FGSV-Nr. | FGSV 002/127 |
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Ort | online-Konferenz |
Datum | 13.04.2021 |
Titel | Nachfragemodellierung von Mobilität im urbanen Luftraum mit PTV Visum |
Autoren | Dr. rer. nat. Nikolaos Kainaris, Dr. Petr Senk, Udo Heidl |
Kategorien | HEUREKA |
Einleitung | Autonome, on-demand Flugtaxis versprechen ein hohes Maß an Erreichbarkeit wichtiger städtischer Knotenpunkte in Situationen, in denen Reisegeschwindigkeit und Zuverlässigkeit entscheidend sind. Die Flugtaxis operieren dabei innerhalb eines Netzwerkes von Landestellen, so genannten Hubs, an denen Fluggäste ein- und aussteigen können. Während das Konzept von Urban Air Mobility sowohl in der Industrie als auch bei öffentlichen Aufgabenträgern großes Interesse geweckt hat, wurden bisher nur wenige Konzepte vorgeschlagen, um den Einfluss von Flugtaxis auf den städtischen Verkehr quantitativ zu bewerten. Die Kombination aus der inhärenten Multimodalität und des on-demand Charakters des Flugtaxiverkehr, sowie die Notwendigkeit optimale Standorte für Landeplätze auszuwählen, stellen Herausforderungen dar, mit denen sich Verkehrsmodellierer befassen müssen. In dieser Arbeit stellen wir einen Modellierungs-Formalismus vor, der diese Herausforderungen adressiert und eine Vorlage für die Verkehrsnachfragemodellierung von Flugtaxis bilden kann. |
Volltext | Der Beitrag ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.1 Einleitung Die Urbanisierung des menschlichen Lebensraumes soll in den kommenden Jahrzenten so stark wie noch nie ansteigen. Laut Prognosen der Vereinten Nationen ist davon auszugehen, dass bis zum Jahr 2050 68% aller Menschen in Städten leben werden (siehe Vereinte Nationen 2018, [1]). Diese Entwicklung stellt eine maßgebliche Herausforderung für Verkehrsplaner und öffentliche Aufgabenträger dar, die damit beauftragt sind eine nachhaltige und zuverlässige Verkehrsinfrastruktur für urbane Räume bereitzustellen. Die fortschreitende Entwicklung neuer Technologien könnte in diesem Zusammenhang neue Möglichkeiten erschließen, um diesen Herausforderungen zu begegnen. In den letzten Jahren hat das Konzept von elektrischen, autonomen Lufttaxis, die vertikal starten und landen können (VTOL für Vertical Take-off and Landing), als zuverlässige und schnelle Alternative zu traditionellen landgebundenen Verkehrssystemen große Aufmerksamkeit geweckt (siehe Uber Elevate 2016, [2] und Porsche Consulting 2018, [3]). Diese Flugtaxis bewegen sich in einem Netzwerk aus Landeplätzen, sogenannten Hubs, an denen Fahrgäste ein- und aussteigen können und sollen auf on-demand Basis verfügbar sein. Flugtaxis sind nicht an ein Straßennetz und darin entstehende Staus gebunden und versprechen daher eine geringe Varianz der Reisezeit. Sie könnten damit insbesondere eine hohe Erreichbarkeit städtischer Knotenpunkte in reisezeitsensitiven Situationen ermöglichen. Ein besonders vielversprechender Anwendungsfall ist der Einsatz von Flugtaxis als Shuttleservice zu Flughäfen. Diese Möglichkeit wird von einigen großen deutschen Flughäfen bereits aktiv untersucht. Während die Aussicht auf Luftmobilität verlockend klingt, ist noch unklar, wie groß die tatsächliche Nachfrage nach einem solchen Verkehrssystem tatsächlich wäre und ob die Implementierung eines Lufttaxi-Netzwerkes die Erreichbarkeit in städtischen Gebieten überhaupt erheblich verbessern würde. Aus Sicht potenzieller Betreiber könnte man auch die folgenden Fragen stellen: Wo sollten Hubs errichtet werden, um möglichst viele potenzielle Kunden zu erreichen? Welches Fahrpreisschema ist rentabel? Oder, wie