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1 Motivation und Hintergrund
An vorfahrtgeregelten Knotenpunkten kommt es immer wieder zu Kapazitäts- und Sicherheitsproblemen. Dadurch entstehen vermeidbare Staus mit ihren negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Eine der Verbesserungsmöglichkeiten ist die Regelung der Knotenpunkte mit Lichtsignaltechnik [1]. In der Vergangenheit wurde darunter meist die Vollsignalisierung des Knotenpunktes verstanden. Oftmals sind die Anlagen damit überdimensioniert und werden auch nur zu den Spitzenstunden benötigt. Dies führt zu vermeidbaren Wartezeiten und kostet den Baulastträger viel Geld. Eine weitaus günstiger scheinende Möglichkeit in Bezug auf Verkehrsablauf und Kosten bildet die Teilsignalisierung.
„Unter nicht vollständig signalisierten Knotenpunkten werden Knotenpunkte verstanden, bei denen verschiedene, aber nicht alle Verkehrsbeziehungen signaltechnisch geregelt sind. Ein Kennzeichen nicht vollständig signalisierter Knotenpunkte sind wartezeitabhängige Eingriffsmöglichkeiten durch Nebenströme an vorfahrtgeregelten Knotenpunkten“ [1, S. 51]
Bild 1: Teilsignalisierung einer Einmündung (AS1EI mit FALL TS2378), Quelle RiLSA
Die Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) nennen folgende Anwendungsmöglichkeiten für eine Teilsignalisierung [1]:
- Schaffung von Zeitlücken für wartepflichtige Fahrzeuge
- Beschleunigung und Priorisierung von ÖPNV-Fahrzeugen
- Sicherung von Querungsstellen
Es sollen damit folgende Ziele erreicht werden:
- Erhöhung der Verkehrssicherheit (im Vergleich zur Vorfahrtregelung)
- Steigerung der Kapazität (der Nebenrichtung)
- Vermeidung unnötiger Verlustzeiten durch den Wegfall von Zwischenzeiten
- Einsparung von Investitions- und Betriebskosten
Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bestätigt das ähnlich hohe Kapazitäts- und Verkehrssicherheitsniveau solcher Anlagen wie bei einer Vollsignalisierung bei wesentlich geringeren Investitions- und Betriebskosten [2]. Dort wurden neben einer deutschlandweiten Befragung sechs Beispielknotenpunkte mittels Mikrosimulationsverfahren untersucht. Die positiven Ergebnisse der Studie gaben Anlass, sich im Rahmen einer Dissertation mit dieser Thematik zu befassen, da die dortigen Untersuchungen für eine Verallgemeinerung nicht ausreichend sind. Erste Ergebnisse aus dem Dissertationsvorhaben werden in diesem Beitrag am Beispiel von Einmündungen publiziert. Es wird nur auf den Anwendungsfall der Schaffung von Zeitlücken für wartepflichtige Nebenstromfahrzeuge eingegangen.
2 Vorgehensweise und Methodik
Die hierzu durchgeführten Untersuchungen folgen einem mehrstufigen Ansatz, an dem sich die hier verwendete Gliederung orientiert. Zunächst wird der aktuelle Stand der Technik mit besonderem Fokus auf Deutschland aufgezeigt. Anschließend erfolgen eine Typisierung teilsignalisierter Knotenpunkte und die Ableitung von Modellknoten für die späteren Untersuchungen. Der Hauptteil dieses Beitrags fokussiert sich auf die Untersuchungen zum Verkehrsablauf durch empirische Erhebungen und Mikrosimulationsverfahren.
3 Stand der Technik
Erste Überlegungen, sich die Manipulation der Zeitlückenverteilung im Hauptstrom zur Verbesserung des Einbiegens von Nebenströmen zunutze zu machen, hatte bereits LEUTZBACH Im Jahr 1956. In seiner Dissertation über Zeitlückenverteilungen gestörter Verkehrsströme geht er in einem Kapitel auch auf die Störung durch Lichtsignalsteuerungen ein und erläutert, wie einem Verkehrsstrom durch eine Lichtsignalanlage Lücken bestimmter Größe aufgezwungen und wie diese durch einfädelnden Querverkehr genutzt werden können. Hieraus folgert er, ob sich aus dieser Tatsache nicht ein Kriterium für eine den Verkehrsstärken zweckmäßig angepaßte Signalisierung entwickeln lässt [3].
