FGSV-Nr. FGSV C 12
Ort Bamberg
Datum 05.03.2013
Titel Bericht zum Stand der europäischen Normung „Erdarbeiten“
Autoren Akad. Dir. Dr.-Ing. Dirk Heyer, Dipl.-Geol. Thomas Leister, Dipl.-Ing. Wolfgang Vogel
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Von der französischen Normungsinstitution AFNOR wurde 2007 beim CEN ein Antrag auf die Einrichtung eines CEN TC zum Thema ,,Erdarbeiten" gestellt. Begründet wurde der Antrag mit der Notwendigkeit, zur Vermeidung von Handelshemmnissen sowie zur Verbesserung der Nutzung und Schonung von natürlichen Ressourcen in den EU-Ländern einheitliche Grundlagen für die Durchführung von Erdarbeiten einzuführen. Nach Prüfung des Antrages in einer dazu eigens eingerichteten Arbeitsgruppe BT/WG 203 wurde Ende 2009 vom CEN die Einrichtung eines nicht mandatierten TC 396 ,,Erdarbeiten" unter der Leitung von AFNOR beschlossen. Von deutscher Seite wird für eine Arbeitsgruppe des TC zur Bearbeitung der Thematik ,,Klassifizierung von Boden und Fels" das Sekretariat durch das DIN gestellt. Außerdem wurde im DIN ein nationaler Spiegelausschuss NABAU 005-05-22 ,,Erdarbeiten" als Gemeinschaftsausschuss mit der FGSV eingerichtet. In diesem Beitrag werden die Zielsetzungen des CEN TC 396 nach derzeitigem Stand sowie Hintergründe zur Einrichtung und zur Arbeitsweise des TC dargestellt.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einführung

Die Europäische Union umfasst derzeit (Stand April 2013) 27 Mitgliedsstaaten und verwaltet ein Budget von ca. 1 Billion Euro. Mit der sogenannten Osterweiterung im Jahr 2004 um 10 Staaten mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien (sowie Malta und Zypern) und der Erweiterung im Jahr 2007 mit Bulgarien und Rumänien, entstand ein hoher Bedarf an Infrastrukturmaßnahmen innerhalb dieser Länder, verbunden mit einer intensiven Bautätigkeit im Verkehrswegebau. Die neu zu erstellenden größeren Verkehrswege wurden EU-weit ausgeschrieben, so dass bei der Bauausführung auch Unternehmungen der Bauindustrie aus den in der EU bereits etablierten Staaten in wesentlichem Umfang beteiligt waren.

Bei diesen Aktivitäten verdeutlichten sich die Vorteile von einheitlichen europäischen Regelungen in allen Tätigkeitsfeldern des Tief- und Hochbaus; andererseits wurde durch sie erkennbar, in welchen Bereichen europäische Regelungen zur verbesserten Abwicklung von Projekten innerhalb der EU fehlen.

Das Fehlen gemeinsamer Regelungen hat u. a. bei zahlreichen Projekten dazu geführt, dass Ausschreibungen individuell ohne Bezug auf europäische Regelungen erfolgten und damit die Beteiligung von Unternehmen anderer Länder der EU außerhalb des betroffenen Landes und die Projektumsetzung für diese erschwert wurden. Dies trifft insbesondere auch auf die Durchführung von Erdarbeiten zu, für die einheitliche europäische Regelungen bisher nicht vorliegen. Es wurden daher seitens der Bauindustrie, insbesondere derjenigen Frankreichs, Initiativen entwickelt, entsprechende europäische Regelungen zu erarbeiten.

2 Entwicklung des CEN TC 396 ,,Erdarbeiten"

2.1 Antragsstellung durch AFNOR

Im Jahr 2007 wurde auf Betreiben der französischen Bauindustrie mit deren umfassenden Kapazitäten für Auslandsgeschäfte von der französischen Normungsinstitution AFNOR (Association Francaise de Normalisation) ein Antrag auf die Erstellung einer Europäischen Norm zu ,,Erdarbeiten" beim CEN (Comité Européen de Normalisation) gestellt. Begründet wurde der Antrag mit der hohen Bedeutung von Erdbauprojekten hinsichtlich Finanzierungsaufwendungen sowie hinsichtlich Auswirkungen auf die Umwelt und Anforderungen an die Nachhaltigkeit. In dem Antrag wurde formuliert (sinngemäß vom Erstautor dieses Beitrags übersetzt), dass ,,in bestimmten Länder innerhalb der EU-Normen existieren würden, die von amerikanischen Regelungen (USCS, HRB) aus den 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts stammen und die den Erfahrungsstand aus europäischen Großprojekten der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts außer Acht lassen. Andererseits gäbe es Länder mit fortgeschriebenen Regelungen, die sich allerdings auf nationale Regelungen stützen und nicht auf andere Länder übertragbar seien. Durch eine europäische Normung könnten diese Methoden unterschiedlich gewichtet werden und Alternativen zu weniger effektiven nationalen Regelungen bilden, womit sich ein wesentlicher Anschub für den Erdbau in Europa ergeben würde."

