FGSV-Nr. FGSV 002/93
Ort Bamberg
Datum 12.02.2009
Titel Substanzbewertung – Zerstörungsfrei arbeitende Messverfahren zur Substanzbewertung
Autoren Prof. Dr.-Ing. Andreas Großmann
Kategorien Infrastrukturmanagement
Einleitung

Allgemein bekannt ist, dass der im Rahmen der netzweiten Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) abgeleitete „Substanzwert, Oberfläche“ keine fundierten Hinweise auf Strukturschäden einer Konstruktion liefert, somit auch keine Frühindikatoren für sich abzeichnende Strukturveränderungen vorliegen. Für die Ermittlung eines sogenannten „strukturellen Substanzwertes“ von Verkehrsflächen stehen auf nationaler und internationaler Ebene verschiedene zerstörungsfrei arbeitende Messsysteme zur Verfügung. Zu den bekanntesten Messsystemen – die auch in der Bundesrepublik Deutschland ergänzend bei der systematischen Straßenerhaltung Anwendung finden – zählen das Georadar und vor allem verschiedene Tragfähigkeitsmesssysteme, die je nach Konzeption stationär, bedingt schnellfahrend oder schnellfahrend („Mitschwimmen im Verkehr“) arbeiten.

Zunächst wird der aktuelle Stand in der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Möglichkeiten des Georadars und den verschiedenen Tragfähigkeitsmesssystemen aufgezeigt sowie der Stand des Technischen Regelwerkes dargelegt. Des Weiteren wird kurz auf die Ergebnisse abgeschlossener bzw. laufender Forschungsarbeiten zum FWD eingegangen. Darüber hinaus wird auch Bezug zu dem Vortrag auf der Arbeitsgruppentagung der AG 4 im Jahr 2004 in Weimar „Strukturelle Substanzbewertung basierend auf Messungen mit dem FWD“ und den dort getroffenen Aussagen genommen. Dort wurde die Entwicklung schnellfahrender Tragfähigkeitsmesssysteme für den Einsatz auf Netzebene als erforderlich angesehen. In diesem Zusammenhang werden die verschiedenen derzeit in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Messsysteme vorgestellt sowie abschließend anhand einiger Beispiele der Nutzen von Tragfähigkeitsmessungen als Ergänzung zur derzeitigen Systematik der ZEB aufgezeigt.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einführung in die Thematik

Die Bewertung der vorhandenen Substanz einer Verkehrsfläche ist nach wie vor zentrales Thema in den verschiedenen Fachkreisen. Allerdings ist hierbei nicht immer eindeutig erkennbar, welcher „Substanzwert“ aktuell zur Diskussion steht. Aus dem Bereich der systematischen Straßenerhaltung sind der „Substanzwert, Oberfläche“ und der „Substanzwert, Bestand“ bekannt, die Definitionen in den entsprechenden FGSV-Arbeitspapieren [FGSV, 2001] festgehalten. Häufiger wird derzeit der Begriff der „strukturellen Substanzbewertung“ oder des „strukturellen Substanzwertes“ benutzt. Anhand diesem sollen die strukturellen Eigenschaften der Verkehrsfläche derart beschrieben werden, dass zu einem Bewertungszeitpunkt unter Berücksichtigung der ertragenen und der zu erwartenden Verkehrsbelastung eine noch verbleibende Restnutzungsdauer bis hin zu einem definierten Grenzzustand ermittelt werden kann. Der Stand dieser vielversprechenden Forschungsaktivitäten hierzu wurde bereits mehrfach beschrieben [4, 12].

Grundsätzlich soll bei einer Substanzbewertung die eigentliche Aufgabenstellung und somit auch die Zielsetzung nicht aus den Augen verloren gehen. In diesem Zusammenhang werfen sich z. B. folgende Fragen auf:

  • Soll die eingeschlagene Vorgehensweise zur Substanzbewertung einer groben Abschätzung des künftigen Mittelbedarfs im Rahmen der systematischen Straßenerhaltung genügen oder aber als eine vertragsrelevante Grundlage für eine Bonus-/Malussystem im Rahmen von Funktionsbauverträgen dienen?
  • Wird bei der Substanzbewertung ein gesamtes Netz (z. B. eines Bundeslandes) betrachtet oder ein ausgewähltes Objekt mit einer Loslänge von wenigen Kilometern?

