FGSV-Nr. FGSV A 40
Ort Nürnberg
Datum 10.05.2011
Titel Rechnerische Dimensionierung von Asphaltstraßen - Prüfverfahren und Kennwerte zur Dimensionierung
Autoren Dipl.-Ing. Axel Walther, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Jens Grönniger
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Durch die seit dem Jahr 2009 geltenden Richtlinien zur rechnerischen Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09) steht neben der bisherigen empirischen Vorgehensweise gemäß den „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen“ (RStO) ein rechnerisches Verfahren zur Dimensionierung von Asphaltbefestigungen zur Verfügung. Hier werden die Beanspruchungen an der Unterseite der Asphaltschicht sowie die Spannungen in den ungebundenen Schichten berechnet und auf dieser Basis erfolgt eine Prognose über die voraussichtliche Nutzungsdauer. Zur Beschreibung der Asphalteigenschaften gehen im Rahmen des Nachweises gegenüber Ermüdung der Asphalttragschicht die Materialkennwerte Steifigkeitsmodul, Querdehnzahl, Ermüdungsfunktion, sowie der Verbund zwischen den Schichten mittels eines Faktors ein. Die prüftechnische Bestimmung des Steifigkeitsmoduls respektive der Ermüdungsfunktion erfolgt mittels Spaltzug-Schwellversuch unter Beachtung der zugehörigen Arbeitsanleitung (AL Sp-Asphalt 09). Hierbei geht die Querdehnzahl temperaturabhängig ein, so dass deren Größe zwischen 0,2 bis 0,5 variieren kann und sich entsprechend daraus bestimmte Steifigkeitsmoduln ergeben. Diese Steifigkeitsmoduln werden gemäß RDO im weiteren Verlauf mit einer konstanten, temperaturunabhängigen Querdehnzahl berücksichtigt, um die Beanspruchungen über die Schichttiefe der Asphaltbefestigung zu bestimmen. Bisher bleibt die Einfluss einer temperaturabhängigen Querdehnzahl auf die Dehnungen an der Unterseite der Asphalttragschicht unberücksichtigt. Für den Neubau wird gemäß RDO von einem vollen Verbund zwischen den einzelnen Asphaltschichten ausgegangen (entspricht Verbundfaktor VF = 0), bei Erhaltungsmaßnahmen ist dieser durch einen direkten Abscherversuch nachzuweisen und gegebenenfalls der Verbundfaktor numerisch zu erhöhen. Der Ansatz verschiedener Verbundfaktoren in der Dimensionierungsrechnung wirkt sich dabei deutlich auf die Prognose zur Lebensdauer aus. Noch zu klären ist, welches Prüfverfahren zur Ansprache des Schichtenverbundes geeignet ist und wie daraus entsprechende Verbundfaktoren abzuleiten sind.

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1 Einleitung

Neben der empirischen Dimensionierung von Asphaltbefestigungen mit Hilfe der RStO wird zukünftig vermehrt die rechnerische Dimensionierung zum Einsatz kommen. Durch diese bietet sich die Möglichkeit, neben den Standardaufbauten aus dem RStO-Katalog individuelle Aufbauten der Asphaltbefestigungen zu entwerfen, die an die individuellen Randbedingungen des Bauvorhabens in Bezug auf Verkehrsbelastung, klimatische Einflüsse und den spezifischen Materialeigenschaften des Asphaltes angepasst sind. Eine Optimierung aus ökonomischer Sicht wird dabei durch den Entwurf eines optimalen, an die Belastungen angepassten Aufbau und der Anpassung an die prognostizierte Nutzungsdauer realisiert.

