FGSV-Nr. FGSV 002/140
Ort Stuttgart
Datum 13.03.2024
Titel Bewertung der Angebotsqualität innerstädtischer Hauptverkehrsstraßen auf Grundlage von Floating-Car-Daten
Autoren M. Sc. Torben Lelke
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kurzfassung

Der Beitrag beschreibt die Entwicklung einer Methodik zur Bewertung der Angebotsqualität auf Netzabschnitten innerstädtischer Hauptverkehrsstraßen auf Grundlage von Floating Car Data (FCD). Es wird zunächst eine Methodik zur Aufbereitung von FCD und der Gewinnung von mittleren Fahrgeschwindigkeiten präsentiert. Anschließend wird eine Validierung der FCD- basierten Fahrtgeschwindigkeiten durchgeführt. Das erarbeitete Verfahren zeigt im Vergleich mit der etablierten Methodik eine verbesserte Bewertung des aktuellen Zustandes des Netzabschnittes.

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1 Einleitung

In vielen städtischen Verkehrssystemen, insbesondere in großen Ballungsräumen, führt das steigende Verkehrsaufkommen immer häufiger zu einer Überlastung der Straßeninfrastruktur. Daraus resultiert eine allgemeine Verringerung von Mobilität und Erreichbarkeit innerhalb der Städte sowie die Erzeugung vermeidbarer Emissionen. Um eine Verbesserung der Verkehrsqualität zu ermöglichen, ist es notwendig die Teile des Netzwerks zu identifizieren, in denen nicht die benötigte Angebotsqualität erreicht wird. Dies ist besonders mit Blick auf innerstädtische Netzabschnitte relevant, die im Kontext des Gesamtnetzwerks eine gewisse Verbindungsfunktion erfüllen sollen.

Zur Bewertung der Angebotsqualität solcher Netzabschnitte können unterschiedliche methodische Ansätze herangezogen werden. Als Eingangsdaten für die diese Methoden dienen bisher zumeist vor Ort erhobene Verkehrsstärken aus Dauerzählstellen oder Fahrtzeiten aus Kurzzeiterhebungen. Besonders bei der Betrachtung von längeren Netzanschnitten mangelt es diesen Daten allerdings an der räumlichen oder zeitlichen Abdeckung. Floating Car Daten (FCD) bilden eine Möglichkeit diesen Problemen zu begegnen und mit Hilfe von Daten mit einer vollständigen räumlichen und zeitlichen Abdeckung die Bewertung der Angebotsqualität zu optimieren. In den letzten Jahren haben die Verfügbarkeit und die Qualität von FCD stetig zugenommen, weshalb diese Daten bereits international für die Analyse der Verkehrslage genutzt werden (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine 2021, [1]). Auch in Deutschland gibt es Ansätze zur Nutzung von FCD (vgl. Krampe et al. 2014, [2] und Haspel et al. 2015, [3]), allerdings fehlt es bisher an standardisierten und erprobten Methoden für die Aufbereitung und Analyse der Daten.

Im vorliegenden Beitrag wird eine Methodik zur Nutzung von FCD für die Bewertung der Angebotsqualität von Netzabschnitten vorgestellt. Zunächst erfolgt eine Analyse des Standes der Wissenschaft und Technik (Kapitel 2). Anschließend wird die Methodik zur Bestimmung mittlerer Fahrtgeschwindigkeiten sowie die Ergebnisse einer Validierung der Daten vorgestellt (Kapitel 3). Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich damit, wie aus der resultierenden Verteilung eine maßgebende Fahrtgeschwindigkeit gewonnen werden kann (Kapitel 4). Anschließend erfolgt eine Anwendung der Methoden auf mehrere Untersuchungsstrecken und ein Vergleich mit dem etablierten Verfahren nach dem HBS (Kapitel 5). Im abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse diskutiert und ein Ausblick gegeben (Kapitel 6).

2 Stand der Wissenschaft und Technik

Für die Darstellung des Stands der Wissenschaft und Technik werden zunächst etablierte Verfahren zur Bewertung der Angebotsqualität auf Hauptverkehrsstraßen betrachtet. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf den Regelwerken des Handbuches für die Bemessung von Straßenverkehrsanalgen (HBS) (FGSV 2015, [4]) sowie dem amerikanischen Highway Capacity Manual (HCM) (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine 2021, [5]). Daran anschließend werden weitere Arbeiten vorgestellt, welche bereits Ansätze für die Analyse der Angebotsqualität auf Grundlage von FCD oder ähnlichen Daten behandeln.

Das HBS (FGSV 2015, [4]) enthält in Kapitel S6 ein Berechnungsverfahren, das die Bewertung der Angebotsqualität eines Netzabschnitts analog zur Bewertung der Verkehrsqualität von Einzelanlagen ermöglicht. Hierzu wird ein Fahrtgeschwindigkeitsindex verwendet, der sich aus der in der Bemessungsstunde zu erwartenden mittleren Pkw-Fahrtgeschwindigkeit auf dem Netzabschnitt bezogen auf eine von der Straßenkategorie abhängigen angestrebten mittleren Pkw-Fahrtgeschwindigkeit ergibt. Die zu erwartende mittlere Fahrtgeschwindigkeit in der Bemessungsstunde wird dabei mit Hilfe der Berechnungsverfahren für die im Netzabschnitt enthaltenen Strecken und Knotenpunkte abgeschätzt. Ein ähnliches Verfahren wird auch im US-amerikanischen Regelwerk HCM (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine 2021, [5]) genutzt, um die Angebotsqualität des motorisierten Verkehrs auf innerstädtischen Netzabschnitten (engl: urban street facilities) zu bewerten. Das HCM nutzt hierzu die Geschwindigkeit aller Fahrzeuge, die den gesamten Netzabschnitt durchfahren (engl: through-vehicle travel speed). Die Geschwindigkeit wird auch hier auf Grundlage von Berechnungsverfahren für Einzelanlagen abgeschätzt und direkt zur Bewertung der Angebotsqualität verwendet.

