FGSV-Nr. FGSV A 45
Ort Leipzig
Datum 21.09.2021
Titel Baustoff- und strukturoptimierte Asphaltbefestigungen
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frohmut Wellner, Dr.-Ing. Alexander Zeißler
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Ausgangspunkt ist die Unzulänglichkeit der derzeit in der Praxis angewandten Methoden zur Dimensionierung von Befestigung sowie zur Optimierung der Baustoffe in Anbetracht der bereits erreichten und der zu erwartenden Steigerung der Verkehrsbelastung und der Veränderung des Klimas. Beispiele zeigen, wie sich bei detaillierter Betrachtung der Zusammenhänge diese Unzulänglichkeiten erkennen lassen, um Grundlagen zur Lösung zu schaffen.

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1 Einführung

Straßenbefestigungen, der heutigen Struktur gleichend, werden seit ca. 5000 Jahren in den verschiedensten Varianten gebaut. Zur Verteilung der Lasten aus ursprünglichen Wagenrädern, später Kraftfahrzeugrädern wurde der heute als Oberbau bezeichnete Bauwerkskörper aus verschiedenen Schichten aufgebaut. Die Aufgabe dieses Bauwerkes bestand zunächst nur darin, die Lasten so zu verteilen, dass die Beanspruchung des anstehenden Bodens auf ein Maß reduziert wird, welches schädliche Verformungen durch die Belastung ausschließt. Diese Aufgabe sollte zu allen Jahreszeiten erfüllt werden, das bedeutet, dass Frostschäden, Schäden aus reduzierter Tragfähigkeit infolge Wassereinwirkung/Wassersättigung ausgeschlossen sein sollten.

Mit der Entwicklung des modernen Verkehrs seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden zusätzliche Kriterien eingeführt, z. B. der Fahrkomfort, weitestgehende Sicherheit auch bei widrigen Wetterverhältnissen sowie die Wirtschaftlichkeit des Bauwerkes bei gesamtheitlicher Betrachtung aller Aufwendungen. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerkes und Überlegungen zur Reduzierung der Kosten für Herstellung und Erhaltung/Erneuerung des Oberbaus sowie der Nutzer infolge von Stauereignissen, Umleitungen sowie Unfällen mussten dabei berücksichtigt werden.

Trotz des daraus resultierenden hohen Anspruchs an Planung, Entwurf und Ausführung des Bauwerkes Straße wurde weltweit bisher nur den sogenannten empirischen Ansätzen zur Einschätzung der Qualität und Leistungsfähigkeit der Straßenbaustoffe sowie zur Dimensionierung von Oberbauten nach den o. g. Kriterien der Vorrang gegeben. In Deutschland werden nach wie vor Straßenbefestigungen vorwiegend nach den auf Erfahrung beruhenden Schichtdickenfestlegungen standardisiert vorgegeben, statt – wie im übrigen Bauingenieurwesen auf der Basis von Berechnungen üblich – dimensioniert. Die Qualität der Baustoffe selbst wird auf der Grundlage von einfachen und teilweise historisch anmutenden Versuchen eingeschätzt. Die Qualität des Baustoffes Asphalt wird beispielsweise hauptsächlich mit für die Baustoffkomponenten festgelegten Anforderungen wie z. B. Nadelpenetration, Erweichungs-punkt Ring und Kugel (für Bitumen) oder Vorgaben zur Korngrößenerteilung (für die Zuschlagstoffe) und Anforderungen bezüglich der Zusammensetzung (Bindemittelgehalt, Hohl-raumgehalt usw.) definiert. Eine Prüfung des Verhaltens der Baustoffe unter gebrauchsrelevanten Beanspruchungen findet nicht bzw. nur sehr vereinfacht und wenig aussagefähig statt.

Mit ständig steigenden Mobilitätsanforderungen der Gesellschaft, zunehmender Industrialisierung (Straße als „Lagerfläche“ der Industrie) und kontinuierlich wachsenden Handelsbeziehungen einer globalisierten Weltwirtschaft vollzog sich eine Steigerung der Verkehrsbelastung während der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte in einer noch nicht dagewesenen und aus damaliger Sicht nicht vorhersehbaren Größenordnung. Der Straßengüterverkehr in der Bundesrepublik verfünffachte sich von weniger als 100 Mrd. tkm im Jahre 1980 auf ca. 600 Mrd. tkm im Jahre 2020. Die Prognosen für die kommenden 30 Jahre zeigen keine Entspannung. Es wird eine nochmalige Verdopplung bis Verdreifachung der Straßengüterverkehrsmenge prognostiziert. Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, dass sich die Zahl der Schwerverkehrsfahrzeuge nicht äquivalent zu dieser Güterverkehrsmenge erhöht hat. Bedingt durch den höheren Beladungsgrad der Fahrzeuge sind die Achslasten deutlich gestiegen. Damit geht einher, dass die bereist zu spürenden und die noch zu erwartenden Veränderungen der klimatischen Bedingungen negative Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit der Befestigungen haben werden. Zusätzlich wird die Verknappung der Ressourcen eine Verteuerung der Baustoffe und damit eine weitere Verschärfung der finanziellen Situation für Herstellung und Betrieb der Befestigungen bewirken.

