständnis der Verantwortlichen zusammenzuführen. Ein Zusammenspiel von Bestandsbeschreibung, Prognose, Budgetierung, Maßnahmenfestlegung und Ausführung ist dabei unerlässlich. Die FGSV hat den Anspruch, diese Prozesse mitzugestalten. Schwerpunkt ist dabei die Zusammenführung der unterschiedlichen Sichtweisen aus Industrie, Forschung und Verwaltung. Hierbei ist neben der Erstellung und Aktualisierung eines allgemein anwendbaren Regelwerkes auch der fachliche Austausch zu neuen Entwicklungen und Erfahrungen maßgebend. Nicht zuletzt werden Forschungsvorhaben angeregt und begleitet um offene Fragestellungen besser zu begreifen. Ein kurzer Ausblick auf zukünftige Herausforderungen rundet die Darstellung ab.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Für den Erhalt der Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur ist ein aktiver Umgang mit dem Straßennetz notwendig. So werden jährlich bundesweit auf deutschen Bundesautobahnen (BAB) ca. 800 Baustellen längerer Dauer und ca. 50.000 Tagesbaustellen durchgeführt (Bild 1).

Bild 1: Baustellenübersicht auf BAB, Stand Herbst 2013, Baustellen kürzerer und längerer Dauer, Quelle: Internet, BMVBS

Dabei ist festzuhalten, dass diese Arbeiten zunehmend nicht nur im Neubau, sondern im bestehenden Netz durchgeführt werden müssen, das heißt unter Beibehaltung der verkehrlichen Leistungsfähigkeit der Straßenabschnitte für den Straßennutzer.

Für die Belange des Infrastrukturmanagements heißt dies:

– Anwendung und Weiterentwicklung des Erhaltungsmanagementes,

– Bauen unter Beibehaltung der verkehrlichen Leistungsfähigkeit des Netzabschnittes,

– Pflege des gesamten Straßenraumes,

– Exakte und umfassende Ermittlung des Ist-Zustandes,

– Entwicklung zutreffender Prognoseverfahren.

– Kostenoptimierung bei der Wahl der Vorgehensweise.

Dafür sind Finanzmittel, die das Erreichen und Halten eines abgestimmten Leistungsniveaus ermöglichen, notwendig.

Folgende Definition des Begriffes Infrastrukturmanagements fasst dies zusammen:

Infrastrukturmanagement umfasst alle Aktivitäten und Prozesse, die notwendig sind, um mit Hilfe bestehender Objekte und Netze über einen gewissen Zeitraum ein Leistungsniveau zu gewährleisten.

Dabei sind unterschiedliche Anforderungen aus der Gesellschaft, aus dem Kreis der Nutzer, aus den ökonomischen Zwängen und natürlich auch aus dem Selbstverständnis der Verantwortlichen zusammenzuführen.

Ein Zusammenspiel von Bestandsbeschreibung und Prognose ist dabei unerlässlich.

Die FGSV hat den Anspruch, diese Prozesse mitzugestalten. Schwerpunkt ist dabei der Informationstransfer sowie das Zusammenführen der unterschiedlichen Sichtweisen aus Industrie, Forschung und Verwaltung.

Hierbei ist neben der Erstellung und Aktualisierung eines allgemein anwendbaren Regelwerkes auch der fachliche Austausch zu neuen Entwicklungen und Erfahrungen maßgebend.

Offene Themen werden durch Forschungen besser begriffen. Handlungsempfehlungen und Richtlinien werden abgeleitet.

2 Rückblick

In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Regelwerken erarbeitetet worden. Eine Vielzahl von Forschungsvorhaben wurden und werden unterstützend durchgeführt.

Diese sind über die einschlägigen Medien, insbesondere über BMVBS, BASt und FGSV, zugänglich.

Die Ergebnisse werden in der Fachwelt verbreitet und dienen der Erstellung und Weiterentwicklung des technischen Regelwerkes.

Als ein wesentliches Thema seien hier die neuen „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO 12), beispielhaft genannt (Bild 2).

Ein Grund für die Überarbeitung der RStO 01 war die gestiegene Verkehrsbelastung insbesondere auf den hoch belasteten Autobahnabschnitten Deutschlands.

Die höchste Bauklasse der RStO 01 beginnt bei einer bemessungsrelevanten Beanspruchung B von 32 Mio. äquivalenten 10-t-Achsübergängen und ist nach oben offen.

