FGSV-Nr. FGSV 002/140
Ort Stuttgart
Datum 13.03.2024
Titel Dynamische HOV-Lanes auf Autobahnen in Luxemburg – Betriebskonzept und Steuerungsalgorithmus
Autoren Dr.-Ing. Christoph Schwietering, Dr.-Ing. Marcus Gerstenberger, M.Sc. Florian Kretschmann, M.Sc. Stephan Klementz
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kurzfassung

Zur Förderung von mehrfachbesetzten Fahrzeugen und dem öffentlichen Verkehr werden in Europa zunehmend Sonderfahrstreifen in Form von HOV-Lanes (HOV= „high occupancy vehicles“) eingeführt. Diese werden bislang in der Regel nur statisch mit Verkehrszeichen und Fahrbahnmarkierungen gekennzeichnet. Für die dynamische Steuerung einer HOV-Lane auf einem hoch belasteten Abschnitt einer luxemburgischen Autobahn wurde das Betriebskonzept mit den Einsatzrandbedingungen zusammengestellt und ein Steuerungsalgorithmus entwickelt. Es erfolgte zunächst die Testanwendung des Algorithmus anhand eines Bestandsdatensatzes mit Festlegung von Steuerungsparametern. Durch die Einbindung des Steuerungsalgorithmus in eine mikroskopische Verkehrssimulation konnten weitere Erkenntnisse zur Optimierung der Steuerung sowie dem zu erwartenden Verkehrsverhalten identifiziert werden.

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1 Einleitung

Die zweistreifige Autoroute A3 verläuft über eine Länge von ca. 13 km von der luxemburgisch-französischen Grenze im Süden bis nach Luxemburg Stadt. Hervorgerufen durch Pendlerströme in die Stadt Luxemburg ist der Streckenabschnitt derzeit in den Spitzenstunden regelmäßig überlastet. Aus diesem Grund wird die A3 von der luxemburgisch-französischen Grenze bis zum Kreuz Gasperich auf einer Streckenlänge von ca. 11,5 km, gestaffelt in mehrere Bauabschnitte, dreistreifig ausgebaut (siehe Bild 1; Bauabschnitte farbig hervorgehoben) und mit einer Streckenbeeinflussungsanlage (SBA) ausgestattet.

Bild 1: Lage des relevanten Autobahnabschnittes

Aufgrund des starken Pendlerverkehrs aus Frankreich in Richtung Luxemburg Stadt in den Morgenstunden und nachmittags in der Gegenrichtung sollen Fahrgemeinschaften und der öffentliche Verkehr auf der A3 gefördert werden. Durch die dynamische Aktivierung einer HOV-Lane (HOV = „high occupancy vehicles“) soll werktags zu Spitzenzeiten die Nutzung des linken Fahrstreifens auf Busse und mehrfach besetzte Fahrzeuge begrenzt werden.

Es wurde ein Betriebskonzept erstellt, dass die Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb definiert und festlegt, welche Teilabschnitte der HOV-Lane separat aktiviert werden können und welche operativen Möglichkeiten bei vorliegenden Ereignissen/Sondersituationen bestehen. In diesem Zusammenhang wurde die Infrastrukturplanung inkl. Sensorik (Detektoren zur Verkehrsdatenerfassung) und Aktorik (Anzeigen zur Informationsübermittlung an die Verkehrsteilnehmenden) für die Steuerung der HOV-Lane überprüft und mit den Anforderungen für das erarbeitete Betriebskonzept gespiegelt. Die aus dieser Analyse abgeleiteten Vorgaben und Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung eines Steueralgorithmus für die HOV-Lane, der in die SBA integriert werden soll. Der Algorithmus wird simulativ hinsichtlich der Wirkungen untersucht.

HOV-Lanes sind in den USA seit 40 Jahren ein bewährtes Mittel des Verkehrsmanagement. In Europa hat die Nutzung von HOV-Lanes in den letzten Jahren zugenommen und es werden v. a. im westlichen Teil Europas auch dynamisch gesteuerte Systeme errichtet. Dabei gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Steuerungsstrategien und Ausprägungen. Seitens der EU gibt es Bestrebungen zur Standardisierung und Harmonisierung dieser Systeme [1].

Die Varianten zur Steuerung beziehen sich einerseits auf den Zeitraum der Ausweisung der HOV-Lane. Es gibt dauerhaft, statisch ausgewiesene HOV-Lanes, dynamisch ausgewiesene in einem festen Zeitraum und dynamisch ausgewiesene in einem verkehrsabhängig bestimmten Zeitfenster. Zudem besteht über die Definition der Nutzergruppen, die auf der jeweiligen HOV-Lane nutzungsberechtigt sind, die Möglichkeit des gezielten Verkehrsmanagement. In der Praxis gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Konzepten. Übliche Nutzergruppen sind mehrfachbesetzte Fahrzeuge (HOV 2+, HOV 3+, ...) oder emissionsfreie bzw. -arme Fahrzeuge. Es gibt weiterhin HOV-Lanes, die gegen die Entrichtung einer Gebühr auch von nicht-HOV genutzt werden dürfen. Die Nutzungsgebühr ist dabei entweder fixiert, oder wird flexibel bestimmt in Abhängigkeit von der Tageszeit oder von der aktuellen Verkehrsbelastung.