Hieraus leitet sich die dringende Notwendigkeit ab, die Straße als Bauwerk zukünftig detaillierter und auf wissenschaftlich und mechanisch fundierter Basis zu betrachten. Auf der Grundlage der Struktur dieses Bauwerkes und unter Berücksichtigung der zu erwartenden Verkehrsbelastung sowie den zu erwartenden klimatischen Bedingungen muss zukünftig die Optimierung der Baustoffe sowie die des gesamten Bauwerkes mit der Zielsetzung der Entwicklung von Straßenbefestigungen mit hoher Resistenz gegenüber den einwirkenden Belastungen und Resilienz gegenüber den Umwelteinflüssen erfolgen. Wenn auch in den vergangenen 10 bis 15 Jahren entsprechende Anstrengungen auf wissenschaftlichem Gebiet unternommen wurden, Dimensionierungs- und Prognoseverfahren zu entwickeln, und in Deutschland ein erstes rechnerisches Dimensionierungsverfahren in Form einer Richtlinie für Asphaltbefestigungen [2] und Betonbefestigungen [3] eingeführt und ein Prognoseverfahren zur Bewertung der strukturellen Substanz in Form eines Entwurfs für eine Richtlinie für Asphaltbefestigungen [4] entwickelt wurde, hat sich eine breite praktische Anwendung dieser Verfahren (noch?) nicht durchgesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Jahren ein Umdenken stattfindet. Mit den bisher angewendeten empirischen Methoden zur Dimensionierung und Prognose des Verhaltens von Asphaltbefestigungen kann eine funktionierende Straßeninfrastruktur in wirtschaftlicher Weise nicht mehr gebaut und betrieben werden.

Es soll gezeigt werden, dass bei detaillierter Betrachtung der Struktur der Asphaltbefestigungen signifikante Einflussfaktoren auf die Dauerhaftigkeit eruiert werden können. Als Kriterien für die Dauerhaftigkeit der Struktur wurden in diesem Beitrag die Widerstandsfähigkeit gegenüber Ermüdungs-, Kälteriss- und Spurrinnenbildung in allen Asphaltschichten gewählt.

2 Beanspruchungssituation im Asphaltoberbau

2.1 Berechnungsmodell

Für die rechnerischen Dimensionierungs- und Prognoseverfahren nach den RDO Asphalt bzw. RSO Asphalt ist die Kenntnis der maßgebenden Beanspruchungen (z. B. Dehnungen und Spannungen) eine zwingende Voraussetzung. Hierfür wird das Bauwerk Straße durch ein Berechnungsmodell abstrahiert (Bild 1).

Bild 1: Modellbildung

Aufgrund des relativ großen Berechnungsaufwandes eignen sich im Besonderen Berechnungsmodelle, mit denen man hinreichend genau, in möglichst kurzer Zeit, die benötigten Ergebnisgrößen berechnen kann. In der Regel wird hierfür derzeit ein Mehrschichtenmodell verwendet, wobei auch die Anwendung von FE-Modellen möglich ist. Wegen der Rotationssymmetrie des Mehrschichtenmodells genügt die modellhafte Nachbildung nur eines Rades. Im Bild 2 ist exemplarisch ein Mehrschichtenmodell, belastet durch ein Lkw-Rad dargestellt.

Bild 2: Berechnungsmodell

Die Radaufstandsfläche wird entsprechend der Restriktionen der Mehrschichtentheorie in der Regel als kreisrunde Belastungsfläche mit einem Radius von R = 150 mm modelliert. Die Belastungsgröße (Radkontaktspannung) ergibt sich aus der jeweiligen Achslast sowie der Größe der Radaufstandsfläche (ARad = 17.672 mm²) unter Berücksichtigung der Normfallbeschleunigung (g = 9,81 m/s²). Unter Verwendung der Mehrschichtentheorie können alle Beanspruchungsgrößen (Spannungen, Dehnungen, Verschiebungen etc.) im Modell des Oberbaus berechnet werden.

Um die Beanspruchungen im Modell berechnen zu können, wird neben der äußeren Belastung die Kenntnis des jeweiligen E-Moduls der einzelnen Subschichten erforderlich. Aus Bild 3 wird deutlich, wofür eine Unterteilung der einzelnen Asphaltschichten in Subschichten im Berechnungsmodell benötigt wird. Basierend auf dem Temperaturprofil in der Konstruktion kann für jede einzelne Subschicht die Temperatur jeweils in der Mitte der Subschicht bestimmt werden. Mit Kenntnis der Temperatur lässt sich unter Berücksichtigung der Hauptkurve für das jeweilige Asphaltmaterial der Steifigkeitsmodul (absoluter E-Modul) berechnen. Als Frequenz wird hierbei in der Regel ein Wert von 10 Hz in Ansatz gebracht. Da sich das Materialverhalten der einzelnen Asphalte in der Regel voneinander unterscheidet, sind die Steifigkeitssprünge jeweils an den Schichtgrenzen zwischen Asphaltdeck- und Asphaltbinderschicht sowie zwischen Asphaltbinder- und Asphalttragschicht deutlich zu erkennen. Die unter Berücksichtigung des Temperaturprofils in der Konstruktion berechneten Steifigkeiten für die Asphaltmaterialien (bezogen auf jede Subschicht) werden in das Berechnungsmodell übergeben.

