FGSV-Nr. FGSV 002/140
Ort Stuttgart
Datum 13.03.2024
Titel Ein hybrider Lösungsansatz zur Optimierung des Monitorings technischer Verkehrsinfrastrukturen
Autoren Dr. David Graf, Dr. Norbert Baumgartner, Dr. Werner Retschitzegger, Dr. Wieland Schwinger
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kurzfassung

Um einen effizienten und sicheren Betrieb des hochrangigen Straßennetzes zu gewährleisten, ist eine ordnungsgemäße Funktion von Überwachungs- und Steuerungsinfrastruktur essenziell, welche ein entsprechendes technisches Monitoring der Betriebsmittel voraussetzt und insbesondere bei sicherheitskritischen Tunneln unerlässlich ist. Dabei spielen existierende Abhängigkeiten zwischen Betriebsmittel eine zentrale Rolle, beispielsweise das automatische Erkennen von Ursache-Wirkungs-Ketten im Störfall. In diesem Kontext stellt der folgende Beitrag einen eigens entwickelten hybriden Lösungsansatz zur Optimierung des Monitorings technischer Verkehrsinfrastrukturen vor, mit dem Ziel, Abhängigkeiten in Form von semantischen Beziehungen zwischen Betriebsmittel zu identifizieren, und explizit als konzeptionelles Modell zur Verfügung zu stellen, wodurch die Basis geschaffen wird, um automatisiert Ursache-Wirkungs-Ketten zu erkennen und adäquate Maßnahmen zu ergreifen.

 

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1 Motivation

Überwachung technischer Verkehrsinfrastruktur. Um einen effizienten und sicheren Betrieb des hochrangigen Straßennetzes zu gewährleisten, ist eine ordnungsgemäße Funktion von Überwachungs- und Steuerungsinfrastruktur (beispielsweise Verkehrs- und Umfeldsensoren, Wechselverkehrszeichen, Kameras, Brandmelder, Notrufmelder, etc.) essenziell, insbesondere bei sicherheitskritischen Tunneln. Diese Überwachungs- und Steuerungsinfrastruktur sowie weitere technische Infrastruktur, wie z. B. Energieversorgung, Kommunikations- und Netzwerkinfrastruktur oder Backend-Systeme, stellt nicht zuletzt durch ihre wechselseitigen Abhängigkeiten, selbst einen kritischen Faktor dar, deren ordnungsgemäße Funktionsweise durch entsprechende technische Überwachung, aka. Monitoring, der Betriebsmittel sichergestellt werden muss (siehe Abbildung 1). All diese eingesetzten Technologien werden immer „smarter“ und basieren immer häufiger auf dem Internet-of-Things (IoT)-Paradigma, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Konvergenz zwischen „Operational Technology“ (OT), beispielsweise Verkehrssensoren und -Aktoren, und Informationstechnologie (IT) [1] sowie die Verwendung von Industrie 4.0 Konzepten [2].

Abbildung 1: Überwachung der technischen Verkehrsinfrastruktur

Zustandsbasierte Überwachung der technischen Verkehrsinfrastruktur. Aktuelles Monitoring in der Praxis [3] liefert oft ausschließlich Informationen über den aktuellen Zustand von Betriebsmitteln (der Begriff wird im Folgenden für jede Art von technischer Infrastruktur, d. h. Sensoren, Aktoren, als auch IT-Hardware und Software verwendet). Dies bedeutet, es wird überwacht, ob bestimmte Betriebsmittel ordnungsgemäß funktionieren oder eine vorliegt. (siehe Abbildung 2). Angesichts dieser isolierten Zustände von Betriebsmitteln [4] sind sich Betreiber der technischen Infrastruktur oft nicht der tatsächlichen zugrundeliegenden Fehlerszenarien bewusst, beispielsweise dass die fehlerhafte Funktion eines Betriebsmittels direkt oder indirekt die Funktion eines anderen Betriebsmittels in Form von „Ursache-Wirkungs-Ketten“ beeinträchtigen könnte.

