FGSV-Nr. FGSV C 14
Ort Potsdam
Datum 12.09.2019
Titel Durchsickerung von Ersatzbaustoffen – Großmaßstäbliche Versuche und Modellierung
Autoren Dr.-Ing. Christine Kellermann-Kinner, Dr.-Ing. Emanuel Birle
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Ziel der Forschungsarbeiten zum Thema Durchsickerung von Straßenböschungen ist es, ausgewogene Beurteilungskriterien für einen umwelteffizienten und zugleich ökonomischen Einsatz von Ersatzbaustoffen und Bodenmaterial zu schaffen. Durch eine belastbare Datengrundlage zur Erfassung des Wasserhaushaltes des gesamten Bauwerkes können Instrumente entwickelt werden, um die Wirksamkeit der unterschiedlichen technischen Sicherungsmaßnahmen zu beurteilen. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt die Bundesanstalt für Straßenwesen verschiedene Projektansätze zum Thema Durchsickerung von Straßenböschungen. Jeder Projektansatz hat seine Stärken und Schwächen. Durch großmaßstäbliche Versuche können die realen Verhältnisse gut wiedergegeben werden. Solche Versuche sind jedoch personalintensiv und langwierig. Schneller und preisgünstiger sind Modellrechnungen. Die Qualität der Berechnungen hängt aber stark von der Qualität der gewählten Parameter ab. Durch inverse Modellierung müssen die Eingabeparameter der Programme zur Modellrechnung an die Realität angepasst werden. Die realen Bedingungen werden am besten durch ein Pilotprojekt an einem realen Versuchsdamm wiedergegeben. Diese Versuche sind sehr aufwendig und sehr kostenintensiv, aber zur Validierung der Modellrechnung und der großmaßstäblichen Versuche erforderlich. In dem Betrag wird beschrieben, welche großmaßstäblichen Versuche durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt wurden und wie sie von Anfang an durch Simulationsrechnungen begleitet wurden.

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1 Motivation

Die BASt widmet sich seit mehreren Jahren dem Themenbereich Durchsickerung von Straßenböschungen. Der Themenbereich ist Teil der Forschungslinie „Ressourcenschonender und umweltverträglicher Straßenbau“. Das übergeordnete Ziel der Forschungslinie ist es, den Einsatz von Ressourcen zu optimieren und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren.

Bei Straßenbaumaßnahmen werden im Erdbau große Massen bewegt. Nicht immer gelingt der Massenausgleich innerhalb einer Baumaßnahme, so dass dann andere Baustoffe zur Herstellung der Erdbauwerke benötigt werden. Hierfür können Ersatzbaustoffe, wie Recycling-Baustoffe, industrielle Nebenprodukte oder aufbereitetes Bodenmaterial verwendet werden. Natürliche Ressourcen werden geschont, wenn weniger natürliche Primärbaustoffe wie Kies, Sand oder Naturstein abgebaut werden müssen und gleichzeitig wird der immer knapper werdende Deponieraum zur Ablagerung der Ersatzbaustoffe nicht verbraucht. Im Hinblick auf die Umweltanforderungen tritt die Frage in den Vordergrund, ob die Ersatzbaustoffe umweltrelevante Inhaltsstoffe enthalten, die durch Sickerwasser in Boden und Grundwasser ausgetragen werden können und dort zu schädlichen Auswirkungen führen. Um den Einsatz von Ersatzbaustoffen bewerten zu können, ist es daher wichtig, deren Durchsickerungsverhalten und mögliche Auswirkungen auf Boden und Grundwasser zu kennen.

Für das Straßenwesen existiert ein in Jahrzehnten gewachsenes Regelwerk, welches ständig weiterentwickelt wird. Im Straßenbau sind in vielfältiger Weise fachübergreifende Gesetze und Verordnungen zu beachten sowie Genehmigungen einzuholen. Der Straßenbauingenieur trägt die Verantwortung für seine Bauwerke, dies beinhaltet auch die Pflicht Boden und Grundwasser zu schützen. Dieser Verantwortung wird in den Regelwerken des Straßenwesens Rechnung getragen. Leider finden diese nicht immer die nötige Akzeptanz bei den Umweltverantwortlichen. Im Gegenzug berücksichtigen die Regelwerke aus dem Bereich des Umweltschutzes das komplexe Mehrschichtensystem Straßenbauwerk meist nur unzureichend. Ziel der Bundesanstalt für Straßenwesen ist es, bei der Fortschreibung der Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Straßenbauwerk, Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft die straßenbauspezifischen Belange einzubringen.