Im deutschen Regelwerk ist die Vorgehensweise zur Dimensionierung (Bild 1) in den seit dem Jahr 2009 geltenden RDO Asphalt festgelegt. Neben den Eingangsgrößen „Verkehrslastkollektiv“ und „Klimatische Bedingungen“ sind vor allem die Materialkennwerte des Asphaltes und die jeweiligen Schichtdicken für die anschließende Modellbildung relevant. In den folgenden Ausführungen werden diejenigen Prüfverfahren und Methoden vorgestellt, mit denen für die rechnerische Dimensionierung relevante Materialkennwerte, insbesondere für den Nachweis der Unterseite der Asphalttragschicht gegenüber Ermüdung bestimmt werden. Zudem werden Hinweise gegeben, an welchen Stellen der Bestimmung der Asphaltkennwerte noch Anpassungsbeziehungsweise Verbesserungsbedarf bezüglich der prüftechnischen Ansprache und Berücksichtigung in der Auswertung gesehen wird.

Bild 1: Vorgehensweise zur rechnerischen Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt, 2009, S.7)

Im Rahmen des Schädigungsnachweises des Asphalts gegenüber Ermüdung wird die Anzahl vorhandener Lastwechsel (vorh N) der Anzahl zulässiger Lastwechsel gegenübergestellt (Gleichung 1). Es ergeben sich einzelne ertragbare Lastwechsel die durch unterschiedliche temperatur- und achslastbedingte Spannungszustände hervorgerufen werden. Nach der Hypothese von Miner lassen sich die einzelnen Schädigungsanteile der ertragbaren Lastwechsel zu einer Gesamtschädigung aufsummieren.

Die Anzahl zulässiger Lastwechsel bestimmt sich über spezifische Materialparameter (a, k), die durch Regression aus Ermüdungsversuchen und aus der im Versuch bestimmten elastischen Anfangsdehnung (e) gewonnen werden. (Gleichung 2) (2)

zul N    zulässige Lastwechselzahl bis zur Rissbildung in den Asphalttragschichten

a            Materialkennwert, durch Regression bestimmt aus dem Ermüdungsversuch

e          elastische Anfangsdehnung im Versuch

k          Materialkennwert, durch Regression bestimmt aus dem Ermüdungsversuch

SF       Shiftfaktor zur Überführung der Ergebnisse aus dem Spaltzug-Schwellversuch in realitätsnahe Größenordnung (mit SF=1500 anzunehmen)

F          Sicherheitsbeiwert (tabellarisch in RDO aufgeführt)

2 Asphaltkennwerte – Status quo

Für den Nachweis der Unterseite der Asphalttragschicht gegen Ermüdung müssen zunächst Kennwerte zum Steifigkeits- und Ermüdungsverhalten des Asphaltes gewonnen werden. In den RDO werden hierzu die Verformungskennwerte Querdehnzahl m [-] und der Steifigkeitsmodul E [MPa] aufgeführt, die Prüfverfahren und -bedingungen werden ergänzend in der Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung (AL Sp-Asphalt, 2009) präzisiert. Das Grundprinzip des Spaltzug-Schwellversuches ist dem Bild 2 zu entnehmen.

Bild 2: Grundprinzip des Spaltzug-Schwellversuches

Der Versuch wird an zylindrischen Asphalt-Probekörpern durchgeführt, die entweder aus walzsektorverdichteten Asphalt-Probeplatten, oder direkt aus der Straßenbefestigung gebohrt wurden. Der Probekörperdurchmesser wird dabei in Abhängigkeit des Größtkorns des Asphaltes gewählt. Die sinusförmige Belastung wird über zwei Laststreifen oben und unten senkrecht zur Mittelachse des Probekörpers mit einer definierten Unter- und Oberspannung eingebracht. Die durch die senkrechte Belastung erzwungenen, horizontalen Verformungen führen zu Zugspannungen innerhalb des Probekörpers.

Im Detail richten sich der Versuchsablauf und die Randbedingungen (Prüftemperatur/-frequenz, etc.) danach, ob die Ermüdungsfunktion (siehe Abschnitt 2.1) oder die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion (siehe Abschnitt 2.2) bestimmt werden soll.

