FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel Clusterbasierte Prognose von Verkehrsstärkeganglinien – Eine Methode zur Zuordnung von Clustern zu Kalendertagen
Autoren Dr.-Ing. Jochen Lohmiller, Dipl.-Ing. Juliane Pillat
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Verkehrsstärkeganglinien sind Eingangsgröße für eine Reihe von verkehrstechnischen und verkehrsplanerischen Anwendungen. Der vorliegende Beitrag stellt einen Ansatz zur Prognose dieser Ganglinien vor. Mithilfe einer Clusteranalyse werden typische Ganglinien für einen Untersuchungsraum erzeugt, die unter Verwendung kalendarischer Eigenschaften den zu prognostizierenden Tagen zugeordnet werden. Die automatisierte Zuordnung erlaubt eine optimierte Kalibrierung der Verfahrensparameter. Der Kalibrierungsprozess wird anhand zweier Anwendungsfälle erläutert. Als Ergebnis liegen für beide Anwendungsfälle stundenfeine Verkehrsstärkeganglinien für jeden Tag eines Prognosejahres vor.

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1 Problemstellung

Die Prognose von Ganglinien der Verkehrsstärke als Bestimmungsgröße der Verkehrslage ist die Grundlage für eine Vielzahl verkehrstechnischer und verkehrsplanerischer Anwendungen. Durch verschiedenste Erfassungsmöglichkeiten (Induktionsschleifen, GPS, Mobilfunkdaten, Bluetooth-Geräte) verkehrlicher Kenngrößen wächst die historische Datenbasis und somit deren Potential zur Verwendung von Prognosen stetig. Eine Möglichkeit, historische Daten zur Prognose von Ganglinien zu nutzen, ist die Clusteranalyse. Der Begriff Clusteranalyse umfasst Verfahren, welche aus einer Menge an heterogenen Datenobjekten möglichst homogene Gruppen, sogenannte Cluster, bilden (vgl. BACKHAUS et al. [2]). Die hier behandelten Objekte sind Ganglinien der Verkehrsstärke, welche bezüglich der Ähnlichkeit ihres Verlaufs zu Gangliniengruppen, im Folgenden auch allgemein als Cluster bezeichnet, zusammengefasst werden.

In der Literatur wird eine Vielzahl clusterbasierter Prognoseansätze mit unterschiedlichen Zielstellungen beschrieben, die sich u. a. anhand ihres Prognosehorizontes und somit ihres Anwendungsfalles unterscheiden. Üblicherweise (vgl. WILD [12]) wird in die im Folgenden beschriebenen drei Gruppen zur Lang-, Kurz- und Mittelfristprognose unterschieden.

Einen Anwendungsfall mit langfristigem Prognosehorizont bilden Verfahren, die typisierte Ganglinien berechnen und das bestehende Straßennetz abschnittsweise anhand dieser Ganglinien klassifizieren. Es werden Ganglinien auf verschiedenen zeitlichen Ebenen (Jahresgang, Wochengang, Tagesgang) berechnet und Cluster gebildet. Für jedes entstandene Cluster wird eine relative Ganglinie als Clusterrepräsentant berechnet. PINKOFSKY entwickelt in [8] einen solchen Verfahrensansatz für Deutschland, der von einer Reihe von Autoren aufgegriffen und erweitert wurde (vgl. z. B. GEISTEFELDT [6], WALTHER et al. [11]). BERNHARD et al. führen in [3] eine solche Klassifikation des Straßennetzes basierend auf stundenfeinen Wochenganglinien und Jahresganglinien für das Schweizer Autobahnnetz durch. FELLENDORF et al. [4] verwenden diese Idee der Ganglinienklassifizierung als Grundlage für eine differenzierte Emissionsberechnung in Graz, Österreich. Alle diese Verfahren liefern eine feste Zuordnung der Streckenabschnitte zu einem Cluster und somit als Ergebnis eine prozentuale Ganglinie für jeden Streckenabschnitt. Auf diese Weise können anhand von repräsentativen Zählungen an einem Abschnitt z. B. Bemessungsverkehrsstärken abgeleitet werden oder bspw. von prognostizierten Tagesverkehrsstärken auf Stundenwerte geschlossen werden. Die kalendarischen Schwankungen werden durch Verwendung von Wochen- und Jahresganglinien abgebildet. Die typisierten Ganglinien liefern eine Aussage über die quantitative Ausprägung der Spitzenstunde (Verkehrsstärkenniveau), jedoch bilden sie nicht ab, zu welchem Zeitpunkt des Tages diese Spitzenstunde auftritt. Regionale Einflüsse (Nähe zu einem Messestandort, Sportveranstaltungen usw.), die an einzelnen Tagen die Tagesganglinien beeinflussen, finden ebenfalls keine Berücksichtigung. Somit sind typisierte Ganglinien nicht geeignet, um unmittelbar eine stundenfeine Verkehrsprognose für einen bestimmten Tag des Jahres durchzuführen.

Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die ganglinienbasierte Kurzzeitprognose von Verkehrsstärken z. B. beschrieben in WILD [12], VORTISCH [10]. In beiden Ansätzen werden durch Stundenwerte repräsentierte Tagesganglinien zunächst anhand verschiedener Merkmale eines Tages (Wochentag, Ferien, Sonderereignisse) vorklassifiziert und für jede Vorklassifizierung durch ein Clusterverfahren eine oder mehrere typische Ganglinien berechnet. Für die Kurzfristprognose der aktuellen Verkehrslage wird eine Ganglinienklasse anhand der Merkmale des Tages zugeordnet und dann unter Verwendung des an diesem Tag bisher gemessenen Ganglinienverlauf derjenigen typischen Ganglinie aus der Ganglinienklasse mit der höchsten Übereinstimmung zugeordnet. Die Prognose beruht also nicht nur auf kalendarischen Merkmalen des Tages und Informationen über auftretende Sonderereignisse, sondern es werden Informationen über den bisherigen Verlauf der Ganglinie herangezogen. Diese Informationen liegen jedoch nur im Falle eines Prognosehorizonts von weniger als einem Tag vor.