groß muss die Flugtaxi-Flotte sein, um ein ausreichendes Serviceniveau zu gewährleisten? Verkehrsnachfragemodelle stellen ein mächtiges Hilfsmittel dar, um die Auswirkungen von Flugtaxis auf die Verkehrssituation in Städten zu simulieren und quantitative Antworten auf diese Fragen zu liefern. Verkehrsplaner, die die Auswirkungen von Lufttaxis im Rahmen eines Verkehrsnachfragemodells simulieren möchten, stehen jedoch vor drei großen Herausforderungen: 1. Es muss eine geeignete Menge und geeignete Positionen von Hub-Standorten für das jeweilige Untersuchungsgebiet ausgewählt werden. Vorzugsweise werden die Hub-Standorte so ausgewählt, dass der Dienst möglichst vielen potenziellen Reisenden zur Verfügung steht. 2. Da Lufttaxis nur zwischen einer begrenzten Anzahl von Hubs verkehren, müssen die Passagiere mit anderen Transportoptionen - sogenannten Zubringer-Modi - die erste Meile bis zum Hub und die letzte Meile bis zum Endziel zurücklegen. Die korrekte Modellierung dieser Zubringermodelle muss sowohl im Angebots- als auch im Nachfragemodell sichergestellt werden, um die zusätzliche Belastung auf Straßen und Linien des öffentlichen Verkehrs abschätzen zu können. 3. Schließlich erfordert der On-Demand-Charakter des Dienstes die Verwendung geeigneter Algorithmen zur Erstellung von diskreten Fahrtwünschen und zur Tourenplanung, um die Fahrten der Flottenfahrzeuge innerhalb des Hub-Netzwerks zu optimieren. In dieser Arbeit stellen wir einen Formalismus vor, der diese Herausforderungen adressiert und eine Vorlage für die Verkehrsnachfragemodellierung von Flugtaxis im Rahmen der Software PTV Visum bilden kann. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut. Zunächst stellen wir in Abschnitt 2 einen Algorithmus vor, mit dem die optimalen Hub-Standorte für eine bestimmte Untersuchungsregion ermittelt werden können, sodass die Nachfrage nach einem Flugtaxidienst maximiert wird. Der Algorithmus kombiniert ein diskretes Moduswahlmodell, welches die Verbrauchernachfrage nach dem Dienst abschätzt, mit einem Maximal-Coverage-Algorithmus, der die optimalen Hubstandorte auswählt. In Abschnitt 3 beschreiben wir dann schließlich wie Flugtaxis im Rahmen eines Verkehrsnachfragemodells modelliert werden können. 2. Algorithmus zur Optimierung von Hubpositionen In diesem Abschnitt beschreiben wir einen Algorithmus, mit dem die optimalen Hub-Standorte in einem bestimmten Untersuchungsgebiet ausgewählt werden können, so dass die Verkehrsnachfrage für den Flugtaximodus maximiert wird. Wir konzentrieren uns dabei auf das Szenario eines Lufttaxi-Modus als Flughafen-Shuttleservice. Die Auswahl der Hubstandorte kann prinzipiell manuell auf Grundlage der bestehenden Nachfrage nach Fahrten zum Flughafen durchgeführt werden kann. Dabei wird jedoch der durch die Einführung eines neuen Modus entstehende Modal-Shift vernachlässigt. Es kann z.B. Verkehrszellen geben, bei denen die Gesamtnachfrage zwar nicht zu hoch ist, bei denen auf Grund von hoher Nachfrage im Straßenverkehr bzw. eines schlechten ÖV-Angebots die Reisezeiten zum Flughafen derart hoch sind, dass davon auszugehen ist, dass ein Großteil der Nachfrage auf Flugtaxis entfällt. Um den Modal-Shift abschätzen zu können besteht das hier vorgestellte Landeplatzwahlmodell aus zwei Schritten. Zunächst verwenden wir ein diskretes Moduswahlmodell, um die Nachfrage nach einem Flugtaxi-Modus für alle möglichen Kombinationen von Hubstandorten im Netzwerkmodell abzuschätzen. Anschließend wird ein Maximum-Coverage-Algorithmus verwendet, um eine feste Anzahl von Hub-Standorte so auszuwählen, dass die maximal mögliche Nachfrage bedient wird. Die beiden Verfahrensschritte werden in Abschnitt 2.1 bzw. 2.2 näher erläutert. 