FGSV-Nr. FGSV 002/115
Ort Duisburg
Datum 15.02.2017
Titel Aufstellung eines systematischen Erhaltungsmanagements für die Bundes- und Landesstraßen in Baden-Württemberg
Autoren Dr.-Ing. Slawomir Heller, Marcel Zembrot
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Bei der Aufstellung eines systematischen Erhaltungsmanagements spielen die Transparenz des technischen Verfahrens sowie deren effiziente Einbindung in alle relevanten Geschäftsprozesse eine entscheidende Rolle. Baden-Württemberg praktiziert dabei seit dem Jahr 2012 ein 2-stufiges Verfahren. Auf der ersten Stufe werden durch das Ministerium für Verkehr anhand der registrierten Zustandsdefizite landesweit die Netzbereiche mit einem vordringlichen Erhaltungsbedarf identifiziert und dokumentiert. Auf der zweiten Stufe, d. h. auf der Ebene der Regierungspräsidien erfolgt die Umsetzung dieser Informationen in die Erhaltungsprogramme sowie konkrete Bauprogramme. Für die Sicherstellung des einheitlichen Erhaltungsstandards in den Netzen der Bundes- und Landesstraßen, trotz der Dezentralisierung der Planungsaktivitäten, ist die Erarbeitung der Planungsunterlagen durch das Ministerium für Verkehr nach einem einheitlichen Standard und deren Bereitstellung für das ausführende Personal von größter Bedeutung. In dem vorliegenden Beitrag werden die wichtigsten Elemente des praktizierten Planungsverfahrens vorgestellt.

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1 Straßennetz und Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg

Die große Herausforderung der Zukunft in Bezug auf die Sicherstellung der Mobilität in Baden-Württemberg wird der Erhalt der existierenden Infrastruktur sein. In den vergangenen Jahrzehnten wurde im Bereich der Straßen, Brücken und Tunnel ein immenses Vermögen geschaffen. Die Verpflichtung des Landes für diese und zukünftige Generationen wird sein, diese Infrastruktur erwartungsgerecht zu erhalten. Die Landesregierung setzt dementsprechend den Schwerpunkt auch auf den Erhalt und die Sanierung der Straßeninfrastruktur.

Das Straßennetz Baden-Württemberg ist mit circa 1.050 Kilometern Autobahn, 4.370 Kilometern Bundesstraße sowie ca. 9.900 Kilometern Landesstraße gut ausgebaut. Die Länge der Kreisstraßen summiert sich auf ca. 12.100 Kilometer (Bild 1).

Oberste Straßenbaubehörde im Land ist das Ministerium für Verkehr. Die vier Regierungspräsidien Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen sind zuständig für die anfallenden operativen Aufgaben in ihrem Regierungsbezirk. Unter anderem steuern und koordinieren sie die finanzielle und technische Planung sowie den Bau und die Erhaltung von Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen.

Bild 1: Netz der Bundesfern- und Landesstraßen in Baden-Württemberg

Die operativen Aufgaben im Zusammenhang mit der Planung und Realisierung der Erhaltungsaktivitäten werden in den Regierungspräsidien von den so genannten Baureferaten übernommen. Sie sind als Außenstellen der jeweiligen Regierungspräsidien installiert und verfügen durch die Präsenz vor Ort über erforderliche Kenntnisse, um solche operativen Entscheidungen treffen zu können. Das Bild 2 zeigt die vier Regierungsbezirke und die Zuständigkeitsbereiche der 13 Baureferate in Baden-Württemberg.

Bild 2: Regierungspräsidien (RP) und Baureferate in Baden-Württemberg

2 Organisation der Erhaltungsplanung

Die Aufgaben der Erhaltungsplanung werden auf zwei Entscheidungsebenen getroffen: auf der Ebene des Verkehrsministeriums und auf der Ebene der Regierungspräsidien.