Abbildung 2: Zustandsbasierte Überwachung der Verkehrsinfrastruktur

Überwachung der technischen Verkehrsinfrastruktur auf Basis semantischer Beziehungen. Eine vielversprechende Möglichkeit die Überwachung der technischen Verkehrsinfrastruktur zu optimieren, das heißt über die reine Überwachung von isolierten Zuständen hinausgehend, ist die Identifikation von „Ursache-Wirkungs-Ketten“ systemübergreifender Störungen. Essenziell dafür ist es jedoch, existierende Abhängigkeiten zwischen den unterschiedlichen Betriebsmitteln in solch komplexen Systemumgebungen zu kennen, bzw., dass diese auch dem Überwachungssystem als maschinell-verarbeitbare Wissensbasis zur Verfügung stehen. Ein Beispiel dazu wäre, dass konkrete Verkehrs- und Umfeldsensoren bestimmte Netzwerkinfrastruktur zur Übertragung der Sensorwerte benötigen. Sind Abhängigkeiten zwischen Betriebsmittel grundsätzlich bekannt, erlaubt dies einerseits präzisere Fehlerbilder, beispielsweise die Identifikation von Ursache und Auswirkung (siehe Abbildung 3), andererseits auch eine präzisere Einschätzung hinsichtlich der Kritikalität einzelner Betriebsmittel oder Systeme im Hinblick auf den Betrieb der Verkehrsinfrastruktur. Dies betrifft nicht nur gegenwärtige Fehlerszenarien, sondern idealerweise auch potenzielle zukünftige Fehlerszenarien in Form von Vorhersagemodellen mit bestimmter Eintrittswahrscheinlichkeit. Weiters unterstützt das Wissen über Abhängigkeiten zwischen Betriebsmittel bei der Realisierung effektiver Wartungsstrategien, beispielsweise im Sinne von „Predictive Maintenance“. Eine besondere Herausforderung stellt sich durch die unterschiedliche Semantik der Abhängigkeiten, bedeutet unterschiedliche semantische Beziehungen zwischen Betriebsmittel, von sehr generischen im Sinne von Kommunikationskanälen, datenbezogene Abhängigkeiten oder auch Energieversorgung, bis hin zu sehr spezifischen Beziehungen, wie z. B., istSensorFür oder plausibilisiertMesswert.

Abbildung 3: Tatsächliches, beispielhaftes Fehlerszenario

Optimierungspotential im Betrieb durch das Monitoring der technischen Verkehrsinfrastruktur auf Basis semantischer Beziehungen. Sind semantische Beziehungen dem Überwachungssystem als explizites „Wissen“, z. B., in Form eines semantischen Modells, bekannt, ermöglich dies eine Reihe von Vorteilen und Verbesserungen in der Betriebsführung, von einer prospektiven Alarmierung bis zu einer retrospektiven Analyse der Servicequalität, welche im Folgenden kurz erläutert werden:

Unterstützung des Betriebs durch präzisere Alarmierung. Das explizite Wissen über semantische Zusammenhänge von Betriebsmitteln ermöglicht eine präzisere Alarmierung im Störfall, d. h. einer nicht ordnungsgemäßen Funktion eines Betriebsmittels oder Systems, indem die Aufmerksamkeit des Betriebsführenden an die „richtigen Stellen“ gelenkt wird, beispielsweise an die Ursache eines Störfalls und die damit im Zusammenhang stehenden Auswirkungen. In weiterer Folge ermöglicht dies auch eine prospektive Betrachtung von wahrscheinlichen Stör- und Problemfällen.

Unterstützung des Betriebs durch technisches Lagebild. Das Wissen über Ursache und Auswirkung aktueller Störfälle ermöglicht ein Lagebild der technischen Infrastruktur für das betriebsführende Personal. Diese umfasst aus technischer Sicht, welche Funktionen aktuell verfügbar sind und welche nicht, eine wesentliche Information, um einen effizienten und sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Unterstützung des Betriebs bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen. Darüber hinaus ermöglichen Kenntnisse über Ursachen und Auswirkungen von Störfällen eine wertvolle Grundlage für die Auswahl geeigneter Maßnahmen, einerseits zur effizienten und sicheren Überwachung und Steuerung des Verkehrs in Form von zumindest „semi-automatischen“ Maßnahmen-Vorschlägen (beispielsweise Reduzierung der Verkehrsgeschwindigkeit in einem Tunnel aufgrund einer teilweise defekten Videoüberwachung), sowie andererseits, für Instandhaltungsmaßnahmen in der Form, dass eine adäquate Wartung der ursächlich betroffenen Betriebsmittel vorgezogen wird, idealerweise proaktive im Sinne eines „Predictive Maintenance“.