Aus Sicht des Straßenbauingenieurs reicht das vorhandene Wissen über Wasser im Straßenbauwerk für die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit vollkommen. Für die hydrogeologische Beurteilung der Durchsickerung im Hinblick auf den Boden- und Grundwasserschutz war der Wissensstand jedoch unzureichend. Insbesondere waren folgende Fragen offen: Wie viel Wasser gelangt in das Straßenbauwerk und wie viel Wasser durchsickert die Straßenböschung?

Ziel der Forschungsarbeiten zum Thema Durchsickerung von Straßenböschungen ist es, ausgewogene Beurteilungskriterien für einen umwelteffizienten und zugleich ökonomischen Einsatz von Ersatzbaustoffen und Bodenmaterial zu schaffen. Durch eine belastbare Datengrundlage zur Erfassung des Wasserhaushaltes des gesamten Bauwerkes können Instrumente entwickelt werden, um die Wirksamkeit der unterschiedlichen technischen Sicherungsmaßnahmen zu beurteilen. Durch die ökonomisch und ökologisch optimierten Bauweisen soll das Potential für den Einsatz von Ersatzbaustoffen im Erdbau des Straßenbaus erhalten bleiben. Dieses von uns erworbene Wissen zum Wasserhaushalt von Straßenböschungen, das mittlerweile weit über die Annahmen der Sickerwasserprognose zur Erstellung der Ersatzbaustoffverordnung hinausgeht, wollen wir in die Überarbeitung der umweltrelevanten Regelwerke einbringen. 

2 Projektansätze

Zum Schutz von Boden- und Grundwasser wurden für den Erdbau technische Sicherungsmaßnahmen (TSM) entwickelt. Sie sind im „Merkblatt über Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahme beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau“ (M TS E) (FGSV 2017) beschrieben. Mit diesen Bauweisen kann die Menge des Sickerwassereintrags in das Bauwerk reduziert und damit der Austrag an umweltrelevanten Inhaltsstoffen verringert oder sogar ganz vermieden werden.

Da die Durchsickerung von Straßenböschungen und der damit verbundene Transport umweltrelevanter Inhaltsstoffe ein sehr komplexes Thema ist, erfordert die Bearbeitung die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Straßenbauern, Hydrogeologen, Geoökologen, Mathematikern und Chemikern, um die vielfältigen Fragestellungen zu lösen. Das Bild 1 zeigt verschiedene Projektansätze der BASt zum Thema Durchsickerung von Straßenböschungen.

Jeder Projektansatz hat seine Stärken und Schwächen. Durch großmaßstäbliche Versuche können die realen Verhältnisse gut wiedergegeben werden. Der Wasserhaushalt kann gut bilanziert und die Inhaltstoffe des Sickerwassers beprobt werden. Solche Versuche sind jedoch kostenintensiv und langwierig. Es lassen sich nicht alle Randeinflüsse erfassen und nicht alle Kombinationen von Baustoffen und technischen Sicherungsmaßnahme sind möglich.

Bild 1: Projektansätze zum Thema Durchsickerung von Straßenböschungen

Schneller und preisgünstiger sind Modellrechnungen. Die Qualität der Berechnungen hängt aber stark von der Qualität der gewählten Parameter ab. Durch inverse Modellierung müssen die Eingabeparameter der Programme zur Modellrechnung an die Realität angepasst werden. Die realen Bedingungen werden am besten durch ein Pilotprojekt an einem realen Versuchsdamm wiedergegeben. Diese Versuche sind sehr aufwendig und sehr kostenintensiv, aber zur Validierung der Modellrechnung und der großmaßstäblichen Versuche erforderlich. Die Richtigkeit der Werte der großmaßstäblichen Modellversuche wird überprüft und durch eine Modellrechnung des Versuchsdammes werden die Parameter für die Modellierung weiter verbessert. Nur so können zukünftig realitätsnahe Aussagen durch Modellierungen getroffen werden.

Durch eine Synopse aller Durchsickerungsprojekte wird eine gemeinsame Auswertung der Ergebnisse und Aufbereitung für die Fachwelt erfolgen. 

3 Großmaßstäbliche Versuche

Mit ihren Projekten zur „Effizienz technischer Sicherungsmaßnahmen im Erdbau“ verfolgt die BASt den Forschungsansatz der großmaßstäblichen Versuche, mit dem Ziel die Wirksamkeit von technischen Sicherungsmaßnahmen (TSM) zu beurteilen.

