FGSV-Nr. FGSV 002/116
Ort Stuttgart
Datum 22.03.2017
Titel Wirkungsanalyse und Bewertung von in den ÖPNV integrierten Mitnahmesystemen
Autoren Dipl.Wi-Ing. Volker Schmitt, Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Da der Einsatz von flexiblen Angebotsformen in vielen Räumen an wirtschaftliche Grenzen stößt, wird diskutiert, inwiefern Ridesharing ein Baustein des öffentlichen Verkehrsangebots sein kann. Im Nordhessischen Verkehrsverbund wird seit 2013 unter dem Namen „Mobilfalt“ ein System erprobt, das Ridesharing in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) integriert. Anhand dieses Beispiels wird ein Verfahren zur Bewertung solcher Angebote entwickelt. Das Verfahren besteht aus einer Verträglichkeitsanalyse und einer Nutzen-KostenAnalyse, Eingangsdaten werden i. W. aus einer Nutzerbefragung sowie aus den Nutzungsdaten des Buchungssystems abgeleitet. Die Bewertung erfolgt anhand eines Zielsystems mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen. Darüber hinaus werden Empfehlungen zur Weiterentwicklung von solchen Systemen abgeleitet.

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1 Allgemeine Informationen

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels steht in vielen ländlichen Regionen die Mobilitätssicherung vor großen Herausforderungen. Insbesondere der Rückgang der Schülerzahlen führt zu Nachfragerückgängen im ÖPNV. Parallel dazu werden auch die finanziellen Mittel für die Schülerbeförderung (sog. 45a-Mittel), und damit das Finanzierungsfundament des ÖPNV in diesen Räumen, in Frage gestellt. Außerdem ziehen sich Versorgungseinrichtungen aus der Fläche zurück, durch die nun weiteren Wege verschlechtert sich die Erreichbarkeit zentraler Einrichtungen.

Da auch der Einsatz von flexiblen Angebotsformen (Bedarfsverkehre) in vielen Räumen an wirtschaftliche Grenzen stößt, wird in Politik und Wissenschaft diskutiert, ob Ridesharing ein Baustein eines öffentlichen Verkehrssystems sein kann, das einerseits die Mobilitätschancen der Bewohner erhöht bzw. sichert und andererseits wirtschaftlich betrieben werden kann. So haben sich – verstärkt seit den 1990er Jahren – einige Systeme gebildet, die auf kommunaler oder regionaler Ebene Mitfahrgelegenheiten und Fahrgemeinschaften vermitteln, z. T. öffentlich finanziert (z. B. Pendlerportale). Kennzeichnend ist allerdings, dass es sich dabei um isolierte, häufig lokal begrenzte Einzelmaßnahmen mit stark unterschiedlichen Rahmenbedingungen handelte und nur in Ausnahmefällen eine Wirkungsevaluation durchgeführt wurde. Außerdem hatten alle diese Systeme nur überschaubaren Erfolg. Insgesamt ist also unklar, inwiefern Ridesharing als Baustein des ÖPNV eingesetzt werden kann.

Mit „Mobilfalt“ ist seit April 2013 in drei Piloträumen in Nordhessen erstmals in Deutschland ein in den ÖPNV integriertes Mitnahmesystem (siehe Abschnitt 3) in Betrieb, initiiert und finanziert vom Nordhessischen Verkehrsverbund (NVV). Darüber hinaus strebt das Mitfahrnetzwerk flinc, das bundesweit Mitfahrten adressscharf vermittelt, aktuell Kooperationen mit Kommunen und Verkehrsunternehmen in der Fläche an, ist dabei allerdings ebenfalls auf finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen.
Diese Entwicklungen haben auch starke Wechselbeziehungen mit allgemeinen Verhaltenstrends (Zunahme multimodalen Verkehrsverhaltens, geringere MIV-Nutzung junger Erwachsener), der Digitalisierung sowie der Verbreitung des mobilen Internets und mobiler Endgeräte.

