FGSV-Nr. FGSV 002/116
Ort Stuttgart
Datum 22.03.2017
Titel Ein Ansatz zur Differenzierung nach Fahrzeugtypen in Verkehrsnachfragemodellen
Autoren Dipl.-Ing. Tudor Mocanu, Dr.-Ing. Christian Winkler, Dr.-Ing. Ulrike Kugler
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Im nachfolgenden Beitrag wird ein Ansatz zur Differenzierung der MIV-Verkehrsnachfrage nach Fahrzeugtypen vorgestellt. Grundlage für diesen Ansatz bilden einerseits ein deutschlandweites Verkehrsnachfragemodell und andererseits ein Pkw-Marktmodell zur Prognose des Pkw-Bestands. Für die Berechnung der Fahrzeugtypenwahl wird ein Zusatzmodul entwickelt, welches als unterste Hierarchieebene dem Verkehrsnachfragemodell hinzugefügt wird. Der methodische Ansatz und die Herausforderungen bei der Herleitung der im Zusatzmodul verwendeten Parameter werden ausführlich erläutert. Die Funktionsfähigkeit des Berechnungsansatzes wird beispielhaft anhand zweier Szenarien aus dem DLR-Projekt „Verkehrsentwicklung und Umwelt“ aufgezeigt.

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1 Einleitung

Deutschland hat sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt und strebt an, in den kommenden Jahrzehnten einen signifikanten Anteil der Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen muss auch der Verkehrssektor, dessen Emissionen zurzeit knapp 20% der Gesamtwerte ausmachen, einen bedeutenden Beitrag dazu leisten. Zum einen könnte dies durch Vermeidung und Verlagerung des Verkehrs auf klimaschonendere und energieeffizientere Modi erreicht werden, zum anderen könnten auch neue Antriebstechnologien, bspw. die Elektrifizierung des Verkehrs, dazu führen. Die Verkehrsund Emissionsmodelle müssen in der Lage sein, die Wirksamkeit von umweltpolitischen Maßnahmen und die Auswirkungen neuer Technologien und Trends zu bewerten.

Zentrales Ergebnis eines Verkehrsmodells für die Berechnung von Emissionen und Energiebedarf im motorisierten Individualverkehr (MIV) ist die Summe der zurückgelegten Fahrzeugkilometer (Fahrleistung), welche anschließend in einem Emissionsmodell (bspw. TREMOD [1]) mit Emissionsfaktoren multipliziert wird. Diese Faktoren können stark zwischen den einzelnen Fahrzeugen und -typen variieren. Daher bedarf es für zahlreiche aktuelle Fragestellungen einer Differenzierung der Fahrleistung, bspw. nach Antriebsarten, um genaue Emissionswerte berechnen zu können.

Der klassische Modellierungsansatz hierfür sieht vor, zunächst die gesamte MIVFahrleistung im Verkehrsmodell zu berechnen und diese anschließend anhand verfügbarer statistischer Daten und Erfahrungswerten auf Fahrzeugtypen aufzuteilen. Dieser vereinfachte Ansatz liefert jedoch nur dann sinnvolle Ergebnisse, wenn sich in Zukunft bzw. für zu untersuchende Maßnahmen mit differenzierter Wirkung auf die Fahrzeugtypen die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte zum Vergleichsfall nur geringfügig ändert. Aktuelle Entwicklungen der Antriebstechnologien (bspw. Markteintritt von Elektroautos) und die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen deuten allerdings langfristig auf einen signifikanten Umbruch hin.

Um die Entwicklung der MIV-Emissionen daher besser abschätzen zu können, wird ein Ansatz entwickelt, bei dem in ein bestehendes Verkehrsnachfragemodell eine zusätzliche untergeordnete Entscheidungsebene zur Abbildung der Fahrzeugtypenwahl eingefügt wird. Zur Veranschaulichung der Methodik werden die Ergebnisse von zwei Szenarien aus dem Projekt „Verkehrsentwicklung und Umwelt“ [2] aufgezeigt. Bei dem Projekt handelt es sich um ein Verbundprojekt im DLR-Programm „Verkehr“ an dem zehn Institute des DLR sowie das Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) und das Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) beteiligt sind. Die deutschlandweite Fahrleistung im Jahr 2040 wird nach fünf Fahrzeugtypen differenziert berechnet.

2 Modellierung des Verkehrs in Deutschland

Für eine differenzierte Modellierung und Prognose des Verkehrs sind zahlreiche Analysedaten und Datenfortschreibungen erforderlich. Hierzu zählen u.a. Informationen über das Verkehrsangebot (Streckenkapazitäten, ÖV-Linien etc.) als auch räumlich differenzierte Strukturdaten, wie beispielsweise Anzahl der Einwohner und Arbeitsplätze. Ebenfalls von sehr großer Bedeutung ist die Information der Pkw-Verfügbarkeit von Personen. Diese beruht auch auf dem Pkw-Bestand und dessen Entwicklung. Zur Beantwortung von Fragestellungen hinsichtlich der Entwicklung von Emissionen des Pkw-Verkehrs und der Durchdringung der Flotte mit alternativen Antrieben sind darüber hinaus Informationen über fahrzeugtypen- und technologiespezifische Bestände und Verfügbarkeiten notwendig. Solche differenzierte Pkw-Flotten können wiederum mit Hilfe von Pkw-Marktmodellen ermittelt werden.

Sowohl Verkehrsmodelle zur Beschreibung der Verkehrsentwicklung in Deutschland als auch ein Pkw-Marktmodell für Deutschland und Europa werden am DLR entwickelt und angewendet. Sie bilden die Grundlage für die in diesem Beitrag vorgestellte Modellentwicklung und werden nachfolgend kurz vorgestellt.