Unterstützung des Betriebs durch eine serviceorientierte Betrachtung. Darüber hinaus kann das Wissen über semantische Beziehungen bei einer service-orientierten Betrachtung unterstützen, beispielsweise eine Erfassung von Servicequalitätsmetriken wie Verfügbarkeit oder Wartbarkeit, oft auch in Form von retrospektiven Analysen oder Reporting.

2 Herausforderungen in der Domäne

Wissen über semantische Beziehungen oft nicht maschinell verarbeitbar. Die explizite Bereitstellung semantischer Beziehungen, z. B. in Form eines semantischen Modells, ist massiv herausfordernd. In der Praxis sind semantische Beziehungen zum Teil oft nicht bekannt, vor allem auf Ebene konkreter Betriebsmittel (Instanz-Ebene - vgl. Abbildung 4), seltener jedoch auch auf Ebene der Betriebsmitteltypen (Typ-Ebene), d. h., welche Typen von Betriebsmitteln werden eingesetzt bzw. was sind deren Charakteristiken (z. B., Hersteller, max. Betriebsdauer). Im Detail, häufig ist das Wissen über semantische Beziehungen nur implizit verfügbar und verteilt auf einige (erfahrene) betriebsführende Mitarbeiter, was wiederum eine Modellierung des Wissens dieser Mitarbeiter in explizite semantische Beziehungen erfordern würde. Ist Wissen über semantische Zusammenhänge explizit dokumentiert, ist es jedoch selten in einer homogenen maschineninterpretierbaren Form verfügbar, sondern nutzt proprietäre Formate (z. B. verschiedene Listen wie Excel-Tabellen) aus verschiedenen Quellen (Dokumenten oder Systemen). Sind Informationen über semantische Beziehungen sogar in einer maschineninterpretierbaren Form verfügbar, sind jedoch oft Identifikatoren von semantisch identen Betriebsmitteln systemübergreifend nicht eindeutig, was auf Instanz-Ebene zu dem Problem führt, dass ein Betriebsmittel systemübergreifend nicht eindeutig identifizierbar ist. Die Gründe dafür sind vielfältig, die relevantesten werden im Folgenden im Kontext von Verkehrsinfrastrukturen diskutiert:

Abbildung 4: Semantische Beziehungen oft nicht explizit verfügbar

Die massive Heterogenität von Betriebsmitteln auf verschiedenen Ebenen. Große Systemlandschaften wie Verkehrsinfrastrukturen zeichnen sich durch massive Heterogenität auf verschiedenen Ebenen aus (siehe Abbildung 5), welche auch auf die unterschiedlichen Anforderungen an Betriebsmittel, Systeme sowie deren Monitoring zurückzuführen ist (beispielsweise durch die geografischen Unterschiede bedingt, Verkehr in Großstädten vs. Verkehr in Bergregionen mit vielen Tunnels), und in Technik unterschiedlicher Hersteller, unterschiedlicher Standards, unterschiedlicher Funktionen und der Existenz von Legacy-Systemen resultieren. Beispielsweise besteht ein Tunnel auf einer Autobahn aus einer Vielzahl an unterschiedlichen Betriebsmitteln, darunter einfache Sensoren und Aktoren (z. B. Brandmelder, Ventilatoren, Stausensoren), IT-Infrastruktur wie Gateways und Server sowie komplexe Softwaresysteme wie Videoerkennungssysteme. Somit bildet jeder Autobahntunnel für sich ein komplexes heterogenes System, das oft isoliert betrachtet wird.