Es ist eindeutig, dass hinsichtlich der Vorgehensweise bei der Substanzbewertung die verschiedenen Möglichkeiten abgewogen werden müssen; es sind Prioritäten zu setzen. Dies hat unter Umständen zur Folge, dass manche Aussagen (die dann aber gemäß der Zielsetzung auch nicht erforderlich sind) nicht getroffen werden können. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang Tragfähigkeitsmessungen angeführt: Mit stationär arbeitenden Messsystemen können auf Objektebene neben den Tragfähigkeitskennwerten sehr detaillierte – für die Bewertung der Tragfähigkeit erforderliche – Informationen zur Temperatur und Feuchtigkeit innerhalb der Konstruktion aufgezeichnet werden. Dies erfolgt stationär und örtlich eingegrenzt durch entsprechend eingebaute Messfühler. Sollten Tragfähigkeitsmessungen künftig mit schnellfahrenden Messsystemen auf gesamten Netzen oder Teilnetzen durchgeführt werden, sind Angaben zum Temperatur- und Feuchtigkeitsverhalten innerhalb der Konstruktion auf diese Art und Weise nicht mehr wirtschaftlich und auch nicht zielführend zu erheben. Insofern müssen hier neue Wege hinsichtlich der Datenerfassung eingeschlagen oder aber Vereinfachungen bei der Interpretation der Daten hingenommen werden.

Nachfolgend sollen die Möglichkeiten für eine Substanzbewertung basierend auf zerstörungsfrei arbeitenden Messsystemen erläutert werden.

2 Zerstörungsfrei arbeitende Messsysteme zur Substanzbewertung

2.1 Substanzbewertung im Rahmen der ZEB

Es ist allgemein bekannt, dass anhand den im Rahmen der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) erhobenen oberflächenbezogenen Daten keine strukturelle Substanzbewertung möglich ist. Die rein aus dem Oberflächenbild abgeleiteten Zustandsdaten liefern wichtige Informationen hinsichtlich der Verkehrssicherheit und der Befahrbarkeit, sie geben allerdings keine ausreichenden Hinweise auf Strukturschäden einer Konstruktion. Darüber hinaus stehen anhand dieser Messungen keine Frühindikatoren für sich abzeichnende Strukturveränderungen zur Verfügung. Insofern ermöglicht der „Substanzwert, Oberfläche“ im Rahmen der systematischen Erhaltungsplanung lediglich eine erste Einschätzung zur vorhandenen Substanz auf Netzebene.

Allerdings wurden in jüngster Vergangenheit Messsysteme (z. B. Technische Universität Dresden) zur Aufnahme der Oberflächeneigenschaften entwickelt, welche die Querebenheit basierend auf dem Lichtschnittverfahren ermittelt. Im Gegensatz zu den ansonsten im Rahmen der ZEB eingesetzten Distanzlasersensoren (Abstand 10 cm) liefert das Lichtschnittverfahren eine weitgehend kontinuierliche Erfassung des Querschnitts im Aufnahmebereich. Möglicherweise sind mit den Lichtschnittverfahren nicht die geforderten Genauigkeiten des Regelwerks zu erzielen. Allerdings stellt sich die Frage, ob sehr hohe Genauigkeiten im Abstand von 10 cm oder eine kontinuierliche Aufnahme der tatsächlichen Spurrinnenform im Sinne der jeweiligen Aufgabenstellung zielführender sind? Anhand den kontinuierlich aufgenommenen Querprofilen kann durch eine Aneinanderreihung der einzelnen Profile ein „3-D-Oberflächenbild“ des erfassten Fahrstreifens erzeugt werden, welches im Gegensatz zu den bisherigen Verfahren weitergehende Auswertungen – auch hinsichtlich der Substanz – ermöglichen kann.

2.2 Messungen mit dem Georadar

Die Verfügbarkeit von abgesicherten Aufbaudaten ist für eine fundierte Substanzbewertung von grundlegender Bedeutung. In einigen Länderverwaltungen aber auch im innerörtlichen Bereich werden hinsichtlich einer flächendeckenden Erfassung von Aufbaudaten vermehrt Georadarmessungen durchgeführt. Die Untersuchungen liefern folgende Ergebnisse:

  • Dickenbestimmung der Schichten,
  • ein Erkennen von unterschiedlichen Baulosen,
  • die Aufnahme von Aufbauwechseln zur Festlegung von homogenen Abschnitten,
  • die Detektion von Bewehrung (z. Spannstahl) und
  • die Detektion von Anomalien (z. Hohlstellen, Lösen des Verbundes, Feuchtigkeit etc.).