Bild 3: Zusammenhang zwischen Temperaturprofil und Asphaltsteifigkeit im Berechnungsmodell

2.2 Verkehrsbelastung und Temperaturzustand

Die Belastung aus Verkehr und Temperatur wird detailliert anhand von sogenannten Achslastkollektiven (Achslasten, aufgeteilt in 1 t breite Achslastlassen ab 1 t bis 26 t, unter Berücksichtigung der Auftretenshäufigkeiten) und den sogenannten normierten charakteristischen Temperaturverläufen (ncT´s, aufgeteilt in 5 K breite Temperaturklassen ab -15 °C bis +50 °C) wiederum gekoppelt an die Auftretenshäufigkeiten dieser modelliert. Durch Berechnung der Beanspruchungen im Modell der Straßenbefestigung für jede Lastkombination aus Achslast und Temperatur unter Multiplikation der Auftretenshäufigkeiten können dann unter Anwendung der Hypothese von Miner Nutzungsdauerabschätzungen (RSO, [4]) vorgenommen bzw. Nachweise, bezogen auf die Ermüdungsfestigkeit (RDO, [2], [10]), geführt werden. Die Achslastkollektive bzw. die Angaben können dem „Arbeitspapier Eingangsgrößen für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz [12], Teil 1: Verkehrsbelastung und Teil 2: Temperatur“, entnommen werden. Beide Arbeitspapiere sind im Entwurf fertig-gestellt und durch den Lenkungsausschuss der Arbeitsgruppe 4 der FGSV zur Veröffentlichung freigegeben worden. Mit dem Erscheinen ist Anfang des Jahres 2022 zu rechnen.

2.3 Nachweiskriterium Ermüdungsriss

Für den Ermüdungsnachweis der Asphaltschichten nach den RDO Asphalt bzw. RSO Asphalt bilden die berechneten Zugdehnungen die Grundlage. Die rechnerischen Verfahren für die Nachweisführung in den Tragschichten fokussieren derzeit in der Regel die horizontalen Biegezugdehnungen an der Unterseite der Tragschicht in der Lastachse. Im Bild 4 sind die horizontalen und vertikalen Dehnungen im gesamten Oberbau exemplarisch visualisiert. An der Oberseite des Asphaltpaketes (Deckschicht) entstehen in der Lastachse aufgrund der vertikal wirkenden Radlast in horizontaler Richtung (x-Achse) Druckdehnungen bzw. Stauchungen (blau eingefärbt). An der Unterseite des Asphaltpaketes entstehen Biegezugdehnungen (rot eingefärbt).

Bild 4: Horizontale Dehnung εx (links) und vertikale Dehnung εz (rechts) im Straßenquerschnitt

Die größten Biegezugdehnungen treten in der Regel in der Lastachse an der Unterseite der Asphalttragschicht auf. Resultierend hieraus wird als maßgebender Nachweispunkt für das rechnerische Dimensionierungs- bzw. Prognoseverfahren in der Regel die Unterseite der Asphalttragschicht festgelegt. Unter Berücksichtigung der Dehnungen in der Lastachse werden die oberhalb der Asphalttragschicht befindlichen Asphaltschichten (z. B. Asphaltdeck- und Asphaltbinderschicht) im Hinblick auf das Kriterium Ermüdungsrissbildung nicht relevant.

Im räumlichen wie auch ebenen Spannungszustand treten außerhalb der Lastachse nicht nur Dehnungen, sondern auch Verzerrungen (Gleitungen) auf. Auf diesen Beanspruchungszustand lässt sich die Schadenshypothese von Miner nicht ohne weiteres anwenden. Hierfür ist der allgemeine Spannungs- bzw. Verzerrungszustand in den Hauptspannungs- bzw. Hauptdehnungsraum – Schubspannungen und Verzerrungen (Gleitungen) werden zu Null – zu transformieren. Im Bild 5 ist dies zur Vereinfachung zweidimensional dargestellt.

Bild 5: Hauptspannungszustand-Transformation

Unter Verwendung der Hauptdehnungen lassen sich die rechnerischen Nachweise für die Asphaltdeck- und Asphaltbinderschichten auf der Grundlage der Hypothese von Miner führen, da im Hauptachsensystem nur Dehnungen oder Stauchungen auftreten. Für die Nachweisführung wird in der Regel die Hauptdehnung ε1 maßgebend, da für den Ermüdungsnachweis nur die Dehnungen (Zugdehnungen) relevant werden. Im Bild 6 (links) sind neben der Radaufstandsfläche im Bereich der Asphaltdeckschicht und zum Teil auch in der Asphaltbinderschicht deutlich die mit einer Dehnung (Zugdehnung, rot eingefärbt) beanspruchten Bereiche gut zu erkennen. In der Asphalttragschicht bilden sich die größten Hauptdehnungen (Zugdehnung, rot eingefärbt) – wie bekannt – an der Unterseite des Asphaltpaketes aus.

Bild 6: Hauptdehnung ε1 (links) und Hauptdehnung ε3 (rechts) im Straßenquerschnitt

In dem rotationssymmetrischen Modell auf der Grundlage der Mehrschichtentheorie entspricht der Beanspruchungszustand entlang der Lastachse genau dem Hauptspannungszustand. Für diese Symmetrieachse fällt das Ursprungskoordinatensystem mit dem Hauptachsensystem zusammen. Für den Nachweispunkt „Unterseite der Asphalttragschicht“ ist die Dehnung in x-Richtung die große Hauptdehnung. Unter Verwendung der großen Hauptdehnung kann für alle Asphaltschichten für die rechnerische Nachweisführung zum einen der Ermüdungsstatus und zum anderen die Restnutzungsdauer in Bezug auf das Kriterium Ermüdungsrissbildung berechnet werden. Im Bild 7 ist exemplarisch der Ermüdungsstatus im maßgebenden Straßenquerschnittsbereich visualisiert.

