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1 Einleitung
Betonfahrbahndecken können nach der Theorie der Platte auf elastischer Unterlage dimensioniert werden. Dabei werden die an der Oberseite einer Betondecke einwirkenden Verkehrslastspannungen von einem Plattensystem aufgenommen, das auf elastischer Bettung liegt. Diese elastische Bettung wird gemäß dem Stand der Technik mit einem Bettungsmodul idealisiert. Zusätzlich zu den auftretenden Verkehrslastspannungen treten jedoch auch noch andere Spannungsverhältnisse auf. Die unterschiedlich einwirkenden Spannungen mit unterschiedlichen Auftretenshäufigkeiten sind im Rahmen der Dimensionierung den widerstehenden Spannungskenngrößen gegenüber zu stellen. Dabei gilt es die richtige Kenngröße auf der einwirkenden Seite als auch auf der widerstehenden Seite zu finden, so dass auch eine beanspruchungskonforme Dimensionierung der Betonfahrbahnen erfolgen kann.
2 Von der Einwirkung zur Beanspruchung
Betonfahrbahnen werden durch innere und äußere Einwirkungen beansprucht. Zu den inneren Einwirkungen zählen Temperaturänderungen (z. B. aus dem Abfluss der Hydratationswärme), Feuchteänderungen (z. B. aus dem Schwinden des Betons) und das Eigengewicht einer Betonfahrbahndecke. Zu den äußeren Einwirkungen werden Verkehrslasten, Temperaturänderungen, behinderte Eigenverformungen und eine aufgezwungene Verformung (z. B. aus einer Hohllage) gerechnet. Die Überlagerung und teilweise Superposition der beiden Einwirkungen ergibt folglich die Beanspruchung der Betonfahrbahn. Aus diesen Einwirkungen ergeben sich Verformungen innerhalb der Betonfahrbahnplatte, die nach dem Hooke`schen Gesetz ( = E) zu Spannungen im Fahrbahnelement führen. Diese Spannungen können an einem infinitesimal kleinen Plattenelement dargestellt werden und resultieren in Radialspannungen und Zugspannungen an den Schichtgrenzen der jeweiligen Plattenelemente (Bild 1). Bild 1: Beanspruchungen in einer Betonfahrbahndecke nach Hake, Meskouris [1] Die Überlagerung der Beanspruchungen infolge der inneren und äußeren Einwirkungen führen folglich zu einem Gesamtbeanspruchungszustand in der Fahrbahndecke. Das Bild 2 zeigt den idealisierten Spannungsverlauf in einer Betonfahrbahndecke aufgrund geringer Axialspannungen (infolge beispielsweise über den Gesamtquerschnitt gleichmäßigerer Temperaturänderungen), überlagert mit den Biegespannungen infolge Verkehrslasten oder ungleichmäßigen Temperatureinwirkungen oder mit aufgezwungenen Verformungen und zusätzlich überlagert mit einem geringen Anteil an Eigenspannungen infolge beispielsweise Feuchteänderungen durch ungleichmäßiges Schwinden oder Temperaturänderungen infolge oberflächigem Abfluss der Hydratationswärme (Bild 2). Bild 2: Überlagerung der Beanspruchungen infolge der inneren und äußeren Einwirkungen zu einem Gesamtbeanspruchungszustand Bei Betrachtung dieser einzelnen Spannungskenngrößen zeigt sich, dass der wesentliche Spannungsanteil, der annähernd über den Gesamtquerschnitt der Betondecke lineare Spannungsanteil infolge Biegespannungen ist, welche aus den Verkehrslasten oder einer ungleichmäßigen Temperatureinwirkung über den Deckenquerschnitt resultieren. Dieser Spannungsanteil mit nahezu linearem Verlauf über den Fahrbahnbetondeckenquerschnitt ist im Regelfall der deutlich größte Spannungsanteil über den Querschnitt einer Betonfahrbahndecke für einen im Regelfall der Bemessung zugrunde liegenden Lastfall Plattenmitte.
3 Maßgebende Einwirkungskombinationen
Wie unter Abschnitt 2 beschrieben sind wesentlich bei der Beanspruchung einer Fahrbahndecke aus Beton die Biegespannungen infolge Verkehr und infolge ungleichmäßiger Erwärmung einer Fahrbahndecke aus Beton. Das Bild 3 zeigt die Verformungen einer Betonfahrbahndecke aus Verkehrslast und aus der Erwärmung von oben, welche in beiden Fällen zu einer Biegezugspannung am unteren Rand eines Betonfahrbahndeckensystems führen. Bild 3: Biegespannungen und Verformungen einer Betonplatte infolge Verkehr und ungleichmäßiger Erwärmung Dieser idealisierte Verformungs- und Spannungsverlauf ist wie unter Abschnitt 2 gesehen maßgebend für die Bestimmung der Gesamtbeanspruchung. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Spannungen infolge ungleichmäßiger Erwärmung der Platte von oben beispielsweise aus direkter Temperaturbeanspruchung, nicht zu jeder Zeit auftreten. Durchgeführte Untersuchungen und Messergebnisse zeigen, dass die ungleichmäßige Temperaturänderung nur an wenigen Tagen im Jahr vorhanden ist und gemäß Eisenmann, Leykauf [1] in Mitteleuropa nur während etwa 5 % der Liegedauer in Ansatz zu bringen ist. Die maßgebenden Biegezugbeanspruchungen können im Rahmen einer Dimensionierung direkt als Biegezugspannung oder umgerechnet als Plattenmoment einfließen. Aus der Verkehrslastspannung und der temperaturbedingten Verwölbung der Betonfahrbahndecke ergibt sich somit die kritische Spannung, welche mit folgender Formel beschrieben werden kann:
Formel siehe PDF.