Entsprechend des AFNOR-Antrages sollten folgende Aufgaben in einer Norm behandelt werden:

– ­ Definition einheitlicher Bezeichnungen, ­

– Harmonisierung von Versuchen zur Charakterisierung von Böden deren Eigenschaften,

–­ Definition von Methoden und Versuchen für die Qualitätskontrolle.

Mit einer europäischen Norm sollten die folgenden Ziele erreicht werden:

–­ Verbesserung des Erdbauniveaus in europäischen Ländern, ­

– Vermeiden von Handelshemmnissen, ­

– Verdrängen von überholten Verfahrensweisen und Ersetzen durch moderne Methoden,

–­ Stärkung der europäischen Wirtschaftskraft.

In dem Antrag wurde auch darauf verwiesen, dass Verbindungen zu mehreren CEN TC hergestellt werden müssten, um Überschneidungen zu vermeiden.

Der Antrag wurde den nationalen Normungsgremien der Mitgliedsländer der EU zur Bewertung und zur Abstimmung über eine Annahme vorgelegt. Mit Ausnahme der Normungsvertretungen von Deutschland, Großbritannien und Finnland wurde die Antragsstellung befürwortet.

Die Ablehnung Deutschlands erfolgte im Wesentlichen mit der Begründung, dass Europäische Normen aus dem Bereich des CEN TC 154 ,,Zuschlagsstoffe", des CEN TC 189 ,,Geokunststoffe", des CEN TC 227 ,,Straßenbaustoffe", des CEN TC 288 ,,Ausführung von besonderen geotechnischer Arbeiten" und des CEN TC 341 ,,Geotechnische Untersuchungen und Versuche" bereits auf dem Gebiet der Erdarbeiten tätig seien und ein weiterer Ausschuss zu Doppelarbeit und Koordinierungsproblemen führen könnten.

2.2 Vorbereitung des Normungsvorhabens

Mit den genannten nationalen Ablehnungen war nach den Regularien des CEN der Antrag von AFNOR insgesamt formal abgelehnt. Aufgrund einer von AFNOR vorgelegten Überarbeitung des Antrages mit Darstellung des Erdbaus als eigenständiges, von besonderen technischen Randbedingungen geprägtes und bedeutendes Arbeitsgebiet des Bauingenieurwesens und aufgrund der bereits in der ersten Resolution des CEN geäußerten Erwartung, dass ein europäisches Normungsvorhaben Vorteile für die EU bringen könnte, wurde vom Kontrollgremium des CEN (Technical Board (BT)) dennoch Ende 2007 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe (CEN/BT WG 203) beschlossen. Die Arbeitsgruppe sollte unter der Leitung von AFNOR

–­ die Arbeitsgebiete abklären, das mit dem Begriff ,,earthworks (Erdarbeiten)" abgedeckt werden soll, ­

– untersuchen, ob es für diese Arbeitsgebiete Normungsbedarf gibt und gegebenenfalls definieren, worin dieser unter Berücksichtigung vorhandener Normen noch besteht,

­ – identifizieren, in welchen CEN-Gremien verwandte Themen bereits behandelt werden, um Doppelarbeit zu verhindern.

Entsprechend dieses Beschlusses wurden von AFNOR die Arbeitsgruppe über eine Anfrage zur Beteiligung bei den nationalen Normungsstellen installiert. Die Leitung wurde an Prof. Jean-Pierre Magnan übertragen, der bereits bei der Beantragung maßgeblich beteiligt war.

Von deutscher Seite wurde im DIN beschlossen, interessierten Gruppen eine Beteiligung an der Arbeitsgruppe zu empfehlen und ­ soweit möglich ­ dort den beschlossenen Standpunkt, auf eine Erdbaunormung zu verzichten, zu vertreten. Außerdem sollte die Entwicklung innerhalb des Bewertungsausschusses in Hinblick auf vorgesehene Inhalte einer europäischen Norm verfolgt werden. Zugleich wurde im DIN eine Betreuungsgruppe eingerichtet, der Vertreter der Bauindustrie, der Bauherren Straße, Wasserstraßen und Bahn sowie der Universitäten angehörten.

