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1 Hintergrund
Um zur mehrfachen Wiederverwendung von Asphaltgranulat bestehende Wissenslücken zu füllen, wurde von den nationalen Forschungsgesellschaften der Länder Deutschland, Österreich und Schweiz (D-A-CH-Länder) – das sind die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. in Deutschland (FGSV), der Schweizerische Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute in der Schweiz (VSS) und die Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr in Österreich (FSV) – von Oktober 2019 bis Dezember 2022 das D-A-CH Forschungsprojekt Mehrfachrecycling im Straßenbau (MARS) gefördert. Die Forschungsnehmer waren (in alphabetischer Reihenfolge): die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), der Forschungsbereich Straßenwesen des Instituts für Verkehrswissenschaften an der Technischen Universität Wien (TUW), das Institut für Straßenwesen (ISBS) an der Technischen Universität Braunschweig (TUBS) und der Lehrstuhl für Verkehrswegebau (LVW) an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Wesentliche Teile dieses Artikels entstammen dem Schlussbericht zu diesem Projekt.
Ziel des Forschungsprojekts war die Simulation der mehrfachen Wiederverwendung von Asphalt mit PmB, um dazu verbleibende technische Fragen im Labormaßstab zu klären. Es sollten Erkenntnisse zum Mehrfachrecycling gesammelt werden, um in den D-A-CH Ländern ein möglichst effizientes, wissenschaftlich basiertes, prozesssicheres und praxisgerechtes Vorgehen bei der mehrfachen Wiederverwendung von Asphalt unter Berücksichtigung der jüngsten Forschungsergebnisse der Forschungsnehmer zu gewährleisten.
Ergebnis ist die Erstellung von praxistauglichen Empfehlungen bezüglich der mehrfachen Wiederverwendung von Ausbauasphalt, welche als Grundlage zur Fortschreibung der nationalen Regelwerke in den D-A-CH Ländern herangezogen werden können.
Das Projekt war auf den Labormaßstab fokussiert. Die prinzipielle Vorgehensweise zeigt Bild 1. Unter dem Begriff „künstliches RAP“ ist Asphaltgranulat zu verstehen, das unter Laborbedingungen erzeugt wird.
Bild 1: Mehrfache Wiederverwendung im Labormaßstab (schematisch); RAP…Asphaltgranulat
Ein wesentlicher Aspekt bei der Mischgutproduktion im Rahmen der Wiederverwendung ist das Vermischen der Komponenten zum resultierenden Asphaltmischgut. Insbesondere ist darauf zu achten, dass das Mischen bei einer ausreichend hohen Temperatur und über eine ausreichend lange Zeitdauer erfolgt, sodass die feinen Gesteinsfraktionen keine Verklumpungen bilden und das Asphaltgranulat vollständig aufgeschlossen wird. Vom Black Rock Effekt spricht man in dem Zusammenhang, wenn Mineralstoffe von sehr hartem Bindemittel umhüllt verbleiben, die nicht durch Zugabebindemittel oder Regeneratoren aufgeschlossen und folglich homogenisiert werden können. Es ist bekannt, dass der Mischprozess im Labor abhängig vom eingesetzten Labormischer, der Mischkinematik und dem Mischwirkungsgrad deutlich von jenem an der Asphaltmischanlage abweichen kann1).
Beim wiederholten Recycling spielt der Zugabeanteil an Asphaltgranulat eine wichtige Rolle2). Bei einem Recycling-Anteil von 20 % ist bereits nach dem dritten Recycling-Zyklus nur noch 1 % des Ausgangsmaterials vorhanden, wenn die Recyclingrate konstant gehalten wird. Auch bei einem Anteil von bis zu 40 % ist der Einfluss immer noch von geringer Bedeutung und beträgt weniger als 16 %. Wird die Zugaberate auf 60 % erhöht, sind immerhin 36 % (60 % von 60 %) des Mischguts mehrmals rezykliert worden und erst dann ist ein entsprechend größerer Einfluss zu erwarten (Bild 2). Der Anteil des mehrfach rezyklierten Materials nimmt quadratisch mit dem mittleren Recyclinganteil zu und beträgt bei 70 % Zugabe schon 49 %.
Bild 2: Beispiel für Mehrfachrecycling bei konstanter Zugabe von 60 % Asphaltgranulat (RAP)
Im Forschungsprojekt wurde ein Zugabeanteil an Asphaltgranulat von 50 % für die Asphaltdeckschicht und von 70 M.-% für die Asphaltbinderschicht gewählt.