Das Bild 1 zeigt ein Ergebnis von Georadarmessungen. Neben einer Abgrenzung der verschiedenen Schichten sind auch Aufbauwechsel eindeutig lokalisierbar. Hinsichtlich der Messdurchführung sind einzuhaltende Rahmenbedingungen definiert [3]. Allerdings hat sich im Rahmen von Ausschreibungen mehrfach gezeigt, dass diese Rahmenbedingungen im Hinblick auf die eigentliche Zielsetzung verifiziert werden müssen.

Bild 1: Möglichkeiten des Georadars [Quelle: GeoBau Controlling GmbH]

Ein im November 2008 realisierter „Georadar-Workshop“ mit verschiedenen Teilnehmern aus Länder- und Kommunalverwaltungen, Gerätebetreibern, Forschungsnehmern und Ingenieurbüros führte unter anderen zu folgenden Erkenntnissen:

  • Es wird als zwingend erforderlich angesehen, in Abhängigkeit der Aufgabenstellung die Messgeschwindigkeit und die Anzahl der Messwerte („Scans“) je Meter Erfassungslänge vorzugeben. Die Messgeschwindigkeit hat Einfluss auf die Qualität der Daten, eine hohe Anzahl an „Scans“ je Meter ermöglicht eine bessere Dateninterpretation.
  • Weder der Antennentyp (bodengekoppelt oder freischwebend) noch die Anzahl der Antennen und die Frequenz sollten festgeschrieben werden. Vielmehr sollten in Abhängigkeit der Aufgabenstellung die Anforderungen eindeutig festgelegt werden.
  • Die Genauigkeit bei der Schichtdickenbestimmung wurde seitens der Gerätebetreiber mit 5 bis 10 % Abweichung von der jeweiligen Schicht angegeben. Probleme können in diesem Zusammenhang Messungen an älteren Konstruktionen mit Mikrorissbildung und eingedrungener Feuchtigkeit aufwerfen.
  • Die Auswertung ist halb automatisiert. Für die Bewertung der Daten sollte immer ein Ingenieur mit entsprechender Erfahrung herangezogen werden.
  • Hinsichtlich einer Schadenserkennung und Substanzbewertung basierend auf dem Georadar ist noch erheblicher Forschungsbedarf notwendig. Möglichkeiten für die Bestimmung des Feuchtegehaltes innerhalb der Konstruktion wird über eine Auswertung der Dielektrizitätskonstante gesehen. Des Weiteren kann die Qualität des Schichtenverbunds bestimmt werden. Für die Detektion von Rissen innerhalb der Konstruktion sind weitere Forschungsanstrengungen erforderlich. Erste Ansätze hierzu wurden in der Schweiz realisiert.

2.3 Allgemeines zu Tragfähigkeitsmessungen

Tragfähigkeitsmessgeräte können in Abhängigkeit ihrer Messmethode in

  • stationär arbeitende Messsysteme Benkelman-Balken, Falling Weight Deflektometer (FWD),
  • bedingt schnellfahrende Messsysteme und Lacroix, Curviametro
  • schnellfahrende Messsysteme Rolling Wheel Deflectometer (RWD), Traffic Speed Deflectometer (TSI)

unterschieden werden. Die Messsysteme Benkelman-Balken, FWD und Lacroix sind in den FGSV-Arbeitspapieren „Tragfähigkeit“ [5] erläutert. Den Stand hierzu gibt die Tabelle 1 wieder. Hinsichtlich der Gerätebeschreibung wird darauf verwiesen.

Tabelle 1 Stand der FGSV-Arbeitspapiere zur „Tragfähigkeit“

Anzumerken ist, dass für das FWD bislang die wichtigen Teile des Arbeitspapiers C 2 „Bewertung“ nicht vorliegen. Auch der Teil B 2 für Messungen auf Betonfahrbahnen ist nicht verfügbar, obwohl in mehreren Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten eine Messsystematik beschrieben wurde. Hier ist zwingend Handlungsbedarf gegeben.

