FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel Analyse der Ergebnisse agentenbasierter Nachfragemodelle in makroskopischen Verkehrsplanungssystemen
Autoren Dr. Anett Ehlert, Dipl. Geogr. Arnd Vogel
Kategorien HEUREKA
Einleitung

In den Forschungsprojekten iZEUS und eMERGE wurde der Ansatz der agentenbasierten Nachfragemodellierung gewählt, um verschiedene Aspekte zur Förderung von e-Mobilität im Personen- bzw. Wirtschaftsverkehr zu untersuchen. Die in den Projekten gesammelten Erfahrungen dienen zur Formulierung von Anforderungen an ein Datenmodell zur Abbildung der dabei verwendeten Daten in einem makroskopischen Planungsinstrument. Durch die Integration der agentenbezogenen Datenstrukturen in das makroskopische Verkehrsmodell wird ein zusätzlicher Nutzen generiert, da Analysen und Auswertungen in ihrem zeitlichen und räumlichen Bezug im Netz dargestellt und mit etablierten Werkzeugen analysiert werden können. Konkret können im Kontext der Untersuchungen von e-Mobilität praktische Aspekte wie Reichweitenprognosen batteriebetriebener Fahrzeuge oder die Nutzung von Ladeinfrastruktur analysiert und bewertet werden.

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1 Einführung

In klassischen Nachfragemodellen wird die Bevölkerung in verhaltenshomogene Gruppen aggregiert und dann je Gruppe Aktivitätenpaare oder in modernen Modellen Wegeketten modelliert [1]. In agentenbasierten Modellen stehen dagegen die Aktivitäten und davon abgeleitet die Mobilität einzelner Personen (Agenten) im Vordergrund. Der Einsatz solcher Modelle gewinnt insbesondere in USA in den letzten Jahren deutlich an Gewicht, eine große Anzahl der großen Metropolian Planning Offices (MPO) setzen agentenbasierte Modelle bereits ein oder arbeiten an ihrem Aufbau ([2], [3]). In Europa konzentrieren sich die Anwendungen auf einige Städte und Regionen sowie Forschungsprojekte ([4], [5]). In der Entwicklung agentenbasierter Modelle stehen vorwiegend methodische Fragestellungen im Vordergrund, dagegen haben die Analyse und Darstellung der Ergebnisse bislang weit weniger Beachtung gefunden. Die zunehmende Nutzung dieser Modelle resultiert aus ihrer gegenüber aggregierten Modellen besseren Eignung zur Bearbeitung aktueller Fragestellungen wie z.B. nach der Lenkungswirkung monetärer Maßnahmen oder politisch motivierter Entscheidungen. In diese Kategorien fallen auch Entwicklungen zur Förderung der e-Mobilität und Ausarbeitung von e-Mobilitätskonzepten.

In den Forschungsprojekten iZEUS und eMERGE werden innovative methodische Ansätze verfolgt, um Potentiale zur Förderung der e-Mobilität im Personen- und Wirtschaftsverkehr zu untersuchen. Zum einen geht es um Möglichkeiten geeignete Nutzergruppen im Wirtschaftsverkehr zu identifizieren, zum anderen geht es um die Bereitstellung und Nutzung von Ladeinfrastruktur. Bei der nachfrageseitigen Berechnung werden Simulationswerkzeuge entwickelt, die durch die Kombination und Weiterentwicklung verschiedener bestehender Werkzeuge die Aspekte und Anforderungen aus den Bereichen Fahrzeug, Energieversorgung, Verkehr und Nutzerverhalten in einem gemeinsamen Rahmen betrachten. Für die Bewertung der entwickelten Mobilitätskonzepte sind neben der eigentlichen Modellberechnung auch Werkzeuge zur Datenversorgung sowie der Analyse und Darstellung der Modellergebnisse bedeutsam.

Der vorliegende Beitrag analysiert Möglichkeiten zur Aufbereitung der aus der agentenbasierten Modellierung vorliegenden Ergebnisse in einem makroskopischen Verkehrsmodell. In der Praxis agentenbasierter Verkehrsnachfragemodellierung wird die disaggregiert berechnete Nachfrage in der Regel auf der Ebene der Verkehrszellen aggregiert, um sie dann mit klassischen Verfahren auf das Verkehrsnetz umzulegen. Das hat den Nachteil, dass der Bezug zu Einzelpersonen und Fahrzeugen verloren geht, und z.B. eine kombinierte Analyse der verkehrlichen Wirkungen und der Eigenschaften der verursachenden Entitäten nicht mehr möglich ist. Das heißt, Voraussetzung für die anstehende Untersuchung ist, dass die für die Einzelpersonen ermittelten Abläufe von Aktivitäten und Ortsveränderungen im Verkehrsmodell zur Verfügung stehen müssen.