2 Betriebskonzept

Das Betriebskonzept der HOV-Lane sieht vor, bei hoher Verkehrsbelastung die Nutzung des linken Fahrstreifens auf Busse und mehrfach besetzte Fahrzeuge (mindestens 3 Insassen „3+“) zu begrenzen und diese als HOV-Lane auszuweisen. Da nach aktuellem Stand dann nur eine geringe Anzahl an Fahrzeugen nutzungsberechtigt wäre, ist auf der HOV-Lane (bei Befolgung der Nutzungsbeschränkung) ein guter Verkehrsfluss zu erwarten. Auf den beiden verbleibenden Normalfahrstreifen ist im Vergleich dazu mit einer geringeren Verkehrsqualität zu rechnen, sodass auf diesen Fahrstreifen in Spitzenstunden weiterhin Stau entstehen kann.

2.1 Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb

2.1.1 Regelbetrieb

Mit der Aktivierung der HOV-Lane wird ein Sonderfahrstreifen ausgewiesen, der temporär nur von den definierten Nutzergruppen befahren werden darf und führt so zu einer Verringerung der Kapazität des Querschnittes. Bei hoher Verkehrsbelastung der Richtungsfahrbahn ist zu erwarten, dass die Geschwindigkeit, die auf diesem Sonderfahrstreifen gefahren werden kann, aufgrund der im Fahrstreifenvergleich geringeren Verkehrsbelastung deutlich höher ist als auf den Normalfahrstreifen. Andererseits ist das Geschwindigkeitsniveau bei freifließendem Verkehr auf dem Sonderfahrstreifen geringer als auf den Normalfahrstreifen, da gemäß Betriebskonzept auf dem Sonderfahrstreifen maßgeblich Busse fahren. Um zu hohe Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Fahrstreifen zu verhindern, sollte die Aktivierung der HOV-Lane stets mit einer Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verbunden sein (unterhalb der allgemeinen zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen, in Luxemburg 130 km/h bzw. 110 km/h bei Regen).

Damit die Aktivierung der HOV-Lane aufgrund ihrer kapazitätsmindernden Wirkung nicht direkt einen Verkehrszusammenbruch hervorruft, muss sie erfolgen, solange die Verkehrsbelastung der Richtungsfahrbahn noch deutlich unterhalb der Kapazität der dann zwei verbleibenden Normalfahrstreifen liegt. Bei dann weiterhin zunehmender Verkehrsbelastung sollte die zulässige Höchstgeschwindigkeit schrittweise reduziert werden. Dabei sollte gemäß MARZ [2] die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf allen Fahrstreifen des Richtungsquerschnittes identisch sein. Hieraus lässt sich folgendes Vorgehen bei der Steuerung der HOV-Lane ableiten:

  • Die HOV-Lane wird auf dem linken Fahrstreifen bei einer zunehmenden Querschnittsbelastung ausgewiesen, jedoch bevor diese Belastung auf den zwei verbleibenden Normalfahrstreifen einen Stau erzeugen würde. Vor der Aktivierung sollte die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h herabgesetzt worden sein, um den Verkehr zu harmonisieren.
  • Die Aktivierung der HOV-Lane erfolgt sukzessive im Der zeitliche Versatz für die Schaltung an den einzelnen Anzeigequerschnitten (AQ) orientiert sich dabei an der angezeigten zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der HOV-Lane und dem Abstand der einzelnen AQ.
  • Bei weiter zunehmender Verkehrsbelastung (auf den Normalfahrstreifen) wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Sinne der Harmonisierung weiter reduziert (Standard-Steueralgorithmus einer SBA nach MARZ [2]). Die Steuerung hierfür erfolgt getrennt für jeden Abschnitt der SBA.
  • Der initial festgelegte Zeitraum für die Aktivierung der HOV-Lane liegt für die Fahrtrichtung Luxemburg in den Morgenspitzenstunden zwischen 04:30 und 09:00 Uhr.
  • Die Deaktivierung der HOV-Lane erfolgt sowohl unter der Berücksichtigung von Schwellenwerten für die Verkehrsstärke als auch für die Geschwindigkeit. Diese Bedingungen müssen für alle MQ des Teilabschnittes erfüllt sein, um die Schaltung zu Die HOV-Lane kann anschließend im definierten Zeitraum am selben Tag nicht mehr aktiviert werden, um ein häufiges Aktivieren und Deaktivieren der HOV-Lane zu verhindern.

Da eine HOV-Lane ein Nutzungsverbot des Fahrstreifens für einige Verkehrsteilnehmende darstellt, benötigt sie einen räumlichen Vorlauf. Der Beginn der Einschränkung muss im Zulauf angekündigt werden, um den Verkehrsteilnehmenden, die nicht nutzungsberechtigt sind, ausreichend Möglichkeit zu bieten, den Fahrstreifen, auf dem die HOV-Lane ausgewiesen wird, zu verlassen.

2.1.2 Betrieb bei Ereignissen auf der Strecke

Pannen, Unfälle oder Baustellen stellen Sondersituationen mit einem erhöhten Risiko für die Verkehrssicherheit dar und erfordern eine im Vergleich zum Regelbetrieb angepasste Schaltung. Im Zulauf sollte in den Anzeigen der SBA mit hoher Priorität auf die Sondersituation hingewiesen werden (gemäß MARZ [2]) und zudem die zulässige Höchstgeschwindigkeit reduziert werden, um Folgeunfälle zu vermeiden.