Die Aufgaben des Landes Baden-Württemberg werden durch das Ministerium für Verkehr, mit Unterstützung der Landesstelle für Straßentechnik, koordiniert. Zu den wichtigsten Aufgaben zählen die Folgenden:

  • Festlegung des langfristigen Erhaltungsbedarfs,
  • Reguläre und systematische Erhebung, Verwaltung und Bereitstellung der für das Erhaltungsmanagement relevanten Daten (u. a. Zustands-, Aufbau- und Verkehrsdaten),
  • Festlegung des mittelfristigen (4 Jahre) Erhaltungsbedarfs anhand der Zustandsdaten und Festlegung des Schlüssels für die Verteilung der Erhaltungsmittel an die Regierungspräsidien,
  • Erstellung der Planungsunterlagen mit erhaltungsbedürftigen Abschnitten und weitergehenden Hilfsinformationen für die operative Planung durch die Regierungspräsidien und Baureferate sowie
  • Information der politischen Entscheidungsträger sowie der Öffentlichkeit.

Die Aufgaben der Regierungspräsidien konzentrieren sich demnach auf Folgendes:

  • Verifizierung der Ergebnisse des systematischen Erhaltungsmanagements auf Grundlage der Vorortkenntnis,
  • Konkretisierung der Vorschläge zu Erhaltungsmaßnahmen in Baureferaten im Rahmen verfügbarer Mittel sowie
  • Aufstellung eines Erhaltungsprogramms und die Entwicklung eines jährlichen Bauprogramms in Abstimmung mit dem Verkehrsministerium.

Diese Aufgabenteilung resultiert aus der generellen Herangehensweise bei der Aufstellung des Erhaltungsprogramms. Auf der Landesebene werden die Fragen bezüglich der Lokalisierung der Erhaltungsmaßnahmen beantwortet, während auf der Ebene der Regierungspräsidien die Reihenfolge der Durchführung sowie die Art der Maßnahmen definiert werden (Bild 3).

Bild 3: Aufteilung der Aufgaben zur Erhaltungsplanung zwischen dem Land und den Regierungspräsidien

Die Erhaltungsplanung in Baden-Württemberg umfasst folgende vier Hauptschritte

  • Erfassung notwendiger Daten

    Für die rationelle Planung der Erhaltung sind abgesicherte und flächendeckend vorliegende Daten erforderlich, die in der Straßeninformationsbank des Landes TT-SIB sowie in weiteren Datenbeständen verwaltet werden. Die Zustandsdaten spielen dabei eine besondere Rolle. Die terminliche Bereitstellung der Zustandsdaten in gesicherter Qualität sowie in geforderter Vollständigkeit und Aktualität ist für das Erhaltungsmanagement essentiell. Die Aufbau- und Verkehrsdaten sind ebenfalls von fundamentaler Bedeutung.

    Die Zustandsdaten auf Bundesfernstraßen sowie die Verkehrsdaten werden turnusmäßig im Rahmen standardisierter und bundesweit einheitlicher Erhebungen erfasst und ausgewertet. Dagegen sind die Abläufe bei der Erfassung der Aufbaudaten noch nicht einheitlich organisiert und gesteuert, so dass die Aktualität und Vollständigkeit der Aufbaudaten nicht flächendeckend gewährleistet ist. Dies trifft insbesondere für die Landesstraßen zu.

    Diesem Umstand wird in dem Verfahren zur Erhaltungsplanung Rechnung getragen, indem die hohen Anforderungen an die Aktualität der Aufbaudaten und somit die Aufwendungen deren Beschaffung primär für die Strecken mit dem Erhaltungsbedarf gelten.

  • Bildung der Erhaltungsabschnitte und Schlüssel für die Mittelverteilung

    Die Erhaltungsabschnitte werden anhand der erfassten Zustandsdaten nach automatischen und für die gesamten Netze der Bundes- und Landesstraßen einheitlichen Regeln gebildet. Die Erhaltungsabschnitte gelten als maßgebende Vorschläge für die Erhaltungsmaßnahmen, die im nächsten Schritt nach ingenieurmäßigen Kriterien durch die zuständigen Baureferate geplant werden.