Am Beispiel von PTV Visum wird untersucht, welche Funktionalität in einem makroskopischen Planungsinstrument erforderlich ist, um auf Basis der Ergebnisse der agentenbasierter Nachfrageberechnung Analysen und Bewertungen zielführend durchführen zu können. Hierbei geht es zum einen um die Entwicklung des zugrundeliegenden Datenmodells als auch um die Möglichkeit, darauf aufbauend Analysen und Darstellungen zur Bewertung der Ergebnisse zu erzeugen. Im Rahmen der Forschungsprojekte wurden die in Visum bestehende Datenstrukturen für den ÖV genutzt, um die für agentenbasierte Modelle notwendigen Erweiterungen abzuleiten und zu testen.

Im folgenden Abschnitt 2 werden Untersuchungsgegenstand und Vorgehensweise in den Projekten iZEUS und eMERGE erläutert. Die Ergebnisdaten der agentenbasierten Nachfragemodellierung aus diesen Projekten werden in ein makroskopisches Verkehrsmodell eingespielt. Der Abschnitt 3 beschreibt die Überführung dieser Daten in das für den ÖV bestehende Datenmodell in Visum und zeigt anhand der Modelldaten und Fragestellungen aus den Forschungsprojekten, wie vorhandene Funktionalität für tabellarische und grafische Darstellungen der Ergebnisse genutzt werden kann. Zur Ableitung zukünftiger Anforderungen und Erweiterungen werden zusätzlich skriptbasierte Prototypen genutzt, und weiteres Potential für Auswertemöglichkeiten aufgezeigt. Ein Entwurf eines für die agentenbasierte Modellierung geeigneten Datenmodells wird in den grundlegenden Strukturen vorgestellt sowie das darauf aufbauende Potential für Auswertemöglichketen beschrieben. In den abschließenden Schlussfolgerungen werden Schritte aufgezeigt, um das Datenmodell für den allgemeinen Einsatz zu testen. Ebenso wird eine Einschätzung zum Umfang und den Möglichkeiten der darauf basierenden Auswertungen gegeben.

2 Methodik

2.1 iZEUS

Im Projekt iZEUS wurde als Untersuchungsraum der Korridor Karlsruhe – Stuttgart – Ulm gewählt. Das zugrundeliegende Netz einschließlich der Personenverkehrsströme wurde aus dem deutschlandweiten Validate Modell ([6], [7]) erzeugt. Für die Abbildung des Wirtschafts- verkehrs wurde für ausgewählte Branchen ein agentenbasiertes Nachfragemodell aufgebaut. Grundlagen für die Modellerstellung wurden aus detaillierten Strukturdaten der Region sowie aus den Verhaltensdaten „Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010“ (KiD 2010) [8] gewonnen. Das Netz wurde um eine Vielzahl von Strukturmerkmalen ergänzt. Dazu gehören beispielsweise die Betriebsstandorte der untersuchten Branchen sowie die entsprechenden Aktivitätenorte, die im Verlaufe der Touren angefahren werden. Diese Daten wurden mit ihren genauen Koordinaten als Point of Interests (POI) im Netz ergänzt.

Für die Nachfrageberechnung wurde ein hybrider Ansatz gewählt, d.h. die Modellierung der Aktivitäten und abgeleiteten Touren erfolgt in einem agentenbasierten, mikroskopischen Modell, während die für die Nachfrageberechnung erforderlichen Kenngrößen mit klassischen makroskopischen Verfahren auf der Basis der Verkehrszellen ermittelt werden. Um eine möglichst detaillierte Abbildung für die agentenbasierte Simulation der Wirtschaftsaktivitäten zu erreichen, wurden die ca. 6.500 Verkehrszellen aus dem Validate Modell auf ca. 18.000 Bezirke verfeinert.

Im Ergebnis der Nachfrageberechnung werden neben den herkömmlichen Umlegungsmatrizen auf Basis der Verkehrsbezirke auch für jeden Betriebsstandort die Touren mit ihren konkreten Fahrten ausgewiesen. Auch diese Daten wurden als POI Strukturen in das Visum Modell übernommen. Ein Zusammenhang zwischen den Daten wird über Referenzen zwischen den jeweils zusammengehörigen Datensätzen verschiedener Objekten hergestellt. Das folgende Bild zeigt dies exemplarisch für Haushalte (Betriebe), Personen (Angestellte), Touren und Fahrten: Jede Person gehört zu einem Betriebsstandort, Touren werden von einer Person durchgeführt und Fahrten werden in einer bestimmten Reihenfolge innerhalb einer Tour abgewickelt.