2 Untersuchungsziel

Ziel der in diesem Beitrag dokumentierten Untersuchung ist die Bewertung von Angebotsformen im ländlichen Raum mit dem Fokus auf Ridesharing. Hierzu wurde anhand des in den ÖPNV integrierten Mitnahmesystems Mobilfalt ein Bewertungsmodell entwickelt (vgl. SCHMITT 2017, [1]), das aus einer Verträglichkeitsanalyse und einer Kosten-Nutzen- Analyse besteht (siehe Abschnitt 4). Für die Bewertung wurde ein Zielsystem mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen entwickelt, das die Besonderheiten von in den ÖPNV integrierten Mitnahmesystemen berücksichtigt. Unter anderem spielen Infrastrukturinvestitionen kaum eine Rolle, während viele auftretende Wirkungen von in den ÖPNV integrierten Mitnahmesystemen nicht monetarisierbar sind (siehe Abschnitt 4.1). Außerdem sollten mit dem Modell auch andere Angebotsformen untersucht und geeignete Einsatzbereiche für diese Formen abgeleitet werden können (siehe Abschnitt 5). Das entwickelte Bewertungsmodell war die Grundlage für die Evaluation von Mobilfalt.

3 Definitionen

3.1 Öffentliche Mitnahme/Ridesharing

Der Planungsleitfaden „Mobilitäts- und Angebotsstrategien in ländlichen Räumen“ (vgl. BMVI 2016, [1]) definiert „öffentliche Mitnahme“ bzw. „Ridesharing“ als „öffentlich zugängliche Mitnahmesysteme [...], bei denen freie Plätze im privaten Pkw Dritten zur Verfügung gestellt und über eine i. d. R. internetbasierte Plattform zugänglich gemacht werden. Ridesharing unterscheidet sich durch seine öffentliche Zugänglichkeit von privaten bzw. privat organisierten Mitnahmemöglichkeiten [...].“ (BMVI 2016, [1], S. 29). Dabei lassen sich zwei Formen unterscheiden (vgl. SCHMITT 2017, [1]):

- regelmäßiges Ridesharing: auf Dauer ausgerichtete Zusammenschlüsse von Personen, die regelmäßig bestimmte Wegstrecken gemeinsam im Pkw zurücklegen, die durch Fahrgemeinschaftsbörsen vermittelt werden,

- gelegentliches Ridesharing: auf den Einzelfall ausgelegte Mitnahmen, die überwiegend im Fernverkehr genutzt werden, und die durch Fahrgemeinschaftsbörsen vermittelt werden (auch „Gelegenheitsmitnahme“, „Mitfahrgelegenheit“, vgl. BRUNS et. al. 2011, [3], S. 75 f.).

Da sich diese Arbeit auf Angebotsformen in ländlichen Regionen bezieht, bleiben Ridesharing-Systeme außer Acht, sofern sie sich auf den Verkehr zwischen Städten oder Fahrten in städtischen Räumen beziehen.

Die Nutzergruppen dieser beiden Formen weichen in ihren soziodemografischen Merkmalen und in ihrem Verhalten deutlich voneinander ab. Personen, die regelmäßiges Ridesharing nutzen, suchen häufiger als Personen, die gelegentliches Ridesharing nutzen, verschiedene Plattformen und nutzen auch andere Möglichkeiten (Absprachen im persönlichen Umfeld), um Fahrten abzusprechen (vgl. BRUNS et. al. 2011, [3], S. 75 f., vgl. FARROKHIKHIAVI et. al. 2011, [4], S. 16). Auch unterscheiden sich die Wegezwecke zwischen diesen beiden Formen, da regelmäßiges Ridesharing vor allem für Arbeitswege genutzt wird. Außerdem haben die Plattformen jeweils grundsätzlich verschiedene Geschäftsmodelle.

3.2 In den ÖPNV integrierte Mitnahme

Bei der in den klassischen ÖPNV integrierten Mitnahme ergänzen vorhandene Pkw-Fahrten das Verkehrsangebot des ÖPNV. Analog zum Ridesharing bieten Pkw-Fahrer anderen Personen Mitfahrgelegenheiten bei ihren Fahrten an. Im Unterschied zu öffentlicher Mitnahme bzw. Ridesharing ist integrierte Mitnahme in den klassischen ÖPNV verknüpft, die Integrationstiefe lässt sich in vier Dimensionen beschreiben:

- Verknüpfung des Angebots,

- Vertriebliche Verknüpfung,

- Tarifliche Verknüpfung,

- Verknüpfung in der Kommunikation.