Abbildung 5: Massive Heterogenität von Betriebsmitteln und Systemen

Die Größe und geografische Verteilung als Multiplikator des Problems. Die Betrachtung verschiedener Regionen impliziert den zweiten Grund, warum Informationen über semantische Beziehungen nicht ausreichend zugänglich sind, nämlich die schiere Größe der zugrunde liegenden Systemlandschaft. Typische nationale Verkehrsinfrastrukturen umfassen oft mehrere tausend km Autobahnen und Schnellstraßen und mehrere hundert Tunnel, welche hunderttausende Betriebsmittel von einer Vielzahl an verschiedenen Typen umfassen, beginnend bei einfachen Sensoren (z. B. ein CO2-Sensor) und Aktoren (z. B. ein Wechselverkehrszeichen) bis hin zu komplexeren Systemen (z. B. einem Videosystem), die wiederum aus vielen Betriebsmittel unterschiedlichen Typs bestehen. Die Größe führt zu zwei konkreten Problemen: Erstens, ist es aus praktischer Sicht nicht möglich, die Verkehrsinfrastruktur mit all ihren Abhängigkeiten, sprich hunderttausenden von Objekten und ihren dazwischen liegenden semantischen Beziehungen manuell zu identifizieren, zu modellieren und zu warten. Zweitens multipliziert die Menge das Problem und erhöht die Komplexität aus Sicht des Monitorings dramatisch, beispielsweise mit der Existenz parallel auftretender Störfälle (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: Größe und geografische Verteilung als Multiplikator des Problems

Laufende Veränderung der technischen Verkehrsinfrastruktur als immanentes Problem. Alle bisher diskutierten Aspekte werden außerdem durch die laufende Veränderung der technischen Verkehrsinfrastruktur beeinflusst, was bedeutet, dass Betriebsmittel und Systeme sowohl unbeabsichtigt (beispielsweise durch Störfälle) als auch absichtlich verändert werden (beispielsweise werden Betriebsmittel hinzugefügt, entfernt oder geändert bzw. auch gewartet und temporär deaktiviert) (siehe Abbildung 7). Beide Arten, d. h. unbeabsichtigte und beabsichtigte Veränderung, implizieren eine Änderung der entsprechenden semantischen Beziehungen der betroffenen Verkehrsinfrastruktur.

Abbildung 7: Laufende Veränderung der technischen Verkehrsinfrastruktur

3 Hybrider Lösungsansatz

Im Lichte dieser Herausforderungen können folgende Forschungsfragen identifiziert werden, um eine Überwachung der technischen Verkehrsinfrastruktur im Hinblick auf Abhängigkeiten zwischen Betriebsmittel zu optimieren, im speziellen mit Fokus auf der Identifikation und Explikation von semantischen Beziehungen zwischen Betriebsmittel:

  1. Wie können domänenspezifische Betriebsmittel und deren semantische Beziehungen generisch als Modell abgebildet werden?
  2. Wie kann automatisiert – auf Basis von operativen Daten - domänenspezifisches Wissen über Betriebsmittel und deren Beziehungen ermittelt werden?
  3. Wie lassen sich grundlegende Mechanismen für den Umgang mit der laufenden Veränderung des domänenspezifischen Wissens über Betriebsmittel und deren Abhängigkeiten integrieren?

Existierende Lösungen in der Literatur [5][6][7], um Abhängigkeiten zwischen Betriebsmittel automatisiert auf Basis von operativen Daten abzubilden, sind rar, speziell unter dem Gesichtspunkt unterschiedlichste Semantik von Beziehungen zu unterscheiden. Auch sind diese oft nicht direkt im Kontext der diskutierten Herausforderungen in der Domäne von Verkehrsinfrastrukturen anwendbar [6].

Diese Forschungsfragen adressierend schlagen wir einen hybriden Ansatz vor, welcher datengetriebene Methoden mit modellgetriebenen Methoden kombiniert und dabei die Vorteile beider Aspekte vereint, mit dem Ziel semantische Beziehungen zwischen Betriebsmittel zu identifizieren und explizit als semantisches Modell abzubilden, welches dann als Grundlage für Überwachungssysteme dienen kann [8][9][10][11][12].

Im Folgenden wird dieser hybride Ansatz im Überblick erläutert (siehe auch Abbildung 8). Unterschiedliche Aspekte dieses Ansatzes sind in den Publikationen [12][13][14] im Detail ausgeführt.