In der Arbeitsgruppe WG 203 wurde von Anfang an deutlich, dass in dieser von einer Mehrheit eine Europäische Norm ,,Erdarbeiten" befürwortet wurde und entsprechende Empfehlungen ausgearbeitet werden sollten. Ein entsprechender Wunsch lag von einigen der neuen Mitgliedsstaaten der EU vor, der vor allem auch von Frankreich unterstützt wurde. Es wurde deshalb der Entwurf ein Geschäftsplan (,,business plan") erarbeitet, in dem Einzelheiten für eine europäische Normung empfohlen wurden.

Entsprechend dem Vorschlag der deutschen Vertreter der BASt und der Deutschen Bahn wurde in den Geschäftsplan außerdem aufgenommen, ­

– dass eine Europäische Norm ,,Erdarbeiten" eine weitere Anwendung bestehender national allgemein anerkannter Regelungen in den Mitgliedsländern weitgehend ermöglicht (im Sinne eines ,,umbrella standard" analog zu den Regelungen des EC 7),

– dass eine Europäische Norm ,,Erdarbeiten" keine Regelungen zu Anforderungen an Erdbauwerke enthält, die im Sinne des EC 7 der Bemessung zur Absicherung der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit (z. B. Böschungsneigungen, z. B. Verdichtungsanforderungen) dienen.

Mit der erstgenannten Forderung soll sichergestellt werden, dass der Erfahrungsstand der Länder auch in deren Regelungen erhalten bleiben kann. Dem wurde auch allgemein zugestimmt. Damit konnte die zunächst vorhandene Befürchtung, dass eine europäische Normung zu Konflikten bei der nationalen Umsetzung führen würde, zunächst ausgeräumt werden. Die weitere Forderung ist aus Sicht der Bauherren unerlässlich, da wegen unterschiedlicher Nutzungsanforderungen der verschiedenen Verkehrsträger einheitliche Regelungen nicht oder zumindest nicht ohne langwierige Abstimmungsprozesse möglich sind. Diskussionen ergaben sich dazu in Hinblick auf den Begriff ,,design", der ebenso wie die deutsche Übersetzung ,,Entwurf" in unterschiedlichen, zum Teil widersprüchlichen Bedeutungen verwendet werden kann.

Für die europäische Erdbaunormung soll ,,design" die Konzeption und Planung zur Durchführung von Erdarbeiten bedeuten; außerdem sollen der Begriffe ,,earthworks (Erdarbeiten)" für die Durchführung von Erdarbeiten vom Begriff ,,earth structure (Erdbauwerk)" unterschieden werden. Diese einschränkende Definition ist im englischsprachigen Raum bisher nicht üblich und daher bei der weiteren Normungsarbeit in ihrer Anwendung zu überprüfen.

2.3 Gründung des CEN TC 396

Auf der Basis der Feststellungen der CEN/BT WG 203, wonach

–­ ­ ­ ­ Erdarbeiten ein eindeutig definiertes, wirtschaftlich relevantes Arbeitsgebiet sind, für das Europäische Normen nicht vorliegen,

– Europäische Normen zu Erdarbeiten von Erdbaufachleuten in einem neuen Komitee erstellt werden sollten,

– ein neues Normungskomitee ,,Erdarbeiten" nicht in Konflikt mit vorhandenen Gremien steht,

– eine Europäische Norm ,,Erdarbeiten" Vorteile für die Mitgliedsländer der EU bei der Durchführung von Erdarbeiten bringen kann,

wurde vom CEN/BT Mitte 2009 die Einrichtung eines neuen CEN TC 396 beschlossen.

Der beauftragte Inhalt einer europäischen Norm wird mit folgenden scope definiert: ­

– Terminologie für Erdarbeiten ­ ­ ­ ­ ­

– Versuche zur Charakterisierung von Böden und Fels einschließlich bindemittelverbesserter Böden mit Labor- und Feldmethoden für die Durchführung von Erdarbeiten

– Klassifizierungssysteme für die Herstellung von Erdbauwerken mit dem Ziel eines einheitlichen Klassifizierungssystems oder der Regelung von Grundlagen für Klassifizierungen

– Charakterisierung der Eigenschaften zum Lösen (,,excavatability"), Herstellvorgänge,

– Qualitätskontrolle und Überwachung.

Ferner wurde im Beschluss des CEN/BT festgelegt, dass das Sekretariat des CEN TC 396 an AFNOR übertragen wird, von dem die nationalen Normungsinstitutionen zur Mitwirkung aufgefordert wurden. Vom DIN wurden hierfür mit deren Zustimmung die Autoren dieses Beitrags benannt.

