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1 Die Ausgangslage
Seit dem 2. November 2017 gibt es in Hamburg ein neues Regelwerk des Straßenwesens. Dieses trägt den Namen ReStra (Kurzform für „Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen“) und hat im November 2017 die bisher in Hamburg geltenden Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen ersetzt.
Lange Zeit gab es einen speziellen Hamburger-Dreiklang von grundsätzlich für Planung, Entwurf und Bau von Straßen zu beachtenden Regelwerken:
– die Planungshinweise für Stadtstraßen in Hamburg (PLAST),
– die Entwurfsrichtlinien (ER),
– die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Straßenbauarbeiten in Hamburg (ZTV/St-Hmb.)
Die Ursprünge dieser Regelwerke liegen zum Teil weit in der Vergangenheit. So weit, dass auf eine Suche danach bewusst verzichtet wurde. Interessanter als das Wann ist letztlich vielmehr das Warum es zu diesen Regelwerken kam.
Aus den Regelwerken lassen sich folgende Gründe herauslesen, die für die Formulierung eines eigenen Hamburger Regelwerks im Straßenwesen seinerzeit wohl ausschlaggebend waren:
– Es wurde ein Regelungsbedarf gesehen, für den es noch keine Regelungen (z. B. durch die FGSV) gab.
– Es gab Regelungen, für die – bezogen auf die Rahmenbedingungen in Hamburg – ein Bedarf der Konkretisierung, Abweichung oder Beschränkung gesehen wurde.
– Es gab einen besonderen Gestaltungswillen.
– Es wurde Bedarf für ein Informations- und Fortbildungsmedium gesehen.
Die vor diesem Hintergrund im Laufe der Jahre formulierten Hamburger Regelwerke des Straßenwesens sind in ihrer Ausprägung ganz unterschiedlich. So hatte die PLAST in vielen (vor allem neueren) Teilen eine Art Lehrbuchcharakter und beinhaltete neben den fachlichen Vorgaben und Regelungen zusätzlich umfangreiche Erklärungen allgemeiner Grundsätze der Straßen- und Verkehrsplanung. Die Regelungen der FGSV-Regelwerke wurden dabei zwar in der PLAST berücksichtigt, jedoch nicht 1:1 umgesetzt. Die Kenntnis der FGSV-Regelwerke wurde für die korrekte Anwendung der PLAST vorausgesetzt, explizit für die Anwendung in Hamburg eingeführt waren sie damit – bis auf wenige Ausnahmen – allerdings nicht.
Die PLAST besaß dabei nicht nur eine völlig eigenständige inhaltliche Struktur; in ihnen wurden auch eigene Formulierungen und abweichende Festlegungen für die Regelungsinhalte verwendet.
Die sich daraus ergebenden Unterschiede in den Begriffen und bei Maß und Zahl machten es für die Anwender nicht einfacher, zumal die Gründe für die abweichenden Festlegungen häufig nicht erläutert wurden.
In den ZTV/St-Hmb. wurde hingegen ein gänzlich anderer Weg beschritten. Mit ihnen sind die thematisch für den betreffenden Regelungsbereich relevanten Regelwerke der FGSV (und ggf. weitere) gezielt für Hamburg eingeführt und die notwendigen Konkretisierungen, Abweichungen oder Beschränkungen dazu benannt worden. Auf die Neuformulierung von bereits beschriebenen Inhalten wurde bzw. wird bewusst verzichtet.
Harmonisch zusammenwirken können Regelwerke jedoch nur, wenn sie
– eine klare Struktur,
– eine ausreichende Aktualität,
– und eine eindeutig ablesbare Verbindlichkeit
besitzen. Darüber hinaus muss des Weiteren ihr Verhältnis zur „Hintergrundmusik“, die in allen drei Fällen durch die bundesweit anerkannten Regelwerke der FGSV bestimmt wird, klar definiert sein.
2 Die Auslöser für die Neuordnung der Regelwerke
In den letzten Jahren waren jedoch zunehmend Misstöne in diesem Regelwerks-Dreiklang wahrzunehmen, die vor allem die PLAST auslösten.