2.1 Verkehrsmodell für Deutschland

Am DLR Institut für Verkehrsforschung wird seit einigen Jahren ein deutschlandweites Verkehrsmodell (D-Modell) entwickelt. Es wurde bereits mehrfach in verschiedenen Projekten erfolgreich angewendet, um den zukünftigen Personenund Güterverkehr in Deutschland unter Beachtung von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Form von möglichen zukünftigen Szenarien abzuschätzen. Das D-Modell besteht im Wesentlichen aus vier unterschiedlichen Modellteilen. Eine schematische Übersicht ist in Bild 1 dargestellt.

Das Netzmodell (Straße, Schiene, Wasserstraße) dient dabei der Ermittlung der Aufwände (Zeiten, Kosten) je Quelle-Ziel-Beziehung und je Verkehrsmittel und umfasst neben Deutschland auch weite Teile Europas, wobei der Detaillierungsgrad mit der Entfernung von Deutschland abnimmt. Deutschland ist räumlich in 6.561 Verkehrszellen unterteilt. Die Basis der Einteilung stellen einerseits die Gemeinden bzw. Gemeindeverbünde dar, andererseits sind Städte zusätzlich auf Basis statistischer Bezirke unterteilt. Darüber hinaus ist Deutschland zusätzlich auf Basis der NUTS3-Einteilung (Gebietsstand 31.12.2010) unterteilt. Welche Einteilung Anwendung findet ist zum einen abhängig davon ob es sich um Güter-, Personennahoder Personenfernverkehr handelt, zum anderen unterscheidet sie sich in Abhängigkeit von der betrachteten Modellstufe. Das restliche Europa ist in knapp 200 Verkehrszellen gegliedert.

Zur Ermittlung der Verkehrsnachfrage werden mehrere Verkehrsmodelle verwendet. Dabei handelt es sich einerseits um ein Güterverkehrsmodell, andererseits um ein zweiteiliges Personenverkehrsmodell. Das makroskopische Güterverkehrsmodell FRIDAY behandelt die bodengebundenen Verkehrsträger Schiene, Straße und Binnenschifffahrt, unterscheidet 25 verschiedene Gütergruppen sowie über zehn verschiedene Fahrzeug-/Zug-/Schiffsklassen und berücksichtigt Güterverkehre in, durch, von und nach Deutschland. Es besteht aus den Modellschritten Frachterzeugung, Frachtverteilung, Modalwahl und Umrechnung von Güterströmen in Fahrtenmatrizen.

Das Personenverkehrsmodell besteht aus einem Nahund einem Fernverkehrsmodell. Mit dem Modell für den Nahverkehr werden Wege bis einschließlich 100 Kilometern und mit dem Fernverkehrsmodell Wege bzw. Reisen ab 100 Kilometern abgebildet. Diese Differenzierung ist notwendig, um Unterschiede in den Wegezwecken, verfügbaren Verkehrsmittel, etc. besser zu erfassen.

Bild 1: Komponenten des deutschlandweiten Verkehrsmodells

Das Nahverkehrsmodell ist eine Variante des EVA-Ansatzes (Erzeugung, Verteilung, Aufteilung) von Lohse (vgl. [3], [4]). Der Ansatz sieht nach der Erzeugung eine simultane Berechnung der Zielund Verkehrsmittelwahl unter Berücksichtigung von Randsummenbedingungen und deutschlandweiten Modal Split-Vorgaben für das Analysejahr vor. Als Widerstandsbzw. Bewertungsfunktion f findet hier die Exponentialfunktion f(V) = exp(V) Anwendung, wobei der Nutzen V durch eine Box-Tukey-Transformation angepasst wird.

Im Modell wird die Bevölkerung in 22 Personengruppen unterschieden, deren Einteilung auf dem Alter, dem Status der Erwerbstätigkeit und der Pkw-Verfügbarkeit basiert. Zusätzlich erfolgt die Unterscheidung nach den Kreistypen (Kernstadt, verstädterte Kreise und ländliche Kreise). Entsprechend des EVA-Ansatzes werden sogenannte Quelle-Ziele-Gruppen gebildet, die verhaltenshomogenen Verkehrsnachfrageklassen entsprechen und auf Aktivitätenpaaren (am Startund Endpunkt von Ortsveränderungen) basieren. Das hier beschriebene Nahverkehrsmodell umfasst 13 Quelle-Ziel-Gruppen, wie beispielsweise die Gruppe Wohnen-Arbeiten. Weiterhin werden im Modell die vier Verkehrsmittel MIV, ÖV, Rad und Fuß unterschiedenen. Die Verkehrsnachfrageberechnung des Personennahverkehrsmodells erfolgt vollständig auf Basis der 6.561 Verkehrszellen. Die Datengrundlage bilden zahlreiche unterschiedliche Quellen, wobei für die Bestimmung der Verhaltensparameter die Erhebung „Mobilität in Deutschland“ (MiD) [5] von zentraler Bedeutung ist.

Im Fernverkehrsmodell für den Personenverkehr erfolgt analog zum Nahverkehrsmodell zunächst die Verkehrserzeugung. Anschließend werden die relationsfeinen Verkehrsströme je Verkehrsmittel mittels eines Nested Logit Modells (vgl. dazu bspw. [6]) ermittelt. Aufgrund der wesentlich beschränkteren Datenlage für den Fernverkehr ist das Modell im Vergleich zum Nahverkehrsmodell weniger differenziert. So werden zwei Personengruppen (Einwohner, Erwerbstätige) unterschieden, jedoch erfolgt auch hier zusätzlich die Unterteilung nach den Kreistypen. Zudem wird die Verkehrsnachfrage in fünf verschiedenen Fahrtbzw. Reisezwecken, wie beispielsweise Urlaub, unterteilt. Die betrachteten Verkehrsmittel sind MIV, Bahn, Flugzeug sowie Reiseund Fernlinienbusse. Die Berechnungen erfolgen auf Basis der NUTS3-Zonierung. Wichtigste Datengrundlage ist auch für dieses Modell die MiD.