Die ersten ernsthaften Überlegungen zu nicht vollständigen Signalisierungen von Einmündungen und Kreuzungen fanden in Deutschland jedoch erst Anfang der 2000er Jahre statt [4]. In den FGSV Gremien zur Teilfortschreibung der RiLSA 2003 wurde damals über die Aufnahme dieser Sonderform der Signalisierung im Arbeitskreis „Verkehrsbeeinflussung innerorts“ diskutiert, um besonders benachteiligten Verkehrsströmen während der Hauptverkehrszeiten einen guten Verkehrsfluss zu ermöglichen, ohne dabei in Normalverkehrszeiten Unflexibilitäten, hohe Wartezeiten und hohe Betriebskosten in Kauf nehmen zu müssen. Es fehlten zu diesem Zeitpunkt noch gesicherte Erkenntnisse zur Wirkung auf Verkehrsqualität und Verkehrssicherheit. Die Teilsignalisierung wird als erster Schritt hin zu einer Vollsignalisierung aufgefasst und vor allem dort empfohlen, wo eine vollständige Signalisierung aufgrund örtlicher Randbedingungen nur mit erheblichem Aufwand oder gar nicht möglich ist. Die Bedenken im Arbeitskreis, vor allem hinsichtlich Verkehrssicherheit, waren zu groß, um diese Signalisierungsart in die Richtlinie aufzunehmen. Stattdessen hat die BASt ein Forschungsprojekt lanciert, das die Leistungsfähigkeit und die Verkehrssicherheit nicht vollständig signalisierter Knotenpunkte untersuchen sollte. Es handelt sich um die bereits erwähnte Studie zu „Nutzen und Kosten nicht vollständig signalisierter Knotenpunkte“, durchgeführt vom Ingenieurbüro Dr. Brenner aus Aalen [2]. Aus dieser Studie sind basierend auf sechs Beispielknotenpunkten erste Erkenntnisse zu Einsatzgrenzen entstanden, die auch Eingang in die RiLSA gefunden haben. Ferner haben sich in Deutschland noch zwei studentische Arbeiten in Darmstadt [5] und Stuttgart [6] mit dieser Thematik befasst, die sich ebenfalls auf reale Beispielknotenpunkte stützen. Ein Projekt in Kaiserslautern beschäftigte sich mit der Teilsignalisierung eines Kreisverkehrs zur Reduzierung von Wartezeiten und Rückstaulängen in einer Zufahrt [7]. Dort wurden positive Erfahrungen gesammelt. Des Weiteren finden sich Überlegungen zur Signalisierung von Kreisverkehren im Zusammenhang mit dem ÖV in der Dissertation von LAGEMANN [8].
Im Ausland sind nicht vollständige Signalisierungen weniger verbreitet. In Österreich (dort: Unvollständige Verkehrslichtsignalregelungen) kommt diese Form laut Experten bislang fast ausschließlich zur Sicherung von querenden Straßenbahnen zum Einsatz. Es gibt hierzu seit 2014, ähnlich wie in Deutschland, eine Richtlinie [9], in der dieselben Anwendungsmöglichkeiten genannt werden. In der Schweiz gibt es Überlegungen zur Teilsignalisierung von Kreisverkehren zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit [10]. Teilsignalisierung wird hier nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Straßen (ASTRA) ebenfalls meist nur zur Priorisierung im ÖV eingesetzt.