So wurden bei der Anwendung Widersprüche zu den neueren FGSV-Werken, aber auch zu den geltenden Entwurfsrichtlinien festgestellt. Zudem wurden die Regelungsinhalte in den PLAST je nach Bedarf entweder als absolut verbindlich eingestuft oder mit Verweis auf die Bezeichnung des Regelwerks abgeschwächt („…es sind ja nur Hinweise.“).
Zusammengefasst kritisierten die Anwender an den PLAST
– ihre insgesamt unübersichtliche Struktur,
– Abweichungen in Begrifflichkeiten und Maßen gegenüber den FGSV-Werken,
– ihre bereichsweise nicht ausreichende Aktualität,
– die nicht immer vorhandene Eindeutigkeit der Verbindlichkeit.
Damit wurden Forderungen laut, entweder ein in Struktur und Inhalten weiterentwickeltes Hamburger Regelwerk des Straßenwesens zu formulieren oder die vollständige Abschaffung desselben und ersatzweise Einführung der FGSV-Werke. Und natürlich gab es auch Stimmen, die sich für den Erhalt der PLAST in der „bewährten“ Form aussprachen.
3 Die Entscheidung
Mit der 2013 erfolgten Neuorganisation des Amtes V – Verkehr und Straßenwesen der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg wurde dem Referat VI 1 – Grundlagen des Straßenwesens – die Gesamtzuständigkeit für die Regelwerke des Straßenwesens in Hamburg (bezogen auf die Stadtstraßen) zugeordnet. Das Referat, das zuvor für die ER und die ZTV/St-Hmb. verantwortlich war, bekam damit nun ebenfalls die Verantwortung für die PLAST übertragen.
Im Zuge der sich ergebenden Einarbeitungsphase bot sich damit die Gelegenheit, die bestehenden Regelwerke für das Straßenwesen in Hamburg in einer Gesamtschau zu sichten und zu bewerten.
Es zeigte sich, dass die oben genannten Defizite in Verbindung mit dem textlichen Umfang der PLAST nicht nur das Zurechtfinden darin erschwerten, sondern auch den Abgleich mit den FGSV-Regelwerken und damit letztlich die notwendige Fortschreibung. Eine Aktualisierung war stets mit einem sehr hohen Aufwand verbunden.
Die Abschaffung von PLAST und ER und die pauschale Einführung der FGSV-Werke erschienen jedoch ebenfalls nicht zielführend. So ist schließlich nicht alles, wofür Regelungsbedarf besteht, seitens der FGSV bereits geregelt und manches dort Geregelte bedarf durchaus einer weiteren Festlegung. Sei es aus Gründen der spezifischen verkehrlichen Situation in Hamburg oder weil es Inkonsistenzen zwischen den einzelnen Werken gibt.
Als erfolgsversprechender Weg erschien die Schaffung eines neuen Regelwerks für das Straßenwesen in Hamburg nach dem Vorbild der ZTV/St-Hmb. Über dieses neue Technische Regelwerk würden die in Hamburg anzuwendenden FGSV-Regelwerke explizit eingeführt und nur soweit erforderlich ergänzt, konkretisiert oder abgewandelt.
Ein solches Regelwerk müsste folgende Anforderungen erfüllen:
– seine Funktion muss klar sein (Technisches Regelwerk, kein Lehrbuch),
– es muss eindeutig in seinem Stellenwert (einzuhaltende Richtlinien, Empfehlungen oder Hinweise bzw. Beispiele) und in seinem Grad der Verbindlichkeit (muss, soll, kann) sein,
– Planungs- und Entwurfselemente sind zusammengeführt,
– Abweichungen von den Regelwerken der FGSV müssen plausibel begründet werden.
Die mit dieser Systematik und dem Aufbau der ZTV/St-Hmb. gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass sich der Aufwand für eine Fortschreibung eines Regelwerkes so minimieren lässt und zugleich Widersprüche vermieden werden können.
Um eine Einschätzung der Anwender – also derjenigen, für die ein solches Regelwerk den verbindlichen Rahmen vorgibt und zugleich Arbeitshilfe sein soll – zu bekommen, wurde gemeinsam mit den Realisierungsträgern der Stadt Hamburg und Vertretern der in Hamburg tätigen Ingenieurbüros im November 2013 ein Workshop unter dem Motto „Regelwerke im Straßenwesen in Hamburg – was brauchen wir (noch)?“ durchgeführt.