  • Erstellung und Bereitstellung der Planungsunterlagen

    Die anhand der landesweit einheitlichen Kriterien erstellten Erhaltungsabschnitte werden ausführlich dokumentiert. Darüber hinaus werden weitere landesweit vorliegende und für die Erhaltungsplanung relevante Daten bereitgestellt. Um sicherzustellen, dass die Planungsunterlagen und alle erforderlichen Daten das mit der Erhaltungsplanung betraute Personal erreichen, werden speziell dafür implementierte Onlinedienste bereitgestellt.

    Dadurch soll die Vergleichbarkeit und Harmonisierung der Erhaltungsprogramme gesichert werden, was infolgedessen zu einem gleichwertigen Zustand im gesamten Netz des Landes Baden-Württemberg beiträgt.

  • Konkretisierung des Erhaltungsprogramms

    Die durch das Land erarbeiteten Vorgaben zu den Erhaltungsabschnitten werden in den Baureferaten der Regierungspräsidien analysiert, entsprechend an die Situation vor Ort angepasst und konkretisiert. Darüber hinaus wird über die Maßnahmenarten und die Reihenfolge der Umsetzung entschieden.

    Die endgültige Verabschiedung der Erhaltungsprogramme sowie der darauf aufbauenden jährlichen Bauprogramme erfolgt in Abstimmung zwischen dem Verkehrsministerium und den Regierungspräsidien. Die Ergebnisse werden regelmäßig in einer Landespressekonferenz vorgestellt und online der Öffentlichkeit präsentiert.

Im folgenden Kapitel werden einige ausgewählte Elemente der Erhaltungsplanung vorgestellt.

3 Zustandserfassung und -bewertung

3.1 Erhaltungsbedarfszahl

Die Zustandsbewertung der Bundesstraßen erfolgte nach den in 2015 modifizierten bundeseinheitlichen Regeln. Die Bewertung der Landesstraßen erfolgte in Anlehnung an die Bewertung der Bundesstraßen, es wurden jedoch einige notwendige Anpassungen vorgenommen. Die Auswirkungen der neuen Bewertung auf die Ergebnisse der ZEB sowie auf die Ergebnisse der Erhaltungsplanung wurden in einer umfassenden Vorstudie untersucht.

Für die Zwecke der Maßnahmenplanung war es erforderlich, einen weiteren Indikator zu entwickeln, der den Erhaltungsbedarf jedes einzelnen ZEB-Abschnitts (100 m bzw. 20 m in Ortsdurchfahrten) bestimmt. Dieser Indikator, Erhaltungsbedarfszahl oder kurz Bedarfszahl (BZ), wird aus den Teilwerten Substanz- und Gebrauchswert abgeleitet, wobei die Formel für die Berechnung beider Teilwerte geringfügiger Modifikationen unterzogen wird. Für diese „modifizierten“ Substanz- und Gebrauchswerte wird anschließend die Bedarfszahl anhand folgender Formel berechnet:

BZ = (GEWGEB x (GEBmodif. - 1) + GEWSUB x (SUBmmodif. - 1)) / 4

Die Gewichtungen für die beiden Teilwerte (GEWGEB und GEWSUB) wurden auf der Grundlage umfassender Diskussionen im Kreis der Entscheidungsträger in Baden-Württemberg entsprechend auf: 20 und 80 gesetzt. Die Formel zur Berechnung der Bedarfszahl lautet somit:

BZ = (20 x (GEBmodif. - 1) + 80 x (SUBmodif. - 1)) / 4

Die höchste Bedarfszahl, d. h. 100 Punkte, weisen die ZEB-Abschnitte mit beiden modifizierten Teilwerten über dem Schwellenwert auf, die Bedarfszahl für die ZEB-Abschnitte mit den Teilwerten gleich 1,0 beträgt hingegen 0 Punkte (kein Erhaltungsbedarf).