Bild 1: POI Strukturen und ihre Verknüpfung im Visum Modell

Die Ausgangs- und Zielorte der Fahrten sind den Aktivitätenorten im Netz zugeordnet. Am Aktivitätenort kann die Person die gewünschte Aktivität ausführen. Die Aufenthaltsdauer an einem Aktivitätenort kann aus der Ankunftszeit einer Fahrt und der Abfahrtszeit der nächsten Fahrt abgeleitet werden. Die Übernahme dieser Daten in das Netzmodell bildet den Ausgangspunkt für die Darstellung und Bewertung des Potentials für die Nutzung von e- Fahrzeugen.

Die Auswahl der Branchen erfolgte unter dem Kriterium ihres Potentials für e-Mobilität. Hier kommen insbesondere Betriebe infrage, die über einen eigenen Fuhrpark mit überwiegend kleinen Fahrzeugen (Pkw, Kleintransporter) verfügen und deren Auftragsabwicklung Touren mit konkreter Lokalisierung beinhalten. Die Touren wurden auf Basis der zu erledigenden Aufträge gebildet. Dabei wurden Annahmen getroffen, die eine realistische Tourenbildung begünstigen. Grundsätzlich beginnen und enden alle Touren am Betriebsstandort. Je nach Branche wurden Tourtypen definiert, die sich durch die maximale Anzahl der Zwischenstopps, die maximale Dauer und Länge der Tour unterscheiden. Im gegenwärtigen Auswertestand ist die Kombination von Touren über den Tag noch nicht berücksichtigt, d.h. für jede Tour stehen Personal und Fahrzeug im erforderlichen Zeitraum zur Verfügung.

Um das Potential für die Nutzung von batteriebetriebenen Fahrzeugen abzuschätzen, wurden für die in der Umlegung ermittelten Wege Verbrauchssimulationen durchgeführt, die den elektrischen Verbrauch im gegebenen Verkehrszustand ermitteln. Die Abschätzung wird unter Annahme durchschnittlicher Fahrereigenschaften mit einem Modellfahrzeug der gehobenen Klasse durchgeführt. Im Ergebnis der Berechnung kann für jede Fahrt einer Tour der Ladezustand der Batterie am Beginn und am Ende der Fahrt angegeben werden. Unter der Annahme, dass am Beginn jeder Tour die Batterie vollständig aufgeladen ist, kann eine Reichweitenprognose durchgeführt sowie das Potential für e-Mobilität dieser Branchen bewertet werden. Da für die Anschaffung von e-Fahrzeugen die ungünstigeren Verhältnisse (z.B. saisonale Einflüsse von Jahres- bzw. Tageszeit, Berücksichtigung von Steigungen) maßgebend sind, werden in weiteren Szenarien Verbrauchswerte unter entsprechend veränderten Bedingungen ermittelt. Dieser Teil der Untersuchung ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages noch nicht abgeschlossen.

2.2 eMERGE

Im Projekt eMERGE werden die Möglichkeiten des Einsatzes von Verkehrsmodellen zur Bewertung verkehrlicher Anforderungen und der Bedarfsermittlung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur geprüft. Dazu werden verschiedene Szenarien der Entwicklung von Elektromobilität für das Jahr 2025 entwickelt. Das folgende Bild zeigt einen Überblick der geplanten Szenarien.