4 Typisierung teilsignalisierter Knotenpunkte
Da die Möglichkeiten der Signalisierung sowie der Verkehrsablauf am Knotenpunkt maßgeblich von der Fahrstreifenaufteilung abhängen und es für eine Einmündung acht Möglichkeiten gibt, werden für die weiteren Untersuchungen drei Modellknotenpunkte als Stellvertreter für die am häufigsten in der Praxis vorkommenden Führungen definiert:
- AS0EI: Mischfahrstreifen in Haupt- und Nebenrichtung
- AS1EI: Linksabbiegestreifen in Hauptrichtung und Mischfahrstreifen in Nebenrichtung
- AS2EI: Linksabbiegestreifen in Hauptrichtung und Linksabbiegestreifen in Nebenrichtung
Wie eingangs bereits erwähnt sind an einem teilsignalisierten Knotenpunkt nur gewisse Fahrbeziehungen geregelt. Nähere Angaben macht die RiLSA jedoch nicht. Es versteht sich, dass die Aufstellung von Signalgebern nicht willkürlich erfolgen darf. Eine Teilsignalisierung muss jederzeit mit der StVO und der RiLSA in Einklang stehen. Für das Modell AS0EI sind alle möglichen Signalisierungen in Tabelle 1 dargestellt. Für AS1EI und AS2EI können die Fälle sinngemäß übertragen werden.
Tabelle 1: Signalisierungen an Einmündung AS0EI
Man kann fünf Typen von Signalisierungen unterscheiden:
- Keine Signalisierung: In keiner der Zufahrten befindet sich ein Signalgeber, es handelt sich hierbei um den vorfahrtgeregelten Zustand
- Vollsignalisierung: Alle Zufahrten sind signalisiert
- Unmögliche Teilsignalisierungen: Teilsignalisierungen, die im Widerspruch zur StVO oder RiLSA stehen
- Nicht empfohlene Teilsignalisierungen: Rechtlich zulässige Teilsignalisierungen, die aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht empfohlen werden
- Mögliche Teilsignalisierungen: Verbleibende Fälle, die für eine Teilsignalisierung geeignet sind
Die Fälle TS23F und TS78F sind grundsätzlich auch ohne gegenüberliegende Haltlinie und Signalgeber denkbar, werden aber ebenfalls nicht empfohlen, da zum einen die Gefahr besteht, dass die Konfliktfläche zugestaut wird und Nebenstromfahrzeuge nicht abfließen können und es zum anderen zu Sicherheitsproblemen führen kann, wenn im Hauptstrom nur einseitig gehalten wird. Die vier verbleibenden Fälle der möglichen Teilsignalisierungen werden für die weiteren Untersuchungen herangezogen und sind in Abbildung 2 skizziert.
Bild 2: Mögliche Teilsignalisierungen für AS0EI (unmaßstäblich)
Die unterschiedlichen Fälle der Teilsignalisierung haben jeweils Vor- und Nachteile im Straßenverkehr (siehe Auswertungen in Abschnitt 5.4.2) und in der Führung des Fußverkehrs.
Erheblichen Einfluss auf die sichere Gestaltung teilsignalisierter Knotenpunkte im KFZ-Verkehr hat die Lage der Haltlinie in der Hauptrichtung, da Fahrer im Nebenstrom allein durch Beobachtung des Verhaltens der Fahrzeuge im Hauptstrom über ihr Einfahrmanöver entscheiden. Für diesen Prozess benötigen sie eine gewisse Zeit. Es muss sichergestellt sein, dass ein gerade eingefahrenes Nebenstromfahrzeug gefahrlos den Konfliktbereich verlassen kann, bevor ein Fahrzeug des Hauptstroms dort nach Ende seiner Sperrzeit eintrifft. Als brauchbare Werte für die Abrückung haben sich in der Literatur und der Praxis 20m innerorts und 50m außerorts [2] erwiesen. Inwiefern auch geringere Maße anwendbar sind, ist Gegenstand der Simulationen (siehe Abschnitt 5.4).
5 Untersuchungen zum Verkehrsablauf an teilsignalisierten Knotenpunkten
5.1 Grundlagen des Verkehrsablaufs an klassischen Knotenpunkten
Grundsätzlich wird bei der Betrachtung des Verkehrsablaufs an Knotenpunkten zwischen Knotenpunkten mit und ohne LSA unterschieden. Für beide Varianten wurden in der Vergangenheit formalisierte Verfahren zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit entwickelt. Die theoretischen Hintergründe werden hier kurz erläutert, um den Verkehrsablauf an teilsignalisierten erklären zu können.