Die (faktische) Integration von Ridesharing in den klassischen ÖPNV hat nichts mit der juristischen Integration zu tun, d. h., die Mitnahme-Fahrten müssen nicht dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) unterliegen. Die Integrationstiefe unterscheidet sich in der Praxis (vgl. BMVI 2016, [1], S. 36 f.).

Analog zum Ridesharing müssen sich Fahrer und Fahrgäste vor der Nutzung einmalig anmelden (z. B. im Internet oder per Telefon). Diese Anmeldung ist u. a. erforderlich, weil finanzielle Transaktionen – z. B. das Bezahlen der Leistung durch den Fahrgast – ausschließlich elektronisch erfolgen (E-Ticketing). Zur Motivation und Erhöhung der Teilnahmebereitschaft der Fahrer erhalten diese i. d. R. eine finanzielle Entschädigung. Je nach Höhe der Entschädigung gelten unterschiedliche verkehrs- und steuerrechtliche Regelungen (vgl. BMVI 2016, [1], S. 36 f.).

3.3 Mobilfalt

„Mobilfalt“ nahm seinen Betrieb im April 2013 in drei Pilotgebieten in Nordhessen auf. Ein wichtiger Aspekt aus Sicht der Aufgabenträger war, kein Parallelangebot zu schaffen, das die Nachfrage im Busverkehr kannibalisiert. Außerdem sollte ein verlässliches Angebot für die Fahrgäste geschaffen und ein hohes Maß an Sicherheit bei der Nutzung geboten werden (vgl. LOMETSCH, SCHMITT 2014, [5]).

Mobilfalt-Fahrten ergänzen das vorhandene Verkehrsangebot zwischen Dörfern und dem jeweils nächsten Zentrum, so dass die Erreichbarkeit zentraler Einrichtungen sowie der Zugang zum übergeordneten ÖPNV-Netz verbessert werden. Dazu wurde das Fahrplanangebot auf bestehenden Buslinien durch Pkw-Fahrten ergänzt und zusätzliche, reine „Mobilfaltlinien“ eingerichtet. Diese zusätzlichen Fahrten finden nur bei einer konkreten Buchung statt (Bedarfsverkehr) und können als Mitfahrgelegenheiten in privaten Pkw angeboten werden. Wenn eine private Mitfahrgelegenheit zustande kommt, erhält der private Fahrtanbieter eine Kostenbeteiligung von 30 Cent je km. Wird eine Mobilfalt-Fahrt gebucht, ohne dass ein Fahrtangebot eines privaten Fahrtanbieters vorliegt, stellt der NVV ohne Mehrkosten für den Fahrgast eine Ersatzbeförderung mit Taxen sicher („Mobilitätsgarantie“). Wenn Fahrtangebote und Fahrtwünsche zueinander „passen“ (sog. Matching), erhält der Fahrtanbieter eine Nachricht (SMS oder E-Mail) und muss diese bestätigen, um den Fahrtauftrag zu erhalten. Andernfalls wird ein Taxi als Rückfallebene beauftragt. Der Fahrpreis beträgt jeweils 1 Euro je Mobilfalt-Fahrt (entspricht dem Zuschlag für Bedarfsverkehre im NVV). Aus mehreren Gründen hat sich der NVV bei der Einführung von Mobilfalt für ein fahrplangebundenes System entscheiden:

- Die Nachfrage im Busverkehr sollte in Räumen mit ohnehin geringer Nachfrage nicht kannibalisiert werden, daher wurde der Busfahrplan auf einen Stundentakt „aufgefüllt“. Dies führt allerdings dazu, dass zum Teil private Mitnahmen nur in den Tagesrandlagen oder am Wochenende angeboten werden können.

- Es sollte ein System mit einer garantierten Beförderung geschaffen werden. Eine garantierte Beförderung erfordert jedoch eine Vorlaufzeit (für die Abarbeitung von anderen Fahrtaufträgen und die Anfahrtszeit der Taxen).

- Die Nachfrage (mehrere Fahrtwünsche) sollte möglichst gebündelt werden, um den Aufwand für die Rückfallebene zu begrenzen.

- Es sollten Anschlüsse zum übergeordneten ÖPNV-Netz an den Bahnhöfen hergestellt werden.