Bild 7: Ermüdungsstatus im Straßenquerschnitt unter Berücksichtigung der Hauptdehnung ε1

Die im Berechnungsmodell identifizierten durch Ermüdung geschädigten Bereiche finden sich auch in der realen Straßenkonstruktion wieder. Das Bild 8 zeigt Risse im Asphalt auf der Autobahn A 20, Richtungsfahrbahn Berlin – Greifswald, welche sich in den Ergebnissen von Prognoserechnungen wiederfinden.

Bild 8: Ermüdungsstatus im Straßenquerschnitt

2.4 Nachweiskriterium Spurrinne

Die Problematik der Spurrinnenbildung wird sowohl in den RDO Asphalt 09 [2] als auch im Entwurf der überarbeiteten Fassung RDO Asphalt 09/21 [10] vorläufig nur durch eine Abschätzung der Spurrinnengefährdung anhand der deviatorischen Vergleichsspannung. Die Berechnung der deviatorischen Vergleichsspannung erfolgt für die höchste Lastklasse und den ungünstigsten Temperaturfall. Hierzu werden in der Asphaltdeck- und -binderschicht die Maxima der deviatorischen Vergleichsspannung berechnet, wodurch für verschiedene Oberbauten mit gleicher Ermüdungsgefährdung qualitativ die Spurrinnengefährdung zur Entscheidungsfindung, welcher Oberbau der geeignetste für den jeweiligen Anwendungsfall ist, abgeschätzt werden kann. Gegebenenfalls kann zusätzlich unter Hinzuziehung von Ergebnissen von Druck-Schwellversuchen am schlanken Probekörper eine Bewertung der zu erwartenden Größe der plastischen Verformungen für spezielle Asphalte erfolgen. Ein direkter Nachweis anhand der Prognose der zu erwartenden Spurrinnentiefe ist jedoch derzeit im Dimensionierungsverfahren (RDO [2], [10]) bzw. Prognoseverfahren (RSO [4]) nicht implementiert. Im Bild 9 ist der Zusammenhang zwischen vertikaler und horizontaler Spannung sowie der deviatorischen Vergleichsspannung dargestellt.

Bild 9: Deviatorische Vergleichsspannung zur Bewertung der plastischen Verformungen

Ein Verfahren, mit dem die Prognose der Spurrinnenentwicklung möglich wird, wurde in den letzten Jahren unter maßgebender Mitwirkung der Professur für Straßenbau der TU Dresden entwickelt [9]. Das Verfahren zur Prognose der Spurrinnenbildung basiert auf der Überlegung, dass für jeden einzelnen auf die Straßenkonstruktion einwirkenden Belastungszustand die Beanspruchung (elastische Dehnung) berechnet werden kann und darauf aufbauend für alle Belastungszustände und zuzuordnenden Lastwechselzahlen die bleibenden Dehnungen berechnet und akkumuliert werden können. Durch die Kopplung des elastischen und plastischen Materialverhaltens der Asphalte kann rechnerisch eine Spurrinnenprognose durchgeführt werden. Analog zu dem Vorgehen für den Ermüdungsnachweis werden für jeden Lastfall (Lastklasse und Temperaturklasse) zunächst die elastischen Dehnungen berechnet, daraus in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Lastüberrollungen, die zuzuordnenden plastischen Dehnungen errechnet und anschließend über alle Lastfallkombinationen zur gesamtspurrinnentiefe akkumuliert. Im Bild 10 ist exemplarisch für einen Oberbau für eine ausgewählte Belastungssituation die mit Hilfe des Spurrinnenmodells berechnete plastische Gesamtverformung dargestellt.

Bild 10: Exemplarische Darstellung der Gesamtverformung

Mit Kenntnis der Gesamtverformung lässt sich die maximale Spurrinnentiefe für eine angenommene bzw. avisierte Nutzungsdauer bestimmen (Bild 11).

Bild 11: Bestimmung der maximalen Spurrinnentiefe

3 Optimierung

Seit ca. 10 Jahren ist sowohl international als auch in Deutschland eine intensive Forschungstätigkeit zur Entwicklung verbesserter Verfahren zur Dimensionierung von Oberbauten, zur Prognose des Verhaltens der Befestigungen sowie zur Verbesserung der Annahmen für die Verkehrs- und Klimabelastung zu erkennen. Die Forschung führte bereits zur Erweiterung des Verständnisses über das Verhalten der Baustoffe und der Struktur des Bauwerkes Straße sowie dessen Auswirkung auf die Beanspruchung in den Schichten und letztlich auf die Nutzungsdauer der Oberbauten.

Das primäre Ziel einer Materialoptimierung definiert sich bei Anwendung des rechnerischen Dimensionierungsverfahrens nach den RDO Asphalt in der Herstellung von möglichst dauerhaften und dabei wirtschaftlichen Oberbauten. Eine ganzheitliche Betrachtung aller Einflussgrößen, welche die Nutzungsdauer einer Verkehrsflächenbefestigung tangieren, ist dabei unabdingbar. In diesem Kontext ist die Optimierung eines Asphaltes aufgrund der Abhängigkeit von der Lage der Schicht im Oberbau nur sinnvoll mit einer an die Material-optimierung gekoppelten Strukturoptimierung. Im Folgenden soll anhand von ausgewählten Beispielen das Potenzial in der Material- und Strukturoptimierung aufgezeigt werden.