2.1 Ermüdungsfunktion

Das Vorgehen zur Bestimmung der Ermüdungsfunktion ist zusammenfassend in den Bildern 3 und 4 dargestellt. Es sind zunächst Spaltzug-Schwellversuche bei einer Prüftemperatur von +20 °C und einer Belastungsfrequenz von 10 Hz durchzuführen. Daneben werden drei unterschiedliche Spannungsamplituden realisiert, die im Rahmen von Vorversuchen so ermittelt werden, dass sich elastische, horizontale Anfangsdehnungen (eel, anf) im Probekörper zwischen 0,05 und 0,30 ‰ ergeben.

Während des Versuches werden die aufgebrachten Kräfte und die auftretenden Verformungen gemessen. Dadurch ist es möglich für jede Lastwechselzahl in Abhängigkeit der Querdehnzahl und der Probekörperhöhe einen zugehörigen absoluten Steifigkeitsmodul |E| rechnerisch zu bestimmen. (vgl. Bild 5, rechts). Mit den Werten von |E| lässt sich auf der Grundlage des Ansatzes der dissipierten Energie nach Hopman (Hopman et al., 1989) die Lastwechselzahl beim Makroriss NMakro (Maximum der Kurve der „energy ratio“ = |E(N)|*N) ermitteln.

Bild 3: Ablaufschema zur Bestimmung der Ermüdungsfunktion

Mit den gemessenen elastischen, horizontalen Anfangsdehnungen eel, anf und den zugehörigen Lastwechselzahlen beim Makroriss NMakro lassen sich mittels Regression die Ermüdungsfunktion mit den Parametern C1 und C2 bestimmen (Bild 4).

Bild 4: Ergebnis der Ermittlung einer Ermüdungsfunktion nach AL Sp-Asphalt

Die ermittelten Regressionsparameter C1 und C2 entsprechen den Materiakennwerten a und k aus Gleichung 2, die zur Berechnung der ertragbaren Lastwechselzahl im Rahmen des Ermüdungsnachweises Unterseite Tragschicht herangezogen wird.

2.2 Steifigkeitsmodul – Temperaturfunktion

Um eine Aussage über den Zusammenhang des Steifigkeitsverhaltens des Asphaltes mit der Temperatur treffen zu können, sind Spaltzug-Schwellversuche unter Variation der Prüftemperatur und -frequenz durchzuführen. Mit den während des Versuches gemessenen Kräfte und Querverformungen und dem Ansatz einer temperaturabhängigen Querdehnzahl lassen sich rechnerisch die zu jeder Prüftemperatur und -frequenz zugehörigen Steifigkeitsmodule ermitteln (Bild 5).

Bild 5: Prüftechnische Vorgehensweise zur Bestimmung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion

Aus labortechnischen Gründen können nur für eine begrenzte Anzahl an Frequenzen und Temperaturen Spaltzug-Schwellversuche durchgeführt werden. Durch den Ansatz von Arrehnius ist es jedoch möglich, aus einer begrenzten Datengrundlage heraus eine Hauptkurve zu ermitteln, die für jede Temperatur und Frequenz einen zugehörigen Steifigkeitsmodul abbildet.

Aufgrund seiner rheologischen Eigenschaften reagiert Asphalt auf Belastungen frequenzabhängig, dass bedeutet je nach zeitlicher Belastung stellen sich unterschiedliche Verformungen (oder auch Steifigkeitsmodule) ein. Wird die Belastungsfrequenz erhöht so steigen im Allgemeinen die resultierenden Steifigkeitsmodule an. Gleichzeitig gilt, dass mit sinkender Temperatur bei gleichbleibender Frequenz die resultierenden Steifigkeitsmodule ebenfalls zunehmen. Es führt also zu vergleichbaren Steifigkeiten, indem entweder mit einer höheren Belastungsfrequenz oder alternativ bei einer niedrigeren Temperatur gemessen wird. Daher ist es zulässig, den zeitlichen und temperaturbedingten Einfluss auf die Steifigkeit zu überlagern. Dies wird durch eine Verschiebung der Isothermen realisiert, wodurch die auf eine Referenztemperatur bezogene Hauptkurve ermittelt werden kann (siehe Bild 6).