Hindernisse auf der Strecke haben auch einen Einfluss auf die Möglichkeiten zur Aktivierung der HOV-Lane. Dabei ist vor allem die Lage des Hindernisses im Querschnitt relevant:

  • Befindet sich das Hindernis auf einem der Normalfahrstreifen, behindert das den Verkehrsfluss auf diesem Fahrstreifen maßgeblich. Die Aktivierung der HOV-Lane sollte in diesem Fall zurückgenommen werden, um den Verkehrsfluss auf den Normalfahrstreifen nicht noch zusätzlich zu beeinträchtigen.
  • Befindet sich das Hindernis auf dem linken Fahrstreifen (HOV-Lane), muss der Fahrstreifen im betroffenen Bereich eingezogen und damit auch die HOV-Lane unterbrochen werden. Hierzu sollte die Räumung des Fahrstreifens (mittels Dauerlichtzeichen nach 37 StVO [3]: gelb blinkender, schräg nach unten gerichteter Pfeil) mindestens an dem Hindernis vorgelagerten AQ angeordnet werden. Weiterhin sollte an dem davor liegenden AQ ein Hinweis auf das Hindernis (z. B. Zeichen 123 StVO (Baustelle) oder Zeichen 101 StVO (Gefahrenstelle) ggf. in Verbindung mit dem Schriftzug „UNFALL“ oder „PANNE“) gegeben werden.

Ein Vorteil der Beibehaltung der Aktivierung der HOV-Lane bei einem Hindernis auf dem linken Fahrstreifen ist, dass dieser Fahrstreifen im Zulauf zum Hindernis nur durch Nutzungsberechtigte befahren wird. Er ist damit geringer belastet ist als ohne Aktivierung der HOV-Lane, sodass auch die Anzahl der Fahrstreifenwechselvorgänge, die im Zulauf auf das Hindernis erfolgen müssen, geringer ist.

2.1.3 Betrieb bei (Teil-)Ausfall der technischen Ausstattung

Bei einem (Teil-)Ausfall der Sensorik ist zu prüfen, ob mithilfe von benachbarten Messquerschnitten (MQ) eine sinnvolle Ersatzwertbildung möglich ist oder stattdessen ggf. Werte aus historischen Referenzganglinien des betroffenen MQ verwendet werden können. Gemäß MARZ [2] sollte sich der benachbarte MQ für eine Ersatzwertbildung maximal 1.500 m entfernt und zwischen dem betroffenen MQ und dem zugeordneten Nachbar-MQ keine Anschlussstelle (AS) befinden. Für den Betrieb der HOV-Lane ist eine Ersatzwertbildung nicht erforderlich, weil sie teilabschnittsweise aktiviert bzw. deaktiviert wird (siehe Kapitel 2.1.4) und in den Teilabschnitten jeweils mehrere MQ vorhanden sind. Anstatt Ersatzwerte für einen MQ zu bilden, kann deshalb jeweils ein benachbarter MQ herangezogen werden. Für die dynamische Harmonisierung des Verkehrs auf 90 km/h (bzw. 70 km/h oder 50 km/h), die AQ-weise erfolgt, kann hingegen eine Ersatzwertbildung eingesetzt werden. Sollte es nicht möglich sein, Ersatzwerte zu bilden und gibt es zudem keine Referenzganglinien, deren Werte als Rückfallebene verwendet werden können, so sollte die Harmonisierung deaktiviert werden.

Das Vorgehen bei einem Ausfall der Aktorik hängt vom Schweregrad des Ausfalls ab. Sind nur einzelne LED-Ketten eines Wechselzeichengebers (WZG) ausgefallen, so ist es ggf. dennoch möglich, ein erkennbares Anzeigenbild zu generieren. Sind zu viele LED-Ketten betroffen, bis zum Totalausfall eines WZG, so kann bei einem Abstand von weniger als 1.500 m zum nächsten AQ die Anzeige stattdessen auf dem benachbarten AQ erfolgen (siehe MARZ [2]). Dabei ist zu beachten, dass Anzeigeinhalte, die auf das Ende der HOV-Lane hinweisen, nur stromaufwärts verschoben werden können und Anzeigeinhalte für den Anfang der HOV-Lane nur stromabwärts. Die Anzeige eines Geschwindigkeitstrichters oder anderer Inhalte, die sich über mehrere AQ erstrecken, verschieben sich dann analog jeweils um einen AQ. Sollte dies aufgrund der zu geringen Anzahl von AQ im Streckenverlauf nicht möglich sein, so kann die HOV-Lane nicht ausgewiesen werden.

2.1.4 Betrieb von Teilabschnitten

Die Aktivierung der HOV-Lane benötigt einen räumlichen Vorlauf (siehe Abschnitt 2.1.1). Ab dem AQ der Vorankündigung bis zum Beginn der HOV-Lane ist mit einer Vielzahl von Fahrstreifenwechseln zu rechnen, wodurch der Verkehrsfluss in diesem Bereich beeinträchtigt werden kann. Auch am Ende der HOV-Lane ist mit einer erhöhten Anzahl an Fahrstreifenwechseln zu rechnen.