Das Forschungsprogramm setzte sich aus fünf Arbeitspaketen zusammen:
- AP-1 Zusammenstellung des Standes des Wissens in den D-A-CH-Ländern und der internationalen Literatur unter Berücksichtigung der geltenden nationalen Regelwerke,
- AP-2 Identifikation von praxisgerechten Verfahren zur Prüfung wesentlicher Eigenschaften auf Bindemittelebene,
- AP-3 Validierung der in Teil 2 ausgewählten Verfahren auf Asphaltebene,
- AP-4 RAP-Management und -Analyse,
- AP-5 Erstellung eines Leitfadens für Mehrfachrecycling.
1) Wistuba, M.; Mollenhauer, K.; Walther, A. 2013. Ermittlung der Streuung dimensionierungsrelevanter Eingangsgrößen für Asphalte. Schlussbericht, Institut für Straßenwesen, Technische Universität Braunschweig, Forschungsprojekt FE 04.0204/2006/ AGB i. A. des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, erschienen in: Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1087. Kurzfassung erschienen in Straße und Autobahn, 5/2013, S. 366-376, Kirschbaum Verlag, Bonn
2) Hugener, M.; Kawakami, A. 2015. Forschungspaket Recycling von Ausbauasphalt in Heissmischgut: EP2: Mehrfachrecycling von Strassenbelägen. VSS 2005/453, Bundesamt für Strassen, Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), Bericht 1510, Empa, Dübendorf, Schweiz
Der Leitfaden liegt als eigenes Dokument ergänzend zum Schlussbericht vor. Er enthält praxistaugliche Anleitungen zur „best-practice“, insbesondere hinsichtlich des Managements und der Analyse des Asphaltgranulats, des Vorgehens bei der Regeneration des Altbindemittels und bei der großtechnischen Umsetzung der in diesem Projekt erarbeiteten Lösungen.
2 Stand des Wissens
Im Arbeitspaket AP-1 des Projekts wurde der Stand des Wissens zum Asphaltrecycling in den D-A-CH-Ländern und in der internationalen Literatur unter Berücksichtigung der geltenden nationalen Regelwerke zusammengestellt. Die wesentlichen Inhalte sind im Folgenden gekürzt zusammengestellt.
Übergeordnet sind die Europäischen Regelungen (insbesondere europäische Bauproduktenverordnung3), siehe Abschnitt 3.1.
Die gesetzlichen Vorgaben und die Technischen Regelwerke in den D-A-CH-Ländern (siehe Abschnitt 3.2) schreiben eine nachhaltige Verwertung von Straßenausbaustoffen im höchstmöglichen Ausmaß vor. Asphaltrecycling ist in den D-A-CH-Ländern durch vielfältige technische Vorschriften umfangreich und im internationalen Vergleich auf hohem Niveau geregelt. Die technischen Vorschriften sind im D-A-CH-Ländervergleich insgesamt ähnlich.
In Deutschland gibt es regionale Unterschiede, wo es in einigen Bundesländern eigene landesspezifische Regelungen gibt (ergänzend und teils auch abweichend vom nationalen Regelwerk). So schränken beispielsweise einige Bundesländer die Verwendung von Asphaltgranulat in Heißmischgut ein, während in anderen Bundesländern hohe Recyclinganteile seit vielen Jahren Standard sind.
In Österreich wird, mangels Asphaltmischanlagen mit Paralleltrommel, der Großteil des anfallenden Ausbauasphalts für untergeordnete Zwecke wiederverwertet (Downcycling), die Wiederverwendung im Heißmischverfahren ist von untergeordneter Bedeutung und die Zugaberaten sind dann meist unter 20 M.-%. Für Mehrfachrecycling sind so geringe Zugabemengen kaum von Relevanz, denn Mehrfachrecycling rechnet sich erst bei einer ausreichend großen Zugabemenge an Asphaltgranulat (siehe oben).
In der Schweiz gibt es in Ermangelung von Großbaustellen das Problem, dass Ausbauasphalt fast ausschließlich in Kleinmengen anfällt und daher eine sortenreine Lagerung vielfach nicht praktizierbar ist. Nachholbedarf gibt es auch in der rheologischen Charakterisierung von Bindemitteln, insbesondere im Rahmen der Regeneration.