Bild 6: Ermittlung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion durch Verschiebung der Isothermen

Durch die so ermittelte Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion ist es möglich, die Steifigkeiten und daraus resultierende Dehnungen an der Unterseite der Tragschicht abhängig vom Temperaturverlauf in Asphaltaufbau zu berechnen.

2.3 Verbundfaktor

Der Verbund zwischen den einzelnen Schichten des Asphaltaufbaus ist Voraussetzung für eine vollständige Tragwirkung und daraus resultierend einem vollständigen Abtragen der auftretenden Spannungszustände. Gemäß den RDO wird für Neubaumaßnahmen angenommen, dass durch eine einwandfreie Einbauleistung ein vollständiger Schichtenverbund erreicht wird. Im Rahmen der Modellbildung geht der Schichtenverbund über einen Verbundfaktor (VF) ein, der bei vollständigem Verbund den Wert 0 und für das vollständige Fehlen des Verbundes den Wert ∞ annimmt.

Derzeit findet in der Vorgehensweise gemäß RDO der VF lediglich eine statische Berücksichtigung, indem dieser dem Wert 0 (vollem Verbund) gleichgesetzt wird. Im Falle von Erneuerungsmaßnahmen kann jedoch nicht zwangsläufig von einem einwandfreien Verbund nach der Baumaßnahme ausgegangen werden. Deshalb ist der Schichtenverbund prüftechnisch durch den Abscherversuch (TP Asphalt-StB, Teil 80) nachzuweisen (Bild 7).

Bild 7: Vorgehensweise zum Nachweis des Schichtenverbundes mittels Abscherversuch (TP-Asphalt, Teil 80)

An einer Bohrkernprobe wird die zu überprüfende Schichtgrenze über Scherbacken mit einer definierten Scherspannung beansprucht und dabei der Verlauf von aufgebrachter Kraft [kN] und zugehörigem Scherweg [mm] aufgezeichnet. Als Ergebnis werden die maximale Scherkraft und der Scherweg festgehalten. Der Scherweg bestimmt sich aus dem Schnittpunkt der Tangente am Wendepunkt des Scherweg-Kraftverlaufes mit der Abszisse und der maximalen Scherkraft (Bild 7, rechts).

In den ZTV Asphalt werden abhängig von der Art der geprüften Schichtgrenze Anforderungen an die maximale Scherkraft gestellt:

  • 15 kN für Asphaltdeck-/ zu Binderschichten und
  • 12 kN für alle übrigen Schichten.

Um eventuell festgestellte Mängel des Schichtenverbundes in der Dimensionierungsrechnung und auch bauvertraglich durch Abzüge zu berücksichtigen, wurden aktuell in den Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO (Ausgabe 2011) entsprechende Regelungen formuliert. Bezüglich des Verbundfaktors sehen die Empfehlungen eine Abminderung des VF im Falle eines Mangels auf 0,035 vor. Die Auswirkung eines variierenden VF auf die resultierende Schädigungssumme und damit auf die prognostizierte Lebensdauer der Asphaltbefestigung wird im Abschnitt 3.2 dargelegt.

3 Asphaltkennwerte – Anpassungsbedarf

3.1 Temperaturabhängigkeit der Querdehnzahl

Im Abschnitt 2.2 wurde die Vorgehensweise zur Bestimmung der Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktion erläutert. Hier gingen in die Berechnung der temperatur- und frequenzabhängigen Steifigkeitsmoduln auch temperaturabhängige Querdehnzahlen (Ansatz nach Witczak und Mirsa) ein (vgl. Bild 5, rechts). Im weiteren Verlauf der Dimensionierungsrechnung gemäß RDO wird jedoch mit einer konstanten Querdehnzahl µ = 0,35 operiert und damit der temperaturbedingte Einfluss vernachlässigt.