5.1.1 Verkehrsablauf an vorfahrtgeregelten Knotenpunkten
Besondere Bedeutung im Bereich der mathematisch begründeten Verfahren zur Kapazitätsermittlung vorfahrtgeregelter Knotenpunkte hat die Zeitlückenmethode erlangt [11, 12, 13, 14]. Sie wurde vor allem in Deutschland hergeleitet und in das aktuelle Handbuch zur Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS) übernommen [15], was ihre besondere Bedeutung unterstreicht. Die Zeitlückentheorie verfolgt die Grundüberlegung, dass jeder Fahrer eines Nebenstromfahrzeugs eine bestimmte Mindest-Zeitlücke in allen Strömen höheren Ranges gleichzeitig benötigt, um einen Einbiegevorgang zu starten. Das Auftreten dieser Lücken basiert auf einer statistischen Verteilung. Bei einem idealerweise ungestörten Verkehrsfluss treten die Lücken negativ exponentialverteilt auf. Je mehr Fahrzeuge die übergeordnete Richtung befahren, desto seltener treten ausreichend große Lücken für Nebenstromfahrzeuge auf. Durch Kenntnis der Grenzzeitlücke eines Verkehrsstroms, der Wahrscheinlichkeit des Auftretens (poissonverteilte Ankunft der Fahrzeuge vorausgesetzt) entsprechender Lücken und der gegebenenfalls notwendigen Wahrscheinlichkeit des staufreien Zustands übergeordneter Ströme, kann ermittelt werden, wie viele Fahrzeuge der Nebenrichtung abfließen können.
5.1.2 Verkehrsablauf an signalisierten Knotenpunkten
An signalisierten Knotenpunkten stellt sich der Verkehrsablauf differenziert dar, da durch das Signalprogramm festgelegt ist, welcher Verkehrsstrom zu welcher Zeit fahren darf. Dadurch entfällt die statistische Komponente des Zeitlückenverfahrens. Stattdessen wird ein theoretisch möglicher Abfluß während der Grünzeit für die Bemessung herangezogen, der über den Zeitbedarfswert charakterisiert ist [15,16]. Dieser gibt an, wie lange ein Fahrzeug zum Passieren der Haltlinie benötigt und ist abhängig vom Fahrzeug und der Gestaltung des Knotenpunktes. Aus dem Zeitbedarfswert kann die Sättigungsverkehrsstärke ermittelt werden. Diese gibt an, wie viele Fahrzeuge während einer Grünstunde maximal auf einem Fahrstreifen abfließen können. Wird dieser Wert mit dem Signalprogramm überlagert, so ergibt sich für jeden Fahrstreifen die Kapazität, der die Anzahl an Fahrzeugen gegenübergestellt wird. Für niederrangigere Ströme muss anschließend noch die Wahrscheinlichkeit des staufreien Zustands in den übergeordneten Strömen überprüft werden.
5.2 Grundlagen des Verkehrsablaufs an teilsignalisierten Knoten
Der Verkehrsablauf an teilsignalisierten Knotenpunkten setzt sich aus Elementen vorfahrtgeregelter und vollsignalisierter Knotenpunkte zusammen. Fahrzeuge aus der Nebenrichtung können sowohl natürlich auftretende als auch durch die LSA erzwungene Zeitlücken des Hauptstroms zum Einfahren nutzen. Dies ist abhängig von den Verkehrsstärken und dem geschalteten Signalprogramm. Mit steigenden Verkehrsstärken im Hauptstrom treten ausreichend große Lücken zum Einbiegen immer seltener auf. Es gibt vermehrt Lücken, die zwischen der Folgezeitlücke und der Grenzzeitlücke liegen und daher nur von sehr wenigen Nebenstromfahrern genutzt werden. Durch die Anordnung einer Teilsignalisierung wird eine Kolonnenbildung des Hauptstroms erreicht. Am Ende der Sperrzeit fährt ein Fahrzeugpulk mit sehr kleinen Zeitlücken im Bereich der Folgezeitlücke über den Knotenpunkt. Zwischen den Kolonnen entstehen somit große Lücken, die Fahrzeuge des Nebenstroms nutzen können. Im Extremfall treten somit nur noch kleine Lücken und nach jedem Umlauf eine große Lücke auf. In der Praxis wird sich jedoch ein Verkehrsablauf dazwischen einstellen, bei dem sowohl natürliche als auch erzwungene Lücken auftreten.