Bereits auf der „Fahrzeug und Fahrbahn“-Tagung in Weimar 2004 [9] wurde hinsichtlich der Thematik darauf hingewiesen, dass Bewertungskriterien sowohl für Messungen auf Asphalt- und Betonbauweisen definiert, des Weiteren für Untersuchungen an Betonfahrbahnen, als auch Verhaltensfunktionen aufgestellt wurden. Diese sind allerdings noch durch weitere Forschungsaktivitäten zu ergänzen. In diesem Zusammenhang wurde auch Bezug zur Notwendigkeit für den Einsatz schnellfahrender Tragfähigkeitsmesssysteme für den Einsatz auf Netzebene oder Objekten mit größeren Abschnittslängen (z. B. PPP-Projekte) genommen.

Hinsichtlich der Forschung zum FWD wurden seit der „Fahrzeug und Fahrbahn“-Tagung in Weimar 2004 folgende zwei vom BMVBS geförderte Projekte bearbeitet:

  • Betonbauweisen (FA 4.203): Erarbeiten von Grundlagen für einen abnahmetauglichen Bewertungshintergrund für Tragfähigkeitsmessungen an Betonbefestigungen unter Beachtung temperatur- und jahreszeitbedingter Einflüsse [15],
  • Asphaltbauweisen (FA 4.188): Erarbeiten eines Bewertungshintergrundes für Tragfähigkeitsmessungen auf Basis von Zustandsindikatoren nach JENDIA [16].

Das Forschungsprojekt FA 4.203 war zum Zeitpunkt der Infrastrukturstraßentagung 2009 in Bamberg noch nicht abgeschlossen. Hinsichtlich dem Forschungsprojekt FA 4.188 für Tragfähigkeitsmessungen mit dem FWD auf Asphaltbauweisen wurden Referenzmesszahlen katalogisiert und die Anwendbarkeit des Katalogs dargelegt. Aufgrund eines kleinen Stichprobenumfangs war allerdings eine eindeutige und belastbare Zuordnung der Tragfähigkeitskennzahlen zu Bauklassen nicht möglich.

Darüber hinaus gab es an der Technischen Universität Darmstadt zwei weitere Forschungsarbeiten zu FWD-Messungen auf Asphaltbauweisen:

  • Rückrechnung dynamischer Tragfähigkeitswerte aus den Messdaten des FWD [17],
  • Bauliche Erhaltung von Asphaltstraßen – Grundlagen für die Prüfung und die Bewertung der Tragfähigkeit sowie der Standfestigkeit der Unterlage im Hinblick auf die Planung von Erhaltungsmaßnahmen [10].

Die von Riedl entwickelte dynamische Auswertemethode ermöglicht eine Differenzierung von Bauklassen und den Nachweis der Wirkungsweise von Erhaltungsmaßnahmen. Grätz erarbeitete in seiner Habilitationsschrift einen Bewertungshintergrund für sämtliche Bauklassen, des Weiteren lieferte er Ansätze für eine Oberbauverstärkung basierend auf den erfassten und abgeleiteten Tragfähigkeitskennzahlen.

Im Folgenden werden die in der Bundesrepublik noch weitgehend unbekannten schnellfahrenden Messsysteme erläutert sowie erste Erfahrungen mit Messungen auf Straßen unterschiedlicher Kategorie dargelegt.

2.4  Schnellfahrende Tragfähigkeitsmesssysteme

2.4.1  Rolling Wheel Deflectometer (RWD)

Das Bild 2 zeigt den von der Fa. Applied Research Associatess (ARA) im Jahr 2002 entwickelten und durch die Federal Highway Administration (FHWA) geförderten RWD.

Bild 2: Rolling Wheel Deflectometer (RWD) [Quelle: ARA]

Bild 3: Positionierung der Laser

Nach ersten Feldversuchen im Jahr 2003 wurde das Messsystem u. a. auch auf dem FWD-User-Group Meeting in West-Lafayette 2004 vorgestellt. Bei einer konstanten Geschwindigkeit von umgerechnet 88 km/h wird die Einsenkung mit 4 an einem starren Balken befestigten 2 kHz-Lasern erfasst, wobei ca. alle 0,5 inch (1 inch = 2,54 cm) die Rohdaten aufgenommen werden. Ein Laser ist zwischen den Zwillingsreifen positioniert, allerdings ca. 6 inch außerhalb der Lastachse und mit einem Abstand von ca. 7 inch zur Straßenoberfläche (Bild 3). Somit soll die Erfassung der Einsenkung im Lastzentrum sichergestellt sein. Drei weitere Laser sind in definierten, veränderbaren Abständen außerhalb des Lasteinwirkungsbereichs angebracht. Die Einsenkung ermittelt sich aus der Differenz des belasteten mit den unbelasteten Werten an der gleichen Position.