Zum Teil vor der Einführung von Mobilfalt in den Pilotgebieten vorhandene Bedarfsverkehre wurden auf Mobilfalt umgestellt. Insgesamt wird damit ein Stundentakt von 6:00 bis 24:00 Uhr (Montag bis Freitag) bzw. 8:00 bis 22:00 Uhr (Samstag und Sonntag) angeboten, der sich aus herkömmlichen Busfahrten und zusätzlichen Pkw-Fahrten zusammensetzt. Die Buchung ist über ein internetgestütztes Buchungssystem sowie über eine eigens eingerichtete Mobilitätszentrale möglich (vgl. BMVI 2016, [1], S. 33 f., vgl. KEPPER et. al. 2014, [6]). Um private Fahrtanbieter zu gewinnen, werden in den Pilotgebieten Honorarkräfte beschäftigt, die das Mobilfalt-Angebot bewerben, Kooperationen fördern und an bestehende ehrenamtliche Strukturen anknüpfen sollen. Darüber hinaus bewirbt der NVV Mobilfalt mit klassischen Medien (Postwurfsendungen, Plakatwerbung, Infostände bei Veranstaltungen). Es wurde ein bargeldloser Vertrieb (E-Ticketing) eingeführt, bei der die Buchung und Bezahlung über ein internes Mobilfalt-Konto erfolgt (ähnlich wie bei Prepaid-Handys). Diese Funktion ist im Mobilfalt-Buchungssystem enthalten. Eine Lösung mit Barzahlung des Fahrpreises wurde verworfen, da außer mit den Taxiunternehmen auch mit privaten Fahrtanbietern abgerechnet werden muss und der Barverkauf von Fahrkarten als zu aufwändig für private Fahrtanbieter angesehen wurde (vgl. KEPPER et. al. 2014, [6]).

Tabelle 1 zeigt die Integrationstiefe von Mobilfalt nach den genannten Dimensionen der Verknüpfung.

Tabelle 1: Integrationstiefe von Mobilfalt nach den genannten Dimensionen der Verknüpfung (Quelle: SOMMER 2017, [7])

4 Bewertungsmodell

4.1 Wirkungsfelder und Zielfelder

Zunächst wurden die zu berücksichtigenden Wirkungsfelder und Wirkungsbereiche festgelegt. Dabei wurden zunächst auf Basis einer Systemanalyse von in den ÖPNV integrierten Mitnahmesystemen die Wirkungsfelder herausgearbeitet, die durch Mobilfalt berührt werden. Dabei wurden die Grundbestandteile von Ridesharing-Systemen (Registrierung, Anbieten von Fahrten als Anbieter, Buchen von Fahrten als Mitfahrer, Vermittlung von Fahrten und Abrechnung von Fahrten) analysiert.

Anschließend wurden für die als relevant erachteten Wirkungsfelder die Wirkungszusammenhänge herausgearbeitet und schließlich die zur Beschreibung der jeweiligen Wirkungen geeigneten Indikatoren festgelegt. Dabei wurden bereits die Wirkungen aus der Betrachtung ausgeschieden, bei denen nur geringe Effekte erwartet wurden.
Da Zielvorstellungen von Werthaltungen abhängen, kann eine Entscheidung über Ziele und Indikatoren nur politisch getroffen werden. Aus fachlicher Sicht kann diese Entscheidung nur durch Vorschläge unterstützt werden (vgl. FGSV 2010, [9], S. 10).

Für die Bewertung der einzelnen Planfälle wurde ein Bewertungsverfahren entwickelt, das aus einer Verträglichkeitsanalyse und einer Kosten-Nutzen-Analyse besteht. Kosten-Nutzen- Analysen spielen eine große Rolle bei der Beurteilung von Maßnahmen im Verkehr. Allerdings können durch die Synthese in einem Nutzen-Kosten-Indikator (häufig Nutzen-Kosten- Verhältnis, aber auch Nutzen-Kosten-Differenz) lediglich monetarisierte Komponenten einfließen. Jedoch werden in diesen Verfahren ergänzend die nicht monetarisierten Wirkungen dargestellt.