3.1 Bewertung mit Hilfe der bisherigen Ansätze – Kriterium Ermüdung

Unter Verwendung der o. g. verkürzt dargestellten Verfahren wurden für drei im Labor hergestellte Asphalte Berechnungen zur Nutzungsdauer unter folgenden Annahmen/Voraussetzungen durchgeführt:

  • gleiche Verkehrsbelastung,
  • gleicher Oberbau (gleiche Schichtdicken),
  • gleiche Temperaturbedingungen,
  • gleiche Asphaltzusammensetzung nach den Anforderungen des Regelwerkes.

Für die Zuschlagstoffe wurde ein Gesteinskornmaterial aus nur einem Steinbruch mit durch Laborabsiebung und -zusammensetzung erzeugter Korngrößenverteilung verwendet. Der (einzige) Unterschied der Asphalte bestand darin, dass Bitumen 50/70 (nach Regelwerk gleiche Klassifizierung!) aber unterschiedlicher Hersteller (Herkunft) eingesetzt wurde. An den aus diesen Asphalten hergestellten Probekörpern wurde nach der damals gültigen Arbeitsanleitung zur Durchführung der Spaltzugschwellversuche (AL Sp Asphalt 09) [13] die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion sowie die Ermüdungsfunktion bestimmt und den Berechnungen zugrunde gelegt.

Das Bild 12 zeigt das Ergebnis der Berechnungen. Allein durch den Einsatz von Bitumen zwar der gleichen Klassifikation (50/70) aber unterschiedlicher Hersteller (Provenienz?) werden bei sonst gleichen Bedingungen (Verkehrs- und Temperaturbelastung, Schichtdicken) unterschiedliche Nutzungsdauern mit einer Differenz für diesen speziellen Fall von 10 bis 30 Jahren berechnet. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es heute gängige Praxis an Mischanlagen ist, bei Lieferengpässen oder auch aus Preisgründen die Bitumenlieferanten zu wechseln, ohne Überprüfung bzw. Anpassung der Asphaltzusammensetzung, wird allein schon durch dieses Beispiel deutlich, dass ein sicheres Anzielen einer gewünschten oder vorgegebenen Nutzungsdauer mit den auf Empirie basierenden Dimensionierungsmethoden in Kombination mit den im weiteren Regelwerk definierten Anforderungen nicht möglich sein wird.

Bild 12: Berechnete Nutzungsdauer einer Asphaltbefestigung bei Herstellung der Asphalte mit Bindemittel unterschiedlicher Hersteller und sonst gleichen Bestandteilen und Bedingungen

3.2 Materialoptimierung Asphalttragschicht (Kriterium Ermüdungsriss)

Ausgehend von diesem ersten Beispiel bestand das Ziel weiterer Untersuchungen am Institut für Stadtbauwesen und Straßenbau [8] in der Bestimmung des Einflusses der Zusammensetzung von Asphaltgemischen auf deren Gebrauchseigenschaften sowie dessen Auswirkung auf die Dauerhaftigkeit des Bauwerkes Straße nach dem Ermüdungskriterium. Insgesamt wurden aus 18 verschiedenen Asphalttragschichtvarianten der Sorte AC 22 T S Probekörper hergestellt. Dabei erfolgte die Variation der Korngrößenverteilung, des Bindemittelgehaltes, der Bindemittelviskosität und des Bindemittelherstellers. Um den Einfluss der Korngrößenverteilung eines Asphalttragschichtgemisches analysieren zu können, wurde der Siebdurchgang des Gesteinkorngemisches bei 0,063 mm, 2,0 mm und 16,0 mm Korngröße so festgelegt, dass dieser erstens genau mittig im geforderten Toleranzbereich der TL Asphalt [6] lag (mittlere Korngrößenverteilung = mKGV), zweitens auf der unteren Grenze (grobe Korngrößenverteilung = gKGV) und drittens auf der oberen Grenze des Sieblinienbereiches (feine Korngrößenverteilung = fKGV) einer AC 22 T S lag. Der erforderliche Mindest-Bindemittelgehalt Bmin ergab sich gemäß der TL Asphalt-StB auf der Grundlage der ermittelten Rohdichte des verwendeten Gesteinskörnungsgemisches (Amphibolit) für alle Korngrößenverteilungen zu Bmin3,5. Die Bindemittelgehalte wurde dann in 0,5 M.-% bzw. in 1,0 M.-%-Schritten bis max. 6,5 M.-% erhöht. Bei den verwendeten Bindemitteln handelt es sich um Straßenbaubitumen 50/70 zweier Bindemittelhersteller (A und B) sowie um Straßenbau-bitumen 30/45 (A) eines der beiden Bindemittelproduzenten. In der Tabelle 1 ist eine Übersicht der geprüften Asphalttragschichtvarianten dargestellt.

Tabelle 1: Untersuchten Asphaltvarianten (= Asphaltgemische)

Aus dieser Tabelle ergibt sich die Bezeichnung der jeweiligen Gemischvariante in folgender Art und Weise: mKGV 3,5 M-% 50/70 A bedeutet: Mittlere Korngrößenverteilung, Bindemittelgehalt 3,5 M-%, Bitumen 50/70 des Herstellers A. Diese Bezeichnungen/Abkürzungen finden sich in den folgenden Bildern wieder.