2.1 Moduswahlmodell Wir betrachten ein Verkehrsnachfragemodell mit einer Menge von Verkehrszonen I. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass Kenngrößenmatrizen-Matrizen (d. h. Matrizen, die die allgemeinen Kosten für Interzonenreisen enthalten) und eine Matrix mit der Gesamtnachfrage für den jeweiligen Anwendungsfall verfügbar sind, entweder synthetisch aus einer Modellberechnung oder aus Passagierumfragen und realistischen Geschwindigkeitsprofildaten. Abbildung 1: Mögliche Neststruktur für ein Moduswahlmodell mit Lufttaximodus. Die Bevölkerung in der Modellregion ist in Personengruppen mit homogenem Reiseverhalten unterteilt. Wir gehen davon aus, dass die Personengruppen mithilfe der Hauptmodi in der Menge MHaupt = {Pkw, Taxi, ÖV, Lufttaxi} zwischen den Verkehrszonen reisen können. Der ÖV umfasst hierbei in der Regel die Verkehrsmittel Bus, Bahn und Straßenbahn. Darüber hinaus können Flugtaxi-Passagiere einen Zubringermodus aus der Menge MZubringer = {PkwZubringer, TaxiZubringer, ÖVZubringer} für die erste und letzte Meile zwischen Ziel und Hub bzw. Hub und Flughafen wählen. Im Allgemeinen werden die für den Zubringerverkehr zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel dieselben sein, wie die Verkehrsmittel für die Hauptwege. Eine Unterscheidung in unterschiedliche Nachfragesegmente im Rahmen der Modellierung ist daher nicht nötig (so würden z.B. Pkw und PkwZubringer durch dasselbe Verkehrsmittel modelliert werden). Die Struktur eines solchen verschachtelten Wahlmodells ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Wahl eines bestimmten Modus für eine bestimmte Personengruppe für eine Reise hängt von den allgemeinen Kosten (Reisezeiten, monetäre Kosten) der Modi sowie von modus- und personengruppenspezifischen Parametern ab, die die Reisepräferenzen widerspiegeln. Dieser Auswahlprozess kann durch ein diskretes Auswahlmodell modelliert werden, das die Wahrscheinlichkeit P vorhersagt, mit der eine Personengruppe p den Modus m für die Fahrt von Zone i nach j auf der Grundlage des Vergleichs der Nutzenfunktionen der verfügbaren Modi auswählt (siehe Ben-Akiva 1997, [4]). Wir werden diese Moduswahl mit einem Nested-Logit-Modell modellieren. Explizit lauten die Nutzenfunktionen des Modells wie folgt: Formel und Erläuterung siehe PDF TT und TC bezeichnen die Matrizen von Fahrzeiten und Fahrkosten zwischen Verkehrszonen und TTV bezeichnet die Matrix von Fahrzeitvariabilitäten, die mit einem Faktor 2 relativ zur Fahrzeit in der Nutzfunktion gewichtet wird. Es wurde gezeigt, dass dieser Faktor im Alltagsverkehr zwischen 0,8 und 1,3 liegt (siehe Small und Verhoef 2007, [5]) Für den Flughafenanwendungsfall haben wir jedoch einen höheren Wert verwendet, da von hohen negativen Auswirkungen bei verspäteter Ankunft ausgegangen werden kann. Während die ersten beiden Matrizen das Resultat einer Modellberechnung sind, muss die Variabilität der Reisezeit entweder auf der Grundlage von realen Geschwindigkeitsprofilen oder auf der Grundlage eines geeigneten mathematischen Modells geschätzt werden. Die Variabilität wird dabei als die Standardabweichung der Verteilung der Reisezeiten auf einer Relation gewählt. Wir weisen darauf hin, dass das Lufttaxi der einzige Modus ist, dessen Nutzenfunktion keinen der Variabilität der Reisezeit proportionalen Ausdruck enthält, d. h. wir gehen davon aus, dass es keinen Staus oder anderen Verzögerungsquellen unterliegt. Mit Hilfe der Nutzenfunktionen aus Gleichungen (1) und (2), ergibt