Das Ergebnis der Nachfragemodelle sind Nachfragematrizen für alle betrachteten Verkehrsarten und Verkehrsmittel. Diese werden schließlich gemeinsam auf die jeweiligen Verkehrsnetze umgelegt. Die damit ermittelten Verkehrsund Fahrleistungen, im Besonderen des motorisierten Verkehrs, bilden dann die Grundlage für Emissionsberechnung.

Das D-Modell wurde ursprünglich in der hier kurz dargestellten Ausdifferenzierung und unabhängig von der in diesem Beitrag vorgestellten Modellerweiterung entwickelt und kalibriert. Der in Abschnitt 3 vorgestellte Ansatz zur Differenzierung der Verkehrsnachfragemodelle nach Fahrzeugtypen kann sowohl auf das Nahals auch das Fernverkehrsmodell in ähnlicher Weise angewendet werden. In diesem Beitrag wird daher nur die Umsetzung im Nahverkehrsmodell näher erläutert.

2.2 Pkw-Marktmodell VECTOR21

Am DLR Institut für Fahrzeugkonzepte wird seit einigen Jahren ein kundenbasiertes PkwMarktmodell (VECTOR21) für Deutschland und andere europäische Märkte entwickelt (vgl. [7], [8], [9], [10]). Es wird eingesetzt, um Auswirkungen wechselnder politischer und technischer Rahmenbedingungen auf die Neuwagenmarktzusammensetzung zu modellieren. Es ist in der Lage, einzelne Kaufentscheidungen zu simulieren, zudem lassen sich die Einflüsse weiterer Aspekte wie z.B. Herstellerstrategien zur Einhaltung der europäischen CO2Zielwerte [11] oder Einflüsse auf europäische Fahrzeugbestände in VECTOR21 analysieren.

Die Kaufentscheidung der Kunden wird nach den Kriterien Fahrzeuggröße, Verfügbarkeit der Ladebzw. Betankungsinfrastruktur, Anschaffungsund laufenden Kosten (Relevant Cost of Ownership) sowie Umweltgesichtspunkten (CO2-Emissionen) getroffen (Bild 2). Neben den Kunden, die sich nach jährlicher Fahrleistung und Innovationsbereitschaft unterscheiden, bildet VECTOR21 insbesondere die technischen Eigenschaften und Kosten heutiger und zukünftiger Fahrzeuge, die europäische CO2-Gesetzgebung, landesspezifische Kaufanreize und Steuern sowie angebotsseitige Herstellerstrategien und Produktionskapazitäten ab.

Bild 2: Funktionsweise des Pkw-Marktmodells VECTOR21

Die Modellierung des Pkw-Bestands erfolgt in einem zusätzlichen Modul auf Grundlage der Zusammensetzung des jeweiligen Neuwagenmarkts (dargelegt in [12]). Dies ermöglicht eine differenzierte Betrachtung des Pkw-Bestands in VECTOR21 nach Fahrleistung, Fahrzeuggröße und verwendetem Antriebsstrang, wobei landesund größenspezifische Überlebensraten und Fahrleistungsveränderungen der Fahrzeugkohorten in Abhängigkeit des Fahrzeugalters und der Jahresfahrleistung berücksichtigt werden.

3 Modellentwicklung zur Differenzierung der Verkehrsnachfrage nach Fahrzeugtypen

3.1 Ansatz

Zur Differenzierung der MIV-Nachfragematrizen und -Fahrleistungen nach Fahrzeugtypen wird ein Zusatzmodul entwickelt, welches dem Nachfragemodell hierarchisch untergeordnet ist und die Ergebnisse der Pkw-Bestandprognose einbezieht. Dieser Ansatz ermöglicht eine verbesserte Abschätzung der verkehrlichen Wirkungen technologischer Entwicklungen und verkehrspolitischer Maßnahmen, die sich nur auf bestimmte Fahrzeugtypen auswirken (bspw. kostenloses Parken in Innenstädten nur für Elektroautos). Neue bzw. veränderte Bestände und Verfügbarkeiten alternativer Antriebstechnologien (bspw. Elektroantrieb, Brennstoffzelle usw.) haben ebenfalls einen Einfluss auf die Verkehrsnachfrage, der mithilfe des hier vorgestellten Zusatzmoduls abgeschätzt werden kann.

Bild 3 stellt den Ansatz und die Zusammenhänge zwischen dem D-Modell, dem PkwMarktmodell und dem Zusatzmodul dar.

Bild 3: Modellaufbau

Das Zusammenspiel zwischen Nachfragemodell und Zusatzmodul besteht in beiden Richtungen und ist analog zu einem hierarchischen Nested Logit-Modell aufgebaut. Die Fahrzeugtypen im Zusatzmodul bilden die unteren Nester des Modus „MIV“, während die Ziele im D-Modell die oberen Nester repräsentieren. Bild 4 verdeutlicht diese Struktur, die sowohl auf das Nahals auch auf das Fernverkehrsmodell zutrifft. Der hier vorgestellte Ansatz zur Differenzierung nach Fahrzeugtypen ist universal, d.h. er ist unabhängig von der funktionalen Form des übergeordneten Nachfragemodells (z.B. Gravitationsmodell, Discrete-ChoiceModell, EVA-Modell usw.).