Die konstituierende Sitzung des CEN TC 396 fand im Sept. 2009 in Paris statt. An dieser Sitzung nahmen Vertreter von Belgien (Teilnehmerzahl: 1), Dänemark (1), Deutschland (2), Frankreich (7), Großbritannien (2), Niederlande (2), Norwegen (2), Schweden (2), Spanien, Tschechische Republik (1) teil.

Als Obmann des CEN TC 396 wurde GUY RAOUL, der französische Bauindustrieverbände vertritt, vorgeschlagen und gewählt. Weiterhin wurde die Einrichtung von 5 Arbeitsgruppen und deren Leitung sowie zugeordneter nationaler Sekretariate beschlossen: ­ ­ ­ ­ ­

– WG 1 General Matters (Leitung JEAN-PIERRE MAGNAN, Frankreich)

– WG 2 Soil - and Rock Classification (Leitung WOLFGANG VOGEL, Deutschland)

– WG 3 Construction Procedures (Leitung THIERRY MOLLIERS, Frankreich)

– WG 4 Qualitiy Control and Monitoring (Leitung ALEX KIDD, Großbritannien)

– WG 5 Hydraulic Fill (Leitung JOOP VAN DER MEER, Niederlande).

Die Strukturierung der ersten 4 Arbeitsgruppen (Working group ­ WG) erfolgte bereits im Vorfeld der konstituierenden Sitzung. Dabei wurde Deutschland die Leitung der Arbeitsgruppe 2 angetragen mit der Bitte, dass Deutschland auch das Sekretariat für diese Arbeitsgruppe stellt.

Die Arbeitsgruppe WG 5 ,,Hydraulic Fill" war zunächst im Ergebnis der Voruntersuchungen in der WG 203, die sich überwiegend mit Erdbau für Landverkehrswege und Wasserstraßen befasste, nicht vorgesehen. Sie wurde auf Antrag der Niederlande unter anderem bei der konstituierenden Sitzung ergänzend festgelegt. Die Einbindung der in dieser Arbeitsgruppe zu entwickelnden Normen in das Normungspaket ,,Erdarbeiten" ist gegenwärtig noch Gegenstand von Diskussionen.

Die jeweiligen Arbeitsgruppen setzen sich aus ca. 10 Mitgliedern, vorrangig aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, Niederlande, Belgien sowie den skandinavischen Ländern zusammen.

Die Arbeitsgruppe 1 soll Grundsätze für die Durchführung von Erdarbeiten aufstellen sowie die Koordination der Arbeitsgruppen sicherstellen. Außerdem erfüllt die Arbeitsgruppe Querschnittsfunktion die Vorbereitungen der jährlichen Sitzungen des Hauptausschusses.

In den weiteren Arbeitsgruppen sollen Entwürfe von Europäischen Normen erarbeitet werden. Dazu wurde in einer der folgenden Sitzungen des Hauptausschusses die im Bild 1 dargestellte Strukturierung einer Europäischen Norm mit 8 Teilen festgelegt.

Bild 1: Vorgesehene Normen für ein Normenpaket ,,Erdarbeiten"

Weitere Beschlüsse der konstituierenden Sitzung betrafen die Benennung von Kontaktverantwortlichen zu den CEN Gremien TC 341, TC 288, TC 227, TC 256, TC 250, TC 154, TC 351, TC 345, TC 292, TC 189 sowie TC 151, um die Abgrenzung der Arbeiten im CEN TC 396 von den Aktivitäten der genannten Kommitees sicherzustellen. Wie sich aus der späteren Normungsarbeit ergab, wurden Abgrenzungen insbesondere zu TC 227, dort SC 4 erforderlich, um Doppelregelungen bei der Bodenbehandlung mit Bindemitteln zu vermeiden.

2.4 Einrichtung und Aktivitäten des DIN Spiegelausschusses

Nachfolgend zu der konstituierenden Sitzung des CEN TC 396 wurde vom Lenkungsgremium ,,Grundbau; Geotechnik" im DIN die Übernahme des Sekretariats für die WG 2 durch das DIN bestätigt sowie die Einrichtung eines Arbeitsausschusses als Spiegelausschuss zu den Aktivitäten des CEN TC 396 beschlossen. Die konstituierende Sitzung des Spiegelausschusses fand im Januar 2010 in Berlin auf Einladung des DIN-Sekretariats statt. Der Ausschuss trägt die Bezeichnung NABau 005.05.22 ,,Erdarbeiten" ­ Gemeinschaftsausschuss mit der FGSV" (Leitung zunächst R. Hillmann, BASt, jetzt D. Heyer, Zentrum Geotechnik, TU München). Mitarbeiter des Ausschusses sind neben den für die Tätigkeiten in den Arbeitsgruppen des TC 396 benannten bzw. bestätigten Mitarbeitern Vertreter von interessierten Kreisen nach den Regularien des DIN. In dem Ausschuss werden die Aktivitäten des CEN TC erörtert und nationale Empfehlungen für die CEN TCTätigkeit gegeben.

