Der Begriff der „Substanz“ wird in der täglichen Praxis des Straßenbaus umgangssprachlich unterschiedlich verwendet. Der bisher bekannte „Substanzwert“ aus der „Zustandserfassung und -bewertung – ZEB“ ist beispielsweise deutlich abzugrenzen zu dem Begriff der „strukturellen Substanz“, der wiederum bisher im offiziellen FGSV-Regelwerk noch nicht belegt ist. In dem Entwurf der „Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweisen – RSO Asphalt“ wird diese begriffliche und fachliche Lücke erstmals geschlossen. Der Entwurf der RSO Asphalt definiert die „strukturelle Substanz“ – vereinfacht ausgedrückt – als die ertragbare Anzahl an LKW-Achsübergängen bis zum rechnerischen Versagen der Asphalttragschicht zu einem Bewertungszeitpunkt. Der Nutzen für eine Straßenbauverwaltung kann damit schnell hergeleitet werden. Im Vordergrund steht die Frage nach der Restnutzungsdauer von Oberbauten. Durch die Anwendung der Bewertung der strukturellen Substanz lassen sich im Rahmen der Erhaltungsplanung auf Objektebene Entscheidungen treffen, welche Asphaltschichten (zu welchem Zeitpunkt) ausgetauscht werden sollten. Diese Entscheidungen sind bisher auch getroffen worden, jedoch nicht auf Basis von performance-orientierten Parametern. Mit einer Richtlinie zu der „Bewertung der strukturellen Substanz von Oberbauten mit Asphaltbefestigungen“ würden erstmals einheitliche Standards für eine entsprechende Vorgehensweise festgelegt.
Der in der Praxis realisierbare Ablauf einer einheitlichen Bewertung der strukturellen Substanz weicht mit großer Wahrscheinlichkeit von dem ab, was eine Straßenbauverwaltung zunächst idealerweise erwarten würde. Wichtige Faktoren aus Sicht einer Straßenbauverwaltung sind schnelle Verfahren die einen möglichst kurzen Eingriff in den fließenden Verkehr darstellen und kurzfristig verfügbare Untersuchungsergebnisse liefern. Performance orientierte Untersuchungsergebnisse können hingegen derzeit ausschließlich auf der Basis von Bohrkernuntersuchungen geliefert werden. Dieses sind die Ermüdungs- und Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion, die bedingt durch die Prüfverfahren einen gewissen Prüfzeitraum benötigen. Bohrkernentnahmen stellen – insbesondere im höchstbelasteten Autobahnnetz – einen Eingriff in den fließenden Verkehr dar, der von seinem zeitlichen Umfang her möglichst kurz gehalten werden sollte. Hier muss ein Mittelweg gefunden werden, nur so viele Eingriffe wie unbedingt nötig. Der Aufwand der für diese Vorgehensweise benötigt wird ist höher anzusetzen, als die bisher gewohnten Abläufe. Daher müssen Erfahrungen gesammelt und es muss herausgearbeitet werden, wie groß der Aufwand für eine gewisse Qualität der Aussagekraft sein darf bzw. muss. Nutzen und Kosten müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen.
Der in dem aktuellen Entwurf entwickelte Verfahrensablauf stellt vor dem Hintergrund der aktuellen Erfahrungen eine erste gute Grundlage dar. Optimierungsschritte z. B. bei der Festlegung der homogenen Abschnitte werden in einem Pilotprojekt gesammelt und fließen direkt in den Richtlinienentwurf ein.
Die Bewertung der strukturellen Substanz bietet die Möglichkeit einer objektiveren Entscheidungsgrundlage bei der Planung von Erhaltungsmaßnahmen auf Objektebene. Daher sollte sie sich zu einem wichtigen Bestandteil der Erhaltungsplanung bei Straßenbauverwaltungen entwickeln. |