Die Ergebnisse dieses Workshops haben die Einschätzung bestätigt und damit den Startschuss für eine umfassende Neuordnung der Regelwerke des Straßenwesens in Hamburg gegeben.
4 Das Verfahren
Über die Ausschreibung eines Leistungswettbewerbes zur Neugestaltung der Regelwerke des Straßenwesens in Hamburg wurde im Sommer 2015 mit dem Ingenieurbüro ARGUS Stadt und Verkehr aus Hamburg ein Auftragnehmer gefunden, der das Referat VI 1 maßgeblich bei den erforderlichen Arbeiten unterstützt hat.
Für die Erarbeitung der ReStra wurde eine Kernarbeitsgruppe eingerichtet, die sich aus Vertretern des Amtes V, des Ingenieurbüros ARGUS, des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), der Bezirke und der Behörde für Inneres und Sport (Straßenverkehrsbehörde) sowie Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Gerlach als Berater zusammensetzte. Diese Kernarbeitsgruppe kam zu regelmäßigen, eng getakteten Jour Fixe zusammen und bereitete die für die ReStra relevanten Themenfelder auf. In Abhängigkeit von den jeweils zu behandelnden Themen wurde die Arbeitsgruppe um Fachkolleginnen und -kollegen erweitert.
Neben dem inhaltlichen Abgleich der bestehenden Regelwerke mit denen der FGSV und der Bewertung der sich dabei zeigenden Unterschiede wurde ein besonderes Augenmerk auf die Identifikation der sogenannten „Hamburgensien“ gelegt. Nach fünf durchgeführten Jour Fixe zeigte sich, dass es davon deutlich weniger gab, als erwartet.
Der nächste wichtige Schritt war dann die Verschickung des Entwurfs der ReStra an die Dienststellen und Träger öffentlicher Belange, um mit ihnen die Inhalte der ReStra abzustimmen und, wo geboten, zu ergänzen oder zu ändern.
Ziel insgesamt war es, die PLAST und die ER einschließlich der damit verbundenen Rundschreiben der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) möglichst zügig durch die ReStra und die damit eingeführten Regelwerke der FGSV ersetzen zu können, um im Sinne der Fortschreibbarkeit wieder besser handlungsfähig zu werden.
5 Das Ergebnis
Mit den ReStra hat Hamburg ein Regelwerk des Straßenwesens erhalten, das die vormals in den PLAST und den ER getrennt behandelten Regelungsbereiche zusammenführt.
Entsprechend der unter Punkt 2 formulierten Zielsetzungen finden in Hamburg zunächst grundsätzlich die bundesweit anerkannten Technischen Regelwerke der FGSV Anwendung. Soweit diese für Planung und Entwurf von Stadtstraßen als relevant erkannt wurden, werden sie über das neue Regelwerk ReStra gezielt und für die Anwendung verbindlich für Hamburg eingeführt. In den ReStra selbst ist ergänzend nur noch das geregelt, was aus Hamburger Sicht wie schon beschrieben notwendig ist.
Doppelungen und ggf. auch Widersprüche im Geregelten werden so vermieden.
Die Bereitstellung der ReStra erfolgt für die Anwender ausschließlich in digitaler Form als PDF-Dokument über das Internet bzw. Intranet.
6 Die Systematik der ReStra
Die ReStra setzen sich aus den Vorbemerkungen, den grundsätzlichen Festlegungen und den Ergänzungen zu den über die ReStra eingeführten FGSV-Regelwerken zusammen.
Die Vorbemerkungen zur ReStra beschreiben die Aufgabe der ReStra, ihren Geltungsbereich sowie ihre Regelungssystematik. Die grundsätzlichen Festlegungen enthalten unter anderem regelwerksübergreifende Definitionen und grundlegende Vorgaben.