Die Durchsickerung von Straßenböschungen und der Austrag von umweltrelevanten Inhaltsstoffen mit dem Sickerwasser sind von verschiedenen Faktoren abhängig, im Wesentlichen können genannt werden:

– Materialeigenschaften des Baustoffs,

– umweltrelevante Inhaltsstoffe im Baustoff,

– Bauweise,

– Menge und Zusammensetzung des Straßenabflusses,

– Menge und Intensität des Niederschlages,

– weitere klimatische Einflussfaktoren,

– Untergrundbeschaffenheit.

Hieraus entstehen unzählige Kombinationen, die nicht alle im Einzelfall betrachtet werden können. Daher ist es notwendig eine Auswahl zu treffen, die für einen möglichst großen Anteil an Kombinationen repräsentativ ist, ohne dabei so sehr zu pauschalisieren, dass der jeweilige Einzelfall nicht wiederzufinden ist.

3.1 Lysimeteruntersuchungen unter Freilandbedingungen

Seit 2010 betreibt die BASt zusammen mit der HS Augsburg eine Lysimeteranlage in Augsburg. Eine Darstellung der Anlage beim Aufbau ist im Bild 2 zu sehen.

Bild 2: Darstellung der Lysimeteranlage unter Freilandbedingungen in Augsburg

Hier wurde in acht Lysimetern der Ausschnitt einer Straßenböschung einschließlich eines etwa ein Meter breiten Bankettstreifens eingebaut. Aufgrund der begrenzten Tiefe der Becken wurde unter dem Bankett anstatt einer Frostschutzschicht eine Dränmatte eingebaut. Auf den Böschungen wurden unterschiedliche Bauweisen des M TS E eingesetzt. Zusätzlich wurden zum Vergleich auch Varianten ohne TSM realisiert. Für den Aufbau der Böschungskerne wurde für vier Lysimeter bindiges (schwach durchlässiges) und für die anderen vier kiesiges (durchlässiges) Bodenmaterial ausgewählt und mit Schadstoffen (Cadmiumacetat, Kaliumferrocyanid und Kupfersulfat) dotiert. Gemessen wurden die Sickerwasser- und Oberflächenabflussmengen, die Menge des Straßenabflusses und der Niederschlag an der Versuchsanlage sowie in jedem Lysimeter die volumetrische Feuchte, Temperatur und Salinität an jeweils zwei Punkten der eingebauten Böschungskörper. Die Untersuchungsergebnisse der Jahre 2010 bis 2013 sind (Brand, Tiffert et al., 2016) veröffentlicht. Eine Veröffentlichung zu den Ergebnissen der Jahre 2013 bis 2016 und der anschließenden Tracerversuche zum Wasserfluss wird im Laufe dieses Jahres folgen. Hier wurden zur gleichmäßigeren Verteilung des Straßenabflusses Umbauten an der Straße vorgenommen und Änderungen im Bankettbereich der Lysimeter durchgeführt.

Qualitativ konnte festgestellt werden:

– Die Auswahl des Dammbaustoffes hat den wesentlichen Einfluss auf den Anteil des Sickerwassers.

– Beim kiesigen Boden konnte gezeigt werden, dass ein hoher Anteil des Wassers bereits im Bankett versickert.

– Eine Bitumenanspritzung auf der Böschung als technische Sicherungsmaßnahme bewirkt bei beiden Bodenarten keine Verminderung des Sickerwasseranteils.

– Die Möglichkeit einer gut wasserleitenden Schicht zeigte die größte Reduzierung der Sickerwassermengen. Sie wurde auf den Böschungen mit bindigem Boden im Böschungskern eingesetzt.

– Technische Sicherungsmaßnahmen sind als Gesamtsystem im Zusammenwirken mit dem Bauwerk zu betrachten. Veränderungen am Gesamtsystem wirken sich auch in den Sickerwasseranteilen aus.

Hinsichtlich der chemischen Parameter konnte im Ergebnis festgestellt werden:

– Die während des Messzeitraumes aus jedem Lysimeter ausgetragenen Stoffmengen sind relativ gering. Dies gilt auch für gut lösbare Stoffe wie Cyanid.

– Hohe Chloridkonzentrationen im Sickerwasser haben eine mobilisierende Wirkung auf mehrere Schwermetalle.