Maßgebliche Zu- bzw. Abflüsse im Streckenverlauf gibt es lediglich an den beiden Autobahnkreuzen (AK) Bettembourg und Gasperich, sodass in den Streckenabschnitten zwischen den beiden AK von jeweils nahezu gleicher Verkehrsbelastung ausgegangen werden kann. Außerdem ist die Kapazität aufgrund des durchgängig dreistreifigen Ausbaus im gesamten Streckenverlauf nahezu gleichbleibend. Somit ergibt sich sinnvollerweise eine Unterteilung in zwei Teilabschnitte für die Aktivierung einer HOV-Lane (Abschnitt A bis AK Bettembourg; Abschnitt B ab AK Bettembourg; siehe Bild 2). Falls die Verkehrsbelastung in Fahrtrichtung Luxemburg am AK Bettembourg deutlich zunimmt, kann es sinnvoll sein, die HOV-Lane zunächst nur für Abschnitt B zu aktivieren und Abschnitt A erst zu einem späteren Zeitpunkt. Durch einen starken Zufluss am AK Bettembourg in Fahrtrichtung Luxemburg und der damit verbundenen Häufigkeit von Verflechtungsvorgängen auf der durchgehenden Hauptfahrbahn, bildet sich im Bestand vermehrt Rückstau in den Abschnitt A hinein bei gleichzeitig geringer Verkehrsbelastung in Abschnitt B. In diesem Fall wäre es sinnvoll die HOV-Lane nur für Abschnitt A zu aktivieren, damit der Rückstau auf der HOV-Lane umfahren werden kann, ohne die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Abschnitt B zu begrenzen.

Bild 2: Teilabschnitte zur Aktivierung der HOV-Lane

2.2 Infrastrukturausstattung

Die Infrastrukturausstattung mit MQ und AQ im betrachteten Streckenabschnitt dient dazu die für die Steuerung der HOV-Lane erforderlichen verkehrlichen Randbedingungen zu erfassen und die jeweiligen Schaltbilder der Steuerung an die Verkehrsteilnehmenden weiterzugeben. Der Abstand zwischen den MQ sollte gering sein, sodass möglichst kurze Stauereignisse gesichert erfasst werden können. Ein geringer Abstand zwischen den MQ sorgt zusätzlich dafür, dass Stauereignisse im Mittel schneller detektiert werden.

Zu Beginn und am Ende jedes Teilabschnittes sowie dazwischen an allen AS und AK und auf der freien Strecke in Abständen von 1.000 m bis 2.000 m (vgl. VwV-StVO [4]) sollte jeweils ein AQ positioniert werden. Um eine Redundanz der Anzeigen nach MARZ [2] zu gewährleisten, sollte der Abstand zwischen zwei benachbarten AQ maximal 1.500 m betragen.

Bei der Standortbestimmung für die AQ ist zu gewährleisten, dass durch die neuen Anzeigen die Sicht auf bestehende Schilder nicht verdeckt wird, und auch die neuen Anzeigen nicht von bestehenden Schildern oder Brückenbauwerken verdeckt werden. Zusätzlich ist die Trassierung der Straße (Kurven, Kuppen, etc.) und der Bewuchs entlang der Straße zu berücksichtigen, sodass die Erkennbarkeit der Anzeigeinhalte aus ausreichend großer Entfernung gewährleistet ist.

Tabelle 1 zeigt eine Liste aller MQ und AQ, die unter Berücksichtigung der o. g. Randbedingungen in Fahrtrichtung Luxemburg Stadt entlang der Strecke vorgesehen sind und für die Steuerung der HOV-Lane verwendet werden können. Zur Orientierung sind weiterhin die Zu- und Abfahrten zur A3 aufgelistet. Zusätzlich sind die Abstände der MQ bzw. AQ zueinander dargestellt sowie die verschiedenen vorgesehenen Detektionstechnologien hervorgehoben.

Tabelle 1:    Position der Mess- und Anzeigequerschnitte des betrachteten Autobahnabschnittes

3 Steuerungskonzept und -algorithmen

3.1 Vorhandene Daten

Die zur Verfügung gestellten historischen Verkehrsdaten umfassen sämtliche Bestands-MQ des Untersuchungsraumes der A3 für die drei Monate Januar, Juni und Juli aus dem Jahr 2022 für beide Fahrtrichtungen. Jeder dieser MQ erfasst, getrennt nach Fahrstreifen und Fahrzeugkategorie und aggregiert in 1 min-Intervallen, mit einem Zeitstempel die Verkehrsstärke sowie die mittlere Geschwindigkeit der Fahrzeuge je Fahrzeugkategorie. Zusätzlich sind die erfassten Kenngrößen der einzelnen Fahrstreifen über alle Fahrstreifen einer Fahrtrichtung aggregiert. Diese Werte bilden die Grundlage der Kalibration und der Testanwendung (siehe Kapitel 4).

3.2 Steuerungsstrategien

Vor der Aktivierung der HOV-Lane muss fahrstreifenbezogen geprüft werden, ob sich Hindernisse auf den Normalfahrstreifen befinden, welche eine Aktivierung der HOV-Lane verhindern würden. Hindernisse auf dem linken Fahrstreifen sind grundsätzlich kein Grund, die Schaltung der HOV-Lane zurückzuhalten. Es muss lediglich ein Hinweis auf das Hindernis am vorgelagerten AQ gegeben und der Fahrstreifen rechtzeitig eingezogen werden. Dies erfolgt über manuelle Schaltungen. Durch eine Aufrechterhaltung der HOV-Lane kann die Anzahl der Fahrstreifenwechsel vor dem Hindernis reduziert werden, da sich auf der HOV-Lane lediglich nutzungsberechtigte Fahrzeuge befinden. Die Umsetzung der Anforderungen des Betriebskonzeptes berücksichtigt unter anderem, dass die Aktivierung der HOV-Lane einmal am Tag zur Spitzenstunde progressiv zur geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung stromabwärts, sowie mit einer Vorlaufzeit zur Anpassung der Geschwindigkeitsbegrenzung erfolgen soll.

Die Deaktivierung der HOV-Lane erfolgt, sofern sämtliche Kriterien für die Deaktivierung erfüllt sind, ein Hindernis auf einem der Normalfahrstreifen vorliegt oder der definierte Zeitraum der Morgenspitze abgelaufen ist, simultan an allen AQ des Teilabschnitts.