3 Grundlagen für die europäische Normung zu Erdarbeiten

3.1 Normungsgegenstand

Wie insbesondere von deutscher Seite gefordert, soll eine Europäische Norm Regelungen für die Herstellung von Erdbauwerken enthalten. Dies entspricht den Regelungen im geotechnischen Ingenieurbau mit Normen des TC 288 zur Herstellung von geotechnischen Bauteilen.

Mit dieser Vorgabe können die Aufgaben für eine Normung wie folgt definiert werden:

– ­ ­ Charakterisieren und Klassifizieren der Erdbaustoffe,

– Herstellen (construction procedure),

  ● Lösen/Entnahme (excavation)

  ● Laden/Fördern (transport)

  ● Behandeln/Aufbereiten (treatment)

  ● Einbauen (placing)

  ● Verdichten (compaction) ­

– Qualität sichern (quality control),

  ● Überwachung des Arbeitsverfahrens (procedure control)

  ● Prüfung der erzielten Qualität (end product control).

Nach dieser Definition gehören Baugrunduntersuchungen zur Gründungsbeurteilung ebenso wie die Planung und die Bemessung von Erdbauwerken (,,earth structures") nicht zum vorgesehenen Regelungsumfang.

3.2 Stand nationaler Regelungen zu Erdarbeiten

Bei der Erstellung europäischer Normen zu Erdarbeiten kommt der Einbeziehung nationaler Regelungen besondere Bedeutung zu. Im Folgenden wird deshalb die Regelungssituation in ausgewählten Ländern kurz dargestellt. ­

– Deutschland

Zur Durchführung von Erdarbeiten gelten im Bereich des Straßenbaus die Regelungen der ZTV E-StB der FGSV, bekanntgeben durch das BMVBS mit Einführung durch die Länder. Zugleich enthält die ZTV E-StB auch erdbautechnische Anforderungen an den Einbau, die gleichrangig neben Nachweisanforderungen der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit nach den Bemessungsregeln des EC 7 stehen bzw. diese ersetzen können.

Auch die DB Netz verweist in ihrem Regelwerk Ril 836 auf die ZTV E-StB als mitgeltende Regelung hinsichtlich der Durchführung von Erdarbeiten, stellt jedoch differenzierte, teilweise von der ZTV E-StB abweichende Anforderungen an den Einbau. Inhalt der ZTV E-StB sind unter anderem Anforderungen an die Durchführung und die Qualitätssicherung. Neben der ZTV E-StB sind in zahlreichen Merkblättern Empfehlungen zu einzelnen Fragestellungen bei der Durchführung von Erdarbeiten zusammengestellt. Technische Festlegungen, wie z. B. Verdichtungsgeräte einzusetzen sind, sind durch Regelwerke in Deutschland nicht vorgegeben.

Zur Klassifizierung liegen die DIN-Normen DIN 18196 (Gruppierung von Böden) mit Bodengruppen, die auf der Basis von Feststoffparametern (,,intrinsic properties") erfolgt, und die DIN 18300 (Boden- und Felsklassen) mit Festlegungen von 7 Klassen auf der Basis von Korngrößen, Plastizitäten und Konsistenzen für Böden und von Kluftkörperkubaturen für Fels (,,state properties").

Für die Festlegung von Anforderungen zum Einbau wird in der Regel die Gruppenbildung nach DIN 18196 zugrunde gelegt, die durch weitere erdbautechnische Kenngrößen nach Anwendungsfall spezifiziert werden. Eine weitergehende Klassenbildung erfolgt in den Regelungen der ZTV E-StB oder der Ril 836 nicht.

Die Klassenbildung nach DIN 18300 ­ dies ist auch für die europäische Normung von Bedeutung ­ ist derzeit in Frage gestellt und soll durch eine projektspezifische Zusammenfassung von Böden/Fels gleicher physikalischer und mechanischer Eigenschaften in Homogenbereiche ersetzt werden (siehe auch weitere Beiträge der Tagung zu diesem Themenkomplex).

Mit der Einführung von Homogenbereichen soll das starre Klassensystem der DIN 18300 aufgehoben werden, das den technischen Möglichkeiten für die Durchführung von Erdarbeiten, insbesondere beim Lösen von Fels, nicht gerecht wurde.