Anhand dieser Formeln zeigt sich, dass das kritische Plattenmoment der kritischen Biegebeanspruchung aus Verkehrslast entspricht, multipliziert mit der geometrischen Beziehung aus dem mechanischen Einfluss einer Plattengröße von 1/6 mal der Plattendicke im Quadrat.
4 Beanspruchbarkeit des Betondeckensystems
Neben der Betondeckendicke und den Betonfestigkeiten haben diverse Eigenschaften des Betondeckensystems maßgebenden Einfluss auf die Beanspruchbarkeit. Die Beanspruchbarkeit einer Betonfahrbahn resultiert aus den geometrischen Eigenschaften und den baustofftechnologischen Parametern der einzelnen Schichten und der mittragenden Wirkung von weiteren gebundenen Tragschichten unterhalb der Betonfahrbahndecke. Ferner wird der Verbundzustand zwischen Betondecke und der gebundenen Tragschicht in Ansatz gebracht und schließlich kann auch eine entsprechende Steifigkeit der ungebundenen Tragschichten unterhalb der gebundenen Schichten Einfluss auf die Beanspruchbarkeit einer Betondecke nehmen.
Zunächst gilt es den Verbund mehrerer verfestigter Schichten auf die Beanspruchbarkeit eines Betondeckensystems zu quantifizieren. Gemäß dem Bild 4 ist ersichtlich, dass ein im Verbund stehendes System deutlich geringere Verformungen erhält als ein mehrschichtiges Plattensystem, welches nicht im Verbund der einzelnen Schichten steht. Bild 4: Einfluss Schichtenverbund [3] Dies kann veranschaulicht werden, durch beispielsweise den Einsatz von Brettschichtholz im Holzbau. Brettschichtholz besteht aus einzelnen dünneren Brettelementen, die in hohem Verbund zueinander verklebt werden, so dass die Stabilität des Trägersystems dadurch erhöht wird. Ähnlich verhält es sich auch bei Fahrbahndecken aus Beton mit im Verbund stehenden verfestigten Tragschichten.
Dieser Verbundeinfluss führt folglich auch zu unterschiedlichen Spannungen über den Querschnitt der verfestigten Schichten. Im Bild 5 ist der schematische Verlauf der Biegespannungen für den Lastfall Plattenmitte am System a) mit Verbund und am System b) ohne Verbund dargelegt. Bild 5: Schematischer Biegezugspannungsverlauf unter Verkehrslast
Es zeigt sich, dass beim System mit Verbund die Spannungen in der Betondecke reduziert werden, da auch die HGT Biegezugspannungen übernimmt, während im Fall ohne Verbund die Beanspruchungen der HGT zwar geringer werden, jedoch die Biegebeanspruchungen in der Betondecke erhöht werden. Daraus lässt sich schließen, dass ein Verbund der beiden verfestigten Tragschichten die Beanspruchungen einer Betonfahrbahndecke reduziert.
Ferner sind bei der Beanspruchbarkeit des Deckensystems die konstruktionsbedingten Einflüsse einer Auflagerung auf ungebundenen Schichten mit zu berücksichtigen. Da bei dem Bemessungsmodell einer Platte auf elastischer Unterlage insbesondere die Steifigkeit der Tragschicht eine wesentliche Rolle spielt, ist es erforderlich die Verformungsmoduln der einzelnen ungebundenen Schichten zu ermitteln und für die elastisch gelagerten verfestigten Schichten den Bettungsmodul exakt zu bestimmen. Unterschiedliche Auflagerungsverhältnisse auf den ungebundenen Schichten in ihrer Qualität und in deren Verdichtungseigenschaften führen auch zu unterschiedlichen Bettungsmoduln, die davon abweichende Beanspruchbarkeiten des verfestigten Plattensystems ergeben.
Somit kann unter den gegebenen Randbedingungen zusammengefasst auf der widerstehenden Seite eine entsprechende Betonfestigkeit gegenüber gestellt werden.