Abbildung 8: Hybrider Ansatz - "Big Picture"

Datengetriebene Methode für die Identifikation funktionaler Korrelationen. Der erste Schritt des hybriden Ansatzes baut auf eine statistische Methode [5] auf, um sogenannte funktionale Korrelationen, basierend auf der zeitlichen Koinzidenz von Meldungen von Betriebsmitteln in Log Dateien, automatisiert zu ermitteln. Konkret besteht eine funktionale Korrelation, wenn entweder (1) die ordnungsgemäße Funktion eines Betriebsmittels durch den (Fehler-)Zustand eines anderen Betriebsmittels beeinträchtigt ist (z. B. Netzwerkausfall) oder (2) ein Betriebsmittel zusammen mit einem anderen Betriebsmittel eine bestimmte Funktion/Service bereitstellt. Ergebnis der datengetriebenen Methode ist eine Menge an Betriebsmittel-Paaren, welche mit einer bestimmten ermittelten Wahrscheinlichkeit eine funktionale Abhängigkeit aufweisen. Im Detail wird diese funktionale Abhängigkeit nicht ausschließlich zwischen Betriebsmittel-Paaren ermittelt, sondern zwischen aufgetretenen „Events“ dieser Betriebsmittel, welches die semantische Differenzierung der funktionalen Abhängigkeiten ermöglicht. Die einzelnen Schritte, um die funktionalen Korrelationen zu ermitteln, sind in den Publikationen [12][13] im Detail ausgeführt.

Modellgetriebene Methode für die „Semantifizierung“ funktionaler Korrelationen. Die Kernidee der eingesetzten modellgetriebenen Methoden ist die durchgehende Einbeziehung expliziten Wissens von Fachexperten im gesamten Prozess, mit dem Ziel ein semantisches Modell der technischen Verkehrsinfrastruktur mit konkreten Betriebsmitteln und deren semantischen Beziehungen zu generieren, welches dann als Grundlage für Überwachungssysteme dienen kann. Durch das Miteinbeziehen von Domänenwissen streben wir eine präzisere „Semantifizierung“ an, d. h., eine semantische Differenzierung von Abhängigkeiten, welche bei rein datengetriebenen Methoden aus der Literatur in der Regel nicht gegeben ist. Ausgehend von den aus den Daten ermittelten funktionalen Abhängigkeiten, und der Verwendung eines entsprechenden Domänenmodells auf Typ-Ebene, welches auf einem eigens entwickelten Meta-Modell basiert, versucht der hybride Ansatz diese funktionalen Abhängigkeiten in explizite semantische Beziehungen zwischen Betriebsmittel überzuführen und explizit als semantisches Modell abzubilden. Dabei werden, wie bereits erwähnt, Beziehungen in verschiedenen Kontexten betrachtet, z. B. Infrastrukturbeziehungen wie kommuniziertMit oder beziehtEnergieVon, sowie Servicebeziehungen wie istSensorFür. Die einzelnen Schritte des „Semantifizierungs-Prozesses“ sind im Detail in der Publikation [14] erläutert.

4 Ergebnisse und Ausblick

Ergebnisse. Der in diesem Beitrag skizzierte hybride Ansatz in Form eines Zusammenspiels von datengetriebenen Methoden, d. h. der Verarbeitung von Informationen aus Event-Logs, mit modellgetriebenen Methoden, d. h. das Miteinbeziehen von expliziten Domänenwissens, wurde in einem Proof-of-Concept Prototype implementiert. Eine systematische Evaluierung mit synthetischen Daten basierend auf Echtdaten hat gezeigt [14], dass semantische Beziehungen sowohl präziser als auch effizienter und effektiver identifiziert werden konnten als mit vergleichbaren Ansätzen. Weiters wurde im Rahmen des hybriden Ansatzes ein Meta-Modell zur semantischen Repräsentation von Betriebsmittel und deren Abhängigkeiten in Form von spezifischen semantischen Beziehungen entwickelt, welches bewusst auf bereits etablierten Modellen aus den Bereichen Industrie (z. B., das OPC UA Meta-Modell) und Forschung (IoT-O Ontologie), zurückgreift, um eine möglichst generische Anwendbarkeit – auch in anderen Domänen von kritischen Infrastrukturen –, und zugleich eine einfache Erweiterbarkeit mit anwendungsspezifischen Konzepten zu unterstützen. Um abschließend die laufende Veränderung der Systeme zu adressieren, wurden erste Mechanismen in den Ansatz eingebracht, welche auf das Adaptieren bereits vorhandenen Wissens abzielen, um in der Realwelt neu hinzugefügte und entfernte Objekte entgegenzutreten.