Bild 3: Kolonnenbildung im Hauptstrom
Dies verdeutlicht ebenfalls Abbildung 3. Während im unteren Fall keine Lücke zum Einbiegen für das rote Fahrzeug zur Verfügung steht, da die grauen und schwarzen Fahrzeuge mit „ungeeigneten“ Lücken aufeinanderfolgen, kann das grüne Fahrzeug eine große Lücke zwischen zwei Fahrzeugkolonnen nutzen.
Betrachtet man dies mittels Zeitlückensummenlinien (ZLS) so fällt die Kolonnenbildung durch eine Stauchung im Bereich 0-20s (rote Linie) auf. In Abbildung 4 sind für drei verschiedene Verkehrsstärken eines Verkehrsstroms (300, 600 und 900 Kfz/h) für eine Umlaufzeit von 60s und eine Sperrzeit von 20s die ZLS aufgetragen. Die Werte sind durch eine Simulation im Mikrosimulationsprogramm VISSIM der PTV AG aus Karlsruhe ermittelt worden. Es zeigt sich, dass die ZLS sich mit zunehmender Verkehrsstärke immer weiter von einer negativen Exponentialverteilung (gestrichelte Kurven) entfernt. Dies bedeutet, dass vermehrt kleine Lücken auftreten, die mittleren Lücken weniger werden und es nach jedem Umlauf eine große Zeitlücke gibt.
Bild 4: Zeitlückensummenlinien
Während der Sperrzeit des Hauptstroms können Nebenstromfahrzeuge demnach wie bei einem vollsignalisierten Knotenpunkt abfließen. Die Analyse der benötigten Zeitbedarfswerte ist Gegenstand von Kapitel 5.3. In der übrigen Zeit hängt ein Einfahren von der Verfügbarkeit ausreichend großer Zeitlücken ab. Deren Auftreten folgt jedoch einer anderen Gesetzmäßigkeit als bei Vorfahrtknoten, bei denen eine negative Exponentialverteilung angewendet wird.
Erste Überlegungen zur Beschreibung solcher gestörter Zeitlückenverteilungen stellten bereits GRABE [17] und LEUTZBACH [3] an. Des Weiteren wurde dies auch bei KNOTE [18] und ZHANG [19] behandelt. Die dort vorgestellten Verfahren müssen jedoch auf den Fall der Teilsignalisierung dahingehend adaptiert werden, dass das gewählte Signalprogramm und die vorherrschende Verkehrsstärke als Eingangsparameter verwendet werden können.
5.3 Empirische Untersuchungen zum Verkehrsablauf
Zur besseren Abschätzung der Wirkungen einer Teilsignalisierung sowie zur Generierung der notwendigen Kennwerte, insbesondere für das Einfahrverhalten aus der Nebenrichtung, wurden an zwei Knotenpunkten in Bad Kreuznach empirische Untersuchungen mit dem imovino Ansatz [20] angestellt. Ergebnisse liegen derzeit erst für die erste Untersuchung vor und können im Detail bei [21] nachgelesen werden. Diese beziehen sich auf die Einmündung Industriestraße / Schwabenheimer Weg und dauerten eine Woche. Es fand der Fall TS2378 Anwendung. Es wurden Wartezeiten, Rückstaulängen, Zeitbedarfswerte und die Zeitlückenverteilung erhoben. Die zweite Untersuchung fand ebenfalls im Bad Kreuznacher Gewerbegebiet statt. Es handelte sich um eine dreimonatige Langzeitstudie, bei der ebenfalls der Fall TS2378 Anwendung fand. Sie diente vor allem der Überprüfung, wie sich Eingewöhnungseffekte bei den Fahrern einstellen.
Die Zeitlückenverteilung in Abbildung 5 zeigt die erwartete Stauchung, wie sie auch in der Simulation aufgetreten ist. Dargestellt sind die ZLS für zwei getestete Signalprogramme (Signalprogramm 1: tu=55s, ts=15s und Signalprogramm 2: tu=60s, ts=15s) sowie für den unsignalisierten Zustand bei einer Verkehrsstärke von 335 Kfz/h. Die schwarze Linie zeigt wiederum die ZLS für den idealisierten Fall der poissonverteilten Ankünfte der Fahrzeuge.