Untersuchungen von K im et al. (2004) belegen jedoch einen nicht zu vernachlässigen Einfluss der Temperatur auf die resultierende Querdehnzahl eines Asphalts im Spaltzug-Schwellversuch (Bild 8).

Bild 8: Einfluss der Prüftemperatur auf die resultierende Querdehnzahl von Asphalt (Kim et al., 2004)

Werden beispielhaft die Ergebnisse bei der Prüffrequenz von 10 Hz betrachtet, so ergeben sich für die Mittelwerte bei –10 °C und +35 °C eine Differenz der Querdehnzahlen von 0,2.

Um die Auswirkungen der Temperaturabhängigkeit der Querdehnzahl auf die Dimensionierungsrechnung abzuschätzen wurde zunächst die Querdehnzahl in Abhängigkeit der einzelnen Temperaturklassen gemäß RDO (von –12,5 °C bis +47,5 °C) und des Temperaturverlaufs über die Tiefe des Asphaltaufbaus berechnet (Bild 9, links). Im Anschluss wurden die daraus resultierenden Biegezugdehnungen e an der Unterseite der Asphalttragschicht unter Annahme einer Verkehrsbeanspruchung der Lastklasse 11 berechnet (Bild 9, rechts). Vergleichend sind die Biegezugdehnungen dargestellt, die sich für eine konstante Querdehnzahl von 0,35 rechnerisch ergeben.

Für Temperaturen unterhalb 32,5 °C liegen die Biegezugdehnungen berechnet mit temperaturabhängigen Querdehnzahlen über den entsprechenden Werten für eine konstante Querdehnzahl gemäß RDO. Für die Schädigungssumme und letztlich auch für die prognostizierte Lebensdauer bedeutet dies, dass sich unter Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der Querdehnzahl tendenziell ungünstigere (kürzere) rechnerische Nutzungszeiträume bis zum Rissversagen ergeben als durch das bisherige Vorgehen mit einer konstant gesetzten Querdehnzahl.

Im Temperaturbereich oberhalb 32,5 °C führt der Ansatz temperaturabhängiger Querdehnzahlen dagegen zu niedrigeren (günstigeren) Biegezugdehnungen (Bild 9, rechts rot markiert). Um in den Berechnungen einen Sicherheitsfaktor zu berücksichtigen wird vorgeschlagen, die Biegezugdehnung für die Temperaturen unterhalb von 32,5 °C mittels temperaturabhängiger Querdehnzahl zu berechnen, oberhalb von 32,5 °C für die Berechnung die Querdehnzahl konstant mit 0,35 anzusetzen (Bild 10, links). Die für diesen pragmatischen Ansatz resultierenden Biegezugdehnungen sind im Bild 10 rechts dargestellt.

Bild 9: Einfluss der Temperatur auf die Querdehnzahl und die resultierenden Biegezugdehnungen an der Unterseite der Asphalttragschicht

Bild 10: resultierende Biegezugdehnungen an der Unterseite der Asphalttragschicht bei Ansatz der Querdehnzahl zur „sicheren Seite“

Anhand eines praxisnahen Beispiels wurden die drei referierten Ansätze der Querdehnzahl für die Berechnung der Schädigungssumme nach Miner herangezogen (Bild 11).

Unter den gewählten Randbedingungen führt der Ansatz der Querdehnzahl „sichere Seite“ im Vergleich zum konstanten und rein temperaturabhängigen Ansatz zu einer Schädigungssumme >1. Es wird demnach ein Rissversagen der Asphalttragschicht im vorgesehenen Nutzungszeitraum prognostiziert, während mit den übrigen Ansätzen der Nachweis gegen Ermüdung erfüllt werden kann.