sich die Moduswahlwahrscheinlichkeit als Formel siehe PDF 2.2 Maximum-Coverage-Algorithmus zur Wahl der Hubpositionen Nachdem wir das Moduswahlmodell definiert haben, diskutieren wir nun den Algorithmus zur Optimierung des Hub-Netzwerks von Lufttaxis. Wie bereits erwähnt, sind wir daran interessiert, Flugtaxis als Flughafentransferservice zu modellieren. Ein natürlicher Ansatz ist es daher, die Hub-Standorte so zu wählen, dass die Nachfrage nach Flugtaxifahrten zum Flughafen maximiert wird. Wie bereits erwähnt, nehmen wir an, dass die anfängliche Verkehrsnachfrage für eine gegebene Personengruppe p in Form einer Nachfragematrix Dp bekannt ist. Der Algorithmus zur Bestimmung der optimalen Hub-Positionen geht nun wie folgt vor: Zunächst definieren wir die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass Flugtaxi als Modus von der Ursprungszone i zur Flughafenzone J gewählt wird, wenn sich ein Hub in der Zone k befindet: Formel siehe PDF Die Nutzenfunktion beschreibt die Reiseabfolge von der Ursprungszone i zu einem Hub in Zone k mit einem Zubringermodus und die anschließende Reise vom Hub zum Flughafen mit dem Luftaxi-Modus. Die Kenngrößenmatrizen des Lufttaxi-Hauptmodus werden dabei basierend auf der Kenngrößenmatrix, DID, der direkten Entfernung (in km) zwischen Verkehrszonen berechnet: Formel siehe PDF Hierbei ist vAT die Geschwindigkeit des Flugtaxis in Einheiten von km/h, t0 ist eine Konstante, die die Zu- und Ausstiegszeit sowie die Abhebe- und Landezeit zusammenfasst. Die Konstanten cfix und cperkm sind Modellparameter für die festen Kosten bzw. die Kosten pro km des Flugtaxis. Wir weisen darauf hin, dass wir in diesem vereinfachten Ansatz die Beschleunigung des Flugtaxis nicht betrachten. Auf Langstrecken ist dies eine gute Approximation, da die Zeit zum Beschleunigen und Abbremsen im Rahmen der Gesamtreisezeit vernachlässigbar ist. Bei der Modellierung von kürzeren Flugstrecken, z.B. in innerstädtischem Verkehr, ist diese Annahme jedoch im allgemeinen nicht mehr gültig und die Berechnung der Reisezeit sollte dermaßen angepasst werden, dass die Beschleunigung beachtet wird. Einsetzen der bedingten Wahrscheinlichkeit in Gl. (4) in das Moduswahlmodell in Gleichung (3) ergibt die Wahrscheinlichkeit, den Modus Flugtaxi für die Fahrt zwischen der Ursprungszone und dem Flughafen zu wählen: Formel siehe PDF Die Anzahl der Flugtaxifahrten berechnet sich dann wie folgt: Formel siehe PDF Unser Ziel ist es nun, N Hub-Standorte so zu wählen, dass die Anzahl der Fahrten mit dem Flugtaxi zum Flughafen maximiert wird. Dies wird durch Lösen eines Maximum-Coverage-Problems erreicht. Wir formulieren das Problem als ein ganzzahliges lineares Programm (für einen verwandten Ansatz siehe Freiherr von Imhoff, et. al. 2017, [6]): Sei I die Menge aller Verkehrszonen und K die Menge aller Verkehrszonen in denen potenziell ein Hub errichtet werden soll. Formel siehe PDF Hierbei gewährleisten Gleichungen (12) und (13), dass die Entscheidungsvariablen x und y nur die Werte 1 oder 0 annehmen können. Die Variable yk ist 1 falls die Zone k als Hubstandort ausgewählt wird und ansonsten 0. Die Variable zik ist gleich 1 falls die Nachfrage aus Zone i durch ein Hub in Zone k abgedeckt wird und ansonsten ist zik gleich 0. Die erste Nebenbedingung in Gleichung (9) begrenzt die Anzahl der gewählten Ladeplätze auf N. Die zweite Nebenbedingung in Gleichung (10) garantiert, dass die Nachfrage jeder Verkehrszone durch maximal ein Hub abgedeckt wird. Abschließend, stellt Gleichung (11) sicher, dass die Nachfrage in Zone I nur dann durch ein Hub in Zone k