Bei Mitnahmesystemen spielen allerdings monetarisierte Komponenten eine geringere Rolle als bei Investitionsmaßnahmen. Für die Umsetzung von Mitnahmesystemen sind nur vernachlässigbare Investitionen in bauliche Infrastruktur erforderlich, dagegen fallen betrieblich-organisatorische und planerische Maßnahmen stärker ins Gewicht. Außerdem sind die Abschreibungsdauern wesentlich kürzer, sodass die Bedeutung einer Verträglichkeitsanalyse hier höher ist. Dennoch haben finanzielle Wirkungen eine hohe Entscheidungsrelevanz. Im Folgenden wird diese Vorgehensweise beschrieben. Der Verträglichkeitsanalyse und der Kosten-Nutzen-Analyse ist gemein, dass sie jeweils Planfälle (Mit-Fälle) betrachten. Allerdings betrachtet die Verträglichkeitsanalyse die Wirkungen von Planfällen anhand eines Zielsystems, während in der Kosten-Nutzen-Analyse die Wirkungen von Planfällen jeweils mit einem Ohne-Fall verglichen werden.

4.2 Verträglichkeitsanalyse

In einer Verträglichkeitsanalyse wird ein Wirkungsprofil (Auswirkungen der geplanten Maßnahmen) mit einem Anforderungsprofil verglichen. Unter einem Anforderungsprofil werden vorgegebene (auf der Grundlage von Gesetzen, Verordnungen oder übergenordneten Planungen) bzw. selbst festgelegte Standards für Wirkungen verstanden. Die Wirkungsprofile werden jeweils originalskaliert mit dem Anforderungsprofil verglichen. Die Entscheidung über Varianten erfolgt durch argumentative und diskursive Behandlung von Verträglichkeit bzw. Zulässigkeit (vgl. FGSV 2010, [7], S. 18). Die Verträglichkeitsanalyse bei der Bewertung von Mobilfalt dient dazu, Wirkungen zu identifizieren, bei denen Zielvorgaben nicht erreicht wurden, um so Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung zu erkennen und Maßnahmen zu entwickeln. Da die Wirkungen jeweils originalskaliert betrachtet werden, können sie auch nicht monetarisierte Wirkungskomponenten miteinbeziehen. In der folgenden Bewertung werden die Wirkungen ermittelt und schließlich dargestellt, in welchem Maße jeweils die Anspruchswerten („Standards“, „Qualitätsprofil“) erreicht wurden.

Um die oben genannten Wirkungsdimensionen abzubilden, wurden Indikatoren entwickelt, die sich auf die genannten Wirkungsbereiche beziehen. Da die Beurteilung von Wirkungen von den jeweiligen Zielen abhängt, gibt es keinen allgemeingültigen Wirkungskatalog, sondern die Wirkungsmerkmale müssen für eine konkrete Planungsaufgabe festgelegt werden. Bild 1 zeigt die Struktur des Zielsystems von Mobilfalt.

Bild 1: Struktur des Zielsystems bei Mobilfalt. Die unterste Ebene zeigt die Unterteilung der Akzeptanzziele als Beispiel (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 2: Akzeptanz-Ziele von Mobilfalt mit Indikatoren (Quelle: eigene Darstellung)

Tabelle 3 zeigt beispielhaft die Akzeptanzziele von Mobilfalt mit Indikatoren. In der Tabelle sind die definierten Zielwerte und die konkreten Wirkungen etwa ein Jahr bzw. drei Jahre nach der Einführung des Systems dargestellt.

4.2.1 Kosten-Nutzen-Analyse

4.2.2 Grundlagen

Während bei der Verträglichkeitsanalyse Wirkungen in ihren originären Messgrößen betrachtet und diese Wirkungen mit den definierten Zielen verglichen werden, findet in der Kosten-Nutzen-Analyse eine Monetarisierung der Wirkungen statt. In der Synthese werden dann den Kosten einer Maßnahme die – monetär ausgedrückten – Wirkungen gegenübergestellt. Dabei werden in Kosten-Nutzen-Analysen Varianten nach dem „Mit-/Ohne- Fall-Prinzip“ bewertet. Ein Mit-Fall (mit Planungsmaßnahme(n)) wird mit dem Ohne-Fall (ohne Planungsmaßnahme(n)) verglichen, indem jeweils die gesamtwirtschaftlichen Kosten dem monetären Nutzen (positive und negative Wirkungen) gegenübergestellt werden. Dazu werden alle Kosten und Nutzen in Geldeinheiten ausgedrückt (Markt- oder Schattenpreise) und diese Größen auf einen Bezugszeitpunkt oder Jahresraten („Annuitäten“) diskontiert (vgl. FGSV 2010, [7], S. 24). Wirkungen werden in Kosten-Nutzen-Analysen miteinander verrechnet, d. h. negative Wirkungen an einer Stelle können durch positive Wirkungen an anderer Stelle kompensiert werden.