Bild 2: Szenarien zur Entwicklung von E-Mobilität für das Jahr 2025

Beispielhaft werden diese Szenarien für einen ausgewählten Berliner Stadtbezirk berechnet. Grundlage der Modellerstellung bildet die Gesamtverkehrsprognose 2025 für Berlin- Brandenburg. In dem darin verankerten Berlin-Brandenburg-Szenario wurden bereits verkehrswirksame Planungsmaßnahmen berücksichtigt. Für die Untersuchungen in eMERGE dient dieses Szenario mit den darin angenommenen Einflussfaktoren als Referenzszenario. Darauf aufbauend wird das Grundszenario berechnet, in dem ein als realistisch angenommener Anteil von bisher mit konventionellen Fahrzeugen durchgeführten Fahrten durch Elektrofahrzeuge ersetzt wird. Da das Grundszenario voraussichtlich nicht das auf Berlin umgerechnete Ziel von einer Million E-Fahrzeugen für 2020 [9][1] erreichen wird, soll in einem weiteren Szenario ein Maßnahmenbündel geschnürt werden, dass zur Erreichung der politischen Ziele beiträgt. Durch ein agentenbasiertes Nachfragemodell werden Einzeltouren von potenziellen Nutzern von E-Fahrzeugen ermittelt, und in einem makroskopischen Verkehrsmodell umgelegt. Die Ergebnisse der agentenbasierten Simulation dienen in der Folge der Bedarfsabschätzung und Überprüfung sowohl der bestehenden Ladeinfrastruktur als auch des möglichen künftigen Ladeinfrastrukturaufbaus. Zur Analyse und Darstellung werden auch hier die Ergebnisse der Nachfrageberechnung in das Visum Modell als POI Strukturen übernommen. Das verwendete Datenmodell entspricht dem in Bild 1 beschriebenen Ansatz.

Zur Bewertung der Positionierung und Auslastung bestehender Ladeinfrastruktur werden die Fahrten der Nutzer von e-Fahrzeugen analysiert. Maßgebend für die Bewertung sind Frequentierung und Verweildauern an Orten mit Ladestationen, die unter Berücksichtigung zeitlicher Aspekte Aussagen über die Auslastung und den Bedarf erlauben. Neben den aggregierten Auswertungen und Darstellungen werden auch Möglichkeiten durch interaktive Bedienung aufgezeigt, die sich speziellen Fragestellungen oder lokalen Aspekten widmen. Dazu gehört beispielsweise die Analyse von Verkehrsströmen, die ein spezielles Kriterium wie z.B. einen bestimmte Strecke oder Streckenfolge abfahren, erfüllen. Die entsprechenden Werkzeuge haben sich bei Standardanwendungen in der Verkehrsplanung bewährt und bieten insbesondere in Kombination mit der agentenbasierten Nachfrageberechnung eine Vielzahl weiterer Auswertungsmöglichkeiten, da nicht nur Start- und Zielort einer Fahrt bekannt ist, sondern beispielsweise auch der Wohnort bzw. Standort des Betriebes.

3 Datenstrukturen der agentenbasierten Nachfragemodellierung

3.1 Datenversorgung für die Analyse im Netzmodell

In einem ersten Schritt werden die Ergebnisse der agentenbasierten Nachfrageberechnung als POI Strukturen wie in Abschnitt 2.1 beschrieben in Visum abgebildet. Haushalte bzw. Betriebe sowie die Aktivitätenorte können im Netz direkt lokalisiert werden, Touren und Fahrten haben jedoch keinen direkten Bezug zum Netzmodell. Durch eine Überführung dieser POI Strukturen in das in Visum bereits implementierte Datenmodell für das ÖV- Angebot kann diese Lücke geschlossen werden, so dass auch diese Daten mit ihrem Netzbezug dargestellt werden können. Dazu werden aus Touren und Fahrten Linien und Fahrplanfahrten generiert.

Die Umwandlung der POI Strukturen in ÖV Angebotsdaten erfolgt durch ein Python-Skript, in dem alle notwendigen Netzobjekte wie Haltestellen, Linienrouten, Fahrzeitprofile und Fahrplanfahrten entsprechend den Daten zu Personen, Touren und Fahrten generiert werden. Die Tour beginnt am nächstgelegenen Knoten des Haushaltes, von dort wird für die erste Fahrt eine Kurzwegsuche im IV-Netz durchgeführt, um den Routenverlauf zu bestimmen. Die Fahrzeit wird direkt aus den Abfahrts- bzw. Ankunftszeiten übernommen, und die erzeugte Fahrplanfahrt endet am nächstgelegenen Knoten des Aktivitätenortes. Folgefahrten der Tour werden auf dieselbe Weise generiert und sind der Linie, die alle Fahrten einer Person repräsentieren, zugeordnet.

Das ÖV Datenmodell in Visum erweist sich aus mehreren Gründen als besonders geeignet: die Abbildung des Angebots erfolgt mit ihrem räumlichen und zeitlichen Bezug und es existiert bereits eine Reihe von Verfahren und Werkzeugen, mit denen sich Auswertungen und Darstellungen umsetzen lassen. Durch die Übernahme von zusätzlichen Attributen aus den POI Strukturen für die generierten Objekte können weiterführende Auswertungen z.B. durch den Einsatz von Filtern flexibler gestaltet werden.