– Die ungleichmäßige Verteilung der Zuflüsse zu den Lysimetern hat auch auf die im Versuchszeitraum angefallenen Frachten wesentlichen Einfluss. Die Ergebnisse der Frachtermittlung zeigen – wie auch die gemessenen Konzentrationen – deutlicher den Unterschied zwischen den beiden eingebauten Böden als zwischen den realisierten Bauweisen.

– Die mittleren Konzentrationen im Sickerwasser der Lysimeter ähneln sich bei gleichem eingebautem Boden sehr stark. Damit paust sich die Qualität des Zulaufes direkt auf die Frachtberechnung durch und diese erlaubt keine endgültigen Schlüsse auf die Wirkung der unterschiedlichen Bauweisen technischen Sicherungsmaßnahmen. Die Verringerung der die Böschung durchsickernden Wassermenge bewirkt jedoch eine entsprechende Verringerung der ausgetragenen Stoffmenge.

3.2 Lysimeteruntersuchungen unter Laborbedingungen

Um die klimatischen Einflüsse weitestgehend auszuschließen und die aufgebrachte Wassermenge genau festlegen zu können, wurden Lysimeter und eine zugehörige Beregnungseinheit entwickelt. Die Anlage wurde in einer Versuchshalle aufgestellt, so dass Lysimeteruntersuchungen unter gleichbleibenden Laborbedingungen durchgeführt werden können. Mit der Anlage wurde ein Instrument geschaffen, um unter vergleichbaren, kontrollierten und zeitgerafften Bedingungen verschiedene Kombinationen aus TSM und Ersatzbaustoffen am Ausschnitt einer Böschung im Maßstab 1:1 zu prüfen.

Bild 3: Darstellung der Lysimeteranlage unter Laborbedingungen in der BASt

In der BASt stehen zwei Lysimeteranlagen zur Verfügung. Die Lysimeter wurden 15 Wochen parallel nach einem festgelegten Programm beregnet. Dabei wurden Sickerwasser und Oberflächenabfluss gemessen und die Inhaltsstoffe des Sickerwassers analysiert. Eine schematische Darstellung der Lysimeteranlage ist im Bild 2 zu sehen. Der genaue Versuchsaufbau und die Ergebnisse sind in Kellermann-Kinner, Bürger et al. (2016) nachzulesen.

Die Vorteile der Lysimeteruntersuchungen unter Laborbedingungen liegen in einer gut erfassbaren Wasserbilanz und der Möglichkeit regelmäßig Wasserproben für die chemischen Untersuchungen zu gewinnen. Gegenüber den Freilandbedingungen können in kürzerer Zeit wesentlich mehr Varianten getestet werden. Zu den Schwächen gehört, dass Umwelteinflüsse und Straßenabfluss nicht berücksichtigt werden und ggf. nicht erfassbare Randumläufigkeiten vorhanden sind. Zudem sind die Versuchsdauern lang und die Versuche sind betreuungsintensiv. Aufgrund der Abmessungen des Lysimeterkastens sind nicht alle TSM realisierbar.

In einer ersten Versuchsserie wurden dieselben Böden wie in der Freilandanlage in Augsburg untersucht, so dass die Ergebnisse direkt miteinander verglichen werden können. Zu den wesentlichen Erkenntnissen der ersten Serie zählten:

– trotz mehrfacher Bitumenanspritzung konnte für beide Böden die Sickerwassermenge nicht wesentlich reduziert werden,

– die beste Wirkung hat die Bauweise kiesiger Boden mit Dränmatte erzielt, obwohl im M TS E diese Bauweise nur für gering durchlässige Böden vorgesehen ist.

In der zweiten Versuchsserie wurden die Materialien RC-Baustoffe und industrielle Nebenprodukte untersucht. Aufgrund der Erfahrungen mit der Bitumenanspritzung in den ersten Versuchsserien wurde hier der Focus auf den Vergleich unterschiedlicher Dränmatten gelegt.

Die wesentlichen Erkenntnisse sind:

1. Für alle Materialien lässt sich durch die Verwendung von Dränmatten eine Reduktion des Sickerwassers um mindesten 40% erzielen.

2. Auf die Reduzierung der Sickerwassermenge haben die verschiedener Eigenschaften unterschiedliche Einflüsse:

– die hydraulischen Eigenschaften der Dränmatte,

– die Wasserdurchlässigkeit,

– der Verdichtungsgrades und

– die kapillaren Saugspannung des Materials.