In allen D-A-CH-Ländern besteht in der Praxis für eine hohe Zugaberate auch eine betriebswirtschaftliche Hemmschwelle. Die für eine hohe Zugaberate notwendige Installation einer Paralleltrommel an der Asphaltmischanlage ist teuer und ihr Betrieb aufwendig. Sie erfordert mitunter eine neue Betriebsstätten-Genehmigung (mit entsprechenden Auflagen), rechnet sich erst bei großen Mengen und ist daher nicht immer eine wirtschaftlich sinnvolle Option für den Produzierenden. Mitunter wird daher eine Zugaberate von unter 30 M.-% Asphaltgranulat bei den Asphaltproduzenten als die mittelfristig wirtschaftlichste Lösung gesehen.
Zusammenfassend wurden im Projekt folgende Erkenntnisse zum Stand des Wissens erhalten:
- Die Praxis der Wiederverwendung von Ausbauasphalt ist in den D-A-CH-Ländern unterschiedlich, die Wiederverwendungsquote im Heißverfahren ist unterschiedlich stark ausgeprägt.
3) Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates, ABl. Nr. L 88/5 vom 4.4.2011
- Das Marktangebot an Regeneratoren ist riesig, es gibt aber keine einheitliche Klassifizierung. Der Stand des Wissens zu Regeneratoren ist nicht in gesammelter Form zugänglich
- International ist der Großteil der Experten einig, dass mithilfe des Dynamischen Scherrheometers (DSR) die Prüfung der interessierenden Bindemitteleigenschaften möglich
- Der Stand des Wissens zur Wiederverwendung von Asphalt ist in den D-A-CH-Ländern im internationalen Vergleich up to date.
- Die zentrale Frage im Rahmen der Wiederverwendung von Asphalt liegt in der rheologischen Charakterisierung des Altbindemittels im Asphaltgranulat und des resultierenden Bindemittelgemisches.
Als Fazit wird festgehalten, dass die Erhöhung der Zugaberate im Heißmischverfahren und die mehrfache Wiederverwendung von hochwertigen Asphaltschichten im Heißmischverfahren im Sinne der Umsetzung der EU-Vorgaben und der SDGs4) in den D-A-CH-Ländern weiter forciert werden sollten. Seitens der öffentlichen Hand sollten geeignete Förderungen und Rahmenbedingen geschaffen werden, um langfristig ein effizientes Mehrfachrecycling mit ausreichend hohen Zugaberaten von Asphaltgranulat erzielen zu können. Ferner ist eine schnellstmögliche Anpassung des Regelwerks in den D-A-CH-Ländern an Stand des Wissens nötig, um die Wiederverwendungsraten auf das größtmögliche Maß zu steigern.
3 Praxisgerechte Bitumenprüfung
Im Arbeitspaket AP-2 wurden praxisgerechte Verfahren zur Prüfung der wesentlichen Eigenschaften auf Bindemittelebene erprobt.
Herkömmliche Bitumenkennwerte, wie Nadelpenetration, Erweichungspunkt Ring und Kugel, Brechpunkt nach Fraaß, Kraftduktilität, elastische Rückstellung, wurden vor etwa 100 Jahren zur Charakterisierung der Eigenschaften von Straßenbaubitumen eingeführt. Sie stoßen heute immer deutlicher an ihre Grenzen. Denn der entscheidende Nachteil von herkömmlichen Bitumenprüfungen ist, dass ihre Aussagekraft und Gültigkeit für komplexe, modifizierte Bindemittel nur sehr eingeschränkt gegeben sind. Der Erfahrungshintergrund für reine Destillationsbitumen gilt nicht in gleicher Weise für modifizierte Bitumen. Doch gerade heute nimmt durch den vermehrten Einsatz von Modifikationsmitteln (viskositätsverändernde Mittel, Regeneratoren und andere) die Komplexität von Bindemitteln generell zu, sodass eine ausreichende Differenzierung anhand von konventionellen Bitumenkennwerten nicht mehr zuverlässig möglich ist5).
Dabei ist gerade im Rahmen der Wiederverwendung von Asphalt die Wahl und die Bestimmung der geeigneten Dosierung des Regenerators von besonderer Bedeutung, um die Projekt- und Spezifikationsanforderungen des zu produzierenden Asphaltes erfüllen zu können6).