Am Beispiel des Datensatzes einer Person sind die Informationen im folgenden Bild dargestellt. In der Liste (unten links) werden Gesamtdauer und -länge aller Fahrten der Person ausgewiesen, die aus dem ÖV bekannte Umlaufdarstellung (unten rechts) zeigt die zeitliche Abfolge von Aktivitäten und Fahrten im Tagesablauf und im Netzausschnitt (oben) wird der räumliche Verlauf der Gesamttour dargestellt.

Bild 3: Darstellung von Touren in Liste, Netz und Tagesablauf als Umlaufblockdarstellung

3.2 Grundstruktur des Datenmodells für agentenbasierte Modelle

Das Datenmodell agentenbasierter Nachfragemodelle unterscheidet sich hinsichtlich der Eingangsdaten als auch bezüglich der Ergebnisse deutlich von den Strukturen, die makroskopischen Verkehrsmodellen wie Visum zugrunde liegen. Der wesentliche Unterschied liegt im räumlichen und zeitlichen Detaillierungsgrad, was sich auf die Größe des Modells und den Umfang der Datenmenge auswirkt. Aus den Erfahrungen mit agentenbasierter Modellen in den Projekten iZEUS und eMERGE können die grundlegenden Strukturen für das Datenmodell abgeleitet werden. Statische Komponenten des Datenmodells (im Bild 4 blau dargestellt) können im Netzmodell durch ihre konkrete räumliche Lage definiert werden. Dynamische Bestandteile (gelb hervorgehoben) entstehen im Ergebnis der agentenbasierten Nachfrageberechnung und sind für Analysen und Auswertungen in das Verkehrsmodell zu überführen.

Bild 4: Grundzüge des Datenmodell für die agentenbasierte Modelle

Das Datenmodell in der beschriebenen Form dient zwei wesentlichen Zwecken:

1.    Die Eingangsdaten der agentenbasierten Nachfrageberechnung sollen im Verkehrsmodell vorliegen und für einen Austausch mit externen Berechnungsmodulen zur Verfügung stehen.

2.    Die Ergebnisse der Berechnung sind für weiterführende Analysen und Darstellungen in das Netzmodell zu übernehmen.

Für die praktische Anwendung ist zu prüfen, ob aktuelle Entwicklungen agentenbasierter Modelle mit dem Datenmodell abgebildet werden können. Dazu zählen beispielsweise die Verknüpfung von Aktivitäten und einzelnen Fahrten mehrerer Haushaltsmitglieder, die Kombination von Verkehrsmittel auf einer Fahrt bzw. innerhalb einer Tour oder die Berücksichtigung der Kombination von Aktivitäten an einem Ort.

3.3 Analysen und Darstellungen

Durch Nutzung des ÖV Datenmodells können Auswertungen direkt mit Visum-Standard- werkzeugen zur Analyse von ÖV Daten durchgeführt werden. Dazu zählen:

•    aggregierte Auswertungen, die ggf. in Kombination mit Filtereinstellungen in Listen abgerufen werden können.

•    tageszeitliche Ganglinien, die durch einfache Berechnung von ÖV Kenngrößen mit Analysezeitintervallen gewonnen werden können.

•    räumliche und zeitliche Auswertungen über Gebietskennzahlen ggf. weiter differenziert nach Eigenschaften der Netzobjekte

Das folgende Bild zeigt einige Beispiele dieser Auswertungen: Für Touren bzw. Fahrten können aggregierte Kennzahlen wie Fahrzeugkilometer, Fahrzeugstunden, Anzahl der Fahrten (je Tour), maximale Dauer, durchschnittliche Geschwindigkeit usw. Ausgewiesen werden. Für ausgewählte Netzobjekte wie z.B. Strecken können Tagesganglinien dargestellt werden, die sich auf Fahrten aus der agentenbasierten Nachfragemodellierung beschränken.

Bild 5: Auswertungen unter Nutzung von Visum Standardwerkzeugen

Außer der Umwandlung der POI Strukturen in ÖV Angebotsdaten können die personenbezogenen Daten der Touren und Fahrten als ÖV Wege im Netz dargestellt werden. Dazu wird eine Konvertierung in Befragungsdaten vorgenommen, die über Verfahren des Fahrgastmoduls in Visum eingelesen werden und als Umlegungsergebnis dargestellt werden können. Auf Basis von Umlegungsergebnissen können u.a. Spinnenanalysen (s. Bild 6) als auch Kenngrößenberechnungen durchgeführt werden. In den vorliegenden Beispieldaten sind Touren in ÖV-Wege und Fahrten in die zugehörigen Teilwege überführt worden. Durch diese Festlegung beginnen und enden alle Wege im gleichen Bezirk und die Umsteigewartezeiten entsprechen den Aufenthaltsdauern an den Aktivitätenorten. Eine Darstellung der Netzbelastungen durch ein im ÖV-Wege-Filter festgelegtes Kriterium bietet weitere Möglichkeiten, die Ergebnisse der agentenbasierten Berechnung zu analysieren.