Die Menge an umweltrelevanten Inhaltstoffen wird von den beiden Faktoren Konzentration im Sickerwasser und Menge des Sickerwassers bestimmt. Der entscheidende Faktor bei den aufsummierten Frachtkurven ist in den überwiegenden Fällen die Sickerwassermenge, diese wird von der TSM beeinflusst. Es ist also möglich mit einer geeigneten TSM den Austrag von umweltrelevanten Inhaltsstoffen aus einer Straßenböschung zu verringern.

Für eine wirkungsvolle Reduzierung der Sickerwassermenge muss die TSM als Gesamtsystem im Zusammenwirken mit dem Bauwerk, dem Material und dem Einbau betrachtet werden. Dafür steht mit dem Hallenlysimeter ein Instrument zur Verfügung, das unter vergleichbaren, kontrollierten und zeitgerafften Bedingungen gute Ergebnisse liefert. 

4 Modellierung

4.1 Allgemeines

Großmaßstäbliche Versuche sind langwierig und personalintensiv. Die BASt hat daher von Anfang an ihre Untersuchungen durch Simulationsrechnungen begleiten lassen. Ziel der begleitenden numerischen Simulationsberechnungen waren zum Einen eine Überprüfung der Wirksamkeit der im M TS E beschriebenen Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen und zum Anderen eine Validierung der verwendeten Modelle anhand der Nachrechnung der von der Bast durchgeführten experimentellen Untersuchungen.

Nachfolgend werden anhand der Untersuchungen zum Wasserhaushalt von Straßendämmen, die im Zusammenhang mit dem M TS E durchgeführt wurden, die Vorgehensweise und Modellbildung vorgestellt.

4.2 Modellbildung

Die Herausforderung bei Simulationsrechnung ist es, die Wirklichkeit möglichst realitätsnah in einem Modell abzubilden. Dafür müssen unterschiedliche Randbedingungen, z. B. die hydraulischen Bodeneigenschaften, die Klimabedingungen und der Fahrbahnabfluss, sinnvoll angenommen werden. So konnte in den ersten Projekten (Schweller, Birle et al., 2009) gezeigt werden, dass für eine realitätsnahe Abbildung nicht von einer konstanten Infiltrationsrate (im Sinne eines Dauerregens geringer Intensität) ausgegangen werden sollte, wie dies bei der Sickerwasserprognose zur Ersatzbaustoffverordnung gemacht wurde. Dies ist insbesondere für Bauweisen relevant, bei denen keine zusätzlichen Abdichtungsschichten zur Vermeidung einer Durchsickerung vorgesehen sind, sondern die Durchsickerung durch Anordnung von Sickerschichten in Verbindung mit einer geringen Durchlässigkeit des einzubauenden Bodens bzw. Baustoffs erreicht werden soll. Eine derartige Bauweise stellt die im M TS E beschriebene Bauweise E dar. Um auch für diese Bauweise zutreffende Ergebnisse zum Wasserhaushalt zu erhalten, müssen in den Modellberechnungen realitätsnahe Niederschlagsverteilungen mit dazwischen liegenden Trockenphasen berücksichtigt werden. Mit entsprechenden Berechnungen (Michaelides, Koukoulidou et al., 2013) konnte gezeigt werden, dass auch für die Bauweise E sehr geringe Sickerwassermengen zu erwarten sind, wenn die zum Einsatz kommenden Böden bzw. Baustoffe mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen einen Durchlässigkeitsbeiwert im Bereich von k = 1·10-8 m/s aufweisen.

Bei den Berechnungen von Michaelides, Koukoulidou et al. (2013) wurden jedoch keine RC-Baustoffe und industriellen Nebenprodukte betrachtet, da zum Zeitpunkt der Berechnungen keine belastbaren Daten zu deren hydraulischen Eigenschaften vorlagen. Im Vergleich zu mineralischen Böden weisen RC-Baustoffe und industrielle Nebenprodukte aber Unterschiede im Hinblick auf ihre hydraulischen und erdbautechnischen Eigenschaften auf, die im Vergleich zu mineralischen Böden mit vergleichbaren Korngrößenverteilungen zu deutlich unterschiedlichen Sickerwassermengen führen können. Nachdem in der Folge von Scharnagl und Durner (2014) experimentelle Untersuchungen zu den hydraulischen Eigenschaften von Ersatzbaustoffen durchgeführt und Kennwerte für die ungesättigte hydraulische Leitfähigkeit und die Saugspannungs-Wassergehalts-Beziehung ermittelt worden waren, lagen nunmehr belastbare Kennwerte als Eingangsparameter für Simulationsberechnungen vor. Diese wurden in weiteren Untersuchungen von Koukoulidou und Birle (2018) herangezogen, um den Wasserhaushalt von Straßendämmen, die mit technischen Sicherungsmaßnahmen gemäß der Bauweise E nach M TS E (2009) und ohne technische Sicherungsmaßnahmen errichtet werden, zu untersuchen.