Bild 4: Nested Logit-Struktur von D-Modell und Zusatzmodul

Eine Herausforderung bei der konzeptionellen Umsetzung des Ansatzes ist die Tatsache, dass der Pkw-Besitz und darüber hinaus der Fahrzeugtypbesitz langfristige Entscheidungen von Personen und Haushalten sind, welche großen Einfluss auf die mittelund kurzfristigen Handlungsund Wahloptionen (z.B. Moduswahl) haben. Zudem besitzen Haushalte in der Regel nur ein bis zwei Fahrzeuge und damit auch nur eine sehr eingeschränkte Anzahl an unterschiedlichen Fahrzeugtypen. Folglich ist das Choice-Set der Fahrzeugtypen je Verkehrsteilnehmer stark begrenzt und besteht nicht aus allen im Markt verfügbaren Optionen.

Im Rahmen makroskopischer Verkehrsnachfragemodellierung gibt es zwei Möglichkeiten dieses Problem zu lösen. Die im Verkehrsnachfragemodell betrachteten Personengruppen könnten zusätzlich nach deren Fahrzeugtypenverfügbarkeiten differenziert werden. Hierdurch können deren tatsächliche Choice-Sets definiert werden. Aufgrund des mit dieser Variante verbundenen sehr großen Aufwands das gesamte Verkehrsnachfragemodell neu zu strukturieren und der zu erwartenden deutlich höheren Rechenzeiten, wird hier ein anderer Ansatz verfolgt.

Es ist möglich, die fahrzeugtypenspezifische Verfügbarkeit VerfFT als zusätzliche stetige Variable in die Nutzenfunktion zu implementieren. Diese aggregierte Variable beschreibt den Anteil der Ortsveränderungen, für den ein bestimmter Fahrzeugtyp verfügbar ist. Durch die typenspezifische Verfügbarkeit wird ebenfalls die Verbindung zum modellierten Pkw-Bestand hergestellt, wobei die Werte verkehrszellenbzw. relationsfein vorgegeben werden können. Wird die Pkw-Flottenzusammensetzung als Proxy für die Verfügbarkeiten der einzelnen Fahrzeugtypen verwendet, ergibt sich somit:

Formel (1) siehe PDF.

Die aus der MiD ableitbare Variable der MIV-Verfügbarkeit wird somit mit Hilfe der Flottenanteile auf die unterschiedlichen Fahrzeugtypen aufgeteilt. Der Nutzen V jedes einzelnen Fahrzeugtyps FT für jede Quelle-Ziel-Relation wird zunächst im Zusatzmodul ermittelt:

Formel (2) siehe PDF.

Dabei entsprechen die Variablen der Nutzenfunktionen im Zusatzmodul denen der ursprünglichen MIV-Nutzenfunktion des D-Modells, um die Kompatibilität beider Modellteile zu gewährleisten. Die im übergeordneten Nachfragemodell verwendeten Aufwandsarten Reisezeit, Kosten usw. werden in das Zusatzmodul verlagert, unabhängig davon, ob die Aufwände für alle Fahrzeugtypen gleich (wie bspw. die Reisezeit) oder unterschiedlich (bspw. die Kraftstoffkosten) sind.

Darüber hinaus werden im Zusatzmodul die bereits erwähnten fahrzeugtypenspezifischen Pkw-Verfügbarkeiten VerfFT einbezogen, welche die ursprünglich berücksichtigte übergeordnete MIV-Verfügbarkeit ersetzen. Die Fahrzeugtyp-Verfügbarkeit wird logarithmiert in die Nutzenfunktion eingefügt. Da 0 ≤ VerfFT ≤ 1, ergibt sich für diese Nutzenkomponente -∞ ≤ In(VerfFT) ≤ 0. Damit ist gewährleistet, dass ein Fahrzeugtyp nicht gewählt werden kann, wenn er nicht zur Verfügung steht.

Als nächster Schritt werden durch Anwendung der Logsum-Formel (3) (erläutert bspw. in [13]) der Inklusivwert bzw. der erwartete maximale Nutzen V* über alle Fahrzeugalternati-ven berechnet.

Formel (3) siehe PDF.

Da alle MIV-Nutzenkomponenten im Zusatzmodul betrachtet werden, gilt VMIV = V*. Der Inklusivwert wird folglich im übergeordneten Nachfragemodell als Gesamtnutzen des MIV eingesetzt und zur Berechnung der Verkehrsnachfrage für alle Verkehrsmittel und Ziele verwendet. Die resultierenden MIV-Nachfragematrizen werden schließlich im Zusatzmodul eingespeist und darin mittels eines multinomialen Logit-Modells zu einzelnen fahrzeugtypspezifischen Matrizen zerlegt:

Formel (4) siehe PDF.

Die Bestimmung aller Präferenzparameter β und des Logsum-Skalierungsparameters μ werden im nachfolgenden Abschnitt erläutert.

3.2 Parameterschätzung und Validierung

Die Bestimmung der Parameter erfolgt idealerweise auf Basis empirisch erhobener Verkehrsverhaltensdaten, welche auch Rückschlüsse auf die Entscheidungssituation der Personen erlauben. Erst wenn die Eigenschaften aller einem Entscheidungsträger zur Verfügung stehenden Alternativen bekannt sind kann eine sinnvolle Bestimmung der Parameter erfolgen. Weiterhin muss in der empirischen Datengrundlage eine ausreichende Variabilität der einzelnen Einflussgrößen vorhanden sein, um deren Bedeutung auf die Gesamtentscheidung mittels statistischer Schätzmethoden bestimmen zu können.