Bild 6: Spinnenanalyse über eine ausgewählte Strecke

Anhand der Fragestellungen in den Forschungsprojekten iZEUS und eMERGE werden in den folgenden zwei Abschnitten weitere Möglichkeiten der Analyse und Darstellung aufgezeigt, die sich durch die Übernahme der Daten aus der agentenbasierten Nachfrageberechnung in das Verkehrsmodell ergeben und den zusätzlichen Nutzen für die Auswertungen demonstrieren.

3.4 Reichweitenprognose

Im Projekt iZEUS ist das Potential für den Umstieg auf batteriebetriebene Fahrzeuge im Wirtschaftsverkehr abzuschätzen. Dazu sind die Tourendaten von ausgewählten Branchen (Mobile Pflege, Reinigungsdienst, Makler, Büro-Technik) analysiert worden. Die aggregierte Auswertung im Bild 5 (oben) gibt einen ersten Überblick zu den gefahrenen Fahrzeug- kilometern aller Touren und lässt damit erste Schlüsse auf die Möglichkeit des Einsatzes batteriebetriebener Fahrzeuge zu. Für eine detaillierte Analyse sind die zu den Fahrten ermittelten Verbräuche unter durchschnittlichen verkehrlichen Verhältnissen ermittelt worden, und als zusätzliche Information an den Fahrten bzw. den daraus generierten Fahrplanfahrten hinterlegt. Die im Bild 7 dargestellte Liste zeigt eine nach dem Batterieladezustand am Ende der Tour klassifizierte Auswertung. Eine negative Zahl in der linken Spalte („Grp(SoC_End_Class)“) für die „State of Charge“-Klasse gibt an, dass die Batterieladekapazität nicht für die gesamte Tour ausreicht. Die Klassen von 0 bis 10 geben den Ladezustand jeweils in % an, d.h. z.B. bei der Klasse 1 liegt Ladezustand am Ende der Tour zwischen 10 und 19%. Im untersuchten Fall ist deutlich zu erkennen, dass sich der Ladezustand relativ zur durchschnittlichen Tourlänge ändert. Die Spalte „Häufig(ABM_Branche)“ zeigt, wie sich die Touren innerhalb einer Klasse über die Branchen verteilen. Darin sind für jede „State of Charge“-Klasse entsprechend der vorkommenden Branchen mehrere Tupel der Form [Branchen-Nr, Anzahl der Touren] aufgelistet. Für die Branche der Makler (Nr. 3) beispielsweise können alle Touren in der berechneten Form gefahren werden ohne dass der Batterieladezustand in einen kritischen Bereich fällt, denn es sind dafür keine Tupel in den State of Charge-Klassen -1, 0, 1 und 2 aufgeführt. Für die Branche „Büro-Technik“ (Nr. 4) gibt es dagegen 63 Touren in der Klasse -1, die somit nicht wie geplant gefahren werden können.

Bild 7: Klassifizierung der Touren nach dem Batterieladezustand am Ende der Tour

Neben den tabellarischen Auswertungen können einzelne oder ausgewählte Touren mit ihrem Verlauf im Netz dargestellt werden. Dies ist insbesondere dann von Interesse, wenn lokale Besonderheiten wie Steigungen oder verkehrliche Verhältnisse zum erhöhten Verbrauch beitragen.

Bild 8: Darstellung einer ausgewählten Tour mit Batteriekapazität am Ende jeder Fahrt

Nach Berechnung der Szenarien unter den veränderten Annahmen über den Verbrauch durch tageszeitliche bzw. saisonale Einflüsse kann abgeleitet werden, welcher Anteil an Touren für welche Branchen sich mit batteriebetriebenen Fahrzeugen abwickeln lässt. Eine zweite mögliche Untersuchungsrichtung, die in iZEUS nicht verfolgt wird, wäre eine erneute Berechnung der Touren unter Berücksichtigung der Reichweiten für e-Fahrzeuge.