Die Berechnungen von Koukoulidou und Birle (2018) wurden mit der Finite-Elemente-Software VADOSE/W der Firma GEO-SLOPE durchgeführt. Das Programm ermöglicht es, unter stationären wie auch unter instationären Bedingungen Sickerwasserströmungen im gesättigten wie ungesättigten Medium abzubilden. Die an der Bodenoberfläche stattfindenden Prozesse (Evaporation, Transpiration, Infiltration) werden von VADOSE/W unter Berücksichtigung der klimatischen Randbedingungen und der zustandsabhängigen Eigenschaften des Bodens (Wassergehalt, Saugspannung) abgebildet.

Für die Berechnungen wurde ein 4 m hoher Straßendamm betrachtet. Die betrachtete Dammhöhe bis zum Planum beträgt 3,2 m und die Höhe des Oberbaus 80 cm. Unter Zugrundelegung der oben beschriebenen Abmessungen wurden zwei Grundmodelle erstellt, welche jeweils einen 2-dimensionalen Querschnitt eines Straßendammes darstellen. Im Grundmodell 1 wurde in Anlehnung an die Bauweise E nach M TS E eine Dränschicht im Straßendamm berücksichtigt (siehe Bild 4), während das Grundmodell 2 als typischer Straßendamm ohne Dränschicht abgebildet wurde (siehe Bild 5).

Bild 4: Straßendamm mit Dränschicht

Bild 5: Straßendamm ohne Dränschicht

4.3 Randbedingungen

Die verwendeten Randbedingungen für beide Grundmodelle sind im Bild 6 dargestellt. An der Modellunterseite wurde eine Randbedingung der ersten Art (Potenzialrandbedingung) angesetzt. Sie entspricht einem bei einer Tiefe von 1 m unterhalb des Straßendammes angenommenen Grundwasserspiegel und ermöglicht die freie Entwässerung des Kerns. Die rechte und linke Seite des Dammes sowie die Fahrbahnoberfläche wurden als undurchlässig betrachtet.

Bild 6: Randbedingungen

Auf dem Bankett und dem Oberboden wurde eine Klimarandbedingung angesetzt. Diese umfasst für jeden Zeitschritt Angaben zur Niederschlagsmenge zur minimalen und maximalen Temperatur, zur minimalen und maximalen Luftfeuchtigkeit, zur mittleren Windgeschwindigkeit und zur Nettostrahlung. Für die Berechnungen wurden dazu Daten vom Deutschen Wetterdienst (DWD) für den Flughafen München für den Zeitraum von 1.10.1992 bis 31.12. 2002 herangezogen.

Der Fahrbahnabfluss wurde im Modell zunächst als zusätzlicher Niederschlag im Bereich des Banketts und des Oberbodens berücksichtigt, wobei eine Verteilung halb auf Bankett und halb auf Oberboden angesetzt wurde. In weiteren Berechnungen wurden Untersuchungen zu einer realitätsnäheren Abbildung des Oberflächenabflusses vorgenommen.

4.4 Bodenkennwerte

Im Rahmen von Vorstudien wurde zunächst untersucht, welchen Einfluss die hydraulischen Kennwerte des Bankettmaterials, des Oberbodens und der Dränschicht auf den Wasserhaushalt haben. In den anschließenden weitergehenden Untersuchungen zum Einfluss unterschiedlicher Kernmaterialien auf den Wasserhaushalt wurden die hydraulischen Kennwerte des Bankettmaterials, des Oberbodens und der Frostschutzschicht gleich angesetzt. Für das Bankettmaterial wurden dabei Kennwerte für einen stark schluffigen Kies (GU* nach DIN 18196, Feinkornanteil ca. 20 %) mit einem gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert von 7,5·10-6 m/s angesetzt. Für die Frostschutzschicht und den Oberboden wurden Kennwerte für einen stark sandigen Kies (GW nach DIN 18196) bzw. einen schluffigen Sand herangezogen. Die gesättigte Durchlässigkeit des Oberbodens wurde mit 1·10-5 m/s abgeschätzt. Die hydraulischen Kennwerte für die Dränschicht wurden entsprechend den Ergebnissen, die im Rahmen der Nachrechnung der Lysimeteruntersuchungen der BASt (Melsbach und Birle, 2018) ermittelt wurden, angesetzt.