Daher wurde in den vergangenen Jahrzehnten (ausgehend vom US-amerikanischen Strategic Highway Research Program, 1987 bis 1992) eine Reihe von weiterführenden Prüfverfahren entwickelt und erprobt, insbesondere jene der gebrauchsverhaltensorientierten Bindemittelprüfung u. a. mithilfe des Dynamischen Scherrheometers (DSR) und des Biegebalkenrheometers (BBR) sowie Verfahren zur Ansprache der chemisch-physikalischen Bindemitteleigenschaften auf der Mikro- und Nanoebene. Nach und nach werden heute die empirischen Methoden ergänzt und abgelöst durch fundierte Ansätze der Materialansprache und Materialmodellierung basierend auf physikalisch-mechanischen Wirkzusammenhängen5).
4) Sustainable Development Goals (SDGs): globale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung; UN Sustainable Development Summit, New York, 2015
5) Wistuba, M. P. (2019): Straßenbaustoff Asphalt. Erste Auflage, Technische Universität Braunschweig, Institut für Straßenwesen, Braunschweig, ISBN 978-3-932164-16-3
6) DAV 2020: Technisches Informationspapier, Verwendung von Rejuvenatoren bei der Wiederverwendung von Asphalt. Deutscher Asphaltverband e. V. (DAV), Bonn
Zusammenfassende Erkenntnisse zur praxisgerechten Bitumenprüfung aus dem Projekt sind:
- Das Bitumen-Typisierungs-Schnell-Verfahren (BTSV) ist sehr hilfreich und ermöglicht präzise und gut wiederholbare Aussagen zur Wirkung eines Regenerators. Die BTSV-Kennwerte, also Äqui-Schermodultemperatur T(G*=15kPa) und zugehöriger Phasenwinkel δ@T(G*=15kPa) sind geeignet, einen Regenerator in Bezug auf seine rheologische Wirksamkeit und seine Dauerhaftigkeit bei mehrfacher Wiederverwendung des Asphalts zu So kann das aus rheologischer Sicht bestgeeignete Regenerationsmittel für einen spezifischen Anwendungszweck ausgewählt werden.
- Das BTSV unterstützt die Bestimmung der geeigneten Zugabemenge an Regenerationsmittel. Einschränkend ist das BTSV im Bereich der oberen Gebrauchstemperaturen gültig (regeneriertes Bitumen eventuell zu weich). Es wird empfohlen, die ermittelte Dosierung anhand von Performanceprüfungen (am großtechnisch hergestellten Asphaltmischgut oder an der Mastix im DSR) zu evaluieren.
- Das Dynamische Scherrheometer (DSR) ist hilfreich für alle Fragestellungen im Zusammenhang mit der Regeneration des Bindemittels (tägliche Baupraxis & systematischer Erkenntnisgewinn).
4 Prüfung der mehrfachen Wiederverwendung im Labor
Im Rahmen des Projekts wurde Mehrfachrecycling exemplarisch für ein Asphaltdeckschichtmischgut und ein Asphaltbinderschichtmischgut im Labor simuliert (Tabelle 1).
Tabelle 1: Festgelegte Baustoffe für das Mehrfachrecycling (Zielvorgabe)
Folgende Baustoffkomponenten wurden im Projekt verwendet (Tabelle 2).
Tabelle 2: Im Projekt verwendete Baustoffkomponenten
Im Bild 3 ist die Vorgehensweise zur Simulation des Mehrfachrecyclings im Labor schematisch dargestellt.
7) EN 13108-5: 2016-12 Asphaltmischgut – Mischgutanforderungen – Teil 5: Splittmastixasphalt; CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
8) EN 13108-1: 2016-11 Asphaltmischgut – Mischgutanforderungen – Teil 1: Asphaltbeton; CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
9) Radenberg, M.; Nytus, N.; Stephan, D.; Schwettmann, K. (2021): Postcarbone Straße – Der endlose Wiederverwendungskreislauf von Bitumen. Straße + Autobahn, Heft 3/2021, S. 171 bis 180, Kirschbaum Verlag GmbH, Bonn
Im ersten Schritt wurden die Ausgangsmischungen (M0) aus dem Gestein (A0), dem Asphaltgranulat (R0) und dem Zugabebindemittel (B0) hergestellt. Die Mischungen wurden für beide festgelegten Asphaltmischguttypen und für die festgelegten Zugaberaten an Asphaltgranulat bezüglich Korngrößenverteilung der Mineralstoffe, Bindemittelanteil und Hohlraumgehalt optimiert, so dass die maßgebenden Anforderungen gemäß Technischem Regelwerk erfüllt waren.