Die Beschreibung und Benennung von Böden erfolgt in Deutschland inzwischen auf Basis der Europäischen Normen DIN EN 14688 und DIN EN14689. Diese Normen sind auch Grundlage für die europäische Normung earthworks.

Als Normen zur Versuchsdurchführung und Bestimmung von physikalischen und mechanischen geotechnischen Parametern zur Charakterisierung von Böden oder Fels sind in Deutschland überwiegend die seit Jahrzehnten anerkannten Normen der DIN 181xx-Reihe gebräuchlich. Hier werden sich durch die inzwischen vorhandenen bzw. zu erwartenden europäischen Normen, die auch in eine Europäische Norm für Erdarbeiten übernommen werden müssen, längerfristig Änderungen ergeben.

– Frankreich

Auch in Frankreich werden die Erdbauaktivitäten auf der Basis von Regelungen durchgeführt, die im Wesentlichen durch den Straßenbau geprägt sind. Hierzu sind bereits vor mehreren Jahren Regelungen durch das Laboratoire Central des Ponts et Chaussées (LCPC) erarbeitet worden, großenteils unter Federführung von Prof. Jean-Pierre Magnan, Obmann der für Grundsatzfragen zuständigen Arbeitsgruppe TC 396 WG1 und zuvor Obmann der Bewertungsgruppe WG 203 für das CEN BT. Diese Regelungen entsprechen in etwa denjenigen der ZTV E-StB, gehen jedoch deutlich mehr in technische Details der Baudurchführung z. B. hinsichtlich Geräteeinsatz, meteorologischer Randbedingungen beim Einbau, Bodenbehandlungsmethoden.

Auch die Klassifizierung ist in Frankreich in einer Norm geregelt (NF P 11 300), die 1992 von AFNOR herausgegeben wurde. Abweichend vom Regelungsstand in Deutschland ist dort eine Klassifizierung mit Bezug auf den Einbau, die die Erstellung eines Erdbauwerkes regelt. Dabei wird zunächst eine Klassifikation analog zu DIN18196 mit Bodengruppen auf Basis der Granulometrie und der Plastizität vorgenommen. Anstelle einer Zuordnung zu Schluff oder Ton entsprechend dem Casagrande-Diagramms wird der Anteil quellfähiger Tonminerale des feinkörnigen Bodens durch das Aufnahmevermögen des Farbstoffes Methylenblau bestimmt. Neben diesen bekannten Parametern wird weiterhin eine Unterscheidung nach Parametern der Einzelkornfestigkeit und Verwitterungsbeständigkeit (z. B: mit dem Los Angeles-Versuch) sowie nach einem ,,Feuchtegrad" (sehr trocken bis sehr nass) getroffen. Damit ergeben sich über 100 Klassen und Unterklassen.

Die französische Norm enthält außerdem eine Klassifikation von Fels mit Gruppen, die nach petrographischen Merkmalen unterschieden werden, sowie je nach petrographischer Bestimmung Unterklassen mit Parametern der Dichte und Parametern der mechanischen Widerstandsfähigkeit sowie der Feuchtigkeit und dem Anteil löslicher Stoffe. Es ergeben sich damit ca. 35 Klassen und Unterklassen.

Weitere Regelungen beinhalten eine Zuordnung von Verdichtungsgeräten und den erforderlichen Verdichtungsaufwand zu den als Bauherrenanforderungen definierten geforderten Verdichtungsgraden oder anderen Bestimmungsgrößen. Damit soll die Kalkulierbarkeit des erforderlichen Geräteeinsatzes bei den zu verwendenden Böden über die Klassifikation ermöglicht werden. Entsprechende Angaben sind Ergebnis der Auswertungen langjähriger und großräumiger Baustellenversuche. Sie werden allerdings selbst von französischer Seite aufgrund der fortgeschrittenen Gerätetechnik und der fehlenden Zuordnung zu einem normativ abgesicherten Geräteverhalten als nur noch eingeschränkt anwendbar bzw. als überholt bezeichnet.

– Großbritannien

In Großbritannien ist im Jahr 2009 nach der Antragstellung für eine europäischen Normung zu Erdarbeiten ein Code of Practice zu Erdarbeiten (BS 6031:2009) neu erschienen. (Hierin kann auch eine Begründung für Ablehnung eines europäischen Normungsvorhabens durch Großbritannien gesehen werden).