Für den Kern wurden die folgenden Materialien betrachtet:

– Boden „BM 1“: stark sandiger Kies (GW nach DIN 18196) mit einem gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert k von 1·10-5 m/s

– Boden „BM 2“: ein von Scharnagl und Durner als stark sandiger Schluff bezeichneter Boden, bei dem es sich nach DIN 18196 aber um einen stark schluffigen Kies (GU*) handelt. Der gesättigte Durchlässigkeitsbeiwert k beträgt 6,6·10-8 m/s.

– RC-Baustoff „RC 2“: ein von Scharnagl und Durner als „Praxisgemisch“ bezeichneter Baustoff, bei dem es sich um einen RC-Mix handeln dürfte. Der gesättigte Durchlässigkeitsbeiwert k beträgt 1,8·10-6 m/s.

– RC-Baustoff „RC 5“: schluffiger Kies (GU nach DIN 18196) mit einem gesättigten k-Wert von 1,2·10-6 m/s

– Hausmüllverbrennungsasche „HMVA 1“: GW nach DIN 18196 mit einem gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert k von 6,4·10-5 m/s

– Hausmüllverbrennungsasche „HMVA 3“: GU nach DIN 18196 mit einem gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert k von 6,3·10-8 m/s

– Stahlwerksschlacke „SWS“: GU nach DIN 18196 mit einem gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert k von 1,2·10-6 m/s

– organischer Ton (OT nach DIN 18196) mit einem gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert k von 1,0·10-8 m/s

Die Saugspannungs-Wassergehalts-Beziehungen und die Leitfähigkeitsfunktionen für die Kernmaterialien sind in den Bildern 7 und 8 dargestellt.

Bild 7: Saugspannungs-Wassergehalts-Beziehungen

Bild 8: Hydraulische Leitfähigkeit

4.5 Berechnungsergebnisse

Im Bild 9 sind die Berechnungsergebnisse für die beiden Modelle, Grundmodell 1 mit Dränschicht als TSM, und Grundmodell 2 als typischer Straßendamm ohne Dränschicht, dargestellt.

Bild 9: Berechnungsergebnisse

Aus den Berechnungsergebnissen lässt sich Folgendes ableiten:

– Die Sickerwassermenge aus dem Straßendamm (Kernabfluss) liegt bei den Modellen ohne Dränschicht (Grundmodell 2, typischer Straßendamm) im Bereich von ca. 29 % bis 39 % (bezogen auf den Niederschlag), solange der Durchlässigkeitsbeiwert des Kernmaterials k ≥ 1·10-8 m/s ist. Erst bei einem Durchlässigkeitsbeiwert k ≤ 1·10-8 m/s nimmt die Sickerwassermenge aus dem Kern deutlich ab. Außerdem zeigen die Berechnungen, dass die Sickerwassermenge bei durchlässigen Materialien (k = 10-6 m/s bis 10-4 m/s) nicht in eine direkte Abhängigkeit vom gesättigten Durchlässigkeitsbeiwert des Kernmaterials gebracht werden kann.

– Die Verwendung einer Dränschicht oberhalb des Kernmaterials führt nicht nur bei den gering durchlässigen Materialien, sondern auch den durchlässigen Materialien zu einer signifikanten Reduktion des Sickerwassers aus dem Kern.

– Die Berechnungsergebnisse am Modell mit Dränschicht belegen, dass der gesättigte Durchlässigkeitsbeiwert des Kernmaterials für die betrachteten, überwiegend durchlässigen Materialien kein geeigneter Indikator ist, um die Höhe der Kerndurchsickerung zu prognostizieren. Die Wirksamkeit der Dränschicht und der sich ergebende Kernabfluss werden dagegen maßgeblich von der hydraulischen Leitfähigkeit des Kernmaterials im ungesättigten Zustand beeinflusst.

– Insbesondere bei gering durchlässigen Bankettmaterialien, auf denen ein Teil des Straßenabflusses oberflächlich abfließt und nicht infiltriert, hat auch der Oberboden einen maßgeblichen Einfluss auf den Wasserhaushalt. Die im Rahmen der Voruntersuchungen durchgeführten Berechnungen zeigen, dass der Oberflächenabfluss sehr stark von der ungesättigten hydraulischen Leitfähigkeitsfunktion des Oberbodens abhängt.