Die Verfahren in beiden Regelwerken unterliegen Einschränkungen in ihrer Anwendbarkeit. Diese Einschränkungen resultieren vor allem aus den bestehenden Einschränkungen für die Verfahren zur Bewertung des Verkehrsablaufs für die Knotenpunkte und Strecken, die in beiden Regelwerken als Grundlage für die Berechnung der Fahrtgeschwindigkeit genutzt werden. So können beispielsweise beide Verfahren nicht auf Netzabschnitten angewendet werden, auf denen es durch Radverkehr auf der Fahrbahn oder einen straßenbündigen Bahnkörper zu Einschränkungen kommt. Das Verfahren des HBS gilt zusätzlich explizit nur für anbaufreie Hauptverkehrsstraßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h oder 50 km/h sowie für angebaute Hauptverkehrsstraßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Um auch für Netzabschnitte außerhalb der Grenzen der Verfahren die Angebotsqualität bewerten zu können bedarf es alternativer Verfahren. Das HBS nennt hierzu bereits die Einsatzmöglichkeit von Floating Car Daten (FCD), allerdings werden keine Methoden zur Datenaufbereitung oder -auswertung aufgeführt.

In der Literatur finden sich einige Beispiele für die Nutzung von FCD zur Analyse und Bewertung des Verkehrsablaufes an Einzelanlagen. Für die Bewertung des Verkehrsablaufs auf Strecken konzentrieren sich die meisten Veröffentlichungen auf die Fahrtzeit. In einer Veröffentlichung von Jelenius und Koutsopoulos (2013, [6]) wird die Fahrtzeit als Summe einzelner Kantenfahrtzeiten und der Verlustzeiten an Knotenpunkten betrachtet. Mit Hilfe der bestimmten Fahrtzeiten erfolgt dort eine Analyse der raumzeitlichen Änderungen der Fahrtzeit unter Berücksichtigung verschiedener äußerer Einflüsse. Zur Bewertung der Angebotsqualität und deren Zuverlässigkeit hat sich in vielen Veröffentlichungen die Nutzung eines Fahrtzeitindex etabliert, der das Verhältnis zwischen einer mit FCD gemessenen und einer angestrebten Fahrtzeit beschreibt. Der Bezugswert bildet dabei in der Regel einen angestrebten Zustand des freien Verkehrs ab und wird ebenfalls aus der Verteilung der Fahrtzeiten aus FCD bestimmt. Beispielhaft zu nennen sind hier die Arbeiten von Spangler (2009, [7]), Bennecke et al. (2011, [8]) und Lohmiller (2014, [9]).

Für die Bewertung der Verkehrsqualität an Knotenpunkten auf Grundlage von FCD werden in der Literatur unterschiedliche Kennwerte verwendet. Liu et al. (2006, [10]) beschreiben eine Methodik zur Bestimmung der Verlustzeit aus hochfrequenten FCD. Aus diesen Daten können der Verzögerungsbeginn und das Beschleunigungsende beim Durchfahren des Knotenpunktes direkt erfasst werden. Weitere Veröffentlichungen konzentrieren sich auf die Schätzung von Rückstaulängen. Ein Verfahren hierzu, sowie eine Analyse der Auswirkungen der Stichprobengröße der FCD, wird in Comert & Cetin (2009, [11]) vorgestellt. Auch die Kapazität von signalisierten Knotenpunkten kann auf Grundlage von FCD abgeschätzt und zur Bewertung der Verkehrsqualität verwendet werden. Hierzu beschreiben Fourati und Friedrich (2021, [12]) eine Methodik, mit der durch eine Betrachtung von homogenen Bereichen von Trajektorien ein Fundamentaldiagramm gebildet werden kann. Aus diesem Fundamentaldiagramm können dann verschiedene Kennwerte, wie die Kapazität jeder einzelnen Zufahrt des Knotenpunktes direkt bestimmt werden.

Für die Bewertung der Verkehrsqualität auf ganzen Netzabschnitten finden sich bisher wenige Arbeiten. Day und Emtenan (2019, [13]) schlagen hierzu die Betrachtung des Maßes der Koordinierung entlang des Netzabschnittes auf Grundlage von FCD-Trajektorien vor. In Brennan et al (2015, [14]) wird als Maß für die Angebotsqualität von Netzabschnitten ein Fahrtzeitindex verwendet, der dem Fahrtgeschwindigkeitsindex aus dem Berechnungsverfahren des HBS ähnelt.

Aus der Analyse der wissenschaftlichen Literatur wird ersichtlich, dass die Betrachtung von Fahrtzeiten bzw. Fahrtgeschwindigkeiten zur FCD-basierten Bewertung der Verkehrsqualität in Netzabschnitten etabliert ist. Aus den Trajektorien kann die Fahrtzeit für jedes einzelne erfasste Floating Car erfasst werden. Diese Fahrtzeit enthält sowohl die einzelnen Fahrtzeiten auf den Strecken als auch die Verlustzeiten an den Knotenpunkten. Auf Grundlage dieser Fahrtzeiten können dann mittlere Geschwindigkeiten gebildet werden, die als Eingangswert für die Bildung des Fahrtgeschwindigkeitsindex nach dem HBS dienen. Im Folgenden wird eine Methodik präsentiert, mit der eine solche Bewertung der Angebotsqualität auf Grundlage von FCD möglich ist.