Heute haben viele Autobahnabschnitte eine Belastung von mehr als 100 Mio. äquivalenter 10-t-Achsübergänge – in NRW immerhin ein Drittel des Autobahnnetzes, Tendenz steigend.

Bild 2: Die neuen RStO 12 mit Skizze zur Verschiebung in den Oberbauten bei vergleichbaren Belastungen und mit neuer Frostzonenkarte, Quelle: FGSV und Straßen.NRW

Diese Entwicklung ließ sich nicht mit einem Mehr an Schichtdicke lösen, es mussten innovativere Herangehensweisen gefunden werden.

Eine spannende und richtungweisende Diskussion, die auch bei der Erarbeitung der RStO 12 geführt wurde. Die Verkehrsbelastung auf unseren Straßen musste zunächst exakter und aktuell ermittelt und beschrieben werden. Die neuen RStO 12 enthalten Berechnungsfaktoren, die aus aktuellen Achslastmessungen abgeleitet wurden. Durchgeführt und ausgewertet wurden die Achslastmessungen von der Bundesanstalt für Straßenwesen.

Dabei hat sich herausgestellt, dass die Lastkollektivquotienten und Achszahlfaktoren angepasst werden müssen.

Diese Anpassung in den neuen RStO 12 kann dazu führen, dass die selbe Verkehrsbelastung in Fahrzeugüberrollungen ausgedrückt, im Vergleich zur alten RStO eine um ca. 1/3 höhere B-Zahl ergibt.

Aber nicht nur wissenschaftliche Grundlagen und Forschungsergebnisse haben dieses Regelwerk verändert. Der Praxisbezug ist ein hohes Gut für ein Regelwerk und Garant für die Akzeptanz der bei Planung und Ausführung. Wissenschaftliche Neuerungen müssen für ein so anwendungsorientiertes Regelwerk auch auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft werden.

Industrie, Forschung und Verwaltung hatten die Möglichkeit, Vertreter in die Gremien der FGSV zu entsenden und haben sich aktiv und kritisch an der Gestaltung der Regelwerke mitgewirkt.

3 Aktuelle Tätigkeiten

Die FGSV ist innerhalb der AG 4 breit aufgestellt (Bild 3).

In den Arbeitsausschüssen und Arbeitskreisen sind ca. 150 Mitglieder in den Themen PMS, Oberflächeneigenschaften, Substanzwertermittlung, Dimensionierung und Wirtschaftlichkeit von Bauweisen für den Streckenbau engagiert.

Dazu kommen ca. 50 Mitglieder, die gezielt die Bereiche Betriebsdienst und Winterdienst – also die dringend notwendige Pflege der Straßen – begleiten und vorantreiben.

Für den Flughafenbau werden von ca. 15 Mitgliedern alle genannten Schwerpunkte für diesen speziellen Infrastrukturbereich zusammengeführt. Kostendruck und Zeitdruck sind hier besonders anzusprechen. Dazu kommt zwingend die Einbindung in weltumspannende Technische Standards.

Diesen fleißigen Menschen sei hiermit für die geleistete Arbeit gedankt.

Im Anhang zu diesen Ausführungen befindet sich eine Übersicht der in diesem Umfeld durchgeführten Forschungsvorhaben. Die genannten Forschungsarbeiten geben eine Ahnung ob der Vielfalt der bearbeiteten Themen. Nähere Informationen sind über die FGSV möglich.

An dieser Stelle gilt es insbesondere dem BMVI für die zur Verfügung gestellten Mittel zu danken, aber auch den Forschungsnehmern für hochwertige Arbeit und den Betreuern für die arbeitsintensive Begleitung dieser Forschungen.

Bild 3: Übersicht der Arbeitsausschüsse in der Arbeitsgruppe 4 Infrastrukturmanagement

Als einzelnes Thema, in dem viel Forschungsarbeit geleistet wurde, sei hier beispielhaft die Entwicklungen um die rechnerische Dimensionierung hervorgehoben (Bild 4).

Wir verfügen nun mit den RDO Asphalt und den RDO Beton über Richtlinien, wie rechnerisch zu dimensionieren ist. Diese Regelwerke können auf aktualisierte Datengrundlagen wie Temperaturganglinien oder je Verkehrskollektiv unterschiedliche Spannungsverteilungen zurückgreifen. Dazu wurden ergänzende Prüfvorschriften erstellt.