In Anlehnung an die Systematik der FGSV-Regelwerke unterteilen sich die ReStra in zwei Dokumentenkategorien: Richtlinien und Wissensdokumente. Richtlinien sind verbindlich und grundsätzlich bei der Planung und beim Entwurf von Stadtstraßen in Hamburg zu beachten. Ihre Inhalte stellen die allgemein anerkannten Regeln der Technik dar und zeigen bewährte und wirtschaftliche Lösungen für Hamburg auf. Wissensdokumente dagegen geben einen in Hamburg bekannten Arbeits- und Kenntnisstand wieder. Die Dokumente sollen für ausgewählte Themen sensibilisieren und dienen als Beispielsammlung und Orientierungshilfe bei Planung und Entwurf von Stadtstraßen in Hamburg.
Um die vorgeschriebene kombinierte Anwendung der ReStra in Verbindung mit den FGSV-Regelwerken zu erleichtern, gibt es zu jedem eingeführten Regelwerk der FGSV in der ReStra einen eigenen Abschnitt. Sofern es einen ergänzenden Regelungsbedarf gibt, sind in dem Inhaltsverzeichnis des Abschnittes die betreffenden Kapitel und Unterkapitel des FGSV-Regelwerkes aufgeführt. Kapitel, die hier nicht aufgeführt sind, sind unverändert anzuwenden.
Die getroffenen Abweichungen und Ergänzungen sind kapitel- und absatztreu sowie durch eine einheitliche Darstellungssystematik aufgeführt (Bild 1). Der zusätzliche Regelungsbedarf ist in der Regel begründet oder erläutert. Damit können bei sich ändernden technischen Standards und Anforderungen die Inhalte einfach angepasst werden.
Wie sich bereits gezeigt hat, lässt sich die ReStra dank ihrer neuen, schlankeren Struktur schneller und damit anforderungsgerechter fortschreiben. In Verbindung mit der eindeutigeren Verbindlichkeit ist sie für ihre Anwender – Auftraggeber wie Auftragnehmer – eine verlässliche Hilfe bei der täglichen Arbeit.
Bild 1: Darstellungssystematik der ReStra (FHH, 2017) [1]
6.1 Beispiele für grundsätzliche Festlegungen in den ReStra
Grundsätzliche Festlegungen sind regelwerksübergreifend. Sie umfassen neben Anwendungshinweisen und der Erläuterung von Regel- und Mindestmaßen unter anderem auch die Festlegung von Standardmaterialien. So wird in ihnen klargestellt, dass die ReStra immer in Verbindung mit den eingeführten Regelwerken der FGSV anzuwenden sind. Abweichungen von den Regelungen der ReStra (und den entsprechenden FGSV-Regelwerken) dürfen nur in begründeten Fällen, zum Beispiel bei örtlichen Besonderheiten oder aus Gründen des Denkmalschutzes, vorgenommen werden. Sie sind planungsbegleitend zu begründen und zu dokumentieren (u. a. im Erläuterungsbericht), so zum Beispiel bei einer Abweichung von Regelmaßen und der Wahl von Mindestmaßen, die im Planungsprozess ebenfalls begründet werden müssen. Dabei hat eine Abwägung zu erfolgen, die die einzelnen Nutzungsansprüche einerseits und die Funktionalität andererseits berücksichtigt. Zu beachten ist, dass bei Verwendung von Mindestmaßen die Funktionalität bereits eingeschränkt ist. Eine Aneinanderreihung von Mindestmaßen ist unzulässig. Die Unterschreitung von Mindestmaßen ist aus Sicherheitsgründen – mit Ausnahme von räumlich begrenzten Engstellen – ausgeschlossen.
Bei den Flächenbefestigungen geht es zum einen um ein einheitliches Stadtbild. Zudem sollen die Abmessungen von gepflasterten Flächen unter Berücksichtigung der definierten Regelmaße in Abhängigkeit der Rastermaße der Pflastersteine bzw. Platten gewählt werden, um den Aufwand von Anpassungsarbeiten auf ein Minimum zu reduzieren und somit wirtschaftliche Lösungen realisieren zu können. In Hamburg sind für Flächenbefestigungen daher bestimmte Standardmaterialien definiert (Tabelle 1). Weitere grundsätzliche Festlegungen sind
z. B. die Erläuterung von hamburg-typischen Begrifflichkeiten, die auch weiterhin gelten und verwendet werden sollen (Tabelle 2).