abgedeckt sein kann, falls k als Hubstandort ausgewählt wurde. Die beschriebene Vorgehensweise ist nicht standardgemäß in PTV Visum implementiert und muss in einem externen Skript durchgeführt werden, das die bedingten Moduswahlwahrscheinlichkeiten in Gleichung (6) berechnet und darauffolgend das in Gleichungen (8) - (13) formulierte lineare Optimierungsproblem löst. Das ganzzahlige lineare Programm kann standardgemäß durch eine mathematische Optimierungssoftware gelöst werden. Die Hauptergebnisse des Optimierungsverfahrens sind die Zonen, für die yk = 1 ist, die die optimalen Hub-Standorte im Netzwerk darstellen. Nachdem wir die optimalen Standorte identifiziert haben, müssen wir als nächstes den Lufttaxi-Modus in die Angebots- und Nachfrageteile des Verkehrsnachfragemodells integrieren und die Nachfrage auf das Netzwerk umlegen. Die dazu notwendigen Arbeitsschritte werden im nächsten Abschnitt besprochen. Abbildung 2: Übersicht der Modellierungsschritte zur Nachfrageberechnung von Flugtaxis im Rahmen eines Verkehrsnachfragemodells. 3 Implementierung von Flugtaxis in Verkehrsnachfragemodellen In diesem Abschnitt werden wir die nötigen Schritte erläutern, um Flugtaxis im Rahmen eines Verkehrsnachfragemodells zu implementieren. Dazu beschreiben wir im Folgenden einen möglichen Aufbau des Verfahrensablaufes des Modells und erläutern die Schritte die nötig sind, um Flugtaxis in das Netzmodell und Nachfragemodell einzubauen. Eine Zusammenfassung der notwendigen Modellierungsschritte ist in Abbildung 2 dargestellt. Für eine genauere Erläuterung der genutzten PTV-Visum-internen Verfahren verweisen wir auf das Visum Benutzerhandbuch. Im ersten Schritt gilt es Flugtaxis in das Netzmodell einzubauen und ein geeignetes Nachfragemodell für den Flughafenverkehr zu implementieren. Zunächst identifizieren wir dazu die optimalen Hub-Standorte für das Untersuchungsgebiet. Wie in Abschnitt 0 besprochen, benötigen wir hierzu die initiale Gesamtnachfrage, sowie die Kenngrößenmatrizen der Haupt- und Zubringermoden. Die Matrix der Gesamtnachfrage, d.h. alle Wege, die entweder im Flughafen beginnen oder enden, muss aus einer externen Quelle oder einem bestehenden Verkehrsmodell bekannt sein. Die Kenngrößenmatrizen müssen im geladenen Netz berechnet werden. Mit Hilfe des Hub-Wahlmodells werden daraufhin eine festgelegte Anzahl von Verkehrszonen als Hubpositionen identifiziert. Innerhalb der Verkehrszonen muss dann ein Knoten des Netzmodells als Hub ausgewählt werden. Der Flugtaxiverkehr kann im Rahmen von Visum als Ride Sharing modelliert werden. Dabei werden individuelle Fahrtwünsche von Nutzern angemeldet. Diese Fahrtwünsche beinhalten zeitliche, örtliche, sowie komfort-bezogene Rahmenbedingungen. Die vom Betreiber zur Verfügung gestellte Verkehrsleistung wägt zwischen Erfüllung der Fahrtwünsche und Optimierung der Betriebskosten ab. Diese Optimierung der Verkehrsleistung ohne einen Fahrplan ist ein Tourenplanungsproblem. Um den Flugtaxi Modus im Netzmodell zu implementieren müssen zwei Nachfragesegmente mit assoziierten Modi und Verkehrssystemen erzeugt werden: ein IV-Flugtaxisegment VTOL_IV und ein ÖV-Flugtaxisegment VTOL_ÖV. Im Netzmodell werden die Flugtaxis durch das IV-Verkehrssystem modelliert. Insbesondere werden die Kenngrößen der Reisezeiten und die Flugdistanzen auf Basis dieses Modus berechnet. Für das entsprechende Verkehrssystem sollten daher zwischen allen Hub-Knoten des Netzwerkes eigene (Flug-)Strecken modelliert werden. Der Flugtaxi-ÖV-Modus wird dagegen für die Verfahren der Fahrtwunscherzeugung und der Tourenplanung verwendet. Die im Modell