Das Bild 4 zeigt die „Bedarfsmatrix“, welche den Verlauf der Bedarfszahl illustriert.

Die Bedarfszahl (0 bis 100 Punkte) ist einer der möglichen Maßstäbe für die Quantifizierung des Erhaltungsbedarfs. Einige Bundesländer verwenden an dieser Stelle die Dringlichkeitsklasse [1].

Bild 4: Diagramm zur Ermittlung der Bedarfszahl anhand modifizierter Gebrauchs- und Substanzwerte

3.2 Informationen über die durchgeführten Maßnahmen

Die ZEB-Messungen werden alle vier Jahre durchgeführt und behalten ihre Gültigkeit für die gesamte Zeit zwischen den Erfassungen. Die Erhaltungsabschnitte werden direkt nach der Freigabe der ZEB-Ergebnisse gebildet und innerhalb der nächsten vier Jahre jährlich aktualisiert. Diese Aktualisierung ist erforderlich, da die seit dem Zeitpunkt der letzten ZEB durchgeführten Maßnahmen zu berücksichtigen sind.

Als Ergänzung der ZEB-Daten müssen somit alle baulichen Aktivitäten identifiziert werden, welche den Zustand beeinflussen – vor allem die Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen. Dadurch soll verhindert werden, dass das Erhaltungsprogramm für das jeweilige Kalenderjahr Abschnitte beinhaltet, welche bereits vor kurzem behandelt wurden.

Die Informationen über durchgeführte Maßnahmen werden von den jeweiligen Regierungspräsidien gemeldet. Um den Meldeprozess zu optimieren, wird auf die SAP-Daten zurückgegriffen und die Lokalisierungsangaben mit Hilfe einer speziell für diese Zwecke entwickelten Software VANeLo [2] codiert.

4 Automatische Bildung der Erhaltungsabschnitte

Ziel der automatischen Bildung der Erhaltungsabschnitte ist es, den realistischen Erhaltungsbedarf zu ermitteln sowie auf die Lokalisierung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen hinzuweisen.

In Abstimmung mit den Straßenbauverwaltungen mehrerer Bundesländer ist Ende der 1990er Jahre ein Verfahren zur Aggregation erhaltungsbedürftiger ZEB-Abschnitte in die Erhaltungsabschnitte erarbeitet worden und wird seither sukzessiv weiterentwickelt. Diese Aggregation erfolgt nach einem automatischen Algorithmus.

Dieser Algorithmus ist parametrisierbar und kann dadurch für alle Straßenklassen angewendet werden. Zudem kann er unterschiedliche Präferenzen verschiedener Verwaltungsebenen und -bereichen berücksichtigen.

Die wichtigsten Parameter zur Bildung der Erhaltungsabschnitte bestimmen:

  • das Kriterium der Erhaltungsbedürftigkeit der ZEB-Abschnitte (z. B. Erhaltungsbedarfszahl über 50 Pkt.),
  • die Mindestlänge des Erhaltungsabschnittes (z. B. 500 m für die Bundesstraßen),
  • den maximalen Anteil einzelner ZEB-Abschnitte in einem nicht erhaltungsbedürftigen Zustand, d. h. unter 50 Punkte, die aus pragmatischen Gründen trotzdem in den Erhaltungsabschnitt integriert werden (z. B. 40 %).

Für die Ortsdurchfahrten und freien Strecken können unterschiedliche Parameterwerte festgelegt werden. Der Algorithmus regelt auch die Bildung der Erhaltungsabschnitte auf dem Übergang zwischen der freien Strecke und der Ortsdurchfahrt.

Darüber hinaus gibt es weitere Parameter, die es erlauben, das Erfahrungswissen aus der praktischen Anwendung zu berücksichtigen. Ein Beispiel der automatisch gebildeten Erhaltungsabschnitte wird im Bild 5 illustriert.