Die für diese Gemischvarianten bestimmten Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen sind im Bild 13, die Ermüdungsfunktionen im Bild 14 dargestellt. Die Gemischvarianten zeigen signifikante Unterschiede bei den Steifigkeiten. Der „weichste“ Asphalt bei 10 °C weist lediglich 9.000 MPa der steifste Asphalt einen deutlichen höheren Betrag von 15.000 MPa auf.

Bild 13: Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion für alle untersuchten Asphalttragschichtgemische

Bild 14: Ermüdungsfunktion für alle untersuchten Asphalttragschichtgemische

Analog zeigen sich große Unterschiede in den Ermüdungsfunktionen. Der Asphalt mit dem geringsten Ermüdungswiderstand konnte z. B. bei 0,1 o/oo   elastischer Anfangsdehnung nur 2.000 Lastzyklen bis zum Versagen des Probekörpers im Versuch ertragen, der Asphalt mit dem höchsten Ermüdungswiderstand konnte demgegenüber ca. 14.000 Lastzyklen widerstehen.

Mit den versuchstechnisch gewonnenen Ermüdungs- und Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion erfolgten Dimensionierungs- bzw. Prognoseberechnungen an ausgewählten Oberbauvarianten. Die Schichtdicken des Asphaltoberbaus entsprachen hierbei einem Aufbau nach RStO 12 für eine Belastungsklasse BK100. Das Bild 15 zeigt die daraus bestimmte Schichtdickenanpassung, welche zur Erlangung derselben rechnerischen Nutzungsdauer notwendig ist. Die Annahme der Verkehrsbelastung erfolgte so, dass für die Variante fKGV 30/45-A bei einem Bindemittelgehalt von 5 % keine Schichtdickenanpassung notwendig ist.

Bild 15: Schichtdickenanpassung zur Erlangung derselben rechnerischen Nutzungsdauer in Abhängigkeit von Bindemittelgehalt und Korngrößenverteilung

Zwei wesentliche Aussagen lassen sich aus diesen Ergebnissen ableiten:

  • Bindemittelgehalt, Korngrößenverteilung sowie Bindemittelviskosität haben bereits bei geringer Variation einen signifikanten Einfluss auf die Ermüdungsresistenz der Asphalte und damit des Oberbaus,
  • es ist offensichtlich möglich, anhand der hier angewandten Methodik optimale Bindemittelgehalte für vorgegebenen Korngrößenverteilungen und Bindemittelviskositäten zu bestimmen.

Die absoluten Unterschiede in den erforderlichen Schichtdickenanpassungen zeigen äußerst deutlich, dass auf der Grundlage der herkömmlichen empirischen Art und Weise der Dimensionierung und der Festlegung der Gemischzusammensetzungen allein nur auf der Basis von Hohlraumgehaltsbetrachtungen eine gewünschte Nutzungsdauer nicht zielsicher erreicht werden kann. Detaillierte Betrachtungen zur Optimierung der Asphalte und Abstimmung auf die Struktur des Bauwerkes sind zumindest für den Bereich mit hohen und sehr hohen Belastungen und Frequentierungen zwingend erforderlich.

In diesem Zusammenhang stellt der (unvermeidliche) Einsatz von Asphaltgranulat eine besondere Problemstellung dar. Der Einsatz von Asphaltgranulat kann nicht per se als negativ für das Materialverhalten der jeweiligen Asphaltschicht angesehen werden, jedoch erhöht sich das Risiko bei Verwendung von Asphaltgranulat Veränderungen im Materialverhalten nicht ausschließen zu können. Die Herkunft des Asphaltgranulats sowie die Zugabemenge haben hierbei einen wesentlichen Einfluss auf das zu erwartende Risiko. Ob ein Asphaltgranulat aus Fräsgut einer ehemals polymermodifizierten Asphaltbinderschicht entstammt oder einer ehemals bindemittelarmen Asphalttragschicht, wird einen sehr wesentlichen Einfluss auf das Materialverhalten der frisch eingebauten neuen Asphaltschicht haben. Je größer die Zugabemenge eingestellt wird, umso größer können die Unterschiede im Materialverhalten und den damit verbundenen Modellparametern ausfallen. Die bisherige Vorgehensweise, eine Qualitätssicherung durch Anforderungswerte für die resultierende Viskosität aus Alt- und Frischbitumen durch die konventionellen Untersuchungen mittels Nadelpenetration bzw. dem Erweichungspunkt Ring und Kugel sicherzustellen, ist weder zielführend noch sinnvoll. Untersuchungen mit dem dynamischen Scherrheometer (DSR) können bezüglich der Vergleichbarkeit des Materialverhaltens der eingesetzten Bitumen hilfreich sein. Hierzu wird auf den Vortrag des Autors zur Asphaltstraßentagung von 2019 [14] verwiesen. Eine Untersuchungsmethodik, welche die Problemstellungen beim Einsatz verschiedener Bindemittel ganzheitlich berücksichtigen könnte, ist dort behandelt worden. Diese Vorgehensweise ist auch auf die Bewertung der Bitumeneigenschaften bei Einsatz von Asphaltgranulat übertragbar.