Bei einer mittelfristigen (mehrere Tage bzw. Wochen oder Monate im Voraus) Prognose stundenfeiner Verkehrsstärken müssen alle relevanten Informationen aus den Eigenschaften des zu prognostizierenden Tages abgeleitet werden. FRIEDRICH et al. [5] lösen dieses Problem, indem sie die kalendarischen Merkmale innerhalb der entstandenen Cluster manuell interpretieren und eine eindeutige Zuordnung allein auf kalendarischen Eigenschaften eines Tages zu einem Cluster entsteht. Dieser Interpretationsprozess kann je nach Untersuchungsgebiet mit steigender Anzahl an kalendarischen Einflussfaktoren sehr aufwendig und fehleranfällig werden. Die Vielzahl möglicher Einflussfaktoren und die daraus entstehende Komplexität thematisieren z. B. BASTIAN [1] und KIRSCHFINK et al. [7], indem sie die Verkehrsdatenarchivierung, -analyse und -prognose im Kontext von Data-Mining-Verfahren darstellen.

Das hier vorgestellte Verfahren liefert einen Ansatz zur mittelfristigen Prognose von Verkehrsstärkeganglinien. Für jeden Tag eines Jahres werden in einem Clusterverfahren entstandene Tagesganglinien allein auf Basis prognostizierbarer Eigenschaften dieses Tages automatisiert zuordnet. Somit bleibt der zeitliche Kontext jedes prognostizierten Zeitintervalls erhalten. Die Anzahl der Eigenschaften des Tages ist hierbei beliebig und somit ist das Verfahren auch für Regionen geeignet, welche einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterliegen. Durch die automatisierte Zuordnung der Tagesganglinien für den Prognosezeitraum ergibt sich außerdem eine Reihe von Analysemöglichkeiten. Somit wird eine optimierte Kalibrierung verschiedenster Verfahrensparameter und eine damit einhergehende Erhöhung der Prognosequalität erreicht.

2 Methodik

Das vorgestellte Verfahren gliedert sich in zwei Teile (vgl. Abbildung 1): Im ersten Teil (Analyse) werden auf Basis erfasster Verkehrsstärken und Eigenschaften der analysierten Tage Cluster mit repräsentativen Ganglinien und Eigenschaftswerten erzeugt. Im zweiten Teil (Prognose) werden anhand der Eigenschaften der zu prognostizierenden Tage und der Eigenschaftswerte der entstandenen Cluster prognostizierte Ganglinien bestimmt.

Abbildung 1: Verfahrensablauf

Als Eigenschaften kommen grundsätzlich alle Faktoren in Frage, welche die Ganglinien beeinflussen können und die über den Analysezeitraum variabel sind. Relevant sind kalendarische Eigenschaften eines Tages, die den Wochentag, die Schulferien oder Feiertage beschreiben (z. B. IstMontag, IstFeiertag, IstFerientag, IstBrückentag). Weitere Eigenschaften können das Wetter (z. B. IstSchönesWetter, IstSchnee) oder Veranstaltungen (z. B. IstOktoberfest, IstBayernFußballspiel, IstMesse) sein. Für die Analyse sind darüber hinaus Ereignisse relevant, die kapazitätsmindernde Störungen beschreiben, wie Unfälle oder Baustellen. Die Anzahl der Eigenschaften ist beliebig. Je nach Untersuchungsgebiet sind unterschiedliche Eigenschaften relevant.

2.1 Analyse

Im ersten Schritt erfolgt die Ganglinienbildung aus den erfassten Verkehrsstärken Q der Zeitintervalle t. Für jeden Messquerschnitt werden die Daten richtungsgetrennt (Richtungsmessquerschnitt) zu Tagesganglinien TG zusammengefasst. Die Größe des Zeitintervalls und damit die Anzahl T der Zeitintervalle sind beliebig. Ebenso können Ganglinien von unterschiedlichen Richtungsmessquerschnitten n zu einer sogenannten Netzganglinie NG zusammengefasst werden. Dabei werden die Tagesganglinien TG der einzelnen Detektoren n aneinander gereiht. Innerhalb einer Netzganglinie NG folgt dem letzten Zeitintervallwert #t von Detektor #n der erste Zeitintervallwert von Detektor #n+1.

Formel siehe PDF.

Falls Informationen zu aufgetretenen Störungen z. B. Unfälle oder Baustellen vorliegen, können die betroffenen Tage vor dem Clusterverfahren ausgefiltert werden. Der Verkehrsablauf an diesen Tagen unterscheidet sich in der Regel vom eigentlichen Verlauf und ist daher als Grundlage für eine Prognose nicht sinnvoll.

Im Verfahrensschritt der Vorklassifizierung wird bereits bestehendes Wissen über die Einflussgrößen auf Ganglinien ausgenutzt. Tagesganglinien mit bestimmten Merkmalen werden voneinander getrennt und für jede Klasse wird eine unabhängige Clusterung durchgeführt. Ein Beispiel für eine Vorklassifizierung ist das Trennen von Feiertagen und NichtFeiertagen. Damit wird sichergestellt, dass ein Feiertag nicht in einem Cluster von NichtFeiertagen enthalten ist.

Der nächste Verfahrensschritt ist das eigentliche Clustern. Dabei wird in der Literatur zwischen hierarchischen Clusterverfahren und nicht-hierarchischen Clusterverfahren unterschieden (BACKHAUS et al. [2]). Hierarchische Verfahren ordnen zunächst alle Objekte (Hierarchiebildung), um dann je nach Algorithmus entweder Einzelobjekte nach und nach zu Gruppen zusammenzufassen oder die Gesamtmenge der Objekte nach und nach zu trennen. Nicht-hierarchische Verfahren benötigen hingegen immer eine Startlösung und eine Vorgabe zur Clusteranzahl. Dies ist beim Clustern von Ganglinien dahingehend kritisch, dass die Anzahl der Ausreißer vor dem Clustern unbekannt ist, und diese dann eigene Cluster bilden. Hingegen kann mit der Vorgabe eines Distanzmaßes die akzeptierte Abweichung innerhalb eines Clusters determiniert und somit Ausreißer leicht identifiziert werden. Für die folgende Anwendung werden daher hierarchische Clusterverfahren herangezogen. Innerhalb der hierarchischen Verfahren gibt es verschiedene Algorithmen (z. B. Linkage-Verfahren, WARD), um die Abstände der Cluster zu anderen Objekten zu ermittelt. Eine Übersicht über solche Verfahren findet sich in BACKHAUS et al. [2].