Im zweiten Schritt wurde die Ausgangsmischung (M0) im Labor gealtert, sodass ein künstlich gealtertes Asphaltgranulat (R1) gewonnen wurde.
Die nach jeder Alterung erhaltene Recyclingmischung (M1 bzw. später M2, M3) wurde möglichst ähnlich zum Ausgangsmischgut (M0) hergestellt bezüglich Korngrößenverteilung, Bindemittelgehalt und BTSV-Kennwerte des resultierenden Bindemittels.
Der Recyclingzyklus wurde zwei Mal wiederholt. Das Zugabebindemittel wurde bei jedem Zyklus neu bestimmt.
Bild 3: Vorgehensweise zur Simulation von Mehrfachrecycling im Labor (schematisch). Legende: Ausgangsmischungen (M0) mit Gestein (A0), RAP-Asphaltgranulat (A0) und Zugabebindemittel (B0); Recyclingmischungen (M1, M2, M3) deren Komponenten nach jeder Alterungsstufe fortlaufend nummeriert sind (x = 1, 2, 3): Gestein (Ax), RAP-Asphaltgranulat (Rx) und Zugabebindemittel (Bx).
Für jedes Asphaltmischgut wurde das Gebrauchsverhalten (Performance) durch zeitraffende Laborversuche überprüft.
Generell kann das Gebrauchsverhalten von Asphalt im Labor anhand der Prüfung folgender Gebrauchseigenschaften am verdichteten Asphaltgemisch (Performance-Eigenschaften) bewertet werden (Begriffsbestimmungen vgl. FGSV, 201410):
- Verformungswiderstand (Widerstand gegen irreversible Verformungen infolge wiederholter Verkehrsbelastung),
- Steifigkeit (komplexer E-Modul und komplexe Querdehnzahl),
- Ermüdungswiderstand (Widerstand gegen einen langsam voranschreitenden Schädigungsprozess durch Risse),
- Widerstand gegen Kälterissbildung (infolge ver- bzw. behinderten thermischen Schrumpfens).
Wesentliche Gebrauchseigenschaften des Asphalts wie z. B. Steifigkeit, Festigkeit, Viskosität, Kriechverhalten, Ermüdungswiderstand, Alterungsverhalten werden von der Bitumenqualität bzw. Mastixqualität maßgeblich gesteuert. Daher kann das Gebrauchsverhalten für regelwerkskonform zusammengesetzte und technisch richtig eingebaute Asphalte näherungsweise auch anhand von Bitumen- bzw. Mastixprüfungen bestimmt werden (siehe dazu Büchner, 2021)11).
In diesem Forschungsprojekt wurden Asphaltprüfungen zur Bestimmung des Ermüdungsverhaltens, der Tieftemperatureigenschaften und der plastischen Verformungsneigung durchgeführt. Die folgenden Prüfmethoden wurden gewählt (Tabelle 3), wobei Ermüdungs- und Kälteprüfungen sowie Untersuchungen zur Wasserempfindlichkeit nur am Ausgangs- und Endmischgut des Mehrfachrecyclings durchgeführt wurden.
Im Rahmen des Asphaltrecyclings sind zur Realisierung von möglichst hohen Zugabeanteilen verschiedene Aspekte entlang der gesamten Produktionskette zu berücksichtigen. Beginnend bei der Gewinnung, Aufbereitung und Lagerung des Asphaltgranulats (lagenweises Fräsen, Brechen und Siebung, überdachte Lagerung etc.) sowie des Haldenmanagement (Beurteilung der Gleichmäßigkeit der Halde) folgt die Mischgutkonzeption (Mix Design) des Asphalts mit hohen Zugabeanteilen des Asphaltgranulats. Weiterhin bestehen anlagentechnische Anforderungen an die Asphaltmischwerke. Beim Mix Design von Asphalt mit Asphaltgranulat sind konventionelle Kriterien (Korngrößenverteilung, Bindemittelgehalt, Erweichungspunkt) zu berücksichtigen. Als entscheidend für ein zielsichereres Mix Design wird die Betrachtung der rheologischen Materialeigenschaften auf Bitumen-/Mastixebene angesehen.