Eine solche empirische Datengrundlage liegt derzeit nicht in der notwendigen Form vor. Die Schwierigkeit besteht im Besonderen darin, eine ausreichende Variabilität hinsichtlich der Fahrzeugtypen-Verfügbarkeit in der Datengrundlage zu gewährleisten. Die Präferenzen für einen spezifischen Fahrzeugtyp ließen sich nur dann ermitteln, wenn für ansonsten identische Fahrten unter gleichen Rahmenbedingungen ein unterschiedliches Verkehrsverhalten bei unterschiedlichen Fahrzeugtypen-Verfügbarkeiten empirisch beobachtbar wäre. Dies ist jedoch praktisch kaum möglich. Die Präferenzparameter β und der Logsum-Skalierungsparameter μ müssen demzufolge aus anderen Quellen hergeleitet und die Modellergebnisse an empirischen Daten kalibriert werden. Dabei soll das Modell folgende Bedingungen möglichst gut erfüllen:

(i)        Falls alle Fahrzeugtypen gleiche Aufwände (bis auf die fahrzeugtypische Verfügbarkeit) aufweisen, dann sollen die Auswahlwahrscheinlichkeiten identisch mit den Verfügbarkeitsanteilen (vgl. Gleichung (4)) sein.

(ii)        Der Inklusivwert über alle Fahrzeugtypen soll gleich dem MIV-Nutzen ohne Fahrzeugtypendifferenzierung sein.

(iii)        Wenn im Zusatzmodul die gleichen Präferenzparameter β wie ursprünglich für den MIV im übergeordneten Modell verwendet werden, dann soll μ ≥ 1 gelten.

(iv)        Fahrzeuge mit geringeren fahrleistungsabhängigen Aufwänden sollten häufiger und für längere Fahrten verwendet werden.

Bedingung (i) besagt, dass Fahrzeuge mit identischen Eigenschaften gleich genutzt werden sollen. Diese Bedingung ist automatisch erfüllt, falls βVer * μ = 1. Da im Logit-Modell nur Nutzendifferenzen bei der Berechnung der Auswahlwahrscheinlichkeiten von Bedeutung sind, und alle anderen Aufwandsarten gleich sind, ergeben sich folgende Anteile der Fahrzeugtypen laut Gleichung (4):

Formel (5) siehe PDF.

Die Bedingungen (ii) und (iii) sichern die Kompatibilität des Zusatzmoduls zum bereits kalibrierten und validierten Nachfragemodell. Falls (ii) nicht gilt, dann würden Modellrechnungen mit und ohne Pkw-Differenzierung zu unterschiedlichen Gesamtergebnissen führen, was nicht plausibel ist. Diese Bedingung spricht dafür, die gleichen Präferenzparametern β je Aufwandsgröße wie im übergeordneten Modell für alle Fahrzeugtypen im Zusatzmodul zu verwenden. Impliziert wird dadurch, dass die Präferenzen für die Nutzung aller Pkw-Typen gleich sind. Diese vereinfachende Annahme ist einerseits aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Parameterschätzung notwendig, anderseits kann sie aber auch als sinnvoll erachtet werden.

Bedingung (iii) besagt, dass das Verhältnis der Skalierungsparameter der beiden Ebenen im Nested Logit-Modell zwischen 0 und 1 liegt (der Skalierungsparameter der oberen Ebene wird als 1 definiert). Diese Bedingung ist wichtig, da ansonsten das Modell zu falschen Elastizitäten führen könnte (vgl. dazu bspw. [13]). Anders formuliert bedeutet dies, dass mit diesem Modelaufbau die Pkw-Typenwahl mindestens genauso sensitiv auf Reisezeiten, Kosten usw. sein muss wie die Zielund die Verkehrsmittelwahl.

Bedingung (iv) wird erfüllt, falls für die Präferenzparameter für Reisezeiten, Kosten usw. β < 0 gilt. Eine geeignete Kenngröße zur Beschreibung der Nutzungshäufigkeit und Nutzungsintensität ist die mittlere jährliche Fahrleistung pro Fahrzeugtyp. Als Vergleichsquelle zur mittleren jährlichen Fahrleistung dienen bspw. Verkehr in Zahlen [14] oder die Fahrleistungserhebung [15].

Um alle Bedingungen möglichst gut einzuhalten, werden im Zusatzmodul die Präferenzparameter aus dem D-Modell übernommen und der Skalierungsparameter μ auf den Wert 1 gesetzt. Eine Modellberechnung mit diesen Parametern für das Basisjahr 2010 liefert die Ergebnisse in Tabelle 1. Die mittlere Jahresfahrleistung für Benzinund Dieselfahrzeuge wird, im Vergleich zu den Werten der Fahrleistungserhebung 2014 (Spalte 2), mit den so definierten Parametern relativ gut getroffen. Dieselfahrzeuge werden aufgrund der geringeren Kosten pro gefahrenen Kilometer mehr genutzt als Benzinfahrzeuge. Im Gegensatz dazu führen die sehr niedrigen Kilometerkosten der Gasfahrzeuge zu deutlich zu hohen mittleren Jahresfahrleistungen.

Tabelle 1: Modellvalidierung, Basisjahr 2010

Die zu hoch modellierte mittlere Jahresfahrleistung der Gasfahrzeuge verdeutlicht, dass die Pkw-Typenwahl zu sensitiv auf Unterschiede in den Aufwänden der einzelnen Pkw-Typen reagiert. Dies ist damit zu begründen, dass mit diesem Modellansatz die langfristige (und demzufolge auch weniger sensitive) Entscheidung zum Pkw-Besitz mit kurzfristigen Entscheidungen zusammengeführt wird. Durch Übernahme der Präferenzparameter aus dem Nachfragemodell wird im Zusatzmodul eine vergleichbar hohe Sensitivität bei der PkwTypenwahl unterstellt. Um diese Sensitivität im Zusatzmodul zu verringern, müsste der Skalierungsparameter μ auf einen Wert kleiner 1 gesetzt werden. Dies widerspricht aber der Bedingung (iii) und damit einer wichtigen Bedingung zur Konsistenz mit dem Ansatz der Nutzenmaximierung. Die Verletzung dieser Bedingung und deren Wirkung auf die Modellergebnisse war bereits vielfach Diskussionsgegenstand in der Literatur (siehe dazu bspw. [13], [16], [17], [18]). Mit μ < 1 könnten einerseits die Modellergebnisse u.U. besser an empirische Daten angepasst werden, andererseits kann die Annahme zu unplausiblen Elastizitäten und damit zu fehlerhaften Prognoseergebnissen führen.