Bild 5: Zeitlückenverteilung für Zufahrt 1 in Bad Kreuznach [21]
Für Strom 4 zeigt der Vergleich der mittleren Wartezeiten, dass durch den Einsatz der Teilsignalisierung größtenteils Vorteile und Gewinne im Vergleich zum unsignalisierten Zustand des Knotenpunkts erreicht werden konnten. Es ergab sich beispielsweise eine Reduzierung von bis zu 11 auf 19 Sekunden. Für Fahrzeuge aus Strom 6 (Rechtseinbieger aus der Nebenstraße) konnten meist leicht längere Wartezeiten von bis zu drei Sekunden festgestellt werden, da diese im Gegensatz zum vorfahrtgeregelten Zustand zunächst ein Abfließen der Fahrzeugkolonne im Hauptstrom abwarten mussten. Einzelne lange Wartezeiten konnten durch den Einsatz der Signalprogramme für beide Ströme verringert oder gänzlich vermieden werden.
Im Hauptstrom haben sich die Wartezeiten erwartungsgemäß leicht erhöht. Die Überprüfung der Wartezeiten hat für den Mischstrom 2/3 eine mittlere Wartezeit von ca. 6 Sekunden je nach Belastungsklasse und Signalprogramm ergeben. Für den Mischstrom 7/8 liegt die mittlere Wartezeit im teilsignalisierten Zustand bei ca. 10s, vorher betrug sie ca. 1 Sekunde.
Die Gesamtbetrachtung der Wartezeiten am Knotenpunkt zeigt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem unsignalisierten Fall.
Während des Betriebs der LSA konnte nur vereinzelt eine Reduzierung der Länge des Rückstaus im Nebenstrom beobachtet werden. Hervorgerufen wurde dieser Aspekt ebenfalls durch die Kolonnenbildung im Hauptstrom, wodurch zwar längere Rückstaus entstanden sind, diese sich jedoch durch zügigeres Einfahren schneller auflösen konnten.
Die Abflusswerte der Nebenstromfahrzeuge konnten durch den Einsatz der Teilsignalisierung verbessert werden. Der mittlere Zeitbedarfswert lag bei 3,4s/Fz und streute sehr stark mit ca. 0,9s/Fz. Er liegt damit deutlich über dem Wert für vollsignalisierte Knotenpunkte [16]. Viele Fahrer zögerten an der Haltelinie, bevor sie einfuhren.
Es wurde beobachtet, dass die Nebenstromfahrzeuge zu einem Großteil in die künstlich geschaffenen Lücken einfuhren. Teilweise wurden sogar gegen Ende der Erhebungsreihe ausreichend große Lücken mit dem Wissen auf die sich anschließende Sperrzeit abgelehnt, da hier das Einfahren komfortabler und sicherer empfunden wird. Das Zögern an der Haltlinie nahm gegen Ende der Untersuchungsreihe ebenfalls ab, da viele Fahrer nun mit der Situation vertraut waren. Sicherheitskritische Momente traten nicht auf.
5.4 Simulationsverfahren mit VISSIM
5.4.1 Modelle
Für alle vorab definierten Ausbaustandards (AS) wurden in VISSIM Modelle erstellt, die unter 150 verschiedenen Verkehrsbelastungen und mit acht Signalprogrammen untersucht wurden. Die Verkehrsbelastungen umfassen folgende Bereiche:
- Zufahrten der Hauptrichtung (Z1, Z3): 100 bis 1500 kfz/h
- Zufahrten der Nebenrichtung (Z2): 100 bis 1000 kfz/h
Es wurde unterstellt, dass in der Hauptrichtung ¼ der Fahrzeuge Abbieger sind. In der Nebenrichtung teilen sich die Fahrzeuge auf beide möglichen Routen gleich auf. Tabelle 2 zeigt die in den Simulationen eingesetzten Signalprogramme. Für den Knotenpunkttyp AS0EI ist in Abbildung 6 das VISSIM Modell für den Fall TS2378 dargestellt. Zu sehen sind gegen den Uhrzeigersinn die Zufahrten 1 bis 3. Wartepflichtig ist Zufahrt 2. In den beiden Hauptstraßenzufahrten befindet sich jeweils ein Signalgeber. Im inneren Knotenpunktbereich sind die Vorfahrtbeziehungen über Querverkehrsstörungen realisiert. Die übrigen Linien steuern die Reisezeitmessungen für die anschließende Beurteilung. Das aus den empirischen Untersuchungen beobachtete Zögern und die damit verbundenen erhöhten Zeitbedarfswerte wurden im Modell mittels Langsamfahrbereichen berücksichtigt.