Alle Clusterverfahren basieren auf einem Ähnlichkeits- bzw. Distanzmaß, um die Heterogenität der zu clusternden Objekte zu beschreiben. Für Ganglinien werden in der Literatur verschiedene Distanzmaße verwendet. Weit verbreitet ist die Euklidische Distanz (vgl. BASTIAN [1], FELLENDORF et al. [4], PINKOFSKY [8]). VORTISCH entwickelt in [10]
ein Distanzmaß auf Basis des Korrelationskoeffizienten, welches die absolute und relative Lage zweier Ganglinien zueinander vergleicht. FRIEDRICH et al. wenden hingegen in [5] den GEH-Wert als Abstandsmaß zwischen zwei Verkehrsstärkewerten Q1 und Q2 an:

Formel (1) siehe PDF.

Der GEH-Wert wurde von Geoffrey E. Havers speziell für den Vergleich von Verkehrsstärken entwickelt (vgl. [12]). Der GEH-Wert hat den Vorteil, dass er eine selbstskalierende Größe ist und daher für Wertepaare unterschiedlicher Größenordnungen mit ähnlichen Bewertungsgrenzen funktioniert. Im Gegensatz z. B. zur quadratischen Abstandsfunktion werden bei Anwendung des GEH-Wertes besonders hohe Werten bei Messwertdifferenzen mit hohen Verkehrsstärken vermieden. Gleichzeitig wird z. B. einer prozentual identischen Abweichung bei hohen Verkehrsstärken eine höhere Distanz zugewiesen als bei kleinen Werten. Vor diesem Hintergrund wird der GEH-Wert für weitere Betrachtungen als Distanzmaß herangezogen.

Das Clustern fasst die Ganglinien einzelner Tage zu Gruppen zusammen. Für jedes Cluster wird aus dem Mittelwert aller im Cluster enthaltenen Ganglinien eine repräsentative Ganglinie berechnet. Aus den Eigenschaften der zusammengefassten Ganglinien der einzelnen Tage wird im letzten Analyseschritt der Eigenschaftswert für jede Eigenschaft der entstandenen Cluster berechnet. Der Wert einer Eigenschaft eines Clusters entspricht dem Mittelwert der Eigenschaften, der zu diesem Cluster zusammengefassten Tage. Die Eigenschaften eines einzelnen Tages werden mit den Werten 1 (=wahr) und 0 (=falsch) beschrieben. Der Wertebereich der Eigenschaftswerte eines Clusters liegt somit zwischen 0 und 1. Ein Beispiel: Ein Cluster besteht aus aus zwei Montagen und vier Dienstagen. Daraus ergibt sich ein Eigenschaftswert für IstMontag von 2/6 = 0,33, für IstDienstag von 4/6 = 0,66. Die Eigenschaftswerte der anderen Wochentage betragen 0.

2.2 Prognose

Ausgangspunkt für die Prognose von Ganglinien sind die repräsentativen Ganglinien mit den Eigenschaftswerten aus der Analyse. Für einen zu prognostizierenden Tag werden alle Eigenschaften dieses Tages mit den Eigenschaftswerten der Cluster verglichen. Die repräsentative Ganglinie des Clusters, das den größten Übereinstimmungswert mit dem Prognosetag besitzt, wird als Prognoseganglinie für diesen Tag ausgegeben.

Der Übereinstimmungswert wird mit dem Skalarprodukt aus den Eigenschaftsvektoren des Clusters und des Prognosetages bestimmt.

Formel (2) siehe PDF.

In Tabelle 1 ist ein Beispiel einer Zuordnung aufgeführt. Die größte Übereinstimmung des Prognosetags (ein Montag mit schönem Wetter und Messe) wird bei Cluster #1 erreicht.  Dem Prognosetag wird somit die mittlere Ganglinie des Clusters #1 zugeordnet.

Tabelle 1: Beispiel einer Zuordnung

Beschränkung des maximalen Eigenschaftswerts

Um die Zuordnung zu verbessern wird der maximale Eigenschaftswert eines Clusters beschränkt. Ohne Beschränkung würden Cluster, bestehend aus wenigen Tagen mit ähnlichen Eigenschaften, bevorzugt zugeordnet. Das Beispiel in Tabelle 2 verdeutlicht dieses Verhalten: Cluster #1 besteht aus einem einzigen Montag, dessen Ganglinienverlauf sich somit stark von den anderen Clustern unterscheidet. Cluster #2 ist ein großes Cluster mit vielen Montagen und Dienstagen. In diesem Fall würde ein Montag als Prognosetag eher dem kleinen Cluster #1 als dem großen, und damit repräsentativerem Cluster #2 zugeordnet werden. Eine Beschränkung des Maximalwertes der Eigenschaften verhindert dies. In Kapitel 3 wird erläutert, welcher Maximalwert für die Beschränkung am geeignetsten ist.

Tabelle 2: Beispiel einer Zuordnung ohne Beschränkung des Eigenschaftswerts

Negierte Eigenschaften

Für eine inhaltlich richtige Zuordnung der Cluster zu den Prognosetagen ist es erforderlich, zu jeder Eigenschaft auch eine komplementäre Eigenschaft zu verwenden. Wird z. B. die Eigenschaft "IstFerien" verwendet, muss auch eine Eigenschaft existieren, die einen Tag beschreibt, an dem keine Ferien sind. Dies kann u. a. damit sichergestellt werden, dass zusätzlich zu jeder definierten Eigenschaft die negierte Eigenschaft gebildet und beim Zuordnen mitbetrachtet wird. Der negierte Eigenschaftswert eines Clusters lässt sich auf folgende Weise bestimmen:

Formel (3) siehe PDF.