4.6 Ausblick

Sowohl die großmaßstäblichen Versuche der BASt als auch die Berechnungen von Koukoulidou und Birle (2018) haben gezeigt, dass die Durchsickerung eines Straßendammes durch die Anordnung einer Dränschicht maßgeblich reduziert werden kann. In diesem Zusammenhang bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Ansatzes der hydraulischen Eigenschaften von geosynthetischen Dränelementen (Dränmatten) in den Berechnungen. Wie Untersuchungen von Melsbach und Birle (2018) gezeigt haben, reagieren die Berechnungsergebnisse vergleichsweise sensitiv auf unterschiedliche hydraulische Kennwerte für die Dränschicht. Die Arbeitsgruppe 5 hat daher das Projekt „Wirkungsweise von geosynthetischen Dränelementen in mehrschichtigen, ungesättigten Erdbauwerken“ in das G-Forschungsprogramm 2019 eingebracht. Darin soll untersucht werden, inwieweit die Wasserbewegung in Dränmatten im ungesättigten Zustand in Modellrechnungen abgebildet werden kann und mit welchen hydraulischen Kennwerten Dränmatten belegt werden sollten. Hier schließt sich wieder der Kreis, da für die Bestimmung der Eingangsparameter der Simulationsrechnungen das Verhalten der Dränmatten in den großmaßstäblichen Hallenlysimetern untersucht werden soll. 

5 Danksagung und Hinweise

Diesem Beitrag liegen Teile der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter FE-Nr. 05.0147, 84.105, 05.0192 und 05.185 durchgeführten Forschungsarbeiten zugrunde. Die Verantwortung für den Inhalt liegt allein bei den Autoren. 

Literaturverzeichnis

Brand, M.; Tiffert, A.; Endres, M.; Schnell, M.; Marks, T; Kocher, B. (2016): Effizienz technischer Sicherungsmaßnahmen im Erdbau – Untersuchungen von Bauweisen im Freilandlysimetern Teil 1: Untersuchungszeitraum 2010-2013. Bremen. Fachverlag NW. Schriftenreihe der BASt Heft S 103

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2017): Merkblatt über Bauweisen für Technische Sicherungsmaßnahmen beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltsstoffen im Erdbau, Ausgabe 2017 (M TS E). Köln (FGSV 559)

Kellermann-Kinner, C.; Bürger, M.; Marks, T. (2016): Effizienz technischer Sicherungsmaßnahmen im Erdbau – Lysimeteruntersuchungen unter Laborbedingungen Teil 1: Bodenmaterial, Bremen. Fachverlag NW, Schriftenreihe der BASt Heft S 102

Koukoulidou, A.; Birle, E. (2018): Untersuchungen zur Durchsickerung von RC-Baustoffen und industriellen Nebenprodukten bei Bauweisen für technische Sicherungsmaßnahmen Strömungsmodelle zur Simulation der Durchsickerung von Straßenbauwerken mit Implementierung hydrologischer Parameter. Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau, Entwurf des Schlussberichtes zu FE 05.192 vom Oktober 2018

Melsbach, M.; Birle, E.; Heyer, D. (2018): Numerische Modellierung der Lysimeteruntersuchungen der BASt. Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau, 2. Zwischenbericht zu FE 05.185/2014/CRB

Michaelides, G.; Koukoulidou, A.; Birle, E.; Heyer, D. (2013): Strömungsmodelle zur Simulation der Durchsickerung von Straßenbauwerken mit Implementierung hydrologischer Parameter. Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau, Forschungsbericht zu FE 84.105/2009 vom August 2013

Scharnagl, B.; Durner, W. (2014: Bestimmung von Wassergehalts-Saugspannungsfunktionen für Böden, RC-Baustoffe und HMVA. Schlussbericht zum Forschungs- und Entwicklungsvorhaben FE 05.162/2011/LRB.

Schweller, G.; Birle, E.; Heyer, D. (2009): Geohydraulische Bewertung technischer Sicherungsmaßnahmen beim Einsatz von Böden und Baustoffen mit umweltrelevanten Inhaltstoffen im Erdbau. Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau, Schlussbericht zum Forschungsvorhaben FE 05.147/2007/CGB vom Oktober 2009.