Es hat sich gezeigt, dass die Einwirkungen auf der Betondecke primär Biegezug- bzw. Biegedruckspannungen erzeugen. Da für die Dimensionierung einer Betonfahrbahndecke die Biegezugspannung ausschlaggebend ist, muss zwangsläufig als widerstehende Betonfestigkeit die Biegezugfestigkeit gewählt werden. Dieser Ansatz der Dimensionierung von Fahrbahndecken unter Berücksichtigung der Biegezugfestigkeiten auf der widerstehenden Seite war national auch sehr lange Zeit die grundlegende Bemessungstheorie, welche folgerichtig bisher die Basis für die ,,Richtlinien zur Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen" (RStO) war. Die Erfahrungen aus den RStO zeigen, dass mit dieser Art der Dimensionierung sehr gute Erfahrungen mit guten Langzeitergebnissen erreicht wurden.
Damit steht auf der widerstehenden Seite ein zulässiges Moment der Beanspruchung eines Betondeckensystems von Mzul = 0,167 h² fct(BZ) [Nmm/mm]. Gemäß Bild 2 kann somit die Beanspruchbarkeit des Betondeckensystems konform der Beanspruchung aus Verkehrslast und temperaturbedingter Verwölbung erzeugt werden. Die maßgebende Beanspruchung in der Betonfahrbahndecke ist eine Biegezugspannung an der Unterseite der Betonfahrbahndecke, welche durch die Biegezugfestigkeit mit der Bestimmung der Beanspruchbarkeit beispielsweise nach der Norm zur Prüfung von Biegebalken DIN 12390-5 erfolgen kann.
Mit diesen Prüfungen können die einwirkenden Spannungen in einer Betondecke exakt mit der Prüfmethode am Biegebalken nachgestellt und somit eine realitätsnahe Prüfung zur Beanspruchung von unseren Betonfahrbahnen erfolgen kann.
Kritiker stellten häufig die Frage, wie die Biegezugeigenschaften einer Betonfahrbahndecke im Alltag geprüft werden können.
In einem aktuellen PPP-Projekt mit Betonfahrbahndecke wurden im Rahmen der Erstprüfung Korrelationsversuche zwischen Biegezugfestigkeit und Druckfestigkeit einer Betonmischung aufgestellt. Da die Straßenbetone in der Praxis gewissen Schwankungen unterworfen sind, wurde auch im Rahmen dieser Korrelation versucht die realen Schwankungsbreiten, welche die Biegezugfestigkeiten beeinflussen können, nachzustellen. Daher wurde sowohl der Luftporengehalt des Betons als auch der w/z-Wert des Betons an 18 Versuchsmischungen variiert und in Korrelation zwischen Biegezugfestigkeit und Druckfestigkeit ausgewertet. Dabei zeigt sich gemäß Bild 6 eine gute Korrelation zwischen Druckfestigkeit und Biegezugfestigkeit, welche einen sehr linearen Verlauf einnimmt und mit dem hohen Bestimmtheitsmaß von 95 % beschrieben werden. Bild 6: Korrelation zwischen Biegezug- und Druckfestigkeit (Quelle: Heilit und Woerner Bau GmbH) Damit ist sichergestellt, dass auch mit Hilfe der Druckfestigkeiten die Biegezugfestigkeiten überwacht und geprüft werden können.
Im Übrigen zeigen die Erfahrungen aus jahrzehntelangem Betondeckenbau, dass auch in der Vergangenheit mit der Prüfung der Druckfestigkeit grundsätzlich gute Erfahrungen zur Überwachung der Betonqualität auf Autobahnbaustellen gemacht wurden.
Im Rahmen der Dimensionierung gilt es somit nur noch die einwirkenden Biegezugspannungen der Biegezugfestigkeit gegenüber zu stellen, welche unter dauernder Verkehrslasteinwirkung oder mehrfacher Beanspruchung bei ungünstigen Randbedingungen ertragen werden kann.
Zusammenfassung
Oberste Prämisse einer beanspruchungskonformen Dimensionierung von Betondeckensystemen ist die stringente Wahrung der Konformität zwischen Beanspruchung und Beanspruchbarkeit. Dies kann ausschließlich durch die Gegenüberstellung von einwirkender Beanspruchung in Form einer Biegezugbeanspruchung an der Unterseite der verfestigten Schichten mit der Quantifizierung der Beanspruchbarkeit in Form der Ermittlung der Biegezugfestigkeiten im Betonfahrbahnbelag folgerichtig erfolgen.
Literaturverzeichnis
1 H a k e; M e s k o u r i s: Statik der Flächentragwerke, 2. überarbeitete Auflage 2007, Springer Verlag
2 E i s e n m a n n, J.; L e y k a u f, G.: Betonfahrbahnen, 2. Auflage Ernst & Sohn Verlag Berlin, 2001
3 W e b e r, R.: Die Rissbildung in Asphaltstraßen als Folge mangelhaften Schichtenverbundes, Mitteilungen des Prüfamtes für Bau von Landverkehrswegen der Technischen Universität München, Heft 59, 1991 |