3.2 Strukturoptimierung (Kriterium Spurrinne)

Der Fragestellung nach einer Materialoptimierung im Hinblick auf eine mögliche Spurrinnenausbildung bzw. deren Vermeidung wird in der Praxis lediglich durch die Verwendung angepasster Asphaltdeck- und Asphaltbinderschichtmaterialien nach festgeschriebenen Anforderungen für die Bindemittel bzw. einzusetzenden Asphalte nachgegangen. Das nachfolgende Beispiel soll verdeutlichen, dass die Lösung dieser Fragestellung nicht nur auf die Materialoptimierung der Asphalte für die Deck- und Binderschichten nach festgeschriebenen Anforderungen reduziert werden kann, sondern gleichfalls eine Frage der Struktur-optimierung des gesamten Asphaltoberbaus darstellt. Für einen exemplarisch ausgewählten Asphaltoberbau der Belastungsklasse BK10 wurden Spurrinnenprognosen durchgeführt. In den 3 Berechnungsvarianten wurde nur die Steifigkeit der Asphalttragschicht variiert (Bild 16). Ausgehend von der Referenzvariante (ATS) wurde die Steifigkeit für die Variante 2 im Mittel um 50 % erhöht (ATS +50 %) und in der dritten Variante speziell im höheren Temperaturbereich mit deutlich größeren Steifigkeiten (ATS Steif) angenommen. Alle weiteren Randbedingungen, wie das Materialverhalten der anderen Asphaltschichten, die Schichtdicken sowie die Verkehrs- und Temperaturbelastung blieben für die Prognoseberechnungen unverändert.

Bild 16: Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen der 3 Asphalttragschichtvarianten

Die Ergebnisse für die 3 untersuchten Varianten sind im Bild 17 visualisiert. Die deutlich größere Steifigkeit der Asphalttragschicht in der Variante 3 (ATS Steif), im Vergleich zur Referenzvariante, führt zu einem deutlich größeren Anteil an der berechneten Spurrinne im Bereich der Asphaltdeckschicht. Dies bedeutet, dass die Steifigkeit der Asphalttragschicht einen wesentlichen Einfluss auf die bleibende Verformung der Asphaltdeckschicht und damit auf die Entstehung der Spurrinne hat. Speziell die Materialoptimierung mit einem Fokus auf die Vermeidung bzw. Reduzierung einer möglichen Spurrinnenbildung ist demzufolge eng gekoppelt mit einer Strukturoptimierung des Asphaltoberbaus zu betrachten.

Bild 17: Prognostizierte Spurrinnentiefe und Anteil der jeweiligen Asphaltschicht an der Gesamtverformung

3.3 Materialoptimierung Asphaltdeckschicht (Kriterium Ermüdungsriss, Spurrinne, Griffigkeit)

In dem Forschungsvorhaben „Entwicklung von Asphalten für zukünftige schwerste Verkehrsbelastungen“ [11] wurde das beschriebene Konzept der Materialoptimierung auf Asphaltdeck- sowie Asphaltbinderschichten übertragen. Hierbei wurden die Sieblinie sowie die Bindemittelgehalte variiert und Untersuchungungen zum Steifigkeits- und Ermüdungsverhalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch durchgeführt. Des Weiteren erfolgte eine Untersuchung zum Tieftemperaturverhalten mit dem Abkühlversuch sowie zum Verformungsverhalten mit dem Druck-Schwellversuch. Ergänzend wurden Untersuchungen zum Griffigkeitsverhalten mit dem Wehner-Schulze Verfahren durchgeführt.

In der Tabelle 2 sind die Bindemittelgehalte der untersuchten Asphaltgemische aufgeführt. Die feine Korngrößenverteilung orientiert sich hierbei an der oberen Grenzsieblinie und die grobe Korngrößenverteilung an der unteren Grenzsieblinie nach TL Asphalt-StB [6] (Bild 18).

Tabelle 2: Untersuchten Asphaltvarianten (= Asphaltgemische)

Bild 18: Korngrößenverteilung „fein“ (links) und „grob“ (rechts)

Basierend auf den Materialuntersuchungen erfolgten zum einen in Anlehnung an die RDO Asphalt 09/21 [10] Prognoseberechnungen zur rechnerischen Nutzungsdauer sowie zur Spurrinnenbildung. Im Bild 19 sind exemplarisch die Zusammenhänge zwischen dem Ermüdungsstatus sowie der relativen Spurrinnentiefe und dem Bindemittelgehalt für einen SMA 11 S mit einer feinen Korngroßenverteilung (fKGV) dargestellt. Das Verfahren zur Prog-nose der Ermüdungsrissbildung und der Spurrinnentiefe in der Asphaltdecke ist noch nicht an der Realität kalibriert, weshalb hier nur ein relativierter Ermüdungsstatus und eine relativierte Spurtiefe angegeben werden konnten.

Bild 19: Optimierung des Bindemittelgehaltes eines SMA 11 S (feine KGV) [11]

Bezugnehmend auf das Bild 19 lässt sich für den untersuchten Splittmastixasphalt ein optimaler Bindemittelgehalt von ca. 6,7 M.-% identifizieren. Für diesen Bindemittelgehalt wird für das untersuchte Asphaltgemisch ein optimales Ermüdungsverhalten bestimmt. Mit weiter zunehmenden Bindemittelgehalt verschlechtert sich das Ermüdungsverhalten noch nicht signifikant, jedoch nimmt die Verformungsresistenz deutlich ab. Eine erhöhte Spurrinnen-anfälligkeit wäre die Folge. Bei Verringerung des Bindemittelgehaltes unter 6.7 M.-% wird zwar erwartungsgemäß die Verformungsresistenz nicht schlechter, die Ermüdungsresistenz nimmt jedoch deutlich ab. An dieser Stelle soll unbedingt darauf hingewiesen werden, dass dieser optimale Bindemittelgehalt nur für diesen Asphalt und für das Materialverhalten der übrigen Schichten (Tragschicht und Binderschicht) Gültigkeit besitzt. Bei Veränderung des Materialverhaltens der übrigen Schichten ist zu erwarten, dass sich auch der optimale Bindemittelgehalt wieder verändern kann.