Diese Vorgehensweise erfährt sehr unterschiedliche Anwendung. Zumindest bei hoch belasteten Straßen und bei Sonderflächen oder Sonderlösungen werden die RDO jedoch zunehmend hilfreich.

Es steht nun ein umfassendes Werkzeug zur Dimensionierung zur Verfügung. Es liegt an uns, es anzuwenden und über Erfahrungen mit der Anwendung zu berichten. Nur so kann das Thema weiter entwickelt werden.

Auch der aktuelle Stand zur strukturellen Substanzbewertung wäre ohne diese Weiterentwicklung so noch nicht erreicht.

Nachfolgend seien kurz einige Themen dargestellt, in denen wichtige Forschungen und Regelwerksentwicklungen zur Zeit stattfinden.

Das Management der Straßenerhaltung ist Kerngebiet des Umgangs mit Infrastruktur. Die theoretischen Grundlagen stehen zur Verfügung, es mangelt an der praktischen Umsetzung und am Rücklauf aus der Praxis.

Wichtig ist zunächst einmal eine umfassende Festlegung des Erhaltungsbedarfs und Feststellung eines Planes zur Umsetzung von Maßnahmen. Dabei müssen die Zielmarken genannt und ein Lösungsweg unter Berücksichtigung verschiedener sozialer Gruppen – sowie bei Berücksichtigung der Finanzmittel – skizziert werden.

Bild 4: Die neue RDO Asphalt 09 mit Skizze und Bild zum Spaltzugschwellversuch sowie einer Übersicht zum hochbelasteten BAB Netz in Nordrhein-Westfalen, Quelle: FGSV und Straßen.NRW

Grundlage hierfür ist eine umfassende, transparente und belastbare Datenermittlung und -ablage.

Der Plan muss in die Tat umgesetzt werden. Hierzu sind im Bestand umfangreiche Voruntersuchungen notwendig. Diese unterscheiden sich in vielfältiger Hinsicht von den beim Neubau notwendigen. Die Maßnahme ist bei Berücksichtigung des Geschehens im Verkehrsnetz mit vielen anderen Maßnahmen zu koordinieren. Es ergeben sich oft enge Zeitfenster, die zwingend einzuhalten sind. Die eigentliche Baustelle muss aufwendiger vorbereitet und plangetreu abgewickelt werden.

Der Straßennutzer möchte eigentlich nur sicher und komfortabel die Straße befahren können.

Um dies zu gewährleisten, muss der Zustand der Straßenoberfläche systematisch erfasst werden. Spannende neue Entwicklungen sind hier die berührungslose dreidimensionale Oberflächenerfassung sowie die Auswertung dieser Messungen.

Die Fahrbahnoberfläche kann nur konstant Ihre Dienste dem Nutzer anbieten, wenn sie eine dauerhafte Unterlage hat.

Die Unterlage ist kaum optisch zu kontrollieren. Es interessiert daher insbesondere die zerstörungsfreie und zeitraffende Substanzermittlung. Für die Zukunft wird es wesentlich sein, auf nachvollziehbaren, vereinheitlichten Wegen die strukturelle Substanz von bestehenden Befestigungen zu beschreiben und zu bewerten.

Weiterhin wesentlich ist es sich über die Erfahrungen mit der oben genannten, noch immer neuen, rechnerischen Dimensionierung und der Wirtschaftlichkeit von Bauweisen auszutauschen.

Zusätzlich zu diesen aktuellen Themen und Tendenzen des Infrastrukturmanagements in der FGSV gehören auch der Straßenbetrieb und der Winterdienst.

Ohne regelmäßige Pflege und manchmal stündliches Räumen ist die Infrastruktur nicht nutzbar. Dabei gilt es auch Veränderungen im Aufwand für den Straßenbetrieb im Auge behalten.

Ein schlechter Straßenzustand erfordert mehr Aufwand in der Unterhaltung als eine neue, gleichmäßige und dichte Fahrbahnoberfläche.

Ziel muss es sein, diesem Zusammenhang bereits in der Planung und auch im Bau vermehrt Rechnung zu tragen.

4 Ausblick

Eine absehbare Entwicklung ist der Wunsch, die Leistungsfähigkeit der Verkehrswege aufrecht zu erhalten und zukunftsfähig zu gestalten. Dafür sind weiterhin Lückenschlüsse und Erweiterungen im Neubau notwendig, die wesentlichen Arbeiten werden jedoch im Bestand stattfinden.