Bild 11: Auswirkung unterschiedlicher Ansätze der Querdehnzahl auf die Schädigungssumme nach M in e r

3.2  Variation des Verbundfaktors

Im Abschnitt 2.3 wurde bereits auf den Verbundfaktor und die Berücksichtigung bei festgestellten Mängeln im Verbund dargelegt. Inwieweit sich ein variierender Verbundfaktor auf die resultierenden Schädigungssummen tatsächlich auswirkt wird nachfolgend untersucht. Für den ersten Fall wurde der Verbund zwischen der Asphaltbinder- und Asphaltdeckschicht in den Grenzen vollständiger Verbund (VF = 0) und keinerlei Verbundwirkung (VF = ∞) variiert und die entsprechenden Schädigungssummen berechnet (Bild 12). Die Ergebnisse basieren auf einem am ISBS konzipierten RDO Asphalt 09 konformen Programm.

Bild 12: Einfluss eines variierenden Verbundfaktors zwischen Asphaltbinder- und Asphaltdeckschicht auf die Schädigungssumme nach Miner

Die Auswirkungen des variierenden Verbundfaktors zeigen sich signifikant in den Ergebnissen. Für den Regelfall gemäß RDO (Neubaumaßnahme mit vollem Verbund; VF = 0) ergibt sich für die Schädigungssumme ein Miner-Wert von 0,689. Dieser steigt mit abnehmendem Verbund (zunehmenden Verbundfaktor) sukzessive an und erreicht unter vollständig aufgehobenen Verbund einen annähernd um den Faktor 2 höheren Wert (1,276).

Neben dem absoluten Wert des Verbundfaktors nimmt die Lage der Schichtgrenze Einfluss auf das Berechnungsergebnis. Im zweiten Untersuchungsfall wurde unter Zugrundelegung der gleichen Eingangsparameter der VF zwischen der Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht variiert. Die ermittelten Schädigungssummen sind dem Bild 13 zu entnehmen.

Auch hier wird ein Anstieg der Schädigungssumme mit schlechter werdendem Verbund festgestellt. Jedoch ist der Anstieg, insbesondere ab einem VF von 0,1 stärker als im Betrachtungsfall Asphaltbinder- zu Asphaltdeckschicht. Die vollständige Aufhebung des Verbundes zwischen Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht führt zu einer Schädigungssumme von 4,541, die damit in etwa um den Faktor 6,5 höher liegt als jene mit einwandfreiem Verbund.

Bild 13: Einfluss eines variierenden Verbundfaktors zwischen Asphalttrag- und Asphaltbinderschicht auf die Schädigungssumme nach Miner

Die referierten Ergebnisse belegen eindeutig, dass sich der variierende VF und insbesondere auch die Lage der Schichtgrenze in der der Verbund angesetzt wird, in den resultierenden Schädigungssummen in relevanten Größenordnungen auswirken. Daher kommt der prüftechnisch praxisrelevanten Ansprache der Verbundwirkung zum einen, und die Berücksichtigung von variierenden Verbundfaktoren in der Dimensionierungsrechnung zukünftig eine steigende Bedeutung zu.

In Bezug auf die prüftechnisch einwandfreie Ansprache der Verbundwirkung wurden bereits Untersuchungen durchgeführt, die die Anwendbarkeit des statischen und eines dynamischen Abscherversuches zum Gegenstand hatten (Wellner, Ascher, 2007). Ferner wurde versucht, aus den Versuchsergebnissen Verbundfaktoren abzuleiten, die die tatsächliche Verbundwirkung in geeigneter Weise abbilden können. Der dynamische Abscherversuch wurde hier im Vergleich zum statischen Versuch als geeigneter beurteilt, um Eingangsparameter für die Dimensionierungsrechnung zu gewinnen.

Dagegen wurde durch eine Weiterentwicklung des statischen Versuches und der Ergebnisauswertung erreicht, dass sich plausible Verbundfaktoren bestimmen lassen, mit denen auch eine Klassifikation der Verbundwirkung möglich ist (Schönbrodt, 2010).