Die automatische Bildung der Erhaltungsabschnitte bestimmt den Kern des gesamten Verfahrens zur Erhaltungsplanung.

Die Erhaltungsabschnitte sind keineswegs als starre Vorgabe für die Erhaltungsmaßnahmen zu verstehen, sondern liefern eine grobe Orientierung hinsichtlich der Konzentration der Abschnitte in erhaltungsbedürftigem Zustand. Die endgültige räumliche Lage der Maßnahmen muss sich auch an Kriterien orientieren, die nur vor Ort zu bestimmen sind. Die Erhaltungsabschnitte eignen sich jedoch sehr gut, um den groben, kurzfristigen Erhaltungsbedarf sowie den Schlüssel für die Verteilung der Erhaltungsmittel an die Straßennetze der Regierungspräsidien und der Baureferate zu bestimmen.

Die Entscheidung bezüglich der Art der Erhaltungsmaßnahmen kann nur durch das ortskundige Personal getroffen werden. Dabei sind zahlreiche Kriterien zu berücksichtigen, die weit über solche hinausgehen, die in der Straßeninformationsbank des Landes verwaltet werden.

Bild 5: Verfahren zur Bildung der Erhaltungsabschnitte

5 Schlüssel für die Mittelverteilung

Der Zustand der Fahrbahnbefestigung stellt mit einer Gewichtung von 50 % das wichtigste Kriterium für die Verteilung der Erhaltungsmittel unter den Regierungsbezirken und Baureferaten dar. Maßgeblich für die Mittelverteilung sind dabei nicht die absoluten Längen der ZEB-Abschnitte in erhaltungsbedürftigem Zustand, sondern die Längen der Erhaltungsabschnitte [3]. Dadurch korrespondiert die Verteilung der Erhaltungsmittel stärker mit dem tatsächlichen Erhaltungsbedarf. Dabei werden die Teilnetze mit einer höheren Konzentration an erhaltungsbedürftigen Abschnitten bevorzugt.

Die weiteren Kriterien, mit jeweils 25 %, umfassen die gesamte Verkehrsleistung sowie die Verkehrsfläche. Die Analyse beschränkt sich dabei auf die Straßen einer bestimmten Klasse, in dem geschilderten Fall auf die Bundesstraßen.

Im Bild 6 wird das Prinzip der Ermittlung des Verteilungsschlüssels schematisch visualisiert.

Bild 6: Prinzip der Ermittlung des Verteilungsschlüssels für die Erhaltungsmittel

6 Erstellung der Planungsunterlagen

Die Aufgabe der Baureferate ist es, die durch das Ministerium anhand landesweit einheitlicher Kriterien vorgeschlagenen Erhaltungsabschnitte zu analysieren, zu plausibilisieren und zu entscheiden, wie diese Vorschläge bei der Erstellung des Erhaltungsprogramms zu berücksichtigen sind. Die Erhaltungsabschnitte können dabei verlängert bzw. gekürzt werden. Zwei oder mehrere Erhaltungsabschnitte werden oft zu einer Erhaltungsmaßnahme zusammengefügt. Darüber hinaus werden auch weitere aufgrund des Zustands nicht in Betracht gezogene Abschnitte in das Programm aufgenommen, sofern andere gewichtige Gründe hierfür vorliegen (z. B. die Koordination mit Maßnahmen Dritter).

Eine wichtige Entscheidung, die ausschließlich auf Grundlage der vor Ort gewonnenen Erkenntnisse zu treffen ist, betrifft die Art der Maßnahme. Auch die Reihenfolge der Realisierung einzelner Maßnahmen wird durch die Baureferate festgelegt. Die zentral anhand des Zustands erstellten Prioritätslisten geben dabei den Rahmen vor.