Die Oberflächentemperatur der Fahrbahn wird mit einem Infrarot-Thermometer erfasst. Die gemessenen Deflexionen werden über eine Temperaturkorrektur auf 68 F (20 °C) umgerechnet [8].

2.4.2 Traffic Speed Deflectometer (TSD)

Der Traffic Speed Deflectometer wurde seit 1996 gemeinsam zwischen der Fa. Greenwood und dem Dänischen Straßenbauinstitut entwickelt (Bild 4). Seit 2006 ist das TSD in Dänemark Standardmessverfahren zur Bestimmung der Tragfähigkeit von Straßen. Im Herbst 2008 wurden erste Feldversuche mit dem TSD in Deutschland realisiert.

Bild 4: TSD aus Dänemark [Quelle Fa. Greenwood]

Bei einer Belastung von 10 t erfolgt die Messdurchführung idealerweise bei einer Geschwindigkeit zwischen 40 bis 80 km/h. Die Einsenkungswerte werden in der Regel mit 3 möglich sind auch bis zu 5 Doppler-Lasern erfasst, die im Anhänger auf einem starren Balken montiert sind (Bild 5). Durch ein GPS wird die Positionierung der aufgenommenen Daten sichergestellt.

Bild 5: Anhänger mit starrem Balken und Positionierung der Doppler-Laser [Quelle: Fa. Greenwood]

Ein Doppler-Laser ist zur Erfassung der Deflexionen zwischen der Zwillingsachse montiert (ähnlich dem RWD), allerdings auch hier außerhalb der Lastachse (Abstand: 10 cm). Die übrigen Doppler-Laser sind in definierten Abständen angebracht.

Das Bild 6 zeigt Schritte des Post-Processing, wobei die theoretischen Grundlagen der Auswertung auf der Balkentheorie basieren. Die gemessene Geschwindigkeit an drei Punkten im Abstand von 10, 20 und 30 cm von der Lastachse ist im vorliegenden Beispiel dargestellt. Die Anpassung der sinusförmigen Schwingung an die gemessenen Punkte erfolgt über eine Regressionsrechnung. Anhand einer Integration der abgeleiteten Kurve kann eine „Einsenkungsmulde“ ermittelt werden, aus derer dann der Bewertungsparameter „max. Deflexion“ bestimmt werden kann. Des Weiteren wird als bewertungsrelevanter Parameter der „Structural Curvature Index 300, SCI300“, wie im Bild 6, rechte Darstellung gezeigt, ermittelt [11].

Parallel zur Messung der Tragfähigkeit werden auch die Luft- und Oberflächentemperatur aufgezeichnet.

Bild 6: Post-Processing der erfassten Daten [Quelle: Fa. Greenwood]

2.4.3 Curviametro

Der von der spanischen Firma EUROCONSULT (Bild 7) seit 1996 entwickelte Curviametro wird in Spanien zur netzweiten Erfassung der Tragfähigkeit eingesetzt. Auch beispielsweise in Frankreich, England und Portugal werden kontinuierlich Messungen mit dem Curviametro durchgeführt. Im Jahr 2007 wurde der Benkelman-Balken in Spanien als Standardmessverfahren zur Bestimmung der Tragfähigkeit durch den Curviametro abgelöst. Sowohl in Frankreich [1] als auch in Spanien [13] liegt für die Messdurchführung und für die Auswertung jeweils eine entsprechende Norm vor.

Bild 7: Messsystem Curviametro [Quelle: LEHMANN + PARTNER]

Für eine kontinuierliche Erfassung der Tragfähigkeit sind auf einer 15 m langen Kette drei Geophone im Abstand von 5 m angebracht. Nach dem Absetzen eines Geophons auf der Verkehrsfläche beginnt die Aufnahme von 100 Messwerten auf einer Messlänge von ca. 4 m.

Die Kette wird einschließlich der darauf befestigten Geophone durch den rechten hinteren Zwillingsreifen geführt. Im Zuge der Messung werden sowohl der Belastungs- als auch der Entlastungsvorgang erfasst. Die Belastung kann zwischen 10 und 13 t variiert werden. Bei den bisherigen Messungen in der Bundesrepublik Deutschland wurden – analog der Vorgehensweise in Spanien – standardmäßig 13 t Belastung gewählt. Die Erfassung erfolgt im fließenden Verkehr mit einer Messgeschwindigkeit von 18 km/h [2].