Tabelle 3: Übersicht über die Verfahrensschritte mit Eingangs- und Ausgangsgrößen und Parametern

Tabelle 3 fasst nochmals alle vorgestellten Verfahrensschritte mit Eingangs- und Ausgangsgrößen sowie die dabei veränderbaren Parameter zusammen. Dabei sind die Verfahrensschritte "Filtern" und "Vorklassifizieren" optional.

3 Anwendung

Im Folgenden werden zwei Anwendungsbeispiele beschrieben. Für beide Anwendungen wird eine ganzjährige Prognose von Ganglinien ausgewählter Richtungsmessquerschnitte durchgeführt. In beiden Anwendungen dienen die Ergebnisse als Grundlage für eine spätere Matrixhochrechnung. Mithilfe dieser Matrizen kann eine netzweite Verkehrslage prognostiziert werden.

Für beide Anwendungsfälle wird der Kalibrierungsprozess ausgewählter Parameter erläutert und die entstandene Prognose der Ganglinien validiert. Es wird aufgezeigt, dass das vorgestellte Verfahren für beide Anwendungsbeispiele geeignet und somit übertragbar ist.

3.1 Anwendungsfall #1 - Bayern

Entlang der BAB 8 von München Richtung Rosenheim werden Verkehrsstärken von vier Richtungsmessquerschnitten analysiert und prognostiziert. Die Gegenrichtung wird nicht betrachtet. Die Verkehrsstärken liegen für die Jahre 2008 bis 2011 vor.

Die Untersuchungsstrecke (grün eingefärbt in Abbildung 2) ist durch starke Ferienverkehre gekennzeichnet. Viele Urlaubsziele in Österreich, Kroatien und Italien werden sowohl im Sommer als auch im Winter über diese Autobahn erreicht. Die Strecke ist zu Beginn 2,5 km vierstreifig (eine Fahrtrichtung), wird dann über eine Länge von 9 km dreistreifig mit Seitenstreifenfreigabe und anschließend 30,1 km dreistreifig ohne Seitenstreifenfreigabe ausgeführt.

Abbildung 2: Untersuchungsstrecke BAB 8 München – Rosenheim mit Lage der vier Richtungsmessquerschnitte

Aus den stündlichen Tagesganglinien der vier Richtungsmessquerschnitte (gekennzeichnet als grün eingefärbte Dreiecke in Abbildung 2) werden Netzganglinien als Clusterobjekte (vgl. Kapitel 2.1) gebildet. Jede dieser Ganglinien wird somit durch 96 Werte beschrieben. Als Clustermethode dient das Average-Linkage-Verfahren mit dem GEH-Wert als Distanzmaß.

Das Average-Linkage-Verfahren berechnet auch für ungünstig zueinander liegende Ganglinien plausible Cluster und ist daher für die Aufgabenstellung gut geeignet (vgl. FRIEDRICH et al. [5]). Vor der Clusteranalyse werden Tage mit Unfällen mit Personenschäden oder Tage mit größeren Baustellen (mit mindestens einem gesperrten Fahrstreifen) ausgefiltert, da durch diese Störungen eine Kapazitätsminderung zu vermuten ist.

Zur Ermittlung des Parametersatzes, welcher das beste Prognoseergebnis liefert, werden folgende vier Parameter variiert:

•    die Vorklassifizierung,

•    die verwendeten Eigenschaften für die Zuordnung,

•    der Maximalwert der Eigenschaftswerte der Cluster und

•    die Abbruchbedingung des Clusterverfahrens (Distanzmaß).

Das beste Prognoseergebnis wird bei minimaler Distanz zwischen der prognostizierten Ganglinie und der tatsächlich gemessenen Ganglinie erzielt. Für das Prognoseergebnis wird der Mittelwert aus allen Distanzen der einzelnen Prognosetage berechnet. Als Distanzmaß wird auch hier der GEH-Wert verwendet:

Formel (4) siehe PDF.

Um sicherzustellen, dass der abgeleitete Parametersatz nicht nur zufällig für einen bestimmten Analyse- und Prognosezeitraum optimal ist, wird für jeden Parametersatz eine Analyse und Prognose für alle möglichen Kombinationen der Jahre 2008 bis 2011 durchgeführt. Der Zeitraum für die Clusteranalyse und die Prognose beträgt dabei jeweils ein Jahr. Unter der Voraussetzung, dass Analyse- und Prognosejahr verschieden sind, entstehen 12 mögliche Kombinationen. Für jede Kombination entsteht ein Prognoseergebnis GEHPrognose. Ein Parametersatz wird entsprechend durch den Mittelwert der Ergebnisse aller 12 möglichen Kombinationen beschrieben.

Im Folgenden werden die mittleren GEHPrognose-Werte für verschiedene Ausprägungen der Parameter (Vorklassifizierung, verwendete Eigenschaften, maximaler Eigenschaftswert und Abbruchbedingung des Distanzmaßes) berechnet. Für jede Art der Parameter wird das Ergebnis der jeweiligen Parameterausprägungen in Form eines Boxplots (vgl. SACHS [9]) dargestellt.

Der Boxplot zeigt als zentrale Markierung den Medianwert aller Ergebnisse der Variationen mit den anderen drei Parametern. Die Box zeigt den Wertebereich vom 25%-Perzentil bis 75%-Perzentil. Die gestrichelte Markierung zeigt die Extremwerte. Ausreißer werden separat als kleines Kreuz dargestellt. Ein Ausreißer ist ein Wert, dessen Abstand zur Box größer als das 1,5 fache der Boxbreite (75%-Perzentil – 25%-Perzentil) beträgt. Das gilt sowohl für Ausreißer nach unten als auch nach oben. Mithilfe der Boxplots kann also analysiert werden, wie stark das Prognoseergebnis für die spezielle Ausprägung des Parameters schwankt (Breite des Boxplots) und welches das bestmögliche Ergebnis (minimaler Wert für GEHPrognose) für diese Parameterausprägung ist. Desweiteren können eventuell bestimmte Parameterausprägungen ausgeschlossen werden, weil sie grundsätzlich schlechtere Prognoseergebnisse liefern. Darüber hinaus sind anhand des Boxplots Aussagen über die Tendenz der Wirkungsweise einzelner Parameterausprägungen ableitbar (Medianwert). Ziel der Untersuchung ist es, diejenige Variante mit dem besten Prognoseergebnis (kleinster GEHPrognose-Wert) zu finden.