Tabelle 1: Hamburger Standardmaterialien (siehe [1], Seite iv)
Tabelle 2: Hamburg-typische Begrifflichkeiten (siehe [1], Seite v)
Im nachfolgenden Abschnitt der ReStra sind 20 Richtlinien und 5 Wissensdokumente der FGSV eingeführt. Hamburg hat die Freiheit, die Verbindlichkeit/Bedeutung einzelner FGSV-Regelwerke selbst zu bestimmen. Im Falle der „Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen„ (H BVA) hat man dieses für eine Hochstufung genutzt. Die H BVA ist in der Systematik der FGSV derzeit noch ein Wissensdokument. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und/oder Gründen der Gestaltung können Maßnahmen zur Barrierefreiheit jedoch nicht weggewogen werden, da es sich um einen gesetzlichen Auftrag handelt (u. a. § 7 Abs. 2 des Hamburgischen Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen). Daher wird dieses Wissensdokument in Hamburg als Richtlinie eingeführt. Somit sind 21 Richtlinien in den ReStra enthalten. Die verbleibenden 4 Wissensdokumente der FGSV werden durch eine Beispielsammlung zu den Richtlinien (Wissensdokument zu den R-Dokumenten) und einem Hamburg eigenem Wissensdokument „Hinweis für eine wassersensible Straßenraumgestaltung“ ergänzt.
Insgesamt wurden in etwa 200 Kapiteln der FGSV-Regelwerke ein besonderer Regelungsbedarf definiert. Ohne zusätzlichen Regelungsbedarf wurden folgende Regelwerke eingeführt:
– HBS – Handbuch für die Bemessung Straßenverkehrsanlagen – Teil S Stadtstraßen,
– RiStWag – Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wasserschutzgebieten,
– RDO Asphalt – Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschichten,
– RDO Beton – Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen,
– Merkblatt über den Rutschwiderstand von Pflaster und Plattenbelägen für Fußgängerverkehr.
6.2 Beispiele für den gesonderten Regelungsbedarf
Viele Abweichungen, Änderungen und Ergänzungen wurden, bezogen auf die „Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 2006) [2], definiert. Im Folgenden ein beispielhafter Auszug:
Für den Fußgängerverkehr wurde in den Jour Fixe vor allem die Abmessung von straßenbegleitenden Gehwegen ausgiebig diskutiert. Diese werden in den RASt, den „Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen“ (EFA) und auch den H BVA thematisiert. Das Thema Barrierefreiheit spielt dabei eine besondere Rolle. Es war jedoch schnell klar, dass es für den Seitenraum nicht nur eine Definition geben kann. Letztlich wurde die Regelbreite gemäß RASt an das Hamburger Plattenmaß angepasst und gleichzeitig die Bemaßung anschaulich erläutert.
Die Regelbreite für Seitenräume beträgt danach in Hamburg 2,65 m. Diese setzt sich wie im Bild 2 dargestellt, zusammen. Innerhalb des Sicherheitsraumes von 0,65 m zwischen Fahrbahn und Gehweg können punktuelle Einbauten (z. B. Verkehrsschilder, Pfosten) angeordnet werden. Bei der Anordnung linienhafter Einbauten (z. B. Pfosten/Poller gegen Parken, aufeinanderfolgende Fahrradbügel) sind jedoch Breitenzuschläge erforderlich. Als Orientierungswert kann hier eine Länge von 15,00 m angenommen werden. Dies ist jedoch gesamtheitlich zu betrachten. An anbaufreien Straßen können die 0,20 m Abstand zum Gebäude/zu hohen Einfriedungen entfallen. Der Sicherheitsraum kann zudem an Straßen mit vzul ≤ 30 km/h auf 0,30 m reduziert werden. In diesem Fall sind dann aber Einbauten im Sicherheitstrennstreifen auszuschließen. Bei einem minimalen Verkehrsraum von 1,80 m (für den Begegnungsfall von zwei mobilitätseingeschränkter Personen) darf der Begrenzungsstreifen bei angrenzenden Radwegen aus Komfortgründen nicht innerhalb des Verkehrsraumes liegen.