4 Fazit und Ausblick

Mit der rechnerischen Dimensionierung von Asphaltbefestigungen steht neben dem empirischen Vorgehen eine zukunftsweisende Methode zur Verfügung, deren Potenzial vor allem vom wirtschaftlichen Aspekt her zu sehen ist. Es wird mit dem rechnerischen Ansatz ermöglicht, den optimalen Aufbau unter den vorliegenden Randbedingungen zu ermitteln, indem die voraussichtliche Nutzungsdauer vorab prognostiziert werden kann.

Die Prüfverfahren zur Gewinnung der Eingangsgrößen für die Dimensionierungsrechnungen haben sich inzwischen weitestgehend bewährt. Neben dem Spaltzug-Schwellversuch ist jedoch für den Abscherversuch zur Bestimmung von Verbundfaktoren zwischen den einzelnen Schichten der Asphaltbefestigung Forschungs- und Entwicklungsbedarf zu sehen. Durch vorangegangene Forschungsaktivitäten wurden hierzu bereits Grundlagen geschaffen.

Neben der Weiterentwicklung des Abscherversuches fehlt bislang auch ein Erfahrungshintergrund bezüglich der Vergleichbarkeit dynamischer Prüfverfahren. Für die Bestimmung der Eingangsgrößen für die Dimensionierungsrechnung ist dieser Erfahrungshintergrund vor allem für den Spaltzug-Schwellversuch zu schaffen. Zurzeit werden im Rahmen eines Geräteaudits zu den dynamischen Prüfverfahren und durch Initiierung einer Ringanalyse zum Spaltzug-Schwellversuch die Grundlagen geschaffen, gleiche prüftechnische Voraussetzungen sicherzustellen mit denen die Eingangsparameter zur Dimensionierungsrechnung bestimmt werden.

Innerhalb der Dimensionierungsrechnung wurde der Einfluss temperaturabhängiger Querdehnzahlen und variierender Verbundfaktoren auf die Schädigungssumme aufgezeigt. Die Auswirkung unterschiedlicher Berücksichtigung der Querdehnzahl in der Berechnung auf die Schädigungssumme stellt sich dabei als geringer heraus, als die Variation des angesetzten Verbundfaktors. Es wird empfohlen, beide Effekte bei der Fortschreibung der RDO zu berücksichtigen und die Dimensionierungsrechnung entsprechend anzupassen und stellenweise zu erweitern.

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2011): Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt, Köln, FGSV 867

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung (AL Sp-Asphalt), Köln, FGSV 430

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien zur rechnerischen Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht, (RDO Asphalt 09), Köln, FGSV 498

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2007): Technische Prüfvorschriften für Asphalt, Teil 80: Abscherversuch, (TP Asphalt-StB, Teil 80), Köln, FGSV 756/80

Hopman, P.; Kunst, P. et al. (1989): A Renewed Interpretation Model for Fatigue Measurement. Verification of Miner’S Rule, 4th Eurobitume Symposium 4-6 October 1989, Vol. 1, Seiten 557-561, Madrid

Kim, R. Y.; Seo, Y.; Momen, M. (2004): Complex modulus from the Indirect Tension Test, 1st ed. Modeling of Asphalt Concrete, S. 121–139, ASCS-Press, New York

Schönbrodt, A. (2010): Weiterentwicklung des Abscherversuchs zur Herleitung der Verbundwirkung zwischen Asphaltschichten. Diplomarbeit am Institut für Straßenwesen der TU Braunschweig (ISBS), Braunschweig

Wellner, F.; Ascher, D. (2007): Untersuchungen zur Wirksamkeit des Haftverbundes und dessen Auswirkung auf die Lebensdauer von Asphaltbefestigungen, Schlussbericht zum AiF Forschungsprojekt Nr. 13589 BR / 1, Deutsches Asphaltinstitut, Bonn