Vorklassifizierung

Es werden vier Varianten von Vorklassifizierungen neben dem Fall ohne Vorklassifizierung (O) untersucht (Abbildung 3). Die erste Variante trennt die Ganglinien in die zwei Vorklassen "Feiertage" und "NichtFeiertage" (F). Die zweite Variante (We) unterteilt alle Tage anhand vier verschiedener Wettersituationen (Sonnenschein, Regen, Schnee, Bewölkt). Die dritte Variante (FW) unterscheidet neben den Feiertagen, alle NichtFeiertage in die Wochentagsarten Montag - Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag, so dass fünf Vorklassen entstehen. Bei der vierten Variante (FWWe) wird für alle Tage zwischen Feiertagen, Wochentagsarten (Mo-Do, Fr, Sa, So) und Wetter unterschieden. Hierbei ergeben sich insgesamt 20 Vorklassen.

Abbildung 3: Evaluation der Vorklassifizierungen

Aus Abbildung 3 geht hervor, dass die Prognoseergebnisse durch eine Vorklassifizierung verbessert werden können. Die Ergebnisse ohne Vorklassifizierung unterliegen der größten Streuung, aber auch ohne Vorklassifizerung sind ähnliche Ergebnisse im Vergleich zu den Varianten mit Vorklassifizierung erreichbar. Es ist außerdem erkennbar, dass eine differenzierte Vorklassifizierung, in diesem Fall anhand des Wetters, nicht zwingend ein besseres Prognoseergebnis liefert. Die Berücksichtigung des Wetters führt, sowohl ausgehend vom Fall ohne Vorklassifizierung als auch von einer Vorklassifizierung nach Feiertagen und Wochentagen, zu einer Verschlechterung des Prognoseergebnisses. Das beste Ergebnis ergibt sich mit Hilfe der Vorklassifizierung nach Feiertagen und Wochentagen (FW).

Verwendete Eigenschaften

Die Auswahl der Eigenschaften, die für die Prognose verwendet werden sollten, ist abhängig vom Untersuchungsgebiet, bzw. der Untersuchungsstrecke. Für die Strecke BAB 8 von München nach Rosenheim wurde die Relevanz von Ferien der einzelnen Bundesländer und des Auslands mit Hilfe einer Varianzanalyse geprüft. Aus Kennzeichenerfassungssystemen standen für ein ganzes Jahr die Länder- und Gebietskennzeichen der auf der Untersuchungsstrecke ein- und ausfahrenden Fahrzeuge zur Verfügung. Damit wurde geprüft, für welches (Bundes-)Land sich die Anzahl der Fahrzeuge aus dem jeweiligen (Bundes-)Land in den entsprechenden Ferien signifikant ändert. Diejenigen Ferien mit signifikantem Einfluss wurden als Eigenschaften in Betracht gezogen.

Abbildung 4 stellt die Prognoseergebnisse für acht verschiedene Varianten verwendeter Eigenschaften dar. Die Eigenschaften Wochentage, Feiertage und Ferientage des Bundeslands der Untersuchungsstrecke (hier: Bayern) werden in jeder Variante verwendet.

Abbildung 4: Evaluation der verwendeten Eigenschaften

Wird anstatt genereller Ferien und Feiertage (FF), eine differenziertere Ausprägung (FF*), z. B. Winterferien, Osterferien, Neujahr, Ostersonntag, verwendet, wird eine deutliche Verbesserung des Prognoseergebnisses erreicht. Werden zusätzlich Spezialtage (Brückentage und Werktage vor Feiertage) hinzugenommen (WFF*S), kann das Prognoseergebnis nochmals leicht verbessert werden. Eine deutliche Verbesserung wird unter Verwendung der Ferien des Auslands (hier: Sommerferien in den Niederlanden, Frankreich und Dänemark sowie Winterferien in Tschechien und Belgien) erreicht (WFF*SA). Das Wetter als Eigenschaft bei der Zuordnung verschlechtert das Ergebnis (WFF*SAWe). Analog zur Vorklassifizierung verbessern nicht alle verfügbaren Eigenschaften zwingend das Prognoseergebnis. Je größer der Einfluss einer Eigenschaft auf das Verkehrsaufkommen, desto wichtiger ist diese Eigenschaft für eine gute Prognose. Das Wetter hat auf der Untersuchungsstrecke nur eine vergleichbar kleine Wirkung auf den Verkehr. Somit entstehen keine Cluster mit spezifischen Ausprägungen bezüglich des Wetters.

Das beste Ergebnis wird in diesem Anwendungsfall unter Berücksichtigung der Wochentage, der einzelnen Ferien und Feiertage, der Spezialtage (Brückentage und Werktage vor Feiertagen), der Ferien in den Bundesländern und Ausland, Ferienbeginn und Ferienende der Bundesländer und des Oktoberfests (WFF*SABLO) erreicht.

Maximaler Eigenschaftswert

Wird der maximale Eigenschaftswert beschränkt, werden deutlich bessere Prognoseergebnisse erzielt (vgl. Kapitel 2.2, Seite 6). Abbildung 5 fasst die Prognoseergebnisse für verschiedene Niveaus des maximalen Eigenschaftswertes zusammen.