Für die Sicherstellung einer möglichst guten und landesweit einheitlichen Datengrundlage für die Aufstellung der Bauprogramme in einzelnen Baureferaten werden gezielt Planungsunterlagen erstellt, die primär die Erhaltungsabschnitte charakterisieren. Um die Aufstellung des Erhaltungsprogramms zu unterstützen, werden ebenfalls wichtige, entscheidungsrelevante Daten für das gesamte Straßennetz bereitgestellt und visualisiert.

Planungsunterlagen, die das Ministerium für Verkehr erstellt und an die Regierungspräsidien liefert, beinhalten unter anderem:

  • Listen und Dossiers mit Erhaltungsabschnitten,
  • Netzkarten mit Erhaltungsabschnitten,
  • Streckenbänder mit relevanten Informationen für die Erhaltungsplanung.

6.1 Listen und Dossiers mit Erhaltungsabschnitten

Alle Erhaltungsabschnitte werden in Listen zusammengestellt und nach dem Mittelwert der Bedarfszahl absteigend sortiert. Zu jedem Erhaltungsabschnitt werden, neben der eindeutigen Lokalisierung, auch die wichtigsten Kennzahlen in Bezug auf den Zustand, Verkehrsbelastung und Aufbau (Alter der Deck- und Tragschicht) angegeben.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten zur Priorisierung einzelner Erhaltungsabschnitte. Die primäre Priorisierung orientiert sich an den Zustandsdaten (Mittelwert der Bedarfszahl). Zu jedem Erhaltungsabschnitt werden jedoch auch weitere Kennzahlen ermittelt und in der Liste zusammengestellt. Dazu zählen die Verkehrsbelastung im Bereich des Erhaltungsabschnitts, ein komplexer Indikator, der sowohl den Zustand als auch die Verkehrsbelastung berücksichtigt (sog. Gewichteter Gesamtwert GG), sowie das Jahr der letzten Maßnahme und das Jahr der letzten grundhaften Erneuerung. Den Baureferaten ist überlassen, wie diese Kennzahlen bei der Ausarbeitung der Erhaltungs- und Bauprogramme Berücksichtigung finden.

Die Listen mit Erhaltungsabschnitten werden für das gesamte Netz des Landes Baden-Württemberg, für die einzelnen Regierungsbezirke und für die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Baureferate erstellt. Im Bild 7 ist ein Ausschnitt aus der Liste der Erhaltungsmaßnahmen für ein Baureferat abgebildet.

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Erhaltungsabschnitten sind in den Dossiers enthalten. In jedem Dossier-Blatt werden die statistischen Informationen zu allen ZEB-Indikatoren zusammengestellt und ein Link zu entsprechender Stelle des OnKo2-Systems angegeben (Bild 8).

Sowohl in den Listen mit Erhaltungsmaßnahmen als auch in den Dossiers werden einige Kennzahlen zu den Aufbaudaten angegeben (z. B. Alter der Deck- und Tragschicht). Diese Angaben werden anhand der Daten aus der Datenbank des Landes ermittelt. Da die Vollständigkeit der Daten sowie deren Aktualität nicht in allen Fällen zufriedenstellend ist, müssen diese während der Aufstellung des Erhaltungsprogramms einer Plausibilisierung unterzogen werden.

Bild 8: Dossier mit Daten zu einem Erhaltungsabschnitt

6.2 Netzkarten mit Erhaltungsabschnitten

Die Netzkarten mit Erhaltungsabschnitten gelten als Grundlage für die Visualisierung des Erhaltungsbedarfs und der Schwerpunkte angestrebter Erhaltungsaktivitäten. Diese Karten ermöglichen es auch, potenzielle Konflikte zwischen den Erhaltungsabschnitten zu erkennen und unerwünschte verkehrliche Auswirkungen größerer, zur gleichen Zeit geplanter Maßnahmen zu identifizieren. Die bestmögliche und dauerhafte Verfügbarkeit des Netzes trotz Bauaktivitäten gehört stets zu den wichtigsten Geboten des nachhaltigen Erhaltungsmanagements.