Das grundsätzliche Messprinzip („Überfahren des auf der Verkehrsfläche liegenden Messwertaufnehmers“) zeigt das Bild 8. Durch den großen Radabstand werden Störungen bei der Messwertaufnahme durch die Vorderachse ausgeschlossen.

Bild 8: Messprinzip Curviametro [Quelle: Euroconsult]

Aus den 100 Messwerten lässt sich eine Einsenkungsmulde generieren, aus welcher die für die Bewertung von Asphaltbauweisen maßgeblichen Parameter:

  • Deflexion (D) sowie
  • Krümmungsradius R

ermittelt werden. Im Hinblick auf die Bildung „Homogener Tragfähigkeitsabschnitte“ wird die „charakteristische Deflexion dk“ über den Parameter „max. Deflexion im Lastzentrum (D0)“ nach folgendem statistischen Ansatz gebildet:

dk = m + 2 x σ

mit:

m = Mittelwert des „Homogenen Tragfähigkeitsabschnittes“

σ = Standardabweichung.

Bild 9: Bilden „Homogener Tragfähigkeitsabschnitte“

Die charakteristische Deflexion dk ist demnach für einen definierten Abschnitt eine Größenordnung, in der sich ca. 95 % (95,45 %) der Messwerte befinden. Insofern bietet dieser Parameter eine gute Möglichkeit, die Tragfähigkeit unterschiedlicher Messbereiche bzw. Messpfade miteinander zu vergleichen. Der in Spanien zugrunde gelegte Bewertungshintergrund für die „charakteristische Deflektion“ ist nicht ohne Weiteres auf die deutschen Verhältnisse übertragbar und ist gegebenenfalls anzupassen.

Zur genauen Lokalisierung der Messdaten ist der Curviametro mit einem GPS und einem Weglängenmesssystem ausgestattet. Im Zuge der Datenerhebung werden neben der Luft- und Oberflächentemperatur auch alle 5 m ein Straßenraumbild mit einer Frontkamera zur Visualisierung der örtlichen Gegebenheiten aufgenommen.

3 Erfahrungen mit kontinuierlich erfassenden Tragfähigkeitsmesssystemen in der Bundesrepublik Deutschland

Die Einbeziehung von Tragfähigkeitsmessungen in die systematische Straßenerhaltung wird in der Bundesrepublik Deutschland seit längerer Zeit in Erwägung gezogen. Die Diskussion zur Anwendung verfügbarer Bewertungshintergründe für Tragfähigkeitsmessungen sowie die Ermangelung schnellfahrender Messsysteme waren bislang die Gründe dafür, dass der Parameter Tragfähigkeit im Rahmen der ZEB nicht berücksichtigt wurde.

Im Gegensatz hierzu ergänzt seit Jahren das Land Brandenburg im Rahmen der systematischen Straßenerhaltung die auf der ZEB basierende Erhaltungsplanung von Bundes- und Landesstraßen um abschnittsbezogene Tragfähigkeitsmessungen mit dem Lacroix. Im Arbeitspapier Tragfähigkeit, Teil C 3, sind Grenzwerte für Einsenkungswerte des Lacroix angegeben. Für jeden homogenen Abschnitt wird eine maßgebende Einsenkung ermittelt. Ein Abgleich der Tragfähigkeitskennwerte mit den Grenzwerten gibt Hinweise darauf, ob die Berücksichtigung von Tragfähigkeitsaspekten für die Festlegung der Erneuerungsklasse erforderlich sind oder nicht. Werden die angegeben Grenzen überschritten, soll durch weitergehende Untersuchungen geklärt werden, ob eine Verstärkung der Konstruktion zweckmäßig ist oder ein grundhafter Ausbau zielführender. Im Jahr 2009 wurden aufgrund technischer Probleme mit dem Lacroix die anstehenden Messungen mit dem Curviametro durchgeführt.

Bild 10: Tragfähigkeitsmessungen auf der BAB A 81

Wie bereits o. a. wurden mit dem TSD Feldstudien, auch im Vergleich zu Messungen mit dem FWD, im Herbst 2008 realisiert. Bislang waren Ergebnisse hierzu nicht verfügbar.