Für die Entwicklung einer Kosten-Nutzen-Analyse zur Beurteilung von integrierten Mitnahmesystemen ist zu berücksichtigen, dass die vorhandenen Verfahren in der Verkehrsplanung (Verfahren der EWS, der BVWP-Methodik und der Standardisierten Bewertung) lediglich für die Beurteilung von Infrastrukturprojekten geeignet sind, während die Umsetzung einer integrierten Mitnahme keine bzw. vernachlässigbare Infrastrukturmaßnahmen, sondern vielmehr betriebliche und organisatorische Maßnahmen erfordert.

4.2.3 Ermittlung der Nutzen

Für die Kosten-Nutzen-Analyse in dieser Arbeit werden die in Tabelle 3 dargestellten monetarisierten Wirkungen als relevante Nutzen betrachtet.

Tabelle 3: In der Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigte monetarisierte Wirkungen

Es werden dabei folgende Fälle verglichen:

- Ohne-Fall: ÖPNV-Angebot ohne flexible und alternative Angebotsformen (nur Bus/Bahn)

- Mit-Fall: ÖPNV-Angebot mit Mobilfalt (Bus/Bahn + Mobilfalt)

Das Verfahren geht von folgenden Annahmen und Voraussetzungen aus:

- Nicht quantifizierbare und nicht monetarisierbare Nutzen werden nicht berücksichtigt.

- Es wird davon ausgegangen, dass die Individuen ihren Nutzen maximieren (Nutzen- Maximierungs-Ansatz).

- Mobilfalt führt nicht zu Veränderungen der Zielwahl, d. h. die Personen wählen durch das Mobilfalt-Angebot keine anderen Ziele.4

- Die Streckenlänge ist jeweils identisch für alle Verkehrsmittel, ändert sich also durch die Verlagerung auf ein anderes Verkehrsmittel nicht.

Als variabel werden im Modell die Abfahrtszeit und die Verkehrsmittelwahl betrachtet. Im Folgenden ist exemplarisch die Ermittlung des Nutzens aus Kundensicht dargestellt. Es werden hierfür folgende Annahmen getroffen:

- Die Verkehrsmittel Pkw, Taxi und Mobilfalt haben dieselbe Reisezeit, d. h., beim Vergleich dieser Verkehrsmittel tritt keine Zeitersparnis auf. Grund hierfür ist, dass aufgrund der Liniengestaltung nur geringe Umwege notwendig werden. Da es sich um kurze Strecken handelt (im Mittel 6,3 km), ist außerdem nur von geringen Fahrzeitunterschieden auszugehen. Außerdem treten durch die Angebotsverbesserung (Ausweitung des Bedienungszeitraums und Erhöhung der Fahrtenanzahl) Wirkungen auf, deren Monetarisierung problematisch ist Gleiches gilt für die höhere Verlässlichkeit, da während der Betriebszeiten von Mobilfalt die Mobilitätszentrale bzw. ein Callcenter erreichbar ist, sodass im Störungsfall eine Beförderung organisiert werden kann.

- Der individuelle Nutzen basiert daher im Wesentlichen auf den monetarisierten Größen Kostenersparnis und Reisezeitgewinn. Angenommen wird, dass weitere Wirkungen (z. B. Umweltkosten) nicht entscheidungsrelevant für die Nutzer sind.

Zentral sind die aus einer Nutzerbefragung (siehe Abschnitt 4.3.2) abgeleiteten Alternativen zur Mobilfalt-Nutzung (im Ohne-Fall) und deren Vergleich mit der Nutzung von Mobilfalt (Mit- Fall). Dabei lassen sich folgende neun Fälle unterscheiden:

- Aktivität wird nicht durchgeführt (Fall 1)

- Aktivität wird durchgeführt, mit einem anderen Verkehrsmittel und/oder zu einem anderen Zeitpunkt (Fälle 2A, 2B, 3A, 3B, 4B, 5A, 6A, 7A)