Falls im begründeten Einzelfall eine Reduzierung des im Bild 2 dargestellten Seitenraumes erforderlich ist, ermöglicht die ReStra dies jedoch nur auf einer maximalen Wegstrecke von 15,00 m und bis zu einer Breite von mindestens 1,50 m. An diese Engstellen angrenzend muss dann der Begegnungsfall zwei mobilitätsbehinderter Personen ermöglicht werden.
Zudem kommen in Hamburg abweichend regelhaft Querungsstellen mit differenzierten Bordhöhen zur Anwendung, die für Sehbehinderte eine Bordhöhe von 6 cm und für u. a. Gehbehinderte 0 cm aufweisen.
Auch für den Radverkehr wurden diverse Abweichungen definiert. So wurde z. B. – analog zu den Radwegen – ergänzend eine Regelbreite für Radfahrstreifen festgelegt. Bislang gibt es für diese Führungsform nur eine Breite, die einer Mindestbreite entspricht. In Hamburg gilt damit zukünftig abweichend von der RASt und den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) folgendes: „Da bei hohen Geschwindigkeiten, starkem Radverkehrsaufkommen und der vermehrten Nutzung von Fahrrädern mit Anhängern ein größerer Verkehrsraum (insbesondere für Überholvorgänge) erforderlich ist, beträgt die Regelbreite für die Planung von Radfahrstreifen 2,25 m inklusive Markierung. Die Mindestbreite beträgt 1,85 m inklusive Markierung“ (siehe [1], Seite 22).
Bild 2: Seitenraumaufteilung in Hamburg (siehe [1], Seite 21)
Bei der Führung des Radverkehrs im Mischverkehr ist bei einer Breite von < 3,80 m ein Überholen nicht mehr möglich. Dennoch wird in der RASt und der ERA (ERA 2010) [3] bei der Freigabe des Radverkehrs in Gegenrichtung eine Fahrbahnbreite von 3,50 m vorgegeben (vgl. [2], S.86 und [3], Seite 62). Auch hierzu gibt es für Hamburg eine Abweichung: „Bei der Führung des Radverkehrs im Mischverkehr ist bei einer Breite von < 3,80 m ein Überholen nicht mehr möglich. Insbesondere bei der Freigabe des Radverkehrs in Gegenrichtung wird eine Fahrbahnbreite von mindestens 3,80 m empfohlen (vgl. RASt, Bild 17)“ (siehe [1], Seite 14). Um die Befahrung mit Rettungsfahrzeugen bei längeren Einrichtungsfahrbahnen zu gewähren, heißt es in Hamburg zusätzlich: „Bei einstreifigen Richtungsfahrbahnen sollte eine Abschnittslänge von 50 bis 80 m nicht überschritten werden. Um Vorbeifahrmöglichkeiten für Rettungsfahrzeuge zu gewährleisten, sind Fahrgassenaufweitungen auf mindestens 5,50 m oder überfahrbare Mittelstreifen vorzusehen“ (siehe [1], Seite 14).
Für die Einrichtung von Fahrradstraßen wird die Regelung der RASt („Fahrradstraßen können in Erschließungsstraßen mit Belastungen bis etwa 400 Kfz/h eingesetzt werden, die zugelassene Höchstgeschwindigkeit darf nicht mehr als 30 km/h betragen“. (siehe [2], Seite 86) als zu restriktiv gesehen. Für die Anordnung von Fahrradstraßen ist aus Sicht der zuständigen Behörden „eine differenziertere Betrachtung der verkehrlichen und räumlichen Situation insgesamt erforderlich“ (siehe [1], Seite 23). So hat zum Beispiel das Verhältnis von Radfahrern zu Kfz-Nutzern eine große Bedeutung. Die Begrenzung auf die Verkehrsstärke des Kfz als ausschlaggebendes Kriterium wird als nicht ausreichend erachtet.