Daher wurde im Rahmen des Forschungsprojekts ein Leitfaden zusammengestellt, der eine systematische Vorgehensweise für das Mix Design auf Basis rheologischer Untersuchungen darlegt. Die darin enthaltenen Ausführungen zum Heißrecycling mit hohen Zugabeanteilen (bis 70 M.-%) geben Hinweise zur laborpraktischen Umsetzung der rheologischen Charakterisierung des Bindemittels aus Asphaltgranulat und des Bindemitteldesigns für die Herstellung von Asphalt unter Zugabe des Asphaltgranulats und gegebenenfalls eines Regenerators.
10) Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 2014. Begriffsbestimmungen zur Performance von Asphalt (v. 20. Mai 2014). Arbeitsgruppe Asphaltbauweisen, Ad-hoc-Gruppe „Performance Asphalt“ 7.02
11) Büchner, J. 2021. Prüfung von Asphaltmastix im Dynamischen Scherrheometer. Dissertation, Technische Universität Braunschweig, Institut für Straßenwesen, Schriftenreihe Straßenwesen, Heft 38, Braunschweig
Tabelle 3: Prüfplan zur Ansprache von ausgewählten Gebrauchseigenschaften des Asphalts beim Mehrfachrecycling
12) EN 12697-46 Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 46: Widerstand gegen Kälterisse und Tieftemperaturverhalten bei einachsigen Zugversuchen. CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
13) AASHTO TP 124-16 Standard Method of Test for Determining the Fracture Potential of Asphalt Mixtures Using the Illinois Flexibility Index Test (I-FIT), AASHTO (American Association of State Highway and Transportation Officials), Washington D.C
14) EN 12697-25 Asphalt – Prüfverfahren – Teil 25: Druck-Schwellversuch. CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
15) EN 12697-24 Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 24: Beständigkeit gegen Ermüdung. CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
16) AL Sp-Asphalt 09 Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), FGSV Verlag, Köln
17) EN 12697-12 Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 12: Bestimmung der Wasserempfindlichkeit von Asphalt-Probekörpern, CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
18) EN 12697-30 Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 30: Probenvorbereitung, Marshall-Verdichtungsgerät. CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
19) EN 12697-8 Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 8: Bestimmung von volumetrischen Charakteristiken von Asphalt- Probekörpern. CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
20) DIN 52050, 2018. Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – BTSV-Prüfung. Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN), Beuth Verlag, Berlin
21) EN 1427 Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung des Erweichungspunktes – Ring- und Kugel-Verfahren. CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
22) EN 16659 Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – MSCR-Prüfung (Multiple Stress Creep and Recovery Test), CEN (Europäisches Komitee für Normung), Brüssel
5 Zusammenfassung
Im D-A-CH-Forschungsprojekt Mehrfachrecycling im Straßenbau wurden wichtige Erkenntnisse in den deutschsprachigen Ländern anhand von Literaturstudie, Expertenbefragungen und aus den Erfahrungen der Projektpartner aus Vor- und Begleitprojekten zusammengetragen und um ein umfangreiches Programm an Laborprüfungen sowohl im Klein- als auch im Großmaßstab ergänzt. Sie erstrecken sich vom Granulatmanagement und das Bindemitteldesign bis zur Validierung der Gebrauchseigenschaften des resultierenden Asphaltgemisches.
Schon die selektive Gewinnung und Lagerung des Ausbauasphaltes (schichtweises Fräsen) ist eine bekanntermaßen wichtige Komponente zur Optimierung des Stoffstrom-Managements und zur Steigerung der Wiederverwendungsanteile, besonders in Asphaltdeckschichten. Eine weitere, bisher weniger genutzte Vorgehensweise zur Optimierung des Stoffstrom-Managements wurde in diesem Projekt angesprochen: die Fraktionierung der Asphaltgranulate. Bisherige Ansätze enden meist bei einer Aufteilung in die Stückgrößengruppen 0/8 mm und 8/X mm. Da mit abnehmender Stückgröße nicht nur der Bindemittelgehalt ansteigt, sondern auch die Bindemittelhärte zunimmt, liegen in einer weitergehenden Fraktionierung hohe Potenziale zur Steigerung der Rezepttreue eines Asphaltmischgutes mit hohen Asphaltgranulatanteilen. Die rheologische Charakterisierung der Bindemittel in den Asphaltgranulaten wird dabei als wichtigste Komponente zur Qualitätssicherung angesehen. Hierfür gibt es einfache und schnelle Prüfmethoden im Dynamischen Scherrheometer, mit denen die Äqui-Schermodultemperatur T(G*=15kPa) bestimmt und vorhandene Modifizierungen identifiziert werden können. Weitergehende Untersuchungen können hilfreich sein (z. B. Kälteeigenschaften des Bindemittels oder Füllereigenschaften), sind aber für das Stoffstrom-Management nicht zwingend notwendig.