Zur Vermeidung dieses Problems ist eine theoriekonforme Umformulierung des Modells erforderlich, bei der die (weniger sensitive) Pkw-Typenwahl hierarchisch der Zielund Verkehrsmittelwahl übergeordnet wird und somit das Verhältnis der Skalierungsparameter im geforderten Wertebereich [0 … 1] liegt. Eine solche Modellumstrukturierung hätte jedoch weitreichende Konsequenzen und würde aufwendige neue Modellschätzungen erfordern. Alternativ wäre auch die im Abschnitt 3.1 kurz erwähnte weitere Differenzierung der Personengruppen nach Fahrzeugtypenverfügbarkeit möglich, allerdings praktisch nur sehr schwierig umsetzbar.

Insofern bildet die Einstellung von μ = 1 eine Kompromisslösung, die derzeit als sinnvoll eingestuft wird und auch für die nachfolgend dargestellte Beispielanwendung übernommen wird. Die mit dem hier vorgestellten Modellansatz berechneten Ergebnisse sollten allerdings hinsichtlich ihrer Plausibilität besonders für aufwandsarme Pkw-Typen überprüft werden.

4 Beispielanwendung

4.1 Szenariobeschreibung

Die nachfolgende Beispielrechnung basiert auf dem Projekt „Verkehrsentwicklung und Umwelt“, dessen Ziel es ist, verschiedene Entwicklungspfade des Verkehrssystems in Deutschland bis 2040 unter ökologischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten zu analysieren (vgl. dazu [2]). Um die Wirkung des Verkehrs auf die Umwelt (Lärm, Luftqualität und Klima) zu modellieren, sind u.a. differenzierte Fahrleistungen nach Antriebsarten erforderlich.

In dem vorliegenden Beitrag werden Ergebnisse aus zwei Szenarien dieses Projektes vorgestellt. Im „Referenz“-Szenario wird von einer moderaten Fortsetzung aktueller Trends ausgegangen. Die Entwicklung des Verkehrssystems erfolgt ohne signifikante, vom heutigen „Mainstream“ abweichende Impulse von Politik, Gesellschaft und Technologie. Im Vergleich dazu zeigt das Szenario „Freies Spiel“ eine Entwicklung ausgehend von einer schwächeren Priorisierung des Umweltschutzes und geringeren regulatorischen Steuerungsimpulsen für mehr Umweltund Ressourceneffizienz im Verkehrssektor.

Grundlage für die Szenarien bildet die aktuelle Verkehrsprognose des Bundes [19], aus der wichtige Rahmendaten und Modelleingangsgrößen wie bspw. die Bevölkerung und Wirtschaftsentwicklung weitestgehend übernommen und bis zum Jahr 2040 fortgeschrieben werden. In das „Referenz“-Szenario finden zudem wesentliche Annahmen zur Entwicklung des ÖPNVund Schienenfernverkehrsangebots aus der Verkehrsprognose Eingang. Im Ver-gleich dazu wird im Szenario „Freies Spiel“ davon ausgegangen, dass sich das Angebot des Öffentlichen Verkehrs hinsichtlich Reisezeiten und Kosten verschlechtert.

Abweichend von der Verkehrsprognose wird in beiden Szenarien eine sehr moderate Entwicklung der Kraftstoffpreise zu Grunde gelegt (1,74 EUR2010/l Benzin und 1,63 EUR2010/l Diesel im Jahr 2040), um eine eher konservative Entwicklung abzubilden. Endkundenstrompreise werden [20] entnommen, unter der Annahme, dass 60% der Neufahrzeugkäufer gewerbliche Kunden sind (21 ct/kWh im Jahr 2040). Es wird davon ausgegangen, dass der Pkw-Bestand in Deutschland weiterhin wachsen und sich im Jahr 2040 auf 43 Mio. Fahrzeuge („Referenz“) bzw. 45 Mio. Fahrzeuge („Freies Spiel“) einpendeln wird. Der Unterschied in der Motorisierungsrate resultiert aus der Annahme einer höheren Führerscheinquote im Szenario „Freies Spiel“ aufgrund des schlechteren ÖV-Angebotes insbesondere im ländlichen Raum. Bei der Entwicklung der EU-CO2-Ziele für Neufahrzeuge wird für das Jahr 2040 im Szenario „Referenz“ eine Absenkung auf 65 g CO2/km antizipiert, während im Szenario „Freies Spiel“ ein Einfrieren des Zielwertes von 95 g CO2/km ab dem Jahr 2021 modelliert wird. Analog wird im Szenario „Freies Spiel“ von einem deutlich verzögerten Infrastrukturausbau für elektrische Ladestationen und Wasserstofftankstellen ausgegangen, genauso wie von einer verzögerten Technologieentwicklung (Lernkurveneffekte).