Auch bei der Einhaltung erforderlicher Sichtdreiecke weicht Hamburg von den Regelungen der RASt ab. Bislang hatte Hamburg an Grundstückszufahrten ein reduziertes Sichtdreieck vorgesehen. Beim Vergleich der alten Planungshinweise (PLAST) mit der RASt wurde jedoch schnell deutlich, dass bei Planung von Grundstückszufahrten anhand der Vorgaben der RASt bis zu sieben Parkstände entfallen können (Bild 3). Da das vorhandene Parkraumangebot bereits vielerorts ausgeschöpft ist, wurde im Einvernehmen mit der Behörde für Inneres und Sport und somit der Obersten Straßenverkehrsbehörde entschieden, dass bei untergeordneten Straßen und Grundstückszufahrten das Sichtdreieck reduziert werden kann. Für das reduzierte Sichtdreieck kann eine Pflanzinsel mit einer Breite von 4,85 m angesetzt werden (Bild 4).
Bild 3: Sichtdreieck gemäß RASt (blau) und ReStra (rot)
Bild 4: Sichtdreieck Hamburg (siehe [1], Seite 30)
Zudem ist in den ReStra, bezogen auf die „Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs“ (EAR) und der ERA, auch weiterhin ein Anhaltswert für die Anzahl von Parkständen in Wohngebieten enthalten, die das Parken von Besucher- und Lieferverkehren im öffentlichen Straßenraum ermöglichen sollen. Dabei sollte eine Anzahl von 20 Pkw-Parkständen je 100 Wohneinheiten vorgesehen werden. In begründeten Ausnahmefällen kann ein Wert von 15 Pkw-Parkständen je 100 Wohneinheiten unterschritten werden. Von den Besucherparkständen sollen etwa 3 % barrierefrei ausgebildet werden. Gleichzeitig sollte eine Anzahl von
20 Fahrradplätzen je 100 Wohneinheiten berücksichtigt werden. Dabei kann der exakte Bedarf individuell und projektbezogen ermittelt werden. Eine Unterbringung der öffentlichen Fahrradplätze auf Privatgrund ist bei entsprechender städtebaulicher Struktur ebenfalls zu prüfen (vgl. [1], Seite 70).
6.3 Widersprüche innerhalb der FGSV-Regelwerke
Durch die intensive Befassung mit den FGSV-Regelwerken zur Feststellung der Abweichungen zu den PLAST und den ER wurden auch Widersprüche zwischen FGSV-Regelwerken festgestellt. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Regelwerke im Allgemeinen von unterschiedlichen Arbeitskreisen zu unterschiedlichen Erscheinungsdaten erarbeitet werden, so dass eine direkte Überarbeitung älterer Regelwerke nicht umgehend erfolgt.
So wird zum Beispiel in den RASt in Kapitel 6.1.1.2, Tabelle 7 die Fahrbahnbreite für den Anwendungsbereich geringe Begegnungshäufigkeit Lkw-Verkehr bei Hauptverkehrsstraßen auf 5,50 m (mit geringen Geschwindigkeiten) festgelegt (vgl. [2], Seite 69). Vergleicht man dies mit Bild 17 der RASt, zeigt sich, dass mit reduzierten Bewegungsspielräumen eine Fahrbahnbreite von 5,90 m für den Begegnungsfall Lkw/Lkw erforderlich ist (vgl. [2], Seite 27). Hier sorgt die ReStra mit einer abweichenden Festlegung für Klarheit: „Auch bei reduzierten Bewegungsspielräumen ermöglicht eine Fahrbahnbreite von 5,50 m keine Begegnung von Lkw. Daher wird die Fahrbahnbreite bei geringer Begegnungshäufigkeit Lkw/Lkw auf 5,90 m festgelegt (vgl. RASt, Bild 17)“ (siehe [1], Seite 14).
Im Bereich von Zwangspunkten gilt für die Führung von Radfahrern gemäß RASt, Kapitel 6.1.1.9, Tabelle 14: „…statt Radwegen oder Radfahrstreifen auf gemeinsame Geh- und Radwegen…“ (siehe [2], Seite 72). In den ERA dagegen wird dies differenzierter betrachtet. So sollte u. a. geprüft werden, ob die Führungsform gewechselt werden kann: Vom Radweg in den Mischverkehr bzw. vom Radfahrstreifen auf einen Schutzstreifen. Ein Übergang von Radwegen in gemeinsame Geh- und Radwege ist nur bei geringen Rad- und Fußgängerverkehrsstärken zulässig (vgl. [3], Seite 28). Hier orientiert sich die ReStra an den neueren Vorgaben der ERA.