Darüber hinaus wurde folgendes Problem näher untersucht: Ein großes Cluster, welches zu etwa gleichen Anteilen aus Montagen-Donnerstagen besteht, weist für diese Eigenschaften (z. B. IstMontag) einen Eigenschaftswert von 0,25 auf. Ein kleines Cluster, welches z. B. aus drei Montagen besteht, wird bei der Zuordnung eines Montags gegenüber dem großen Cluster bevorzugt. Aus diesem Grund wird für die Wochentage der maximale Eigenschaftswert auch dann gesetzt, wenn eine Mindestanzahl der Wochentage in einem Cluster enthalten ist. Die Mindestanzahl für den jeweiligen Wochentag ergibt sich als fester Anteil aus der Häufigkeit mit welcher der Wochentag im Analysezeitraum enthalten ist. Ein Anteil von 15 % hat sich als bester Wert erwiesen. Ein Beispiel: In eine Clusteranalyse gehen 50 Montage und 30 Dienstage ein. Dann wird einem Cluster der Maximalwert für IstMontag zugewiesen, wenn es mindestens 50 * 15% = 7,5 Montage enthält (IstDienstag bei 30 * 15% = 4,5 Dienstage). Es müssen mindestens zwei gleiche Wochentage im Cluster enthalten sein, damit der Maximalwert gesetzt wird. In allen untersuchten Fällen (Abbildung 5) verbessert sich mit dieser Vorgehnsweise das Prognoseergebnis.

Als maximaler Eigenschaftswert in Kombination mit den Anteilen der Wochentage, erreicht ein Wert von 0,5 das beste Ergebnis.

Abbildung 5: Evaluation maximaler Eigenschaftswert

Abbruchbedingung des Distanzmaßes

Die Höhe des maximal zugelassenen Distanzmaßes innerhalb eines Clusters bestimmt maßgebend die Anzahl resultierender Cluster. Mit einem GEH-Wert von 12 ergeben sich ca. 20 Cluster, bei einem GEH-Wert von 8 ca. 50 Cluster, bei einem GEH-Wert von 4 sind es bereits 150 und mit einem GEH-Wert von 2 ca. 270 Cluster. Durch die zunehmende Anzahl an Clustern wird die Zuordnung der Cluster zu den Prognosetagen komplexer. Der Zuordnungsalgorithmus benötigt im Fall vieler entstandener Cluster als Input auch eine Vielzahl an Eigenschaften, um die entstandenen Cluster anhand dieser Eigenschaften sachlogisch zuordnen zu können, ohne dass dabei ungewollte Zufälligkeiten entstehen.

Abbildung 6 fasst die Prognoseergebnisse in Abhängigkeit des maximal zugelassenen Distanzmaßes zusammen. Mit einem kleineren Distanzmaß werden tendenziell bessere Ergebnisse erzielt. Aber auch ein hoher zugelassener GEH-Wert ermöglicht gute Prognoseergebnisse, die in einem ähnlichen Bereich wie die bestmöglichen Prognoseergebnisse für niedrige GEH-Werte liegen. Je nachdem, welche weiteren Arbeitsschritte mit dem Clusterergebnis durchgeführt werden, kann die Anzahl entstandener Cluster ein entscheidendes rechentechnisches Kriterium sein.

In diesem Fall wird das beste Prognoseergebnis mit einem GEH-Wert von 4 als Abbruchbedingung erzielt.

Abbildung 6: Evaluation Abbruchbedingung des Distanzmaßes

Es gibt weitere Methoden mit welchen das geeignete Distanzmaß bzw. die geeignetste Clusteranzahl ermittelt werden kann. Das Elbow-Kriterium zeigt den Kurvenverlauf zwischen der Anzahl Cluster und den Summen aller Distanzen zwischen der Cluster und der zugehörigen Tage. Nach dieser Methode ergibt sich die Abbruchbedingung zu einem GEH- Wert von 6-7, welche aber schlechtere Prognoseergbnisse erzielen, und daher nicht verwendet werden.

Ergebnis

Abschließend wurde für den oben erwähnten Parametersatz für die Jahre 2008-2010 die Clusteranalyse und für das Jahr 2011 eine Prognose durchgeführt. Es wurde ein Prognoseergebnis mit GEHPrognose = 5,53 erreicht. Basierend auf dem Clusterergebnis kann bei idealer Zuordnung ein GEHPrognose-Wert von 3,44 erzielt werden. Bei der idealen Zuordnung wird das Cluster mit dem geringsten GEH-Wert einem Kalendertag zugeordnet.

Abbildung 7 zeigt für die durchgeführte Analyse (links) und Prognose (rechts) die Zusammensetzung der Cluster. Die Darstellung ist entsprechend der angewandten Vorklassifizierung differenziert. Die Einfärbung der Balken erfolgt in Abhängigkeit der im Cluster enthaltenen Wochentage. Jeder Balken repräsentiert dabei ein in der Analyse entstandenes Cluster. Aus Gründen der Übersicht werden von den insgesamt 334 Cluster nur die 40 Cluster mit den meisten enthaltenen Tagen dargestellt.

Die Ausdehnung der Balken nach rechts entspricht für die Analyse (links) der Anzahl der Tage, welche in dem jeweiligen Cluster zusammengefasst werden. Die Anzahl ist als relativer Wert angegeben, bezogen auf die Anzahl aller analysierten Tage. Für die Prognose (rechts) gibt die Ausdehnung des Balkens an, wie häufig das Cluster zugeordnet wurde.

Auch hier ist die Anzahl als relativer Wert, bezogen auf die Anzahl aller prognostizierten Tage, angegeben. Im Idealfall sollten sich bei einer Prognose für ein Jahr, welches sich bezüglich der verwendeten Eigenschaften nicht wesentlich vom Analysezeitraum unterscheidet, ähnliche relative Häufigkeiten für Analyse und Prognose für das jeweilige Cluster ergeben.