Auf den Karten werden neben den vorgeschlagenen Erhaltungsabschnitten auch weitere entscheidungsrelevante Informationen angegeben, wie die seit der letzten ZEB durchgeführten Maßnahmen und Bauwerke mit dem erfassten Zustand (Bild 9).

Die Inhalte der Netzkarten werden auf die wichtigsten Daten beschränkt, damit die Lesbarkeit und Transparenz gesichert sind. Bei Bedarf stehen weiterführende, detailliertere Informationen online zur Verfügung.

Bild 9: Beispiel einer Netzkarte mit Erhaltungsabschnitten und ergänzenden Daten

6.3 Streckenbänder

Für die Erstellung des Erhaltungsprogramms durch die Baureferate werden auch weitere Datengruppen berücksichtigt, wie z. B. Aufbaudaten, Daten zu letzten Maßnahmen, Verkehrsdaten, Bauwerksdaten oder Querschnittsdaten. Einige dieser für die Erhaltungsplanung relevanten Daten werden zwar bereits auf den Karten visualisiert, jedoch nicht mit ausreichender Präzision und Detaillierung. Aus diesem Grund werden diese Daten auf Streckenbändern visualisiert.

Im Bild 10 ist ein Beispiel eines Streckenbandes visualisiert.

Bild 10: Streckenband für die Unterstützung der Erhaltungsplanung

6.4 Interaktive Visualisierung der Daten für die Maßnahmenplanung

Für viele praktische Anwendungen werden detailliertere Daten benötigt, die weit über den Datenbestand der Straßeninformationsbank TT-SIB hinausgehen. Dabei handelt es sich vorwiegend um ZEB-Rohdaten und Streckenbilder. Auch die hochauflösenden Bilder der Fahrbahnoberfläche sind von Bedeutung, vor allem für die Analyse der Schadensursachen, und hilfreich für die Bestimmung geeigneter Maßnahmenarten.

Alle diese Daten werden dem mit der Erhaltungsplanung betrauten Personal online bereitgestellt. Das dafür konzipiertes System OnKo2 ist bereits seit mehreren Jahren bei den Regierungspräsidien im Einsatz. OnKo2 stellt alle entscheidungsrelevanten Daten online zur Verfügung und ermöglicht es, gezielt vertiefte Analysen zu den gewünschten Netzbereichen vorzunehmen. Das Bild 11 zeigt einen Screenshot aus der OnKo2-Applikation.

Bild 11: OnKo2 im Dienste der Erhaltungsplanung

7 Kennzahlen für die strategische Planung

Ein wichtiger Bestandteil der strategischen Erhaltungsplanung auf der Netzebene und Voraussetzung für das rationelle Asset Management ist die Ermittlung und Interpretation der wichtigsten Kennzahlen zur Bewertung bisheriger (Controlling) und geplanter Erhaltungsstrategien. Eine besondere Rolle spielen dabei die Key Performance Indicators (KPIs) [4].

In Baden-Württemberg sollen künftig solche Kennzahlen nach jeder durchgeführten ZEB-Kampagne routinemäßig ermittelt werden. Sie bilden die notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Steuerungs- und Koordinierungsaufgaben durch das Ministerium für Verkehr.

Die Kennzahlen werden mit Hilfe eines speziell für solche Aufgaben entwickelten Auskunftssystems hiATLAS ermittelt und online in Form dynamischer Berichte visualisiert. Damit können neben den statistischen Kennzahlen für die Regierungsbezirke, Baureferate und Landkreise auch die räumlichen Disparitäten bestimmt und visualisiert werden.

Die Kennzahlen sollen in dynamischen Berichten präsentiert werden. Dynamische Berichte setzen sich aus thematischen Karten, Tabellen und Diagrammen zusammen und können durch die Anwender konfiguriert werden, damit die gewünschten Zusammenhänge gezielt angefragt werden können. Im Bild 12 ist ein Beispiel eines dynamischen Berichts dargestellt.