Zu berücksichtigen sind auch verstärkte Anforderungen an die Infrastruktur von Seiten der Anwohner. Hier ist insbesondere die Lärmentwicklung von Verkehrskorridoren zu reduzieren. Möglichkeiten dazu sind unter anderem in dem neuen „Arbeitspapier Textureinfluss auf die akustischen Eigenschaften von Fahrbahndecken“ genannt.

Es werden stärker als bisher globale Entwicklungen zu berücksichtigen und umzusetzen sein. Schlagworte wie Klimawandel, CO2-neutrale Vergabe, europäisches Recht oder Materialkostenentwicklung zeigen auf, wie grundlegend sich manche Themen verändern können.

Die Arbeitsgruppe Infrastrukturmanagement versucht ihren Teil der sich verändernden Welt gewinnbringend für die Sache zu beeinflussen.

Nicht alles wird Bestand haben, jedoch wird die rechtzeitige Herangehensweise an viele Forschungsvorhaben und Regelwerke entscheidend für eine Richtungsgebung sein.

Viele weitere Trends werden die Bewältigung der Aufgaben unterstützen.

Schnelle technische Entwicklungen sind zu erwarten bei der Weiterentwicklung der Messtechnik, hier insbesondere bei der Lasertechnik, der Sensortechnik und bei der Bildverarbeitung.

Möglichkeiten der Datenhaltung und Handhabung werden in 10 Jahren deutlich weitreichender sein als jetzt.

Waren beispielsweise vor 20 Jahren noch Begehungen der Straße zur Zustandserfassung üblich, sind heute elektronische Bilddatenbanken üblich. Diese werden in absehbarer Zeit auch elektronisch auswertbar sein.

Das wird nicht die maßnahmenscharfe Begehung ersetzen, jedoch Schritt für Schritt die Grundlagen für ein angepasstes Erhaltungsmanagement verbessern.

Die Sensortechnik im Fahrzeug und die car to car Technologien können zu einem veränderten Nutzerverhalten führen. Welche Bedienelemente hat ein Fahrzeugführer in 20 Jahren noch zu bedienen? Was macht er stattdessen?

Eine Schlüsselfunktion könnte der Kommunikationskultur und -technologie zufallen. Lösungen werden nur in transparenter und breit abgestimmter Vorgehensweise möglich sein.

In der Summe rückt das Thema Infrastruktur wieder stärker in die Öffentliche Wahrnehmung. Damit verbunden wird sein der politische Wunsch, diese Themenfelder zu entwickeln und Lösungswege aufzuzeigen.

5 Zusammenfassung

Infrastrukturmanagement umfasst alle Aktivitäten und Prozesse, die notwendig sind, um mit Hilfe bestehender Objekte und Netze über einen gewissen Zeitraum ein Leistungsniveau zu gewährleisten. Dabei sind unterschiedliche Anforderungen aus der Gesellschaft, aus dem Kreis der Nutzer, aus den ökonomischen Zwängen und natürlich auch aus dem Selbstverständnis der Verantwortlichen zusammenzuführen. Ein Zusammenspiel von Bestandsbeschreibung und Prognose ist dabei unerlässlich.

In den Arbeitsausschüssen und Arbeitskreisen sind ca. 200 Mitglieder in den Themen Erhaltungsmanagement, Oberflächeneigenschaften, Substanzwertermittlung, Dimensionierung, Wirtschaftlichkeit von Bauweisen, Betriebsdienst, Winterdienst und Flughafenbau technisch füh- rend engagiert. Industrie, Forschung und Verwaltung haben die Möglichkeit, Vertreter in die Gremien der FGSV zu entsenden, die aktiv und kritisch an der Gestaltung der Regelwerke mitwirken.

Aktuell finden insbesondere bei den Themen Management der Straßenerhaltung, Substanzwertermittlung und Oberflächeneigenschaften interessante Entwicklungen statt. Im Umfeld zukünftiger Entwicklungen wird es entscheidend sein, rechtzeitig einige Forschungsthemen und Regelwerke neu zu gestalten, um sich verändernden Rahmenbedingungen stellen zu können.

Abgeschlossene FA 2009 – 2013
Tabelle siehe PDF