Im Projektteil mit den Laborprüfungen wurde demonstriert, dass die Simulation der mehrfachen Wiederverwendung im Labor inklusive der großtechnischen Validierung der nach dem jeweiligen Regenerationsschritt resultierenden Gebrauchseigenschaften des Asphalts überaus material- und arbeitsintensiv ist. Denn die gewählte Wiederverwendungsrate von 50 bzw. 70 % erforderte die Rückgewinnung einer beachtlichen Menge an Mischgutkomponenten sowie die schrittweise Alterung des Bindemittels im Labor. Daher mussten die Untersuchungen auf die zwei unterschiedlichen Asphaltmischgutsorten und auf drei Wiederverwendungszyklen beschränkt bleiben.
Als Ausgangsprodukt wurde reales Asphaltgranulat verwendet. In jedem Wiederverwendungsschritt wurde das jeweils mit Asphaltgranulat und mit frischen Komponenten vermischte Asphaltmischgut im Ofen gealtert und das so erhaltene laborgealterte Asphaltmischgut als künstliches Asphaltgranulat für den nächsten Wiederverwendungsschritt verwendet. Dieser Zyklus wurde drei Mal wiederholt.
Es wird darauf hingewiesen, dass dieses Vorgehen im Labor die realen Verhältnisse bei einer mehrfachen Wiederverwendung nur mit grober Näherung abbilden kann. Einerseits ist die Laboralterung zeitraffend und beschränkt auf ausgewählte thermische Effekte. Andererseits erfährt das Material eine andere „Geschichte“, denn es ist in der Wirklichkeit über einen derart langen Zeitraum bei dreifacher Wiederverwendung (z. B. 60 Jahre) nicht möglich, die gleichen Zuschlagstoffe, sowohl Mineralstoffe als auch Bindemittel und Regeneratoren, einzusetzen. Auch die Schädigung der Mineralstoffe durch Brechen und Fräsen, wie dies bei der realen Rückgewinnung von Asphalt erfolgt, kann im Labor nicht in Betracht gezogen werden, sondern primär nur die alterungsbedingten Veränderungen im Bindemittel. Andererseits bietet nur die Laborstudie überhaupt eine Möglichkeit, die mehrfache Wiederverwendung systematisch zu untersuchen.
Die Alterung im Labor von derart großen Materialmengen ist überaus anspruchsvoll. Beispielweise wurde im Projektverlauf eine Masse von 550 kg an AC B 16 gealtert, um nach 3 Zyklen auch noch ausreichend Material für die gebrauchsverhaltensorientierten Asphaltprüfungen vorrätig zu haben. Die Laboralterung von derart großen Materialmengen ist zeitintensiv. Die Beschleunigung der Alterung im Labor kann praktisch nur durch die Erhöhung der Temperatur erreicht werden, wodurch auch die Reaktionsgeschwindigkeit von Bitumen mit Sauerstoff gegenüber den realen Verhältnissen deutlich erhöht ist. Da aber die Art der chemischen Reaktionen sich mit zunehmender Temperatur ändern, ist nach heutigem Stand des Wissens für die Langzeitalterung die maximale Temperatur unterhalb von 100 °C zu halten.
Die Simulation der Alterung im Labor durch Ofenalterung hat gezeigt, dass diese bei den zwei verwendeten Mischguttypen sehr unterschiedlich verlief. Bei AC B 16 führte die Mischgutalterung innerhalb von 30 h bei 85 °C wieder zu einem ähnlich versteiften Bindemittel, wie im eingesetzten natürlichen Asphaltgranulat. Hingegen führte die Alterung von SMA 11 unter verschärften Bedingungen während 168 h bei 95 °C nicht zu einer vergleichbaren Verhärtung wie beim eingesetzten Asphaltgranulat. Dies ist vermutlich nicht allein auf den höheren Bindemittelanteil (6 % gegenüber 4.6 %) zurückzuführen, sondern auch auf die Art des Zugabebindemittels und auf den geringeren Zugabeanteil an Asphaltgranulat, wodurch auch mehr Frischbitumen zugegeben werden musste. Aufgrund der reduzierten Alterung ist eine Aussage bezüglich der mehrfachen Wiederverwendung von SMA 11 nur begrenzt möglich, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei einer Zugaberate von 50 % der Einfluss des mehrfach gealterten Bindemittels gering ist.