Bild 12: Dynamischer Bericht mit strategischen Kennzahlen

8 Zusammenfassung und Ausblick

Das in Baden-Württemberg angewendete Verfahren für das systematische Erhaltungsmanagement im kurz- und mittelfristigen Planungshorizont (1 bis 4 Jahre) für die Bundes- und Landesstraßen ist seit dem Jahr 2012 im Einsatz. Das Grundprinzip der Maßnahmenplanung baut auf einer Aufgabenteilung zwischen dem Land, vertreten durch das Ministerium für Verkehr, und den Regierungspräsidien auf. Das Ministerium stellt die relevanten Daten, wie z. B. Zustands-, Aufbau- und Maßnahmendaten, bereit und plant die Erhaltungsabschnitte, die als maßgebender Vorschlag für ein Erhaltungsprogramm sowie ein darauf aufbauendes Bauprogramm dienen. Darüber hinaus wird auf Grundlage dieser Daten der Schlüssel für die Verteilung der Erhaltungsmittel auf die einzelnen Regierungspräsidien festgelegt.

Die Regierungspräsidien konkretisieren die Erhaltungsprogramme, indem die Lokalisierung der Erhaltungsabschnitte an die Situation vor Ort angepasst wird, und bestimmen die Maßnahmenarten. Das endgültige Erhaltungsprogramm sowie das daraus abgeleitete jährliche Bauprogramm ist das Resultat der Abstimmung zwischen dem Ministerium für Verkehr und der zuständigen Abteilungen in den Regierungspräsidien.

Um dazu beizutragen, dass trotz dezentraler Aufstellung der Erhaltungsprogramme die einheitlichen Standards und Anforderungen erfüllt und die gleichwertigen Zustände im gesamten Land sichergestellt werden, erstellt das Ministerium die Planungsunterlagen nach einem einheitlichen Standard und verteilt sie an alle Regierungspräsidien. Zur Kontrolle der Erhaltungsziele werden künftig auch Kennzahlen ermittelt, die einerseits den Erfolg der Erhaltungsprogramme und andererseits die geografischen Disparitäten, d. h. Ungleichheiten zwischen den Regionen (vor allem zwischen Landkreisen), bewerten.

Das eingesetzte Verfahren genießt eine hohe Akzeptanz sowohl bei den ausführenden Einheiten als auch in der Politik. Die für das Verfahren charakteristische hohe Transparenz aller Entscheidungsprozesse führt dazu, dass kontinuierlich zahlreiche Vorschläge zu Modifikationen entstehen, die sukzessiv umgesetzt werden und somit zu einer kontinuierlichen Verbesserung führen.

Für die nahe Zukunft ist vorgesehen, das Verfahren zur Erhaltungsplanung um Methoden zur Ermittlung der globalen Kennzahlen (KPIs – Key Performance Indicators) zu erweitern und es noch stärker in die relevanten Geschäftsprozesse der Verwaltung zu integrieren.

Literaturverzeichnis

  1. Zettl, W.: Koordiniertes Erhaltungs- und Bauprogramm (KEB) auf Bundes- und Staatsstraßen, bauintern, Erhaltungsmanagement an Straßen in Bayern, Sonderheft August 2011
  2. Ruess, M.: VANeLo – Verifizierung der ASB-Netz-Lokalisierungen, Benutzerhandbuch, HELLER Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt, 2015 (unveröffentlicht)
  3. Heller, S.: Methods for Pavement Maintenance Planning at Operational Level and Distribution Maintenance Funds among Sub-Networks, Routes/Roads, PIARC, 2nd Quarter 2015
  4. Degelmann, R.; Heller, S.: Kennzahlen zur systematischen Beschreibung und Weiterentwicklung der Straßeninfrastruktur im Freistaat Bayern, Straßenverkehrstechnik, Kirschbaum Verlag, Juni 2016