Der Code of Practice mit einem Umfang von ca. 130 Seiten beschreibt die Durchführung von Erdbauprojekten generell sowie die Durchführung von Erdarbeiten einschließlich Konstruktion und Bemessung der Erdbauwerke selbst. Dargestellt werden die Verantwortlichkeiten von Projektbeteiligten ebenso wie die Bezüge auf europäische Leitlinien zum Umweltschutz. Zur Durchführung von Erdarbeiten werden z. B. die bodenmechanischen Grundlagen des Verhaltens von Erdkörpern sowie Grundlagen der Verdichtungstechnik und die Grundlagen zu Klassifizierungen sowie zur Qualitätssicherung beschrieben. Ein weiterer Abschnitt des Code of Practice behandelt die Erstellung von Baugruben und Gräben. Prinzipiell sind diese Darstellungen entsprechend der britischen Praxis als Leitlinien für die Beteiligten unterschiedlicher Seiten an Erdbauprojekten konzipiert. Der Code of Practice verdeutlicht auch die große Spannweite von geotechnischen Aufgabenstellungen, die unter dem Begriff ,,Erdarbeiten" zusammengefasst werden.

Konkrete Angaben zur Durchführung von Erdarbeiten im engeren Sinn enthalten die Regelungen der Highway Agency (SHW: Specifications für Highway Works). Dort sind auch Klassifizierungen zu finden. Diese basieren auf vereinfachten Gruppierungen mit 9 Gruppen und beziehen sich wie auch die französische Norm auf die Verwendbarkeit innerhalb von Erdbauwerken. Wesentlicher Bestandteil für die Entscheidung über die Verwendung von Materialien ist eine eingehende Beschreibung einschließlich Versuchen, mit denen mechanische Parameter bestimmt werden, die für das zu erstellende Bauwerk erforderlich sind. Eine Klassifizierung ist dabei eher nachgeordnet.

Hinsichtlich der Qualitätssicherung wird von britischer Seite dargestellt, dass derzeit noch vorrangig das Verfahren der ,,end product control", das heißt Abnahmeprüfungen an eingebauten Schichten verwendet wird. Zunehmend wird aber das Verfahren mit vorheriger Ermittlung von Einbauparametern wie Anzahl Überfahren und Lagendicken durchgeführt (,,procedure control") eingesetzt. Das Verfahren der FDVK kommt dabei ebenfalls zum Einsatz.

3.3 Zusammenfassung

Die vorgestellten Beispiele machen das unterschiedliche Regelungsniveau und auch die unterschiedlichen Zielsetzungen deutlich, die innerhalb der Länder der EU zu erwarten sind und die bei einer europäischen Normung von Erdarbeiten zu berücksichtigen sind. Diese deutlichen Unterschiede setzen auch einer kurzfristigen einheitlichen europäischen Normung von Erdarbeiten einerseits Grenzen, andererseits bestätigen die Beispiele, dass für europaweit auszuschreibende Projekte die Schaffung einheitlicher Standards, zumindest in Form von Zusammenstellungen verschiedener akzeptabler Varianten als ,,umbrella-Norm" im Sinne einer Beseitigung von Handelshemmnissen, sinnvoll sein kann.

4 Stand der Aktivitäten im CEN TC 396

Nach der konstituierenden Sitzung des CEN TC im Jahr 2009 haben die 5 Arbeitsgruppen WG 1 bis WG 5 ihre Tätigkeiten für die Entwicklung von Normtexten aufgenommen. Die Arbeitsergebnisse werden in jährlich stattfindenden Sitzungen des Hauptausschusses vorgestellt und erörtert. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Arbeitsgruppen noch überwiegend mit Materialsammlung, Strukturierung und Definition von normativen Regelungen befasst sind. Zum Stand bei den vorgesehenen Arbeitspaketen lässt sich Folgendes mitteilen.

–­ Teil 1: Grundsätze

Hierfür wurde von der WG 1 ein Entwurf auf der Basis des britischen Code of Practice erstellt. Er wird unter anderem Begriffsdefinitionen enthalten und die für die Durchführung von Erdarbeiten erforderlichen Prozessschritte wie Erkundung, Klassifizierung, Ausführung, Qualitätskontrolle verbindlich festlegen. ­

– Teil 2: Klassifizierung

Grundsätzlich kann eine Europäische Norm zur Klassifizierung nur Grundlagen angeben, mit denen eine Klassifizierung national oder projektorientiert aufgestellt werden darf und eine Klassifizierung von Materialien durchgeführt werden kann. Einigkeit bestand darüber, dass eine Gruppierung von Boden und Fels analog zu DIN 18196 auf der Basis der DINEN 14688 vorgegeben werden soll. Nach derzeitigem Stand soll eine Gruppierung nach dem Bild 2 vorgegeben werden.