4.2 Ergebnisse

Basierend auf den Rahmenannahmen der beiden Szenarien „Referenz“ und „Freies Spiel“ ergeben sich aus der Modellrechnung mit VECTOR21 unterschiedliche Zusammensetzungen des Pkw-Bestands. Diese werden in Bild 5 dargestellt. In beiden Szenarien dominieren im Jahr 2040 Benzinund Diesel-Hybridantriebe (als Vollhybride, 60% im Szenario „Referenz“ und 67% im Szenario „Freies Spiel“), die sich unter den Rahmenannahmen zu Energieträgerkosten, CO2-Zielwerten u.a. als die ökonomisch-ökologisch günstigste Variante für viele Kunden erweisen. Im Szenario „Referenz“ setzt sich der Rest des Bestandes zusammen aus Plug-in-Hybriden (17%), konventionellen Benzinund Dieselantrieben (15% und 6%) sowie batterieelektrischen Antrieben und Erdgasfahrzeugen (in Summe 2%), v.a. angetrieben durch die Verschärfung der EU-CO2-Ziele für Neufahrzeuge. Im Szenario „Freies Spiel“ hingegen ist der Anteil der Plug-in-Hybride marginal (<1%), ebenso wie der der Erdgasantriebe und batterieelektrischen Antriebe (<2%), da die EU-CO2-Zielwerte nicht weiter abgesenkt werden. Ein weiterer Druck zur Verbesserung der konventionellen Dieselund Benzin-Pkw über 2021 hinaus ist somit nicht gegeben, deswegen halten sich im Szenario „Freies Spiel“ diese Antriebe stärker im Bestand (24% und 7%).

Bild 5: VECTOR21-Modellergebnisse des Pkw-Bestands 2040 in den Szenarien „Referenz“ und „Freies Spiel“ 2040

Die VECTOR21-Modellergebnisse zum Pkw-Bestand weisen einen sehr hohen Detaillierungsgrad hinsichtlich der eingesetzten Antriebstechnologien auf. Für die Verkehrsnachfragemodellierung und nachgelagerte Emissionsberechnungen ist eine derart feine Unterscheidung nicht zwingend erforderlich. Ebenfalls muss ein geeigneter Kompromiss zwischen dem Detaillierungsgrad der Ergebnisse und der erhöhten Modellrechenzeit aufgrund zusätzlicher Fahrzeugkategorien gefunden werden. Infolge dieser Überlegungen werden die Fahrzeugtypen aus Bild 5 in fünf Kategorien zusammengefasst. Folgende Fahrzeugtypen werden im weiteren Verlauf der Beispielanwendung betrachtet:

· Benzin (einschließlich Benzin-Hybrid)

· Diesel (einschließlich Diesel-Hybrid)

· Plug-in-Hybrid (PHEV)

· Batterieelektrisch (BEV)

· Sonstige (Erdgas und Brennstoffzelle)

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Pkw-Bestandsmodellierung sind die mittleren Energieträgerkosten pro Fahrzeugtyp, die sich aus der technologischen Konfiguration der Pkw ergeben und eine entscheidungsrelevante Kenngröße für das Verkehrsnachfragemodell bilden. Diese mittleren Kosten werden in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Fahrzeugtypenspezifische Energieträgerkosten in den Szenarien „Referenz“ und „Freies Spiel“ 2040 basierend auf VECTOR21-Modellrechnungen

Im Szenario „Freies Spiel“ findet nach 2021 keine weitere Absenkung des EU-CO2-Zielwerts für Neufahrzeuge statt, der ein wesentlicher Treiber für die Durchdringung der Flotte mit alternativen Antrieben ist. Im Folgenden setzen sich Vollhybridantriebe durch, die für die Einhaltung des Flottenschnitts sorgen. Die Käufer konventioneller Pkw-Antriebe (einschl. Vollhybride) haben damit keine monetären und ökologischen Anreize mehr, effizientere, aber auch teurere Konfigurationen zu wählen. Dies sorgt im Vergleich zum Szenario „Referenz“ für leicht erhöhte Kraftstoffkosten pro Kilometer in 2040. Alternative Pkw mit batterieelektrischen oder Plug-in-Hybrid-Antrieben werden im „Freien Spiel“ praktisch nur noch von progressiven Kunden (sog. „Innovatoren“ oder „Early Majority“) mit einem entsprechenden Fahrleistungsprofil gekauft. Hierdurch ergeben sich leicht niedrigere Energieträgerkosten pro Kilometer.

Die Modellierung des deutschlandweiten Verkehrs umfasst, wie in Abschnitt 2.1 beschrieben, sehr differenzierte Berechnung des Personennahund -fernverkehrs sowie des Güterverkehrs, wozu bspw. auch die gemeinsame Verkehrsumlegung zählt. Es ist jedoch nicht möglich diese Ergebnisse hier umfassend darzustellen. Vielmehr werden aggregierte Kenngrößen mit Fokus auf der Differenzierung der Fahrzeugtypen dargestellt. Die Ergebnisse entsprechen dabei der Summe des Personennahund des Personenfernverkehrs.

Der differenzierte Pkw-Bestand aus VECTOR21 und die Energieträgerkosten werden zusammen mit den anderen szenariospezifischen Annahmen in das D-Modell eingebaut und bei der Berechnung der Verkehrsnachfrage berücksichtigt. Tabelle 3 stellt die wichtigsten Kenngrößen der MIV-Gesamtnachfrage in den beiden betrachteten Szenarien dar. Insgesamt werden im Szenario „Freies Spiel“ aufgrund der Verschlechterung des ÖPNVAngebotes im Vergleich zur „Referenz“ mehr Wege mit dem Pkw zurückgelegt. Gleichzeitig aber gehen die Fahrleistung und vor allem die mittlere Reiseweite im MIV zurück, was durch die höheren Kosten pro gefahrenen Kilometer erklärbar ist.