3.3 Algorithmische Umsetzung

Als Eingangsdaten für das Modul zur Steuerung der HOV-Lane werden die ungeglätteten Rohdaten herangezogen, da die Schaltung in Bezug auf die Aktivierungsbedingung schnell auf die Verkehrssituation reagieren soll. Wie in Kapitel 2 beschrieben, erfolgt die Aktivierung der HOV-Lane bei einem Verkehrszustand, in welchem die Verkehrsbelastung der Richtungsfahrbahn noch sicher unterhalb der Kapazität der beiden verbleibenden Normalfahrstreifen liegt. Zusätzlich werden Hysteresen ergänzt, um zu verhindern, dass bspw. ein einzelner Fahrzeugpulk die Schaltung auslöst (Einschaltzähler). Demnach muss die Verkehrsstärke zur Aktivierung der HOV-Lane zeitlich konsekutiv am selben MQ über dem vordefinierten Schwellenwert liegen. Dadurch wird zunächst der Schaltwunsch für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 90 km/h übergeben, bevor nach dem vorparametrierten Zeitintervall die HOV-Lane aktiviert wird. Die Hysterese für die Deaktivierung der HOV-Lane hingegen muss zeitlich konsekutiv für alle aktiven MQ im selben Teilabschnitt und Zeitintervall, bzw. Zeitspanne des Zeitstempels erfolgen. Für den Fall, dass sämtliche MQ innerhalb eines Teilabschnitts fortlaufend keine Messwerte liefern, wird nach Überschreitung des Schwellenwerts für die Anzahl fehlender Werte die HOV-Lane zurückgenommen.

Zu Beginn wird geprüft, ob die Schaltung am laufenden Tag schon einmal ausgelöst worden ist und wenn nicht, ob sich der aktuelle Zeitstempel innerhalb des vordefinierten Zeitraums (z. B. Morgenspitze) befindet. Ansonsten ist die verkehrsunabhängige Grundvoraussetzung für eine Aktivierung nicht erfüllt. Für den Fall, dass diese Grundvoraussetzung erfüllt ist, wird im Anschluss geprüft, ob Messwerte vorliegen, bevor die Deaktivierungsbedingung geprüft wird, denn sofern kein MQ repräsentativ für den Teilabschnitt Messwerte liefert, soll die HOV-Lane nicht aktiviert werden. Die Prüfung der verkehrsabhängigen Aktivierungsbedingungen erfolgt, sofern die Deaktivierungsbedingung nicht erfüllt ist. Für den Fall, dass die HOV-Lane aktiviert ist, wird diese so lange fortgesetzt, bis das Ende des definierten Zeitraums erreicht ist oder die Deaktivierungsbedingungen erfüllt sind.

Sowohl für die Aktivierungs- wie auch für die Deaktivierungsbedingung werden Zähler verwendet, um verkehrlichen Hysteresen entgegenzuwirken. Darüber hinaus wird im Hinblick auf die Deaktivierungsbedingung geprüft, dass im jeweiligen Teilabschnitt für alle MQ die Bedingung konsekutiv und lang genug erfüllt sind, bevor die tatsächliche Deaktivierung der HOV-Lane erfolgt. Für die Aktivierung der HOV-Lane muss die Bedingung lediglich für einen einzelnen MQ innerhalb des Teilabschnittes gelten. Ansonsten gilt, dass die bestehende Schaltung fortgeschrieben wird, solange durch die Zähler keine Schwellenwerte überschritten werden. Bild 3 zeigt den prinzipiellen Ablauf des entwickelten Steuerungsalgorithmus in Form eines Struktogramms.

Bild 3: Struktogramm des HOV-Moduls

Das Ergebnis des HOV-Moduls ist die Übergabe des Schaltwunsches für alle AQ des Teilabschnitts an die Unterzentrale (UZ), wo sämtliche Module (wie z. B. auch der Harmonisierungsalgorithmus) zusammenlaufen und durch Priorisierung die restriktivere Schaltung aktiviert wird. In der UZ wird dann die progressive Aktivierung der AQ in Fahrtrichtung in der Schaltbildermittlung gesteuert.

Ein weiteres Steuerungsmodul liefert Schaltanforderungen aus der Harmonisierung, die AQ- weise Schaltwünsche produziert und in der Schaltbildermittlung zusammen mit den HOV-Lane-Schaltwünschen sowie ggf. manuell anliegenden Schaltwünschen überlagert wird.

4 Testanwendung

Eine erste Testanwendung des Algorithmus erfolgt anhand der Ganglinien der historischen Verkehrsdaten. Bild 4 stellt exemplarisch für einen Messquerschnitt die Schaltung der HOV-Lane für den 21.06.2022 dar. Die verwendeten Steuerungsparameter wurden basierend auf Erfahrungswerten gesetzt und mit unterschiedlichen Datensätzen iterativ für die derzeit vorhandenen zweistreifigen Querschnitte optimiert. In der Testanwendung ist die Schaltbildermittlung (also insbesondere der Längs- und Querabgleich) nicht modelliert.

Es zeigt sich, dass sobald der Schwellenwert (HOV_ein) von 2.400 Pkw-E/h für zweistreifige Strecken überschritten wird (in diesem Fall um 04:55 Uhr), das HOV-Modul die zulässige Geschwindigkeit mit der vordefinierten Vorlaufzeit auf 90 km/h reduziert. Anschließend (hier um 04:57 Uhr) wird die HOV-Lane für den gesamten Teilabschnitt aktiviert, bis die Deaktivierungskriterien für alle Messquerschnitte erfüllt sind oder wie in diesem Fall der definierte maximale Aktivierungszeitraum (09:00 Uhr) für den HOV-Lane-Betrieb abgelaufen ist.