Bild 6: VISSIM Modell für AS0EI mit Fall TS2378
Tabelle 2: Signalprogramme
Für die Beurteilung des Verkehrsablaufs wurden während der Simulationsläufe folgende Kenngrößen ermittelt und konnten schließend miteinander verglichen werden:
- Mittlere Wartezeiten
- Maximale Wartezeiten
- Anzahl der Halte
- Gesamtknotenverlustzeit
5.4.2 Auswertungen
Die Auswertung der Simulation zeigt, dass die unterschiedlichen Fälle der Teilsignalisierung auch starke Differenzen in der Leistungsfähigkeit sowohl in Haupt- als auch Nebenrichtung aufweisen. Die höchste Leistungsfähigkeit wird bei TS2378 erreicht. Etwas schlechter, aber nach wie vor akzeptabel, ist der Fall TS78F. Die beiden Fälle TS23F und TS23F78F bringen keine Verbesserungen im Vergleich zur Vorfahrtregelung. Da der Linkseinbiegerstrom (Strom 4) ohnehin der am stärksten benachteiligte Strom ist, ist es wenig sinnvoll, wenn Fahrzeuge nach ihrem Einbiegevorgang erneut halten müssen oder aufgrund sich aufgestauter Fahrzeuge des Hauptstroms gar nicht erst einfahren können. Es hat sich gezeigt, dass zu kurze Sperrzeiten (in diesem Fall 10s) keine Vorteile für den Nebenstrom bringen, da die Konfliktfläche während dieser Zeit meist noch von Fahrzeugen aus Strom 7 belegt ist, die zuerst abfließen müssen (vgl. Abbildung 7). Die Kurven für die mittlere Verlustzeit liegen für alle Fälle sehr dicht beieinander. Beim Knotenpunkttyp AS1EI ist diese Problematik aufgrund des dort vorhandenen Linksabbiegestreifens geringfügig besser. Wird die Sperrzeit auf 20s ausgedehnt, so werden die Effekte deutlicher (vgl. Abbildung 8). Während bei der Vorfahrtregelung bereits bei 800 Kfz/h in den beiden Hauptrichtungszufahrten die QSV F (lt. HBS für Knoten ohne LSA) erreicht wird, können bei TS78F 1200 Kfz/h und bei TS2378 sogar 1450 Kfz/h fließen, bis QSV F eintritt.
In der Hauptrichtung sorgt die Teilsignalisierung für weniger Störungen im Verkehrsfluss als die Vollsignalisierung. Man merkt deutlich, dass die Zwischenzeiten wegfallen und diese Zeit weiterhin zum Fahren genutzt werden kann. In Abbildungen 9 und 10 sind die mittleren Verlustzeiten für die Zufahrten 1 und 3 aufgetragen. Erwartungsgemäß gibt es hier die geringsten Einbußen bei der Vorfahrtregelung. In Zufahrt 1 ist der Unterschied zwischen den einzelnen Regelungsarten weniger ausgeprägt als in Zufahrt 3. Hier hat der Effekt wartepflichtiger Linksabbieger einen großen Einfluss, die bei den Tpyen AS1EI und AS2EI separat geführt werden. Abbildung 11 zeigt im Vergleich die mittleren Verlustzeiten für diesen Knotentyp. Die Kurven für alle Teilsignalisierungsfälle liegen weit unter denen der Vollsignalisierung. Ebenso bringt dieser Typ Vorteile für die Zufahrt 2.