Tabelle 3: Allgemeine Ergebnisse zur MIV-Nachfrage 2040 aus dem D-Modell

Entsprechend dem hier vorgestellten Zusatzmodul wird die Gesamt-MIV-Nachfrage auf die fünf Fahrzeugtypen aufgeteilt. In Bild 6 werden in aggregierter Form die Anteile der Fahr-zeugkategorien an der Gesamtfahrleistung den korrespondierenden Anteilen am PkwBestand gegenübergestellt. Die Unterschiede zwischen dem Bestand und der Nutzung der Fahrzeuge sind deutlich. Einerseits sind beispielsweise im Szenario „Referenz“ über 50% der Pkw Benzinfahrzeuge, jedoch erbringen diese weniger als 40% der Gesamtfahrleistung. Grund hierfür sind die vergleichsweise hohen Energieträgerkosten. Andererseits werden ca. 25% der Fahrleistung von Plug-in-Hybriden realisiert, obwohl diese Fahrzeuge im Bestand weniger als 20% ausmachen. Ähnliches ist auch im Szenario „Freies Spiel“ zu erkennen, mit dem Unterschied, dass hier die alternativen Antriebe kaum ins Gewicht fallen.

Bild 6: Anteile der Fahrzeugtypen an die Gesamtfahrleistung und am Bestand 2040 basierend auf VECTOR21 und dem Zusatzmodul

Bild 6 verdeutlicht, dass der hier vorgestellte Ansatz sensitiv auf Unterschiede in den Eigenschaften der Fahrzeuge reagiert und zu besseren Ergebnissen als zum Beispiel eine einfache Verschneidung des Flottenbestands mit der MIV-Gesamtfahrleistung führt. Pkw mit höheren Energieträgerkosten werden weniger intensiv genutzt, während Fahrzeuge mit geringeren fahrleistungsabhängigen Kosten überdurchschnittlich zum Einsatz kommen. Bereits bei der Validierung des Modells im Abschnitt 3.2 wurde jedoch festgestellt, dass das Modell, bedingt durch die Modellstruktur und theoretischen Rahmenbedingungen, unter bestimmten Umständen etwas zu sensitiv reagiert. Die Feststellung wird auch durch die Ergebnisse der Beispielanwendung bekräftigt. Die mittlere Jahresfahrleistung eines batterieelektrischen Pkws oder Plug-in-Hybriden liegt in beiden Szenarien bei über 25.000 km. Auch wenn derzeit nur wenige empirische Daten zur Fahrleistung solcher alternativen Antriebe vorhanden sind, erscheinen diese Ergebnisse als zu hoch. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Parameter der Fahrzeugtypenwahl genauer zu schätzen und das Modell ggf. durch eine angepasste Struktur oder zusätzliche Variablen und Parameter zu verbessern.

5 Fazit und Ausblick

In diesem Beitrag wird ein Ansatz zur Differenzierung der MIV-Verkehrsnachfrage nach Fahrzeugtypen vorgestellt. Anlass für diese Differenzierung ist die Notwendigkeit, Fahrleistungen getrennt nach den Eigenschaften der Fahrzeuge zu berechnen, um anschließend die verkehrsbezogenen Emissionen und die Auswirkungen des Verkehrs auf Mensch, Umwelt und Klima genauer abschätzen zu können. Weiterhin soll das Modellkonstrukt fähig sein, auf verkehrspolitische Maßnahmen mit differenzierter Wirkung auf die Fahrzeugtypen zu reagieren.

Grundlage für die Entwicklung des Berechnungsansatzes bilden zwei unterschiedliche Modelle, die am DLR separat betrieben werden: ein deutschlandweites Verkehrsmodell, das u.a. Prognosen der Gesamt-MIV-Verkehrsnachfrage auf Ebene der Quelle-Ziel-Relationen liefert und das Pkw-Marktmodell VECTOR21 zur Prognose der Zusammensetzung des deutschen Pkw-Bestandes, differenziert nach den technologischen Eigenschaften der Fahrzeuge.

Ein Zusatzmodul zur Differenzierung der MIV-Verkehrsnachfrage wird als Schnittstelle zwischen den beiden Modellen entwickelt. Dieses Modul ist eng mit dem Verkehrsnachfragemodell gekoppelt und bildet dessen neu definierte unterste hierarchische Entscheidungsebene. Die Verbindung zwischen dem Zusatzmodul und dem Pkw-Marktmodell ist durch die Pkw-Bestandsanteile und typenspezifische Pkw-Verfügbarkeiten gegeben.

Eine besondere Herausforderung stellt die Herleitung und Schätzung der Parameter im Zusatzmodul dar. Aufgrund der aggregierten Modellformulierung sind klassische Schätzverfahren kaum praktisch anwendbar. Aus diesem Grund werden die Präferenzparameter des MIV aus dem ursprünglichen Verkehrsnachfragemodell übernommen. Aufgrund dieser Annahme und der hier verwendeten Modellstruktur können unter bestimmten Umständen zu hohe Sensitivitäten gegenüber Kostenunterschieden resultieren. An dieser Stelle besteht sowohl noch modellseitiger Weiterentwicklungsbedarf als auch die Notwendigkeit weiterer empirischer Daten. Dennoch liefert der Ansatz bereits deutlich plausiblere Ergebnisse als zum Beispiel eine einfache Verschneidung des Flottenbestands mit der MIV-Gesamtfahrleistung.

Die vorgestellte Modelllandschaft wird im Projekt „Verkehrsentwicklung und Umwelt“ erstmalig im Rahmen von Szenariobetrachtungen angewendet und deren Funktionsfähigkeit demonstriert. Ergebnisse aus zwei Szenarien werden vorgestellt und erläutert. Durch unterschiedliche Annahmen zur Fortschreibung der CO2-Grenzwerte bei den Neuzulassungen und zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Antriebe ergeben sich in den beiden Szenarien unterschiedliche Pkw-Flottenzusammensetzungen, die dann Auswirkungen auf die differenzierte Pkw-Verkehrsnachfrage haben.

6 Literatur

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