Bild 4: Ganglinie des Messquerschnittes a3_mv_2600 für den 21.06.2022 (Dienstag)

Je nach Verkehrsaufkommen und -lage wird entsprechend MARZ [2] eine Harmonisierung in Form von Geschwindigkeitsbegrenzungen geschaltet. Diese Harmonisierung wird je MQ individuell berechnet und das Ergebnis einem AQ zugewiesen. Die mit der Straßenbauverwaltung in Luxemburg vereinbarten Schaltniveaus lauten 90 km/h, 70 km/h und 50 km/h. Somit kann die Harmonisierung die bei einer aktiven HOV-Lane-Freigabe gültige Geschwindigkeitsbeschränkung von 90 km/h weiter reduzieren, je nach Verkehrszustand. Der verwendete Algorithmus nutzt geglättete und trendextrapolierte, querschnittbezogene Eingangsdaten (Verkehrsstärke, Verkehrsdichte und mittlere Geschwindigkeit) und orientiert sich am MARZ [2].

In der Testanwendung erfolgt die Deaktivierung des HOV-Moduls für sämtliche Tagesdatensätze aus den historischen Daten mit Ablauf des vordefinierten Einsatzzeitraumes. An dieser Stelle müsste untersucht werden, inwieweit es sinnvoll ist, den Zeitraum zur Deaktivierung der HOV-Lane zu verlängern. Jedoch bleibt die Verkehrsstärke nach der Morgenspitze in den historischen Daten auf einem hohen Niveau, sodass an dieser Stelle die Parametrierung mit Hilfe von Simulationen oder im Betrieb angepasst werden müssten.

Die Tests zeigen, dass der Algorithmus die Aktivierung der HOV-Lane steuert. In weiterer Folge können nach der aus Sicherheitsgründen vorgeschalteten Reduzierung der Geschwindigkeit auf 90 km/h vor Aktivierung der HOV-Lane weitere Harmonisierungsschaltungen auf Basis des MARZ [2] AQ-weise erfolgen. Mit der Testanwendung steht zudem ein Tool zur Prüfung und Abnahme des in der UZ zu implementierenden Algorithmus zur Verfügung.

5 Verkehrsflusssimulation

Neben der Testanwendung des Steuerungsalgorithmus anhand von historischen Offline-Daten wurde eine Online-Umsetzung des Steuerungsalgorithmus mittels mikroskopischer Verkehrsflusssimulation durchgeführt. Zur Überprüfung der Wirkung des HOV-Lane-Algorithmus auf den Verkehrsfluss wurde der betrachtete Streckenabschnitt der A3 zwischen der luxemburgisch-französischen Grenze im Süden und dem AK Gasperich im Norden im Zulauf zur Stadt Luxemburg in der Verkehrsflusssimulationssoftware VISSIM (Version 2023) abgebildet.

5.1 Simulationsrandbedingungen

In der Simulation wird infrastrukturseitig der geplante Ausbauzustand mit allen Zu- und Ausfahrten sowie allen Mess- und Anzeigequerschnitte berücksichtigt. Nachfrageseitig wird die Verkehrsbelastung eines typischen Wochentages aus den vorliegenden Verkehrsdaten abgeleitet. Dabei zeigt sich eine breite Morgenspitze zwischen 05:15 Uhr und 09:30 Uhr; danach lässt die Verkehrsbelastung kontinuierlich nach. Es wurde ein Simulationszeitraum von 4:00 und 20:30 Uhr berücksichtigt; wobei jeweils 30 Minuten Simulationsvor- und -nachlauf enthalten sind.

Abweichend zum beschriebenen Betriebskonzept wurde das Aktivierungszeitfenster für die HOV-Lane auf den Zeitraum 04:30 bis 14:00 Uhr ausgeweitet und eine mehrfache Aktivierung und Deaktivierung ermöglicht, wodurch die Aktivierungs- und Deaktivierungszeitpunkte des Steuerungsalgorithmus geprüft werden können.

Der Steuerungsalgorithmus als Python-Code wurde in der Verkehrsflusssimulation derart integriert, dass bei Aktivierung der HOV-Lane die Nutzung des linken Fahrstreifens im jeweiligen Abschnitt für nicht nutzungsberechtigte Fahrzeuge unterbunden wird und den Verkehrsteilnehmergruppen (HOV, Pkw, Busse und Lkw) an den einzelnen AQ entsprechende Wunschgeschwindigkeitsverteilungen zugewiesen werden. Es werden die Rahmenbedingungen der luxemburgischen Straßenverkehrsordnung abgebildet, wonach keine fahrstreifenbezogenen, unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten ausgewiesen werden können. Maßgebend für die angezeigten Höchstgeschwindigkeiten sind die Verkehrszustände auf den zwei Normalfahrstreifen. In der Simulation werden für die HOV-Lane die in Tabelle 2 aufgeführten Aktivierungs- bzw. Deaktivierungsbedingungen verwendet.