3 Ermittlung von mittleren Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD

Für die nachfolgenden Untersuchungen werden historische FCD-Rohdaten eines kommerziellen Anbieters verwendet. Die Datensätze bestehen dabei aus einzelnen GPS- Datenpunkten, die über eine einzigartige ID einem Fahrzeug zugewiesen werden können. Zusätzlich sind für jeden Datenpunkt ein Zeitstempel sowie die aktuelle Geschwindigkeit des Fahrzeuges angegeben. Um mit Hilfe dieser oder ähnlicher Daten eine valide Bewertung der Angebotsqualität durchführen zu können, muss gewährleistet sein, dass die mittleren Geschwindigkeiten der erfassten Fahrzeuge auch die mittleren Geschwindigkeiten der Grundgesamtheit für ein jeweiliges Zeitintervall wiedergeben. Da der Durchdringungsgrad der FCD oft im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt und die Zusammensetzung der Daten in Bezug auf Fahrzeugtypen nicht bekannt ist, kann die Übereinstimmung der mittleren Geschwindigkeiten nicht ohne weiteres angenommen werden. Aus diesem Grund erfolgt in diesem Kapitel nach der Vorstellung der Datenaufbereitung der FCD eine Validierung der Geschwindigkeiten auf Grundlage einer empirischen Untersuchung.

3.1 Aufbereitung von Floating Car Daten

Für die Gewinnung von mittleren Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD sind einige vorbereitende Arbeitsschritte notwendig. Zunächst werden die Rohdaten sortiert und gefiltert. Um die Rechenzeiten der späteren Arbeitsschritte möglichst gering zu halten, werden aus einem größeren Datensatz nur die Daten für die betrachtete Strecke herausgefiltert. Im Zuge des Filterns werden die Daten zusätzlich in ein einheitliches Format konvertiert, das für jeden erfassten GPS-Datenpunkt einen Zeitstempel, den aufgezeichneten Breiten- und Längengrad sowie die Geschwindigkeit in km/h enthält. Anschließend erfolgt das sogenannte Map- Matching. Hierbei werden die einzelnen GPS-Datenpunkte auf die Kanten des gewählten Netzmodells projiziert. Es muss beachtet werden, dass mittels GPS aufgezeichnete Positionen einem räumlichen Fehler unterliegen können. Dieser Positionsfehler kann während des Map- Matchings besonders im innerstädtischen Bereich dazu führen, dass ein Datenpunkt auf eine falsche Kante im Straßennetz projiziert wird. So kann im Map-Matching beispielsweise statt eines Halts an einer Lichtsignalanlage eine Kehrtwende in die Gegenrichtung eingefügt werden. Um derartige Fehler zu vermeiden, wird vor Beginn des Prozesses ein Clustering aller Datenpunkte durchgeführt, die höchstens 30 m voneinander entfernt liegen und in einem Abstand von weniger als 60 s aufgezeichnet wurden.

Nach der Projektion der Daten innerhalb des Untersuchungsbereiches auf das vorliegende Straßennetz muss das Format der Daten angepasst werden, um daraus Fahrtzeiten entlang des definierten Abschnittes ableiten zu können. Zunächst wird ein Referenzpunkt für Abstände entlang des jeweiligen Streckenzuges definiert. Für die Bestimmung der Fahrtzeiten entlang einer Untersuchungsstrecke wird für diesen Referenzpunkt ein Punkt ausgewählt, der am Beginn der Strecke liegt. Anschließend wird der Verlauf der Untersuchungsstrecke als eine Abfolge von Kanten im Netzwerk definiert. So können die Trajektorien herausgefiltert werden, welche die gesamte Untersuchungsstrecke oder einzelne darin liegende Netzabschnitte vollständig durchfahren haben.

Um die Fahrtzeit zwischen mehreren Punkten entlang der Untersuchungsstrecke zu bestimmen, werden diese Punkte durch ihre Distanz zum vorher festgelegten Referenzpunkt definiert. Diese Distanz wird über die Addition der Länge der Kanten zwischen dem GPS-Punkt und dem definierten Startpunkt der Untersuchungsstrecke ermittelt und ist demnach nicht die direkte Luftlinie, sondern die Fahrstrecke zwischen den Punkten. Anschließend wird dann für jede erfasste Trajektorie die Fahrtzeit zwischen den jeweils ausgewählten Punkten berechnet. Dazu wird für die angegebenen Punkte ein Zeitstempel aus den vorliegenden Datenpunkten interpoliert und anschließend die Differenz dieser Zeitstempel gebildet. Das Ergebnis ist eine Fahrtzeitverteilung aus den vorliegenden FCD. Diese Verteilung ermöglicht die Auswertung beliebiger Perzentil-Werte. Zusätzlich ist jede Fahrtzeit im resultierenden Datensatz mit dem Zeitpunkt verknüpft, an dem sie aufgezeichnet wurde. Durch diese Verknüpfung wird es möglich, Fahrtzeiten innerhalb definierter Zeitbereiche, wie z. B. die Zeit einer Maßnahme, zu extrahieren und separat auszuwerten. Diese Möglichkeit der flexiblen Auswertung von Fahrtzeitverteilungen unterhalb der Zeitspanne des Gesamtdatensatzes stellt einen großen Vorteil bei der Nutzung von FC-Rohdaten dar.