Das Bitumen-Typisierungs-Schnell-Verfahren (BTSV) wurde im Projekt mehrfach zur rheologischen Charakterisierung des Bindemittels eingesetzt. Die BTSV-Kennwerte, also Äqui-Schermodultemperatur T(G*=15kPa) und zugehöriger Phasenwinkel δ@T(G*=15kPa) wurden als geeignet erkannt, einen Regenerator in Bezug auf seine rheologische Wirksamkeit und seine Dauerhaftigkeit bei mehrfacher Wiederverwendung des Asphalts zu beurteilen. So kann das bestgeeignete Regenerationsmittel in Art und Menge für einen spezifischen Anwendungszweck ausgewählt werden.
Für die Dosierung des Zugabebindemittels, mit oder ohne Regenerator, wurde die BTSV-Temperatur als Zielwert definiert. Dieser ließ sich zuverlässig erreichen, wenn dazu auch die Alterung des Mischgutes bei der Herstellung berücksichtigt wurde. Die Dosierung war für jeden Schritt unterschiedlich. Zudem wurde bei AC B 16 als Trend festgestellt, dass für jeden Wiederverwendungsschritt zunehmend mehr Regenerationsmittel benötigt wurde, obwohl die BTSV-Temperatur des künstlichen Asphaltgranulats gleich war. Das Verhalten von natürlich gealtertem und künstlich im Labor gealterten Asphaltgranulat war deutlich unterschiedlich. So waren für die Regeneration des natürlichen Asphaltgranulats deutlich höhere Konzentrationen an Regenerationsmittel notwendig als beim künstlich gealterten Asphaltgranulat.
Aus den Laboruntersuchungen lässt sich schlussfolgern, dass eine mehrfache Wiederverwendung von Ausbauasphalt grundsätzlich möglich ist, sofern die alterungsbedingten Veränderungen im Bindemittel und die Wirkung der gewählten Maßnahmen zur Regeneration des Altbindemittels anhand von geeigneten Prüfmethoden systematisch überwacht werden. Im Projekt wurden dazu rheologische Prüfmethoden mit dem Dynamischen Scherrheometer erfolgreich angewandt, und es wurden keine Hinweise erhalten, die auf ein eingeschränktes Gebrauchsverhalten des regenerierten Asphaltmischguts hindeuten würden.
Wie aus früheren Studien bekannt ist, veränderte das Regenerationsmittel im Vergleich zu einem reinen Bitumen gezielt die Äqui-Schermodultemperatur T(G*=15kPa), nicht aber zwingend den Phasenwinkel. Während im Projekt ohne Zugabe von Regenerationsmittel der Phasenwinkel vollständig wiederhergestellt werden konnte, war dies bei der Zugabe von Regenerator nicht oder in geringerem Maße möglich. Bei 1 bis 2 % Regeneratorzugabe wurde der Phasenwinkel teilweise regeneriert, dies aber auch weil zusätzlich noch modifiziertes Frischbitumen zugefügt wurde.
Es ist auch bekannt, dass das BTSV nur im Bereich der oberen Gebrauchstemperaturen gültig ist (regeneriertes Bitumen eventuell zu weich). Es wird daher empfohlen, die ermittelte Dosierung anhand von Performanceprüfungen (an großtechnisch hergestelltem Asphaltmischgut oder an Mastix im DSR) zu evaluieren (gemäß den Handlungsanweisungen im Leitfaden).
Ergänzend zu diesem Schlussbericht entstand als eigenständiges Dokument ein Leitfaden für die Praxis zur Einstellung des Zielbindemittels bei der Wiederverwendung von Asphaltgranulat, der auch die notwendigen Hinweise zu den neuartigen Mastixprüfungen enthält. Er kann bei den Auftraggebern bezogen werden.
Als Fazit ist aus diesem Projekt festzuhalten, dass die Untersuchungsergebnisse im Labor keinerlei Hinweis darauf geben, dass eine mehrfache Wiederverwendung von Asphalt nicht zuverlässig gelingen sollte. Es werden im Resultat eindeutige Trends aufgezeigt, die als wichtiger Ausgangspunkt für weitere Forschung dienen und auf breiterer Basis analysiert werden müssen. Die Einbeziehung von Pilotstrecken wird dringend empfohlen. |