Ausblick. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die in diesem Beitrag vorgestellten Arbeiten und Ergebnisse nur ein Schritt von vielen sein können, um das Monitoring von kritischen Infrastrukturen unterschiedlicher Domänen, beispielsweise wie in diesem Beitrag fokussierte Domäne Verkehr, zu optimieren und es hier natürlich weiteren Forschungsbedarf gibt. Auch gehen mit dem vorgestellten hybriden Ansatz einige Voraussetzung einher, welche es beim Einsatz zu berücksichtigen gilt, wie beispielsweise die Charakteristiken der verfügbaren Daten oder das explizite Vorhandensein von Domänenwissen. Um in dieser Thematik weitere Fortschritte zu erzielen, umfassen bereits laufende und zukünftige Arbeiten drei Bereiche: Erstens sollen Abhängigkeiten nicht nur feingranular in Form von Korrelationen von Betriebsmittel-Paaren, sondern auch gröber granular in Form von ganzen „Abhängigkeits-Mustern“ identifiziert werden. Zweitens sollen Methoden aus dem Forschungsbereich „Digitaler Zwilling“ integriert werden, da diese vor allem auch den Aspekt der Synchronisierung physischer mit virtueller Welt während der Laufzeit im Fokus haben. Anknüpfend daran der dritte Bereich, welcher sich allgemein mit weiterführenden Mechanismen befasst, um der laufenden Veränderung der Verkehrsinfrastruktur entgegenzutreten, beispielsweise die Integration von „Provenance“ Information in den gesamten Prozess.

5 Literatur

  1. G. Murray, M. N. Johnstone, und C. Valli, „The convergence of IT and OT in critical infrastructure“, in Proceeding of 15th Australian Information Security Management Conf., 2017, S. 149–155.
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  6. S. Kobayashi, K. Otomo, K. Fukuda, und H. Esaki, „Mining causality of network events in log data“, IEEE Transactions on Network and Service Management, Bd. 15, Nr. 1, S. 53–67, 2017.
  7. F. Antonello, P. Baraldi, A. Shokry, E. Zio, U. Gentile, und L. Serio, „A novel association rule mining method for the identification of rare functional dependencies in complex technical infrastructures from alarm data“, Expert Syst Appl, Bd. 170, S. 114560, 2021.
  8. D. Graf, W. Schwinger, W. Retschitzegger, E. Kapsammer, und N. Baumgartner, „Event-Driven Ontology Population-From Research to Practice in Critical Infrastructure Systems“, in Proceedings of the 9th World Conference on Information Systems and Technologies (WorldCist), Springer, 2021, S. 405-415.
  9. D. Graf, E. Kapsammer, W. Retschitzegger, W. Schwinger, und N. Baumgartner, „Cutting a Path Through the IoT Ontology Jungle-A Meta-Survey“, in Proceedings of the 2019 IEEE International Conference on Internet of Things and Intelligence System (IoTaIS), IEEE, 2019, S. 1–7.
  10. D. Graf, W. Schwinger, E. Kapsammer, W. Retschitzegger, B. Pröll, und N. Baumgartner, „Towards Message-Driven Ontology Population-Facing Challenges in Real-World IoT“ in Proceedings of the 8th World Conference on Information Systems and Technologies (WorldCist), Springer, 2020, S. 361–368.
  11. D. Graf, W. Retschitzegger, W. Schwinger, E. Kapsammer, B. Pröll, und N. Baumgartner, „Towards operational technology monitoring in intelligent transportation systems: Key challenges and research roadmap“, in Proceedings of the 11th International Conference on Management of Digital EcoSystems, (MEDES), ACM, 2019, S. 237–241.
  12. D. Graf u. a., „Dependency Mining in IoT-From Research to Practice in Intelligent Transportation Systems“, in Proceedings of the 10th World Conference on Information Systems and Technologies (WorldCist), Springer, 2022, S. 258–271.
  13. D. Graf u. a., „Semantic-driven Mining of Functional Dependencies in Large-Scale Systems-of-Systems“, in Proceedings of the 5th International Conference on Information Technology and Systems (ICITS), Springer, 2022, S. 344–355.
  14. D. Graf, W. Retschitzegger, W. Schwinger, E. Kapsammer, und N. Baumgartner, „Bridging Signals and Human Intelligence: Log Mining-Driven and Meta Model-Guided Ontology Population in Large-Scale IoT“, in Proceedings of the 15th International Conference on Knowledge Science, Engineering and Management (KSEM), Springer, 2022, S. 571–585.