3.2 Erhebung und Aufbereitung von Validierungsdaten

Um die Eignung von FCD für die Bewertung der Angebotsqualität von Netzabschnitten evaluieren zu können, wurden empirische Untersuchungen durchgeführt. Hierzu wurden auf vier Streckenzügen von Hauptverkehrsstraßen in den Städten Hannover, Braunschweig und Karlsruhe Fahrtzeiten von Einzelfahrzeugen mit Hilfe von Kennzeichenerfassungsgeräten (Automatic Number Plate Recognition, ANPR) erfasst. Einige Eigenschaften der Streckenzüge sind in Tabelle 3.1 angegeben. Für die Erhebungen wurden die Streckenzüge in Abschnitte unterteilt, zwischen denen die Messung der Fahrtzeiten erfolgte. Da die Erhebung der Validierungsdaten bei allen Streckenzügen in beide Fahrtrichtungen erfolgte, wurde für eine Gesamtzahl von 14 Abschnitten Fahrtzeiten erhoben.

Tabelle 3.1: Eigenschaften der Untersuchungsstreckenzüge für die Validierung

Nach Abschluss der Erhebungen wurden die aufgezeichneten Daten verarbeitet und anschließend ausgewertet. Die Daten aller Messgeräte wurden zu einem Gesamtdatensatz pro Erhebungstag und Fahrtrichtung zusammengefasst. Um die Fahrtzeiten aus den Einzelaufzeichnungen zu ermitteln, wurden die Datenpunkte nach dem aufgezeichneten Kennzeichen gruppiert und nach Zeit sortiert. Dabei wurden doppelte Datensätze sowie Kennzeichen, die nur von einem ANPR-Gerät erfasst wurden, gelöscht. Aufeinanderfolgende Erfassungen des gleichen Kennzeichens wurden anschließend zu einer Fahrt durch den Streckenzug zusammengefasst, wenn zwischen der ersten und letzten Erfassung nicht mehr als 30 Minuten lagen. Dieser Schwellenwert wurde gewählt, um Ausreißer zu eliminieren. Diese Ausreißer können beispielsweise Fahrzeuge sein, die ihre Fahrt durch den Streckenzug abgebrochen haben und daher keine gültige Fahrtzeit liefern. Der aus diesem Vorbereitungsschritt resultierende Datensatz wurde dann verwendet, um die Fahrtzeiten als Differenz zwischen den Zeitstempeln an den Erfassungspunkten für jeden Abschnitt zu berechnen.

3.3 Validierung der FCD

Nach der Aufbereitung der beiden Datensätze erfolgt die Berechnung von mittleren Fahrtgeschwindigkeiten. Für eine präzise Bewertung der Angebotsqualität, welche die gesamte Länge der Untersuchungsstrecke berücksichtigt, ist eine mittlere Fahrtgeschwindigkeit zu nutzen. Dieser Wert kann definiert werden als die Division zwischen der Gesamtstrecke, die von einer Gruppe von Fahrzeugen innerhalb des betrachteten Zeitraums zurückgelegt wird, und ihrer Gesamtfahrtzeit (Mori et al. 2015, [15]). Daher wird die mittlere Geschwindigkeit nicht direkt gemessen, sondern aus den erhobenen Fahrtzeiten berechnet. Hierzu wird die Definition von Mori et al. (2015, [15]) genutzt, nachdem die mittlere Geschwindigkeit vs definiert ist als der Quotient aus der von einer Menge von Fahrzeugen n innerhalb eines betrachteten Zeitraums zurückgelegten Gesamtstrecke d und ihrer Gesamtfahrtzeit t. Dies kann als folgender Term formuliert werden:

Formel in der PDF

Die Menge der Fahrzeuge, die für die Berechnung der mittleren Geschwindigkeitswerte berücksichtigt werden, ist durch die Stunde des Tages definiert, in der ein Fahrzeug den ersten Erfassungspunkt passiert. Das stündliche Intervall wurde gewählt, da im HBS stündliche Durchschnittswerte zur Bewertung der Angebotsqualität verwendet werden. Außerdem sollte das Intervall aufgrund der typischerweise geringen Durchdringungsrate von FCD nicht zu kurz sein, um eine Übergewichtung möglicher Ausreißer oder Messfehler zu vermeiden. Das Ergebnis der Datenverarbeitung ist ein Datensatz, der die individuellen Fahrtzeiten für alle erfassten Fahrzeuge und die stündlichen mittleren Geschwindigkeiten für beide Erfassungsmethoden enthält.

Die aus den FCD ermittelten Fahrtzeiten und mittleren Geschwindigkeiten wurden mit Hilfe der Daten der durchgeführten ANPR-Messungen validiert. Die Auswertung erfolgte jeweils abschnittsweise zwischen den Messquerschnitten der ANPR-Messungen. Für jeden Abschnitt des Streckenzuges wurde zusätzlich die Anzahl an aufgezeichneten Fahrtzeiten aus der ANPR-Messung mit der Anzahl von ermittelten Fahrtzeiten aus FCD verglichen, um die Durchdringungsrate der FCD abschätzen zu können. Insgesamt liegt der Durchdringungsgrad der FCD je nach Untersuchungsstrecke zwischen 0,4 % und 4,5 % des Gesamtverkehrs. Dabei ist zu beachten, dass der Durchdringungsgrad und die Anzahl der erfassten Trajektorien nicht direkt zusammenhängen. Aus der Abhängigkeit der Durchdringungsrate vom Gesamtverkehr resultiert, dass ein detektiertes Floating Car in einer Stunde zu einer Durchdringungsrate von 0,4 % in Braunschweig oder 2 % auf der Fiduciastraße in Karlsruhe führt. Aufgrund dieser Eigenschaften des Durchdringungsgrades ist es nicht möglich einen übergreifenden Mindestwert zu definieren, ab dem die aus den FCD gewonnen Werte als verlässlich angesehen werden können. Ebenso ist in kommerziell verfügbaren FCD- Datensätzen der Durchdringungsgrad in der Regel unbekannt, während die Anzahl der Trajektorien pro Stunde in jedem Fall aus den Datensätzen abgeleitet werden kann. In der folgenden Analyse wird daher ebenfalls untersucht, ob mit der absoluten Anzahl an erfassten Floating Cars in einem Zeitintervall ein solcher Wert ermittelt werden kann.