Nicht nur das Ermüdungs- und das Verformungsverhalten, sondern die Griffigkeit, an der Oberfläche der Deckschicht werden durch den Bindemittelgehalt beeinflusst. In Bild 20 sind die Ergebnisse von Versuchen nach Wehner-Schulze dargestellt. Der versuchstechnisch ermittelte Reibbeiwert (PWS-Wert) bleibt bis zu einem Bindemittelgehalt von 7,0 m.-% nahezu konstant auf relativ hohem Niveau. Mit höheren Bindemittelgehalten ist eine deutliche Verschlechterung des Griffigkeitsniveaus zu verzeichnen.

Bild 20: PWS Reibbeiwerte für SMA 11 S (feine KGV) in Abhängigkeit des Bindemittelgehaltes [11]

Für diesen Asphalt kann eindeutig und aus allen betrachteten Kriterien (Ermüdungs- und Spurrinnenresistenz sowie Griffigkeit) abgeleitet der optimale Bindemittelgehalt auf 6,7 M.-% festgelegt werden. Ob dies in gleicher Art und Weise auch für andere Asphalte so anzunehmen ist, kann nur durch weitere Untersuchungen herausgefunden werden.

4 Ausblick

Die im Abschnitt 3 dargestellten Beispiele basieren – wie eingangs bereits erwähnt – auf vereinfachten Annahmen. Es ist dringend erforderlich, verbesserte Methoden zur Charakterisierung insbesondere des Materialverhaltens als Grundlage für eine verbesserte Modellierung des Oberbaus zu entwickeln. Außerdem besteht die Notwendigkeit, dieses Teilmodell für den Oberbau mit Teilmodellen für den Reifen und für das Fahrzeug zu koppeln. Dadurch können zusätzlich zur Verbesserung des Verständnisses der Zusammenhänge in den Teilmodellen Interaktionen zwischen Oberbau, Reifen und Fahrzeug dargestellt werden.

Diese Überlegung war Ausgangspunkt für die Beantragung der Forschungsgruppe (FOR 2084) „Dauerhafte Straßenbefestigungen für zukünftige Verkehrsbelastungen – gekoppeltes System Straße – Reifen – Fahrzeug, welche gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG 2021 erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Im gleichen Jahr konnte aufbauend auf die Ergebnisse dieser FOR 2089 der beantragte Sonderforschungsbereich (SFB/TRR 339) Digitaler Zwilling bestätigt werden. Dieser startet im Januar 2022 und beinhaltet u. a. weitere vertiefende Forschungsinhalte zur angesprochenen Thematik. Über Ergebnisse dieses SFB/TRR 339 wird zu gegebener Zeit an gleicher Stelle berichtet werden.

Literaturverzeichnis

  1. RStO 12: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen, Ausgabe 2012, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 2012 (FGSV 499)
  2. RDO Asphalt 09: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht, Ausgabe 2009, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 2009 (FGSV 498)
  3. RDO Beton 09: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen, Ausgabe 2009, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 2009 (FGSV 497)
  4. RSO Asphalt 14: Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen in Asphaltbauweise, Entwurf 2014, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2014 (in Vorbereitung)
  5. TL Asphalt-StB: Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen, Ausgabe 2007/Fassung 2013, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 2013 (FGSV 797)
  6. ZTV Asphalt-StB: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt, Ausgabe 2007/Fassung 2013, Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen, Köln 2013 (FGSV 799)
  7. Wellner, F.; Dragon, I.: Einfluss der Gemischzusammensetzung auf die primären Gebrauchseigenschaften von Asphalt, vom BMWI über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V. (AiF) gefördertes Forschungs-vorhaben Nr. 15624 BR/1, Abschlussbericht, Dresden, 2011
  8. Zeißler, A.: Grundlagen zur Struktur- und Materialoptimierung von Asphaltbefestigungen, Entwurf Habilitation, Dresden, 2021
  9. RDO Asphalt 09/21: Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht, Entwurf der überarbeiteten Fassung 2021, unveröffentlicht
  10. Kamratowsky, E.; Wellner, F.: Entwicklung von Asphalten für zukünftige schwerste Verkehrsbelastungen. Schlussbericht zum IGF-Vorhaben 18472 BR. Dresden. 2018.
  11. Arbeitspapier Klima und Entwurf 2021: Arbeitspapier Eingangsgrößen für die Dimensionierung und Bewertung der strukturellen Substanz. Teil 1: Verkehrsbelastung, Teil 2: Klima. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Köln 2021. unveröffentlicht.
  12. AL Sp-Asphalt 09: Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung, Ausgabe 2009, Forschungsgesellschaft für Straßen – und Verkehrswesen, Köln 2009
  13. Wellner, F.: Rheologische Charakterisierung von Bitumen und Mastix mithilfe von DSR-Versuchen, Vortrag zur Asphaltstraßentagung der FGSV, Münster, 14. und 15. Mai 2019