Für die Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn besteht ebenfalls eine Diskrepanz zwischen den RASt und den neueren/aktuelleren ERA. So wurde bei der Erstellung der RASt für Fahrbahnbreiten kleiner als 6,00 m eine Verkehrsstärke von 500 Kfz/h als Grenzwert für den Mischverkehr angesetzt. Bei Herausgabe der ERA wurde dieser Wert auf 700 Kfz/h angehoben. Bei Fahrbahnbreiten über 7,00 m lag der Grenzwert bei Herausgabe der RASt bei einer Verkehrsstärke von 800-1.000 Kfz/h und einem Schwerverkehrsanteil von 6 %. Die ERA geben hierzu keine Vorgabe mehr, da im Begegnungsfall mit ausreichend Sicherheitsabstand überholt werden kann (vgl. [2], Seite 83 und [3], Seite 22).
Auch eine Abweichung zwischen den geltenden RASt und der aktuellen Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ist in Bezug auf den Radverkehr aufgefallen. Danach darf laut den RASt auf Schutzstreifen nicht gehalten werden (vgl. [2], Seite 83), während dieses gemäß §12 StVO tatsächlich nicht gänzlich ausgeschlossen ist.
Für die Planung von Fußgängerverkehrsanlagen gibt es ebenfalls unterschiedliche Regelungen in den EFA (EFA, 2002) [4] und den RASt – oder auch den H BVA. So sind zum Beispiel einige Breitenzuschläge des Seitenraumes nach den EFA anders zu dimensionieren als nach den RASt (vgl. Tabelle 3).
Tabelle 3: Breitenzuschläge des Seitenraumes gemäß RASt bzw. EFA (vgl. [2], Seite 81 und [4], Seite 16)
7 Fazit
Mit den neuen ReStra und den über sie eingeführten Regelwerken der FGSV hat Hamburg die Struktur seiner Regelwerke im Straßenwesen grundlegend neu geordnet. Im Kern beinhaltet das neue Regelwerk alles, was aus Sicht Hamburgs in einer bestimmten Weise verbindlich geregelt werden muss, um die Funktionalität der Stadt hinsichtlich Erreichbarkeit von Wohn- und Arbeitsquartieren, Durchlässigkeit des Straßennetzes, Leichtigkeit des Verkehrs, und Verständlichkeit der Regelung einschließlich der Barrierefreiheit zu erhalten. Dabei berücksichtigen die ReStra neben speziellen Hamburger Planungsgegebenheiten die grundsätzlichen Erkenntnisse und Entwicklungen der Verkehrsplanung sowie u. a. auch stadtbildgestalterische und ökologische Aspekte.
Da viele der für Hamburg planenden Ingenieurinnen und Ingenieure mit den FGSV-Regelwerken bereits vertraut sind, war die Akzeptanz für den Wechsel von Anfang an hoch und der Übergang in die neue Regelungswelt gelang erfreulich geräuschlos, wenn auch nicht überall reibungslos.
Haben sich die Anwender mit der neuen Systematik erst einmal vertraut gemacht, bietet das neue Regelwerk mehr Klarheit und damit Sicherheit im Planungsprozess. Für Berufsanfänger und neu in Hamburg tätig werdende Ingenieurbüros entfällt die Notwendigkeit, sich zunächst mit einem umfangreichen Parallelwerk vertraut machen zu müssen.
Gezeigt hat sich zudem bereits, dass das Ziel einer leichteren und damit besseren Fortschreibbarkeit erreicht worden ist.
Literaturverzeichnis
1 Freie und Hansestadt Hamburg (2017): Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen (ReStra), Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Hamburg
2 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2006): Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt), Köln (FGSV 200)
3 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), Köln (FGSV 284)
4 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2002): Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), Köln (FGSV 288)
5 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren, Köln (FGSV 242) |