Zu Beginn der Validierung erfolge eine visuelle Überprüfung der Übereinstimmung zwischen den erhobenen und den aus FCD generierten Fahrtzeiten. Beispielhaft sind in Abbildung 3.1 zwei Diagramme für die Untersuchungsstrecke in Hannover dargestellt. Es wird ersichtlich, dass der Verlauf der Fahrtzeiten in beiden Diagrammen ähnlich ist. Lediglich die Spitzen am Nachmittag sind in den FCD-Fahrtzeiten weniger ausgeprägt als in der Grundgesamtheit.

Abbildung 3.1: Vergleich Fahrtzeiten aus Erhebungen mit a) ANPR und b) FCD

In den nachfolgenden Analysen wurden alle untersuchten Abschnitte gemeinsam betrachtet. Aufgrund der unterschiedlichen Länge der Abschnitte wurde nicht die Fahrtzeit, sondern die mittlere Fahrtgeschwindigkeit genutzt, um die Übereinstimmung der FCD mit den Validierungsdaten zu untersuchen. Zunächst erfolgte eine Korrelationsanalyse der Geschwindigkeitswerte für alle 14 Abschnitte. Abbildung 3.2 zeigt das resultierende Korrelationsdiagramm. Es ist zu erkennen, dass die Geschwindigkeitswerte aus den beiden Quellen für dieselben Zeitintervalle eine akzeptable Korrelation aufweisen. Der Korrelationskoeffizient erreicht einen Wert von 0,69. Aus der Abbildung ist jedoch auch ersichtlich, dass einige Geschwindigkeitspaare weit von der Winkelhalbierenden entfernt liegen und sich daher stärker unterscheiden. Die Datenpunkte in der dargestellten Grafik sind entsprechend der Anzahl der in jeder Stunde erfassten Floating Cars eingefärbt. Es wird ersichtlich, dass die Stunden mit der größten Abweichung zwischen den Geschwindigkeiten durch eine geringe Anzahl an aufgezeichneten Floating Cars gekennzeichnet werden.

Abbildung 3.2: Korrelationsanalyse mittlere Fahrtgeschwindigkeiten

Die Korrelationsanalyse zeigt, dass eine detailliertere Analyse der Übereinstimmung der Werte notwendig ist. Daher wird der "Scalable Quality Value" (SQV) (Friedrich et al. 2019, [16]) genutzt, um die Ähnlichkeit einzelner Geschwindigkeitspaare aus den beiden Datensätzen zu quantifizieren. Der Vorteil der Verwendung des SQV liegt darin, dass er skalierbar ist und somit an die verfügbaren Daten angepasst werden kann. Darüber hinaus ermöglicht der SQV eine direkte Bewertung der Ähnlichkeit zweier Werte auf einer Skala zwischen 0 und 1, wobei letzterer Wert eine perfekte Übereinstimmung darstellt. Für den SQV sind außerdem Bereiche festgelegt, um die Qualität der Anpassung direkt zu bewerten. Ein SQV von 0,8 stellt demnach eine akzeptable Übereinstimmung der verglichenen Werte dar. Ab einem SQV von 0,85 wird die Übereinstimmung der Werte als gut und ab 0,9 als sehr gut angesehen. Der SQV für ein Geschwindigkeitspaar p wird wie folgt berechnet:

Formel in der PDF

Die Variable f stellt den Skalierungsfaktor dar, dessen Größe an den Erwartungswert der untersuchten Variable gekoppelt sein sollte (Friedrich et al. 2019, [16]). Für die Auswertung der mittleren Geschwindigkeiten wurde ein Skalierungsfaktor von f = 30 gewählt. Anschließend wurde der SQV für jedes stündliche Geschwindigkeitswertpaar berechnet, um einen allgemeinen Überblick über die Ähnlichkeit zwischen FCD- und ANPR-Geschwindigkeiten zu erhalten. Zu diesem Zweck wird das arithmetische Mittel aller stündlichen SQVs auf jedem Abschnitt verwendet.

Die Auswertung zeigt, dass der mittlere SQV über alle Abschnitte mit einem Wert von 0,869 in einem guten Bereich liegt. Im Durchschnitt treffen die für FCD berechneten Geschwindigkeiten die Validierungswerte also gut. Betrachtet man jedoch die durchschnittlichen Übereinstimmungen einzelner Abschnitte, so zeigt sich, dass auch deutlich weniger zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden. Wie aus der Analyse in Abbildung 3.2 hervorgeht, besteht ein Zusammenhang zwischen der Anzahl an erfassten Floating Cars und der Übereinstimmung der mittleren Fahrtgeschwindigkeit, mit dem diese Abweichungen erklärt werden könnten. Im letzten Schritt der Validierung wurde sich daher auf den Zusammenhang zwischen dem SQV der mittleren Geschwindigkeiten und der Anzahl der erkannten FCD- Trajektorien konzentriert.