3.5 Bewertung der Ladeinfrastruktur

Im Projekt eMERGE ist die Positionierung sowie Auslastung bestehender öffentlicher Ladeinfrastruktur zu bewerten. Die Ergebnisse der Analyse dienen einer Bedarfsschätzung sowie der Ableitung von Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung mit Ladeinfra- struktur. Es wird davon ausgegangen, dass öffentliche Ladestationen an Aktivitätenorten lokalisiert sind, damit kann die Ladeinfrastruktur und ihre Merkmale (Anzahl und Art der Ladepunkte) im Netzmodell dargestellt werden und in Beziehung zu der am Standort ausgeführten Aktivität analysiert werden. Zur Ermittlung der Auslastung werden die Zahl der Ankünfte sowie deren zeitliche Verteilung ausgewertet. Dies kann, wie in Bild 5 gezeigt, durch Tagesganglinien erfolgen. Im verwendeten ÖV Datenmodell entspricht die Zahl der Ankünfte der Anzahl der Fahrplanfahrten, die am nächstgelegenen Haltepunkt des Aktivitätenorts ankommen. Eine im Netzmodell definierte Zuordnung zwischen der POI Kategorie Aktivitätenort und dem nächstgelegenen Haltepunkt ermöglicht eine Auswahl über Standardfilter. Weitere Kriterien für die Bewertung sind die Aufenthaltsdauer, die Aufschluss über die Möglichkeit des Wiederaufladens der Fahrzeugbatterie gibt, sowie die bis zum Erreichen des Ortes gefahrenen bzw. noch zufahrenden Fahrzeugkilometer, aus denen sich die Notwendigkeit der Nutzung der Ladestation ergibt.

Da zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages die Berechnung der Nachfrage für das Ausgangsszenario noch nicht abgeschlossen ist, werden Auswertungen und Analysen anhand der Daten aus dem für iZEUS verwendeten Modell unter Nennung weiterer Optionen illustriert.

Neben tabellarischen Auswertungen in Listen sind grafische Darstellungen im Netzmodell hilfreich, um beispielsweise die räumliche Verteilung abzubilden. Im Bild 9 wird die durchschnittliche Aufenthaltsdauer am Aktivitätenort dargestellt. Bei der Betrachtung des Personenverkehrs kann in gleicher Form die Anzahl der Ankünfte ergänzt werden. Eine Kombination mit einer klassifizierten Darstellung z.B. nach Aktivität stellt die Merkmale Nachfrage, Aktivität und Dauer in Beziehung, um die Eignung von Orten als Standort für Ladestationen besser bewerten zu können.

Bild 9: Darstellung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer an Aktivitätenorten

Untersuchungen in einem Verkehrsmodell beziehen sich i.d.R. auf eine Reihe verschiedener Fragestellungen. Grafische Werkzeuge wie Isochronen, die Kurzwegsuche oder die Spinnenanalyse in Visum sind dabei wichtige Hilfsmittel für die Datenanalyse, aber auch Voraussetzung für die Darstellung der Ergebnisse. Für die klassische Spinnenanalyse ist ein Umlegungsergebnis erforderlich, das die Wege einer auf der Ebene der Verkehrszellen aggregierten Nachfrage beinhaltet. Eine Unterscheidung nach genauem Ort, Aktivität bzw. auch der genauen zeitlichen Lage der Fahrten ist bei dieser Betrachtungsweise i.d.R. nicht mehr möglich, lediglich das gewählte Verkehrsmittel ist für die Wahl der Umlegungsmethode maßgebend. Ein wesentlicher Vorteil agentenbasierter Nachfrageberechnung ist eine detaillierte Berücksichtigung der Sequenzen von Aktivitäten und Fahrten und ihre Zuordnung zu Einzelpersonen. Dieser Vorteil kann bei vielen Auswertungen zusätzliche Informationen liefern, die bei ausschließlich makroskopischen Untersuchungen nicht möglich sind. Das folgende Bild zeigt dafür ein Beispiel. Es werden für ausgewählte Aktivitätenorte die Herkunft der Person(en) ausgewiesen, die diesen Ort auf einer ihrer Touren anfahren. Im Bild handelt es sich um ein Beispiel aus dem Wirtschaftverkehr, bei dem die gewählten Aktivitätenorte von nur einem Betriebsstandort („Haushalt“) bedient werden.

Bild 10: Darstellung der Ausgangsorte der Personen (Haushalt) für ausgewählte Aktivitäten

Zur Untersuchung der Nutzung von Ladeinfrastruktur können auf diese Weise Rückschlüsse auf die Herkunft der Nutzer gezogen werden.