Tabelle 4: Alternativen zur Mobilfalt-Nutzung bei Verlagerungen von anderen Verkehrsmitteln

Haben die Befragten mehrere Alternativen angegeben, wird der Mittelwert des Nutzens berechnet (Mittelwert des Nutzens aus den o. g. Fällen, identische Gewichtung der einzelnen Alternativen). In den Fällen 3A und 3B entstand bei einigen Wegen ein negativer Nutzen (bei kurzen Strecken). Daher wurde ein Korrekturterm für diese Fälle ermittelt, der den Aufwand für die Vereinbarung einer Mitfahrt (Transaktionskosten) abbildet und verhindert, dass der Nutzen negativ wird.

Die Quantifizierungsvorschriften des Nutzens für die unterschiedlichen Fälle zeigt Tabelle 5.

Tabelle 5: Quantifizierung des Nutzens für die unterschiedlichen Fälle

4.2.4 Ermittlung der Kosten

In die Ermittlung der Kosten sind nicht nur die betriebswirtschaftlichen Kosten, d. h. die Betreibersicht, miteinzubeziehen, sondern auch die wesentlichen volkswirtschaftlichen, d. h. gesamtgesellschaftlichen, Kosten.

Aus Betreibersicht sind folgende Kostenkomponenten relevant:

- Kosten für den Fahrbetrieb der Taxen (als Rückfallebene),

- Kosten für Mitnahmeentschädigungen (private Fahrtanbieter),

- Investition und Wartungsvertrag für das internetgestützte Buchungssystem,

- Betrieb einer Mobilitätszentrale, Beauftragung eines Callcenters,

-  Kosten für Abwicklung des Zahlungsverkehrs und Mobilfalt-Cards,

- Kosten für Pflege der Kundendaten,

- Kommunikationsmaßnahmen,

- Arbeit vor Ort (Gewinnung und Betreuung von Fahrtanbietern),

Gegenüber flexiblen Angebotsformen entstehen bei Mobilfalt zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit Vertrieb und Zahlungsverkehr (bargeldloser Vertrieb), die bei flexiblen Angebotsformen nicht entstehen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Buchungssystem auch für flexible Angebotsformen im ÖPNV nutzbar ist und damit der Entwicklungsaufwand nicht allein der Einführung von Mobilfalt zuzurechnen ist.

Darüber hinaus sind volkswirtschaftliche Kosten zu betrachten

- Veränderung der Luftschadstoffemissionen,

- Veränderung der CO2-Emissionen.

Die Veränderung der Emissionen resultiert aus der Veränderung der Fahrleistung durch integrierte Mitnahme und aus der Zusammensetzung der eingesetzten Fahrzeuge. Die Fahrleistung wird einerseits durch vermiedene Pkw-Fahrten beeinflusst, wenn Personen vom Pkw auf Mobilfalt umsteigen, und andererseits durch die Fahrleistung, die durch Taxen als Rückfallebene erbracht wird, da hierbei der Anteil der Leerfahrten von Taxen zu berücksichtigen ist. Der Einsatz von Taxen als Rückfallebene beeinflusst außerdem die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte, die die Fahrleistung erbringt. Im Taxiverkehr wird angenommen, dass die Fahrleistung zu 100% von Fahrzeugen mit Dieselmotor erbracht wird, während bei privaten Mitnahmen angenommen wird, dass die Fahrleistung von einer Flotte erbracht wird, deren Antriebsart sich wie im Bundesdurchschnitt verteilt.

4.3 Datengrundlage

4.3.1 Datenüberblick

Außer den Daten aus einer Nutzerbefragung (siehe Abschnitt 4.3.2) flossen Daten aus verschiedenen Quellen in das Modell ein. Informationen über die Nutzung von Mobilfalt lassen sich aus dem Mobilfalt-Buchungssystem auswerten. Darüber hinaus wurden kontinuierlich Raumstrukturdaten aufbereitet. Für die Kosten-Nutzen-Analyse wurden unter anderem Kostensätze der verschiedenen Verkehrsmittel (Erlössätze ÖPNV, Fahrpreise Mobilfalt, Taxipreise, Pkw-Kosten), Zeitkostensätze, Reisegeschwindigkeiten (differenziert nach Verkehrsmittel), Kostensätze für Zeitersparnisse (differenziert nach Aktivitäten) und Emissionen, Emissionsfaktoren und Daten zur Flottenzusammensetzung verwendet.