Für die abschließende Analyse wurden zunächst alle Stunden aus der Gesamtmenge der Geschwindigkeitswerte betrachtet und die Verteilung der SQVs und des Korrelationskoeffizienten analysiert. Dann wurden alle Stunden ausgeschlossen, in denen weniger als zwei Floating Cars erfasst wurden, und die gleiche Analyse mit dieser Teilmenge der Daten wiederholt. Dieser Prozess wird so lange fortgesetzt, bis die maximale Anzahl der erfassten Floating Cars erreicht ist. Abbildung 3.3 zeigt die Ergebnisse dieser Analyse. Dabei wird jede Teilmenge durch die Mindestanzahl der erkannten Floating Cars definiert. Die Abbildung zeigt die Verteilung der SVQ-Werte in einem Boxplot und die Entwicklung des Korrelationskoeffizienten mit zunehmender Anzahl der minimalen Trajektorien pro Stunde.

Abbildung 3.3: Analyse von SQV und Korrelationskoeffizient für unterschiedliche Mindestanzahl von Floating Cars pro Stunde

Anhand der in Abbildung 3.3 dargestellten Analyse können mehrere Aussagen getroffen werden. Der Median des SQV ist über die verschiedenen Teilmengen nahezu konstant. Es ist jedoch zu erkennen, dass insbesondere in den Teilmengen, die Stunden mit einer geringen Anzahl von erfassten Floating Cars enthalten, Ausreißer bei der Geschwindigkeit dazu führen, dass der Korrelationskoeffizient nicht in einem zufriedenstellenden Bereich liegt. Bei der Betrachtung des Verlaufs des Korrelationskoeffizienten wird deutlich, dass sich die Übereinstimmung zwischen den Geschwindigkeitswerten aus der ANPR-Datenerfassung vor Ort und der FCD mit zunehmender Anzahl der pro Stunde erfassten Floating Cars verbessert.

Der Korrelationskoeffizient verbessert sich deutlich für den Datensatz ohne die Stunden mit nur einer aufgezeichneten FCD-Trajektorie. Ebenfalls ist zu sehen, dass ab einem Minimum von fünf erfassten Floating Cars pro Stunde sowohl der Median des SQV als auch der Korrelationskoeffizient nicht unter einen Wert von 0,9 fallen. Dieser Wert repräsentiert sowohl eine sehr gute Übereinstimmung nach dem SQV (vgl. Friedrich et al. 2015, [16]) als auch einen sehr guten Korrelationskoeffizienten (vgl. Schober et al. 2018, [17]). Für die weiteren Analysen wird daher angenommen, dass ab einer Anzahl von fünf aufgezeichneten Trajektorien pro Stunde ein verlässlicher Wert der mittleren Geschwindigkeit und der Fahrtzeit erreicht wird.

4 Bestimmung der maßgebenden Fahrtgeschwindigkeit

Um die aus den FCD gewonnenen mittleren Fahrtgeschwindigkeiten für die Bewertung der Angebotsqualität eines Netzabschnitts nutzen zu können, ist es notwendig aus der Verteilung der Geschwindigkeiten einen maßgebenden Wert zu erlangen. Hierzu wird ein Ansatz genutzt, der sich an der im HBS-Kapitel S2.3 (FGSV 2015, [4]) vorgeschlagenen Methodik zur Bestimmung einer Bemessungsverkehrsstärke orientiert. Darin sind Zählzeiten festgelegt, wonach Zählungen zwischen Ende März und Ende Oktober an den Wochentagen Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag außerhalb der Schulferien durchgeführt werden. An diesen Tagen sollen mindestens vormittags (06:00 Uhr bis 10:00 Uhr) und nachmittags (15:00 Uhr bis 19:00 Uhr) jeweils vier Stunden kontinuierlich gezählt werden. Im Anschluss werden die vier höchstbelasteten 15-Minuten-Intervalle als Spitzenstunde gewählt und die dort gezählt Verkehrsstärke als Bemessungsverkehrsstärke angesetzt.

Dieser Ansatz lässt sich zur Bestimmung der maßgebenden mittleren Fahrtgeschwindigkeit auf den FC-Datensatz übertragen. Dabei wird davon ausgegangen, dass für den zu untersuchenden Netzabschnitt FCD für ein ganzes Kalenderjahr vorliegen. Aus diesem Datensatz werden zunächst alle Trajektorien identifiziert, die innerhalb der möglichen Zählzeiten liegen. Anschließend werden die Daten zu zwei Datensätzen für die Vormittags- und Nachmittagszählzeiten aggregiert. Die grundlegende Annahme bei diesem Ansatz ist, dass die Verkehrszustände an den Zähltagen aufgrund der ähnlichen Nachfrage auch vergleichbar sind. Durch die Aggregierung der Daten ist die in Kapitel 3 formulierte Bedingung für mindestens fünf aufgezeichnete Floating Cars erfüllt, wodurch eine repräsentative Fahrtgeschwindigkeit für jede Stunde ermittelt werden kann. Um allerdings sicher zu sein, dass keine Ausreißer innerhalb der Verteilung der Fahrtzeiten das Ergebnis verfälschen, wird unter Nutzung des Interquartilsabstandes eine maximale und eine minimale Fahrtzeit bestimmt. Alle Fahrtzeiten außerhalb dieser Grenzwerte werden ausgeschlossen.