berechnete Verkehrsleistung von Flugtaxis bezieht sich ebenso auf dieses Nachfragesegment. Das Nachfragesegment VTOL_IV wird ausschließlich zur Berechnung von Kenngrößenmatrizen verwendet und wird nicht umgelegt. Schließlich gilt es die Gesamtnachfrage geeignet in verhaltenshomogene Personengruppen zu segmentieren und ein entsprechendes Flughafenverkehrsnachfragemodell aufzubauen. Die Segmentierung kann z.B. nach dem Einkommen (hoch und mittel), nach der Reiserichtung (auswärts oder heimwärts) und dem Reisezweck (beruflich oder privat) erfolgen. Die Segmente weisen unterschiedliche Reiseverhalten auf, die sich in den Parametern des Moduswahlmodells, siehe Gleichungen (1) and (2), wiederspiegeln. Diese können z.B. auf Basis einer Fluggastbefragung geschätzt werden. Der Reisezweck und das Einkommen beeinflussen dabei vor allem den Value of Time, d.h. die Zahlungsbereitschaft für eine schnellere Reisezeit. Die Reiserichtung beeinflusst weitere Faktoren, wie z.B. die Pkw-Verfügbarkeit oder die Vertrautheit mit dem örtlichen ÖV, die sich ebenso auf die Moduswahl auswirken können. Nachdem wir das Netzmodell und das Nachfragemodell vorbereitet haben, können wir mit dem nächsten Hauptmodellierungsschritt fortfahren: der Nachfrageschleife. Hier berechnen wir zunächst Kenngrößenmatrizen für Reisezeiten und -kosten für alle IV- und ÖV-Modi sowie für den VTOL_IV-Modus. Die Wege des VTOL_ÖV-Modus bestehen aus mehreren Teilwegen: (optionalen) Wegen mit einem oder mehreren Zubringermodi zur Hub-Verkehrszone und einem Weg mit dem Flugtaximodus VTOL_IV zum Flughafen. Zur Berechnung der Kenngrößenmatrizen für diesen Modus wird daher die multimodale Umlegung in Visum verwendet. Im nächsten Schritt wird die Moduswahl für alle Personengruppen berechnet. Dieser Schritt kann mit Standardverfahren in Visum durchgeführt werden. Anschließend werden die resultierenden Nachfragematrizen des IV und ÖV auf das Netzwerk umgelegt. Die besprochenen Schritte der Nachfrageschleife werden bis zur Konvergenz wiederholt. Wir weisen darauf hin, dass die Nachfragematrix des VTOL_ÖV-Segments nicht innerhalb der Nachfrageschleife umgelegt wird. Umgelegt wird lediglich der Verkehr der Zubringermoden, der mit dem Bedarf der entsprechenden Hauptmoden kombiniert werden muss. Dies ist gerechtfertigt, solange die Flugtaxi-Nachfrage im Vergleich zu den anderen Hauptmodi vernachlässigbar ist und somit die Fahrzeiten im Netz nicht wesentlich beeinflusst. Ist dies nicht der Fall, muss der Modellierer zusätzliche Änderungen an den Nutzenfunktionen des VTOL_ÖV-Modus vornehmen, die die Wartezeiten als Kenngröße betrachten und die Umlegung des Luftaximodus muss in die Nachfrageschleife miteingeschlossen werden. Schließlich legen wir die Nachfrage ein letztes Mal um, um das resultierende Verkehrsvolumen auf dem Straßennetzwerk und den ÖV-Linien, sowie die Flugtaxi-Passagierzahlen zu erhalten. Die Umlegung des VTOL_ÖV-Modus wird mit Hilfe der Visum Verfahren der Fahrtwunscherzeugung und der Tourenplanung durchgeführt. In den Optionen der Verfahren können Verkehrsmodellierer betriebliche Kenngrößen (Anzahl Sitze je VTOL, Anzahl verfügbarere Flottenfahrzeuge) und zeitliche, örtliche, sowie komfort-bezogene Rahmenbedingungen verändern, bis ein gewünschten Servicegrad z.B. eine bestimmte maximale Wartezeit je Fahrgast erreicht wird. 4 Literatur [2] “Fast-Forwarding to a Future of On-Demand Urban Air Transportation” (2016). Uber Elevate. [3] “The future of Vertical Mobility” (2018). Porsche Consulting. [4] M. Ben-Akiva und S.R. Lernan. (1997). Discrete Choice Analysis. MIT Press, Cambridge. |