Tabelle 2: Aktivierungs- und Deaktivierungsbedingungen HOV-Lane

5.2 Szenarien

Zur Analyse der Wirkung des Steuerungsalgorithmus wurden verschiedene Szenarien untersucht. Zunächst wurde der Nullfall (Szenario 1) abgebildet, in dem nur der Harmonisierungsalgorithmus aktiviert ist. Der HOV-Anteil von 3 % mindestens dreifach besetzter Fahrzeuge in Szenario 2 wird als Abbildung der derzeitigen Verkehrszusammensetzung herangezogen. Die weiteren Szenarien unterscheiden sich hinsichtlich des HOV-Anteils in der Pkw-Flotte (10 % und 20 %). Die Flottenanteile der Lkw und Busse betragen im Durchschnitt 17 % bzw. 4 % und sind in allen Szenarien identisch. Durch die Betrachtung unterschiedlicher HOV-Anteile lassen sich auch Erkenntnisse zur verkehrlichen Wirkung bei Freigabe für unterschiedliche Definitionen der Nutzergruppe (z.B. HOV 3+; HOV 2+, HOV und E-Fahrzeuge, …). Für jedes der Szenarien wird ein Simulationslauf ausgewertet. Im Einzelnen wurden folgende Szenarien untersucht.

Tabelle 3: Szenarienübersicht

5.3 Auswerte-Methodik

Für jedes Szenario wurden die fahrstreifenfeinen Verkehrsbelastungen und Geschwindigkeiten an den jeweiligen MQ als 1 Minuten-Werte ausgewertet. Für den Steuerungsalgorithmus der HOV-Lane wurden die Aktivierungs- und Deaktivierungszeitpunkte und für den Harmonisierungsalgorithmus die Anzeigeinhalte an den AQ (zulässige Geschwindigkeit) analysiert.

Weiterhin wurden die Geschwindigkeitsunterschiede und die Fahrstreifenaufteilung zwischen der HOV-Lane und den Normalfahrstreifen sowie die Fahrtzeiten entlang des untersuchten Abschnittes betrachtet.

5.4 Ergebnisse und Interpretation

In den einzelnen Szenarien zeigen sich identische Aktivierungszeitpunkte. Im Abschnitt A (Grenze Frankreich / Luxemburg bis AK Bettembourg) wird die HOV-Lane um 05:17 Uhr; im Abschnitt B (AK Bettembourg bis AK Gasperich) bereits um 05:07 Uhr aktiviert. In allen Szenarien wird die HOV-Lane im Abschnitt A mit Ablauf der Mindestlaufzeit um 06:07 Uhr deaktiviert.

Es zeigt sich, dass die verkehrlichen Deaktivierungsbedingungen (siehe Tabelle 2) im Abschnitt B in den einzelnen Szenarien zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht werden. Im Szenario 1 (3 % HOV-Anteil) erfolgt die Deaktivierung um 09:59 Uhr, mit zunehmendem HOV-Anteil in den Szenarien 3 und 4 wird die HOV-Lane frühzeitiger (09:04 Uhr bzw. 09:05 Uhr) deaktiviert. Aufgrund des höheren Anteils der nutzungsberechtigten Fahrzeuge für die HOV-Lane ergibt sich gegenüber dem Szenario 2 eine homogenere Verkehrsverteilung auf die einzelnen Fahrstreifen, was dazu führt, dass der Deaktivierungsschwellwert der Verkehrsbelastung auf den Normalfahrstreifen (????−?(???) < 4.000 ??? − ?/ℎ ) frühzeitiger erreicht wird.

??? Korrekte Darstellung und Formel in der PDF

Die Aktivierung der HOV-Lane führt gegenüber dem Basis-Szenario (Szenario 1) für alle Fahrzeuggruppen zu einer Steigerung der Fahrtzeit entlang der A3 (siehe in Bild 5 (a) und (b)). Aufgrund der Sperrung des linken Fahrstreifens für nicht nutzungsberechtige Fahrzeuge kann die zur Verfügung stehende Kapazität der dreistreifigen Richtungsfahrbahn nicht mehr vollständig ausgenutzt werden. Mit zunehmendem HOV-Anteil in der Pkw-Flotte und damit einer höheren Verkehrsbelastung der HOV-Lane, werden die Effekte dieser Einschränkung reduziert, was in höheren mittleren Kfz-Geschwindigkeiten resultiert. Entsprechend reduziert sich die Notwendigkeit einer Harmonisierung und der Anteil der Harmonisierungsschaltungen 70 km/h und 50 km/h sinkt (siehe Bild 5 (c)).

Fahrzeuge auf der HOV-Lane haben im Zeitraum der aktivierten HOV-Lane Geschwindigkeitsvorteile im Bereich von 6 - 7 km/h gegenüber den Fahrzeugen auf dem Normalfahrstreifen. Für den Abschnitt B (ca. 8,5 km) führt dies im Szenario 2 während der Aktivierungszeit der HOV-Lane (05:07 - 09:59 Uhr) dazu, dass HOV bei einer mittleren Fahrtzeit von ca. 380 s hier im Mittel einen Fahrtzeitvorteil von 20 s (ca. 5 %) gegenüber Pkw auf den Normalfahrstreifen erfahren. Es ist erkennbar, dass dieser Geschwindigkeits- bzw. Fahrtzeitvorteil für HOV bei Szenarien mit steigendem HOV-Anteil sinkt (siehe Bild 5 (a)). Die Schwankung der HOV-Fahrtzeiten innerhalb des Aktivierungszeitfenster der HOV-Lane nehmen in Szenarien mit steigendem HOV-Anteil ab (siehe Bild 5 (b)). Der Grund hierfür ist die geringere Schalthäufigkeit der Harmonisierungsschaltungen 70 km/h und 50 km/h. Größere Fahrtzeitvorteile für die HOV-Lane werden dadurch eingeschränkt, da in Luxemburg durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Straßenverkehrsordnung keine fahrstreifenbezogenen, unterschiedlichen Höchstgeschwindigkeiten ausgewiesen werden dürfen.