Auf Basis der ersten Simulationsergebnisse läßt sich konstatieren, dass Teilsignalisierung, insbesondere der Fall TS2378, bei gewissen Belastungskonstellationen eine sehr leistungsfähige Signalisierungsform für den fließenden Verkehr darstellt.
Bild 7: Mittlere Verlustzeit Zufahrt 2, AS0EI, tu=60s, ts=10s, qZ2=400 kfz/h
Bild 8: Mittlere Verlustzeit Zufahrt 2, AS0EI, tu=60s, ts=20s, qZ2=400 kfz/h
Bild 9: Mittlere Verlustzeit Zufahrt 1, AS0EI, tu=60s, ts=20s, qZ2=400 kfz/h
Bild 10: Mittlere Verlustzeit Zufahrt 3, AS0EI, tu=60s, ts=20s, qZ2=400 kfz/h
Bild 11: Mittlere Verlustzeit Zufahrt 3, AS1EI, tu=60s, ts=20s, qZ2=400 kfz/h
Bild 12: Mittlere Verlustzeit Zufahrt 2, AS1EI, tu=60s, ts=20s, qZ2=400 kfz/h
6 Fazit und Ausblick
Die durchgeführten Untersuchungen bestätigen die bisherigen Erfahrungen der ähnlich hohen Leistungsfähigkeit der Teilsignalisierung im KFZ-Verkehr. Sie kann den Verkehrsablauf an Knotenpunkten erheblich verbessern und sollte somit in das Repertoire der möglichen Steuerungsarten aufgenommen werden.
Es ergeben sich jedoch, je nach Fall der Teilsignalisierung, erhebliche Unterschiede. Die besten Ergebnisse hinsichtlich des Verkehrsablaufs im MIV erreicht der Fall TS2378 mit Signalgebern in beiden Hauptstromzufahrten. Nachteilig ist hier allerdings die ungesicherte Führung des Fußverkehrs. Ebenfalls gute Ergebnisse sind bei Einrichtung des Falls TS78F zu erwarten, bei der in Zufahrt 3 eine signalisierte Fußgängerfurt installiert ist Die beiden Fälle TS23F (Spiegelung von TS78F) und TS23F78F (signalisierte Fußgängerfurten in beiden Hauptstromzufahrten) ergeben keine Verbesserung des Verkehrsablaufs. Dies kann sich bei asymmetrischen Verkehrsbelastungen anders darstellen und wird im weiteren Verlauf des Forschungsvorhabens überprüft.
Ebenso werden die Simulationen auf Kreuzungen und Kreisverkehre ausgedehnt, um die ersten Überlegungen, vor allem aus der Schweiz, zu konkretisieren und mit Zahlen zu hinterlegen. Um die Wirkungen weiter zu optimieren wird auch untersucht, ob die Lage der Signalgeber einen wesentlichen Einflussparameter bildet. Wenn die Verkehrssicherheit weiterhin gewährleistet ist, sind auch geringere Abrückmaße der Haltlinien denkbar, wodurch sich die Räumzeiten erheblich verkürzen würden. Ob dieser Effekt durch ein schnelleres Eintreffen der Fahrzeuge im Hauptstrom an der Konfliktfläche wieder aufgehoben wird, werden Simulationen zeigen.
Weiterer Forschungsbedarf besteht vor allem bei der empirischen Ermittlung von relevanten Kennwerten. Die durchgeführten empirischen Studien liefern nur erste Näherungswerte. Zum einen war die Untersuchungsdauer aus forschungsökonomischen Gründen stark begrenzt, zum anderen fehlt bislang die Berücksichtigung weiterer Einflussparameter wie beispielsweise Sichtfelder, Längsneigungen oder Radien.
Eine sichere Fußgängerführung, der vor allem innerorts Beachtung geschenkt werden muss, wird ebenfalls in die weiteren Untersuchungen einbezogen. Für die regelmäßige Anwendung in der Praxis sollen aus den Ergebnissen der Arbeiten konkrete Einsatzmöglichkeiten sowie ein Bemessungsverfahren für teilsignalisierte Einmündungen, Kreuzungen und Kreisverkehre abgeleitet werden.
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