Abbildung 7: Verteilung der Wochentage in der Clusterung & Zuordnung

In Abbildung 7 zeigt sich, dass die größten Cluster bei der Analyse auch am häufigsten in der Prognose zugeordnet werden. Innerhalb der Klasse Mo-Do gibt es eine Ausnahme: Es existieren zwei Cluster, die jeweils ca. 10 % der Tage des Analysezeitraumes beinhalten. Es wird jedoch nur eines der beiden Cluster zugeordnet. Der Grund hierfür ist, dass die Cluster sich hinsichtlich ihrer Eigenschaftswerte nicht unterscheiden. Innerhalb des Zuordnungsverfahrens ergibt sich dadurch ein identischer Übereinstimmungswert für beide Cluster. In diesem Fall wird das Cluster zugeordnet, das eine größere Anzahl von Tagen beinhaltet.

Die fehlende Zuordnung eines in der Analyse vergleichsweise stark besetzten Clusters kann ein Hinweis darauf sein, dass nicht alle relevanten Eigenschaften in Betracht gezogen wurden. An dieser Stelle stehen noch vertiefende Untersuchungen aus.

3.2 Anwendungsfall #2 – Baden-Württemberg

Im zweiten Anwendungsfall wird ein Streckenabschnitt in Baden-Württemberg zwischen Karlsruhe und Walldorf entlang der BAB 5 und BAB 6 untersucht (grün markiert in Abbildung 8). Es werden 16 Dauerzählstellen (gekennzeichnet als grün eingefärbte Dreiecke in Abbildung 8) in unterschiedlichen Fahrtrichtungen betrachtet Die Verkehrsstärken liegen für die Jahre 2007 und 2008 vor.

Die Untersuchungsstrecke ist weitestgehend durch Werktagsverkehre geprägt, jedoch sind vereinzelt auch Verkehrsspitzen durch Urlaubsverkehre beobachtbar. Die Untersuchungsstrecke ist über weite Teile dreistreifig ausgeführt. Im Bereich Karlsruhe sind abschnittsweise 4 Fahrstreifen vorhanden, hingegen ist der Abschnitt der BAB 5 nördlich von Walldorf zweistreifig.

Für dieses Untersuchungsgebiet liegt eine clusterbasierte Prognose von FRIEDRICH et al. [5] vor. In der Verkehrsprognose von FRIEDRICH er al. werden die kalendarischen Merkmale innerhalb der entstandenen Cluster manuell interpretiert und basierend auf den kalendarischen Eigenschaften eines Tages zugeordnet. Somit ist ein Vergleich der Prognosequalität zwischen dem manuellen und dem automatisierten Zuordnungsverfahren möglich.

Abbildung 8: Untersuchungsgebiet Baden-Württemberg

Analog zum ersten Anwendungsfall werden aus den stündlichen Tagesganglinien der 16 Richtungsmessquerschnitte Netzganglinien gebildet. Als Clustermethode dient ebenfalls das Average-Linkage-Verfahren mit dem GEH-Wert als Distanzmaß. Eine Filterung von Tagen mit Störungen kann nicht erfolgen, da keine Informationen über Unfälle oder Baustellen vorhanden sind.

Für die Überprüfung der besten Parameter wird entsprechend des Anwendungsbeispiels #1 für alle Ausprägungen der Parameter ein Jahr für die Clusteranalyse herangezogen und für ein anderes Jahr die Prognose durchgeführt. Für einen Zeitraum von zwei Jahren ergeben sich zwei Kombinationsmöglichkeiten. Das Prognoseergebnis eines Parametersatzes wird folglich aus dem Mittelwert der Prognoseergebnisse für die zwei möglichen Kombinationen berechnet. Die Prognoseergebnisse sind für die untersuchten Parameterausprägungen in Abbildung 9 auf der folgenden Seite zusammengefasst.

Vorklassifizierung

Auch in Abbildung 9 ist analog zum ersten Anwendungsfall erkennbar, dass eine differenzierte Vorklassifizierung tendenziell zu besseren Prognoseergebnissen führt. Jedoch wird das beste Prognoseergebnis erzielt, wenn nach Feiertagen und NichtFeiertagen unterschieden wird (F). Der Unterschied zur Vorklassifizierung Feiertage & Wochentage (FW) ist wie beim Anwendungsfall #1 (Abbildung 3) gering.

Verwendete Eigenschaften

Als Basiseigenschaften werden auch in diesem Anwendungsfall die Wochentage, Ferien und Feiertage (WWF) verwendet. Wetterdaten lagen für die Region nicht vor. Auf die Verwendung der Ferien in den (Bundes-) Ländern als Eigenschaften wurde verzichtet, da der Einfluss der einzelnen Länder nicht überprüft werden konnte. Stattdessen wurden die Jahreszeiten betrachtet, um eventuell saisonale Schwankungen mit einbeziehen zu können.

Wie im ersten Anwendungsbeispiel verbessern die differenzierten Ferien und Feiertage (FF*) und Spezialtage (S) das Prognoseergebnis. Durch die Verwendung von Jahreszeiten als Eigenschaft wird eine weitere Verbesserung erzielt. Im Gegensatz zum ersten Anwendungsfall sind die Jahreszeiten hier relevant, da sie ohne Betrachtung der unterschiedlichen Ferien der (Bundes-) Länder eine zusätzliche Information darstellen.

Maximaler Eigenschaftswert

Eine leichte Abweichung vom Anwendungsbeispiel #1 ergibt sich beim maximalen Eigenschaftswert. Hier wird der Bestwert bei 0,4 erreicht. Wird der Maximalwert der Eigenschaft bei einer Mindestanzahl der Wochentage gesetzt, verbessert sich das Ergebnis ebenfalls.

Abbruchbedingung des Distanzmaßes

Der deutlichste Unterschied zum ersten Anwendungsbeispiel zeigt die Variation der Abbruchbedingung. Ein kleinerer maximal zugelassener Wert für das Distanzmaß verschlechtert das Prognoseergebnis. Der Grund ist die Anzahl der verwendeten Eigenschaften. In diesem Anwendungsbeispiel werden weniger Eigenschaften verwendet, wodurch mehrere Cluster mit ähnlichen Eigenschaften entstehen. Dies führt bei der Zuordnung in der Prognose zu Ungenauigkeiten. Das beste Ergebnis wird mit bei einem maximal zugelassenen GEH-Wert von 7 erreicht.