Mit den aggregierten Daten wird anschließend für jedes 15-Minuten Intervall eine mittlere Geschwindigkeit analog zu der Methodik im Kapitel 2 bestimmt. Ein Beispiel für die resultierenden Datensätze ist in Tabelle 4.1 zu sehen. Für beide Zeitfenster werden anschließend die vier 15-Minuten-Intervalle bestimmt, welche die geringste mittlere Fahrtgeschwindigkeit, und somit den schlechtesten Verkehrszustand, aufweisen. Diese vier 15-Minuten-Intervalle ergeben für den Vormittag sowie für den Nachmittag jeweils eine aggregierte maßgebende Stunde an den Zähltagen. Aus allen Trajektorien, die innerhalb der jeweiligen maßgebenden Stunde liegen, werden anschließend die maßgebenden Fahrtgeschwindigkeiten bestimmt. Diese Fahrtgeschwindigkeiten können anschließend als Eingangswerte für das HBS-Verfahren zur Bewertung der Angebotsqualität genutzt werden.

Tabelle 4.1: Bestimmung der maßgebenden Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD

5 FCD-basierte Bewertung der Angebotsqualität

Im folgenden Kapitel erfolgt ein Vergleich der Ergebnisse des HBS-Verfahrens zur Bewertung der Angebotsqualität von Netzabschnitten mit unterschiedlichen Eingangsparametern. Die erste durchgeführte Bewertung folgt dem im HBS verankerten Verfahren, in dem auf Grundlage einer Bemessungsverkehrsstärke die mittlere Pkw-Fahrtgeschwindigkeit berechnet wird. Anschließend wurde eine Bewertung auf Grundlage der ermittelten maßgebenden Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD durchgeführt und die Ergebnisse beider Verfahren verglichen. Der Vergleich erfolgte auf drei Netzabschnitten in den Städten Eschweiler, Remscheid und Gütersloh, jeweils in beide Fahrtrichtungen. Auf allen Netzabschnitten erfolgten Kurzzeitzählungen zur Bestimmung der Bemessungsverkehrsstärke. Für die Untersuchungsstrecke in Remscheid lagen zusätzlich Fahrtzeiten aus einer mikroskopischen Verkehrssimulation vor. Die für den Vergleich genutzten FCD umfassen auf allen Untersuchungsstrecken ein gesamtes Jahr zwischen dem 01.07.2018 und dem 31.06.2019.

Es ist bei dem Vergleich der Fahrtgeschwindigkeiten zu beachten, dass sich durch die Verschiedenheit der Grundlagendaten einige inhärente Unterschiede ergeben. Zunächst werden bei dem Verfahren nach Kapitel S6 des HBS (FGSV 2015, [4]) lediglich die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge betrachtet, die geradeaus in den Netzabschnitt hineinfahren und diesen dann auch wieder in Fahrtrichtung geradeaus verlassen. Die Bestimmung der Fahrtzeit geschieht dann jeweils von der Mitte des Startknotenpunktes bis zur Mitte des Endknotenpunktes. Bei der Nutzung von FCD ist es grundsätzlich möglich, auch alle Fahrzeuge mit einzuschließen, die zu Beginn in den Netzabschnitt oder am Ende aus dem Netzabschnitt ausbiegen. Um eine möglichst große Datenbasis für den Netzabschnitt zu gewinnen, kann es sogar empfehlenswert sein, diese Fahrzeuge mitzubetrachten. Dabei kann es allerdings zu Verzerrungen der mittleren Fahrtgeschwindigkeit aufgrund längerer Wartezeiten auf Abbiegefahrstreifen kommen.

Eine weitere Besonderheit, die beachtet werden muss, ist die Möglichkeit der FCD, bestehende Koordinierungen unter den Lichtsignalanlagen an den Knotenpunkten des Netzabschnittes abzubilden. Die Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD werden über den gesamten Netzabschnitt im Bestand erhoben und nicht, wie im Verfahren nach HBS Kapitel S6, auf Grundlage der theoretischen Fahrtzeiten auf den Teilstrecken und Wartezeiten an den einzelnen Knotenpunkten berechnet. Es ist daher davon auszugehen, dass die mittels FCD bestimmten Fahrtgeschwindigkeiten auf Netzabschnitten mit einer bestehenden Koordinierung höher sind als die berechneten Fahrtgeschwindigkeiten mit dem Verfahren des HBS. Ebenso gehen in die FCD-Fahrtgeschwindigkeiten auch bestehende, wiederkehrende Störfaktoren, wie Straßenbahnen oder Radfahrende im fließenden Verkehr mit in die bemessungsrelevante Fahrtgeschwindigkeit ein.

Tabelle 5.1 zeigt sämtliche berechneten Fahrtgeschwindigkeiten. Die Ergebnisse der Untersuchungsstrecken sind dabei differenziert zu betrachten. Für die Indestraße in Eschweiler ist ersichtlich, dass die FCD-Fahrtgeschwindigkeit der durchschnittlichen Spitzenstunden deutlich oberhalb der berechneten Fahrtgeschwindigkeit gemäß HBS Kapitel S6 liegen. Es ist für die Indestraße also davon auszugehen, dass die Fahrtgeschwindigkeiten gemäß HBS Kapitel S6 zu niedrig angesetzt sind. Dies lässt sich durch eine bestehende Koordinierung der Lichtsignalanlagen entlang des Netzabschnittes begründen.