Im Sommer 2008 wurden in mehreren Bundesländern auf Bundesfernstraßen sowie Landes- und Kreisstraßen Tragfähigkeitsmessungen mit dem Curviametro durchgeführt. Allein in Baden-Württemberg wurden ca. 400 km Bundesautobahn erfasst.

Die nachfolgenden Erläuterungen sollen beispielhaft am Messsystem Curviametro darlegen, welchen Nutzen kontinuierliche Tragfähigkeitsmessungen im Sinne der systematischen Straßenerhaltung haben können:

Das Bild 10 zeigt für einen ca. 46 km langen Abschnitt auf der BAB A 81 die im Streckenband dargestellten Ergebnisse für den Tragfähigkeitsparameter „max. Deflexion im Lastzentrum“. Die Ergebnisse geben rein qualitativ Rückschluss darauf, dass für alle vier Richtungsfahrstreifen die Einsenkungen mit einer ähnlichen Charakteristik im nördlichen Bereich (bei km 676+000) deutlich höher sind als im südlichen Bereich des untersuchten Abschnittes.

In Ergänzung zu dem Oberflächenbild aus den ZEB-Daten einhergehend mit weiteren Untersuchungen lassen sich hier, ähnlich dem Vorgehen in Brandenburg, wichtige Informationen im Hinblick auf die zielführende Planung von Erhaltungsmaßnahmen ablesen. Vorteil hierbei ist, dass die Daten in einem engen Messpunktabstand vorliegen (hier 5 m) und zeitnah zueinander erfasst werden. Somit können zumindest Randeinflüsse wie Temperatur und Feuchtigkeit – abgesehen von Schwankungen im Tagesverlauf – teilweise eliminiert werden.

Die Bedeutung von kontinuierlichen Tragfähigkeitsmessungen im Hinblick auf die Bildung homogener Tragfähigkeitsabschnitte zeigt das Bild 11. Anzumerken ist vorab, dass die Untersuchungen der verschiedenen Messsysteme nicht zeitgleich erfolgten. Dies ist allerdings für die eigentliche, hier zu treffende Aussage nachrangig: Messungen mit stationär arbeitenden Messsystemen haben in Abhängigkeit der Länge des zu untersuchenden Streckenabschnittes aus wirtschaftlichen Gründen immer einen festzulegenden Messpunktabstand (hier 100 m). Im Gegensatz hierzu können durch kontinuierliche Tragfähigkeitsmessungen Grenzen homogener Tragfähigkeitsabschnitte (z. B. bei Station 100 m) eindeutiger festgestellt werden.

Bild 11: Bedeutung kontinuierlicher Tragfähigkeitsmessungen im Hinblick auf die Bildung homogener Tragfähigkeitsabschnitte [Quelle: LEHMANN + PARTNER]

4 Ausblick

Zusammenfassend kann zunächst festgehalten werden, dass derzeit über zerstörungsfrei arbeitende Messverfahren eine strukturelle Substanzbewertung von Verkehrsflächen einhergehend mit der Ermittlung einer Restnutzungsdauer im Sinne der neuen Vertragsformen nicht möglich ist. Um die strukturelle Substanzbewertung sowie die Restnutzungsdauer vertragsrelevant in PPP-Modellen oder Funktionsbauverträgen einzubeziehen, muss nach heutigem Stand eine Vorgehensweise über Bohrkernentnahmen, entsprechenden Untersuchungen im Laboratorium sowie theoretische Betrachtungen eingeschlagen werden [14]. Die Grundlagen einer strukturellen Substanzbewertung sind für Asphaltbefestigungen in den RDO Asphalt [7] und für Betonfahrbahnen in den RDO Beton [6] festgehalten.

Inwieweit diese auf zerstörenden Untersuchungen basierende Vorgehensweise auch bei einer netzweiten Betrachtung im Rahmen der systematischen Straßenerhaltung künftig Grundlage der strukturellen Substanzbewertung sein kann, wird sich mit weiteren Forschungsaktivitäten in diesem Zusammenhang zeigen. Vorliegend wurde aufgezeigt, dass für die vorgestellten zerstörungsfrei arbeitenden Messmethoden zur Substanzbewertung ebenfalls weitere Forschungsanstrengungen notwendig sind:

  • Über ein sogenanntes „3-D-Oberflächenbild“, z. B. erfasst mit dem Lichtschnittverfahren, lassen sich möglicherweise Unebenheiten in Wellenlängenbereichen detektieren, die Rückschlüsse auf den Zustand der tieferliegenden Schichten erlauben. Erste vielversprechende Untersuchungen in diesem Zusammenhang wurden offenbar bereits angeschoben.
  • Für Georadarmessungen sind – vor allem im Sinne der Auftraggeberseite – die Messkonfigurationen und Messbedingungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Zielsetzung festzuschreiben. Mit dem Einsatz entsprechender (hochfrequenter) Antennen lassen sich möglicherweise Strukturschäden innerhalb der Konstruktion detektieren und somit Wege zu einer strukturellen Substanzbewertung erschließen.
  • Hinsichtlich der Tragfähigkeitsmessungen wird es als zwingend notwenig erachtet, die ausstehenden Arbeitspapiere zum FWD abschließend zu bearbeiten. Parallel hierzu sind die Entwicklungen zu den schnellfahrenden Tragfähigkeitsmesssystemen aufzunehmen und auf den deutschen Standard Somit können dann abgesichert homogene Tragfähigkeitsabschnitte ermittelt werden, welche die Grundlage einer strukturellen Substanzbewertung basierend auf Bohrkernentnahmen sein können.

Literaturverzeichnis

  1. AFNOR, 1997: Norme Française NF P-98-200-7: Mesure de la defléxion engendrée par une charge roulante, 1997
  2. Balck, H.: Tragfähigkeitsmessungen mit dem Messsystem „Curviametro“ auf ausgewählten Bundesautobahnen in Baden-Württemberg. Bericht im Auftrag der Landesstelle für Straßentechnik, Baden-Württemberg, 2008
  3. Bundesanstalt für Straßenwesen: Arbeitsanleitung für den Einsatz des Georadars zur Gewinnung von Bestandsdaten des Fahrbahnaufbaues, 2003
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: FGSV-Arbeitspapiere Nr. 9 zur Systematik der Straßenerhaltung, Ausgabe 2001, FGSV AP 9
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Arbeitspapiere zur Tragfähigkeit, Teile A bis D, Ausgabe 1994 bis 2008, FGSV 433
  6. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Betondecke, RDO-Beton 08, 2008 (Entwurf), FGSV 497
  7. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht, RDO Asphalt 09, 2009, FGSV 498
  8. Federal Highway Administration: Rolling Wheel Deflectometer (RWD) Results for the California Department of Transportation, Final Report, 2007
  9. Freund, H.-J., Großmann, A.: Strukturelle Substanzbewertung anhand von Messungen mit dem FWD. FGSV-Tagung „Fahrzeug und Fahrbahn“ in Weimar, 2004
  10. Grätz, B.: Bauliche Erhaltung von Asphaltstraßen – Grundlagen für die Prüfung und die Bewertung der Tragfähigkeit sowie der Standfestigkeit der Unterlage im Hinblick auf die Planung von Erhaltungsmaßnahmen. Institut für Verkehr, Fachgebiet Straßenwesen mit Versuchsanstalt, Technische Universität Darmstadt, 2009
  11. Fa. Greenwood: Persönliche Mitteilung an den Verfasser, 2009
  12. Großmann, a.; Villaret, s.: Restwertermittlung von Asphalt- und Betonstraßen. Straße und Autobahn, Heft 6, 2009
  13. NORMA NLT 333-06.: Medida de las deflexiones en firmes con curviametro, 2006
  14. Ressel, W.; Wellner, F.; Benner, A.; Lipke, S.: Vergleichende Bewertung der Restsubstanz von Asphaltbefestigungen nach langjähriger Verkehrsnutzung. Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2007
  15. Roos, R.; Karcher, C.: Erarbeiten von Grundlagen für einen abnahmetauglichen Bewertungshintergrund für Tragfähigkeitsmessungen an Betonbefestigungen unter Beachtung temperatur- und jahreszeitbedingter Einflüsse. Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen, Universität Karlsruhe (TH), in Bearbeitung
  16. Roos, R.; Freund, H.-J.; Chakar, T.: Erarbeiten eines Bewertungshintergrundes für Tragfähigkeitsmessungen auf Basis von Zustandsindikatoren nach Jendia. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 989, 2008
  17. Riedl, S.: Rückrechnung dynamischer Tragfähigkeitswerte aus den Messdaten des FWD. Institut für Verkehr, Fachgebiet Straßenwesen mit Versuchsanstalt, Technische Universität Darmstadt, 2006