Abbildung 9: Evaluation Parameterausprägungen (Anwendungsfall #2 – Baden-Württemberg)

Ergebnis

Mit den oben erwähnten Parameterausprägungen wurde für das Jahr 2007 eine Clusteranalyse und für das Jahr 2008 eine Prognose durchgeführt. Es ergibt sich ein GEHPrognose-Wert von 5,56 zwischen tatsächlicher und prognostizierter Verkehrsstärke. Die Prognosequalität von FRIEDRICH et al. [5] liegt im gleichen Bereich. Das vorgestellte automatisierte Verfahren kann somit äquivalent zur manuellen Analyse von FRIEDRICH et al. genutzt werden. Bei einer idealen Zuordnung über den kleinsten Abstand könnte mit dieser Analyse bestenfalls ein GEHPrognose-Wert von 5,08 erreicht werden.

Abbildung 10 zeigt die sich ergebenden 37 Cluster hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Zuordnung in der Analyse (links) und Prognose (rechts). Es bildet sich ein Cluster überwiegend bestehend aus Montagen und ein Cluster mit Dienstag-Donnerstagen. Nur fünf dieser Wochentage (Montag-Donnerstag) sind in der Analyse nicht in diesen beiden großen Cluster enthalten. Die Freitage, Samstage und Sonntage zerfallen hingegen in mehrere kleine Cluster. Es ist erkennbar, dass die Cluster in der Prognose weitestgehend entsprechend ihrer Häufigkeit in der Analyse zugeordnet werden.

Abbildung 10: Verteilung der Wochentage in der Clusterung & Zuordnung

4 Schlussfolgerung

Im vorliegenden Aufsatz wurde ein Verfahren vorgestellt, dass die mittelfristige Prognose von Verkehrsstärkeganglinien ermöglicht. Die Grundidee besteht darin, Ganglinien in einem Analyseschritt zu clustern und diese in der Prognose auf Basis kalendarischer Eigenschaften zuzuordnen. Durch diese automatisierte Zuordnung kann eine anwendungsspezifische Kalibrierung der Verfahrensparameter durchgeführt werden, um eine hohe Prognosequalität zu erreichen. Dadurch ist eine Übertragbarkeit auch auf Land- und Stadtstraßen grundsätzlich gegeben.

Das Verfahren wurde auf zwei Untersuchungsstrecken mit unterschiedlichen Charakteristika angewendet. Der durchgeführte Kalibrierungsprozess wurde hinsichtlich der verwendeten Vorklassifizierung, der Auswahl der Eigenschaften, der Beschreibung der Eigenschaften und der in der verwendeten Clusteranalyse Abbruchbedingung beschrieben. Abschließend erfolgte eine Validierung des Prognoseergebnisses.

Es wurde aufgezeigt, dass eine differenzierte Vorklassifizierung das Prognoseergebnis tendenziell positiv beeinflusst, jedoch nicht zwingend zu einer Verbesserung führt. Die Vorklassifizierung nach Feiertagen und Nichtfeiertagen erwies sich in beiden Anwendungsfällen als sinnvoll.

Die Untersuchung der zu verwendenden Eigenschaften ergab, dass es sinnvoll ist, die Wochentagsart, sowie Ferien und Feiertage differenziert nach Art zu berücksichtigen. Es wurde ebenfalls gezeigt, dass durch das Verwenden zusätzlicher Eigenschaften tendenziell eine Verbesserung erzielt werden kann (Oktoberfest, Ferien im Ausland bzw. einzelner Bundesländer, Jahreszeiten). Jedoch führt nicht jede zusätzliche Information zwingend zu einer Erhöhung der Prognosequalität. So hat die Berücksichtigung der Wettersituation das Prognoseergebnis negativ beeinflusst. Eine Verschlechterung kann dann vorliegen, wenn die Einflüsse dieser Eigenschaften auf das Verkehrsaufkommen eher klein sind und durch andere Ereignisse, die größere Schwankungen verursachen, überlagert werden. Letztendlich muss der Verkehrsplaner für jeden Anwendungsfall eingrenzen, welche Eigenschaften relevant sein könnten und somit in die Analyse einfließen sollten. Zur Weiterentwicklung des Verfahrens sollte geprüft werden, inwiefern diesem Problem mit einer Gewichtung der Eigenschaften begegnet werden kann.

Durch die Beschränkung des Eigenschaftswertes konnte eine Strategie entwickelt werden, die das Verfahren robust gegenüber Ausreißern bei der Clusteranalyse macht, welche sich in ihrem Verlauf der Ganglinie jedoch nicht in der Ausprägung ihrer Eigenschaftswerte von anderen Ganglinien unterscheiden. Dadurch bilden z. B. Tage mit Störungen in der Analyse ein eigenes Cluster, welches in der Prognose nicht zugeordnet wird. Somit werden Störereignisse automatisch herausgefiltert. Dadurch ist es möglich, das Verfahren auch dann anzuwenden, wenn wie in Anwendungsfall #2 keine Informationen zu Störereignissen vorliegen. Liegen diese Informationen wie in Anwendungsfall #1 vor, ist es dennoch sinnvoll, die betrachteten Tag in der Analyse vor der Clusterung zu filtern.

Hinsichtlich des maximal akzeptierten Wertes für das Distanzmaß zeigte sich, dass ein kleiner akzeptierter Wert nur dann sinnvoll ist, wenn möglichst viele verkehrsrelevante Eigenschaften eines Tages bekannt sind. Auch mit hohen Werten als Abbruchbedingungen können bei einer optimalen Auswahl der anderen Verfahrensparameter gute Prognoseergebnisse erzielt werden. Da das Verwenden eines kleinen Wertes als Abbruchbedingung mit einer großen Anzahl von entstehenden Clustern verbunden ist, kann je nach weiterer Verwendung des Prognoseergebnisses die Wahl eines hohen Wertes als Abbruchbedingung aus rechentechnischer Sicht sinnvoll sein.

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