Tabelle 5.1: Vergleich der Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD und dem HBS-Kapitel S6

Auch bei der Elberfelder Straße in Remscheid ergeben die Berechnungen gemäß des HBS eine deutlich niedrigere Fahrtgeschwindigkeit als der FCD-basierte Ansatz. Wie in Eschweiler kann auch hier eine bestehende Koordinierung der Lichtsignalanlagen an den Knotenpunkten als Grund für die Differenz herangezogen werden. Gestützt werden die Fahrtgeschwindigkeiten aus FCD auf diesem Netzabschnitt durch die Verkehrssimulation und die durchgeführten Messfahrten, die jeweils die vorliegende Koordinierung berücksichtigen. Bei der Verler Straße in Gütersloh ist zu sehen, dass die Fahrtgeschwindigkeiten gemäß HBS Kapitel S6 gut mit den FCD-basierten Fahrtgeschwindigkeiten übereinstimmen. In der Gegenrichtung liegen allerdings die Fahrtgeschwindigkeiten des FCD-basierten Ansatzes deutlich niedriger als die berechneten Fahrtgeschwindigkeiten des HBS Kapitels S6. Dies lässt sich dadurch begründen, dass an diesem Netzabschnitt regelmäßige Stauerscheinungen zu beobachten sind, die durch das Verfahren nach dem HBS nicht abgebildet werden.

Der Vergleich der Fahrtgeschwindigkeiten aus den entwickelten FCD-basierten Ansätzen mit den Ergebnissen des Verfahrens nach HBS Kapitel S6 ergibt, dass die FCD-Fahrtgeschwindigkeiten auf Grundlage der durchschnittlichen Spitzenstunde einen besseren Eindruck der tatsächlich vorliegenden Angebotsqualität der Netzabschnitte vermittelt. Besonders der Effekt einer bereits eingerichteten LSA-Koordinierung entlang der Knotenpunkte des Netzabschnittes hat einen deutlichen Einfluss auf die Angebotsqualität, was die Analyse der FCD-Fahrtgeschwindigkeiten zeigt. Lediglich an Netzabschnitten ohne vorliegende Koordinierung und ohne regelmäßig auftretende Störfälle, die nicht aus der Nachfrage zu begründen sind, liegen die Fahrtgeschwindigkeiten aus HBS- und FCD- Verfahren in einem ähnlichen Bereich. Aus diesen Ergebnissen resultieren auch zumeist unterschiedliche Stufen der Angebotsqualität. Tabelle 5.2 zeigt diese Unterschiede für alle betrachteten Streckenzüge.

Tabelle 5.2: Vergleich der Angebotsqualität aus Bestimmung durch FCD und Bestimmung durch HBS-Kapitel S6

6 Diskussion und Ausblick

Im vorliegenden Beitrag wurde gezeigt, dass aus Floating Car Data verlässliche Werte für die mittlere Fahrgeschwindigkeit auf innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen gewonnen werden können und darauf aufbauend ein alternatives Verfahren für die Bewertung der Angebotsqualität auf Netzabschnitten nach dem HBS erarbeitet.

Zunächst wurde untersucht, ob aus FCD trotz der vergleichsweisen niedrigen Durchdringung verlässliche Werte für die mittlere Fahrgeschwindigkeit gewonnen werden können. Hierzu wurden erhobene Fahrtzeiten und daraus gewonnene mittlere Geschwindigkeiten aus einer empirischen Untersuchung und FCD von dem jeweils gleichen Tag verglichen. Es zeigt sich, dass ab einer Anzahl von fünf aufgezeichneten Trajektorien pro Stunde die FCD- Fahrtgeschwindigkeiten die Vergleichswerte aus den Validierungsdaten verlässlich abbilden. Anschließend wurde eine Methodik vorgestellt, mit der aus einem Jahresdatensatz von FCD maßgebende mittlere Fahrtgeschwindigkeiten für Netzabschnitte ermittelt werden können. Für drei Netzabschnitte erfolgte dann ein Vergleich der auf Grundlage von FCD bestimmten Stufe der Angebotsqualität mit dem Verfahren nach HBS Kapitel S6.

Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass ein Potenzial zur Einbindung von Floating Car Data in das bestehende Verfahren zur Bewertung der Angebotsqualität des HBS besteht. Bei der Anwendung der vorgestellten Methodik müssen allerdings einige Aspekte beachtet werden. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die FCD immer nur den aktuell vorliegenden Zustand des Netzabschnittes abbilden. Das bedeutet, dass sich das vorgestellte alternative Verfahren nur für Bestandsaufnahmen eignet und zur Prognose nicht eingesetzt werden kann. Ebenfalls ist beim Einsatz des FCD-basierten Verfahrens zu berücksichtigen, dass es inhärente Unterschiede zum aktuellen HBS-Verfahren gibt. So sind in den FCD die Auswirkungen von bestehenden Koordinierungen oder regelmäßigen, nicht aus der Verkehrsnachfrage zu begründenden, Störungen enthalten. Im Verfahren des HBS 2015 werden diese Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt. Hierdurch kann es auf bestimmten Netzabschnitten zu Diskrepanzen zwischen den beiden ermittelten SAQ kommen. Grundsätzlich ist dabei aber davon auszugehen, dass die FCD die tatsächliche Angebotsqualität besser abbilden als die nachfragebasierte Berechnung nach dem HBS.

7 Literatur

  1. National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine. (2021). Use of Vehicle Probe and Cellular GPS Data by State Departments of Transportation. Washington, DC: National Academies Press. https://doi.org/10.17226/26094.
  2. Krampe, S., Trupat, S., & Wahle, J. (2014). Qualitätsbewertung von FC-Daten zur Verkehrslageermittlung in Tagung HEUREKA – Optimierung in Transport und Verkehr der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. HEUREKA, Stuttgart.
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Danksagung

Ich bedanke mich bei Lea Fuchs und Prof. Dr.-Ing. Peter Vortisch für die Bereitstellung von Validierungsdaten für die Netzabschnitte in Karlsruhe sowie bei Dr.-Ing. Michael Baier für die Bereitstellung der HBS-Berechnungsergebnisse.