Für eine Klassifizierung sollen diese Gruppen verwendet werden. Keine Einigung konnte über eine Gruppierung nach Korngrößenabstufung erzielt werden, die deshalb nicht in die Gruppenbildung aufgenommen wurde. Eine Definition für organische Böden fehlt, da hierfür weder einheitliche Versuche zur Bestimmung organischer Anteile noch einheitliche Grenzwerte vorliegen. Aufgenommen wurde eine von Frankreich vorgeschlagene Korrelation zwischen Casagrande-Plastizitätswerten und Methylenblau-Werten.

Für eine Klassifizierung auf der Basis von Stoffparametern wird empfohlen werden, zusätzlich Parameter der Festigkeit und Beständigkeit von grobkörnigen Kornanteilen zu bestimmen. Aus diesem Grund ist auch keine Aufnahme von Fels in diese Gruppierung aufgenommen, da einerseits die Verwendung von Felsmaterial hinsichtlich der maximalen Korngröße begrenzt wird und andererseits eine Klassifizierung über die Festigkeits- und Beständigkeitseigenschaften erfolgen kann. Dies kann bei entsprechender Umsetzung als wesentlicher Fortschritt gegenüber der derzeit geltenden DIN18196 eingeschätzt werden.

Bild 2: Vorgesehene Gruppierung von Böden in einer Europäischen Norm für Erdarbeiten

Für ein Klassifizierungssystem auf Basis zusätzlicher Zustandsparameter werden diese benannt, ebenso die Parameter, die als ingenieurtechnische Parameter für eine Charakterisierung des Materialienverhaltens im eingebauten Zustand zweckmäßig sein können. Darüber hinaus sollen für eine Klassifizierung keine weiteren Regelungen aufgenommen werden. Der ,,deutsche Weg" mit der Bildung von Homogenbereichen ist damit ebenfalls abgedeckt.

Ergänzt wird der Teil 2 um eine Zusammenstellung von europäischen Versuchsnormen, die für Erdarbeiten relevant sein können. Dies sind neben Normen des CEN TC 341 auch Normen aus anderen Bereichen wie z. B. CEN TC 154 Zuschlagsstoffe. Fehlende Versuchsnormen z. B. zur Bestimmung des organischen Anteils müssen noch entwickelt werden. Hierzu sind Abstimmungen mit anderen CEN-Gremien vorgesehen.

–­ Teile 3 bis 8

Auf eine Einzeldarstellung dieser Teile wird im Rahmen dieses Berichtes verzichtet. Generell liegen bisher noch keine geschlossenen Normentwürfe vor. Einzelne bereits diskutierte Vorschläge betreffen die Behandlung von Böden mit Bindemitteln unterschiedlicher Art sowie den Einsatz der FDVK zur Qualitätssicherung. Zur Ausführung sollen insbesondere Regelungen bei der Verwendung von Ausbruchsmaterialien mit geringer Festigkeit getroffen werden.

Insbesondere für die Teile 3 und 5 bis 8 ist die Erstellung von Normtexten wegen des Fehlens geeigneter nationaler Vorlagen erschwert. Hier müssen Normen neu erstellt werden. Dies stößt bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen und der Mitarbeit auf freiwilliger Basis an Grenzen.

5 Zusammenfassung

– Die derzeitige Situation der Durchführung von Erdarbeiten innerhalb der Europäischen Union ist von regional und national deutlich unterschiedlichen Verfahrensweisen und Regelungen geprägt.

– Eine einheitliche Grundlage für die Vergabe und Durchführung von Erdarbeiten ist im Sinne der Beseitigung von Handelshemmnissen innerhalb der EU von politischem, von wirtschaftlichen und auch von technischem Interesse für alle Mitgliedsstaaten.

– Die derzeit eingeführten nationalen Verfahrensweisen werden nicht in Frage gestellt. Europäische Regeln sollen zunächst im Sinne von ,,umbrella"-Regelungen die wesentlichen nationalen Erfahrungen sammeln und zur Anwendung allen Ländern der EU zur Verfügung gestellt werden.

– Die europäischen Regelungen zum Erdbau sollen nur Regelungen zur Durchführung von Erdarbeiten im Sinne von Herstellungsregeln enthalten. Regelungen zur Absicherung von Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit mit anwenderbezogenen Anforderungen sind nicht vorgesehen.

– Die europäische Normung zu Erdarbeiten steht weiterhin noch am Anfang.

– Eine europäische Normung ,,Erdarbeiten" kann auch für Länder mit etablierten Erdbauregelungen ein Gewinn sein.

– Eine europäische Normung kann Anstoß für neue technische Entwicklungen im Erdbau sein.