Analysen dieser Art lassen sich durch Skripte unter Nutzung der COM Schnittstelle umsetzen, deuten aber auch an, welche Erweiterungen der in PTV Visum vorhandenen Werkzeige für Daten agentenbasierter Modelle wünschenswert sind. Das integrierte Datenmodell in Visum ermöglicht die Verknüpfung von individueller und aggregierter Betrachtung der Daten, so dass je nach Fragestellung die jeweils passende Perspektive gewählt werden kann.

4 Schlussfolgerungen

Am Beispiel der agentenbasierten Nachfragemodellierung in den Projekten iZEUS und eMERGE wurden Anforderungen an das Datenmodell in einem makroskopischen Planungsinstrument abgeleitet. Um die Eignung in praktischen Anwendungen testen zu können, wurde im Rahmen der Forschungsprojekte auf das in Visum existierende Datenmodell für den ÖV zurückgegriffen, das eine Reihe von Parallelen aufweist. Insbesondere lässt es sich auf die Darstellung individueller Daten mit konkretem räumlichem und zeitlichem Bezug anpassen. Die Strukturen des erforderlichen Datenmodells wurden so definiert, dass Eingabedaten als Basis für die agentenbasierte Berechnung in erforderlichem Detaillierungsgrad eingespeist werden können und die Ergebnisdaten ohne Informations- verlust wieder in das Verkehrsmodell übernommen werden. Während in der vorliegenden Arbeit Anforderungen an das Datenmodell selbst sowie dessen Nutzung für Auswertezwecke untersucht worden ist, sind weitere Tests zum Zusammenspiel bei der Nachfrageberechnung erforderlich. Auf quantitativer Seite ist zu prüfen, welche Form der Datenhaltung den mengenmäßigen Anforderungen der agentenbasierten Modellierung nachkommt. Auf qualitativer Seite ist zu untersuchen, welche Flexibilität das Datenmodell aufweisen muss, um den Anforderungen beim Austausch mit den Modulen der Nachfrageberechnung gerecht zu werden.

In diesem Beitrag wurde gezeigt, dass sich eine Vielzahl von Analysen und Darstellungen mit vorhandenen Verfahren und Analysewerkzeugen bereits umsetzen lässt. Dort, wo Standardfunktionalität für die Verarbeitung der Ergebnisdaten nicht ausreichte, wurden durch Skripte individuelle Lösungen geschaffen, die die Basis für potentielle Erweiterungen aufzeigen. Durch Nutzung neuer und vorhandener Datenstrukturen lässt sich die erforderliche Aggregationsebene für Analysen flexibel definieren und die agentenbasierten Nachfragemodellierung optimal unterstützen.

Danksagung

Die Arbeiten wurden im Rahmen der Forschungsprojekte iZEUS („intelligent Zero Emission Urban System“ gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und IKT für Elektromobilität) und eMERGE („elektromobile Modellregion“ – Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) durchgeführt. Die verwendeten Daten der Fahrzeugverbrauchssimulation wurden von TWT GmbH Science & Innovation erstellt.

4 Literatur

[1]    Schlaich, J., Heidl, U., Möhl, P. (2013): Multimodal macroscopic transport modelling: State of the Art with a focus on validation & approval, Proceedings of the 17th IRF World Meeting & Exhibition, Riyadh, Saudi-Arabien.

[2]    TRB (2007): Special Report 288 Metropolitan Travel Forecasting, Washington D.C.

[3]    Bradley M., Bowman J., Vovsha P. (2013): Some reflections on the transition to activity- based models in the U.S., ETC 2013, Frankfurt.

[4]    Meister, K., Rieser, M., Ciari, F., Horni, A., Balmer, M. and Axhausen, K. W. (2009): Anwendung eines agentenbasierten Modells der Verkehrsnachfrage auf die Schweiz, Straßenverkehrstechnik 53(5), S. 269-280.

[5]    Vuk, G. (2011): An innovative approach to activity based travel demand modeling, http://www.trafikdage.dk/papers_2011/2_GoranVuk.pdf (Zugangsdatum 11.12.2013)

[6]    Vortisch, P., Waßmuth V. (2007): VALIDATE - A nationwide dynamic travel demand model for Germany. Transportation Research Board Planning Applications Conference, Daytona (FL)., USA.

[7]    PTV Validate: eines der weltweit größten Verkehrsmodelle, Newsletterbeilage zum Praxishandbuch Logistik, IV/2014, S. 11–13.

[8]    Projektbericht (2012): Mobilitätsstudie “Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland 2010”, Braunschweig.

[9]    NPE (2012): Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (Dritter Bericht). Nationale Plattform Elektromobilität, Herausgeber Gemeinsame Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung, Bonn.