Bild 5: Verkehrliche Kenngrößen und Analyse der Algorithmusrandbedingungen für den Abschnitt B
(a) Fahrtzeitverlauf; (b) Boxplots der HOV-Pkw-Fahrtzeiten auf der aktivierten HOV-Lane; (c) Verteilung der Geschwindigkeitsschaltbilder des Harmonisierungsalgorithmus im Aktivierungszeitfenster der HOV-Lane (04:30 – 14:00 Uhr)

6 Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Im Zusammenhang mit dem Ausbau eines Streckenabschnittes der Autoroute A3 in Luxemburg auf dreistreifige Richtungsfahrbahnen wird das Betriebskonzept und der Steuerungsalgorithmus für die dynamische Aktivierung einer HOV-Lane auf dem linken Fahrstreifen beschrieben. Wird ein bestehender Fahrstreifen dynamisch als HOV-Lane genutzt, führt dies dazu, dass die Kapazität dieses Fahrstreifens aufgrund der Einschränkung auf eine definierte Nutzergruppe nicht komplett ausgenutzt werden kann. Aus diesem Grund muss durch die Steuerung sichergestellt werden, dass durch die Aktivierung der HOV-Lane nicht direkt ein Stau im Zufluss (auf den verbleibenden Normalfahrstreifen) erzeugt wird. Weiterhin muss im zeitlichen Vorlauf bereits eine Harmonisierung des Verkehrs erfolgen (im vorliegenden Fall mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h). Das Auftreten von Hindernissen schränkt die Möglichkeiten zur Aktivierung der HOV-Lane ein; im Gegenzug kann die Aktivierung der HOV-Lane jedoch bei entsprechender Lage des Hindernisses auch Vorteile haben. Eine Unterteilung der Gesamtstrecke in Teilabschnitte, die für eine Aktivierung der HOV-Lane herangezogen werden können, ist maßgeblich abhängig von der Verkehrsstärke im Zu-/Abfluss der Anschlussstellen. Der entwickelte Steuerungsalgorithmus berücksichtigt Schwellenwerte der Verkehrsbelastung sowie der mittleren Geschwindigkeiten der MQ.

Der Ausbau der A3 erfolgt in mehreren Bauabschnitten von 2022 bis 2027. Bis zur Fertigstellung sind je nach Baufortschritt ggf. Anpassungen bei der Definition der Teilabschnitte für die Aktivierung der HOV-Lane erforderlich. Der entworfene Steueralgorithmus ist so aufgebaut, dass er leicht an andere bzw. sich ändernde Abschnittsdefinitionen angepasst werden kann. So kann dieser bspw. für die Fahrtrichtung Frankreich in der Nachmittagsspitze oder auch für Zwischenausbauzustände nach Abschluss einzelner Bauabschnitte verwendet werden.

Derzeit liegen keinerlei Erfahrungswerte zum Betrieb einer dynamisch ausgewiesenen HOV-Lane vor. Daher ist eine intensive Begutachtung in der Phase des Probebetriebs notwendig, bevor in einen vollautomatischen Betrieb übergegangen werden kann. Die entworfene Steuerung wurde mithilfe einer mikroskopischen Verkehrsflusssimulation anhand einer für den Streckenabschnitt typischen Verkehrsbelastung getestet. Es wurden die Reaktion des Steuerungsalgorithmus für verschiedene HOV-Anteile (3 %, 10 % und 20 %) in der Pkw-Flotte betrachtet. Dabei wurde festgestellt, dass die Aktivierung der HOV-Lane zu einer Fahrtzeitverlängerung für alle Verkehrsteilnehmenden führt. Die Fahrtzeitvorteile der HOV liegen im Bereich von 5 %. Die genutzten verkehrlichen Schwellwerte zur Deaktivierung der HOV-Lane werden nur im Abschnitt B erreicht; im Abschnitt A wird die HOV-Lane nur während der Mindestaktivierungszeit aktiviert wird. Geringe HOV-Anteile (3 %) führen dazu, dass die zur Verfügung stehende Kapazität der Strecke nur suboptimal ausgenutzt werden kann und die Verkehrsbelastung auf den zwei Normalfahrstreifen dazu führt, dass die Harmonisierungsschaltungen 70 km/h und 50 km/h häufiger aktiviert werden.

Diese Erkenntnisse werden in die weiteren Planungen zur Integration des HOV-Steuerungsalgorithmus in die Verkehrsbeeinflussungsanlage einfließen.

Die beschriebenen Untersuchungen wurden im Rahmen eines Projektes für die Division de l'exploitation de la grande voirie et de la gestion du trafic (DGT) der Straßenbauverwaltung Luxemburg (Administration des ponts et chaussées) durchgeführt. Die Autoren bedanken sich abschließend herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit und die zur Verfügung gestellten Daten.

7 Literatur

  1. Schönhofer, T.; Bogenberger, K. (2022): A Comprehensive Review on Managed Lanes in Europe. 101st Annual Meeting of the Transportation Research Board Washington, D.C.
  2. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (2018): Merkblatt für die Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen und Unterzentralen (MARZ). Bergisch-Gladbach.
  3. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2021): Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). zuletzt geändert 2021.
  4. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2021): Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StraßenverkehrsOrdnung (VwVStVO). zuletzt geändert 2021.