4.3.2 Nutzerbefragung

Zur Ermittlung der verkehrlichen Wirkungen wurde eine Nutzerbefragung durchgeführt. Ziel dieser Nutzerbefragung war es, das Verhalten der Nutzer von Mobilfalt im Ohne-Fall abzuleiten, d. h. ohne die Möglichkeit, Mobilfalt zu nutzen. Damit sollte das Verhalten im Mit- Fall mit dem Verhalten im Ohne-Fall verglichen werden können, um dadurch die Wirkungen zu ermitteln. Hierfür wurden zwischen 14.07.2014 und 08.12.2014 die Mobilfalt-Nutzer telefonisch befragt. Die Grundgesamtheit war die Anzahl aller Fahrtbuchungen in diesem Zeitraum. Die Auswahlstichprobe stellt die Menge aller Fahrtbuchungen dar, die innerhalb von drei Tagen nach der Durchführung einer Fahrt abgefragt werden konnten. Zusätzlich wurden Fahrtbuchungen als „regelmäßige Fahrten“ eingestuft, bei denen ein Muster (tägliche bzw. wöchentliche Fahrt zur jeweils gleichen Uhrzeit) erkennbar war und diese Fahrten einer Person daraufhin gemeinsam abgefragt, um die Belastung der Befragten in Grenzen zu halten. Dabei wurde auch die Regelmäßigkeit dieser Fahrten verifiziert. Das Mengengerüst der Erhebung zeigt Tabelle 6.

Tabelle 6: Mengengerüst der Erhebung

Es wurden folgende Merkmale erhoben:

- Teilwegekette mit Mobilfalt-Fahrt an diesem Tag inkl. genutzter Verkehrsmittel und Aktivitäten,

- Erwerbstätigkeit, Pkw-Verfügbarkeit und Haushaltsgröße,

- Alternativen für diesen Weg (Aktivität, Verkehrsmittel, Zeitpunkte).

In die Ermittlung der Nutzen flossen dabei vor allem die Teilwegeketten und die Alternativen ein. Die einzelnen Datensätze wurden dabei jeweils den oben genannten Fällen zugeordnet (siehe Tabelle 4) und die jeweiligen Wirkungen bestimmt (wie oben für den Nutzen aus Kundensicht dargestellt). Die Antworterstichprobe wurde jeweils auf alle Fahrtbuchungen in den Jahreszeiträume (01.01.2014 bis 31.12.2014 und 01.07.2015 bis 30.06.2016) hochgerechnet.

Die Veränderungen in der Verkehrsmittelwahl gehen auch in die Ermittlung der Einnahmeveränderungen der ÖPNV-Aufgabenträger und die Ermittlung der Emissionsveränderungen (aus der Veränderung der Fahrleistung) ein.

5 Ausgewählte Ergebnisse

Folgende zentrale Ergebnisse der Bewertung von Mobilfalt lassen sich festhalten:

- Die Nutzung von Mobilfalt lag bei den Fahrern deutlich unter den Erwartungen. Die Akzeptanzziele, ökonomischen und ökologischen Ziele wurden bisher nur teilweise erreicht.

- Das Nutzen-Kosten-Verhältnis lag deutlich unter 1. Allerdings können einige relevante Wirkungen nicht monetarisiert werden. Hier ist vor allem die Erhöhung von Teilhabechancen durch verbesserte Erreichbarkeit zu nennen, dies vor dem Hintergrund eines hohen Anteils von Nutzern ohne Pkw-Verfügbarkeit. Weitere nicht berücksichtigte Wirkungen sind u. a. Verbesserung des Images der Aufgabenträger, Verbesserung des Images der Kommunen und einige Umweltwirkungen (Lärm, Gesundheitsschäden). Daher unterschätzen die hier ermittelten Nutzen den Gesamtnutzen.

- Die Nutzerstruktur der Fahrgäste weicht deutlich von der Struktur der Gesamtbevölkerung in den betrachteten Räumen ab (u. a. überdurchschnittlich hoher Anteil von Einpersonenhaushalten und stark unterdurchschnittliche Pkw-Verfügbarkeit), sodass es sich häufig um ÖV-Zwangskunden handelt. Demgegenüber sind potentielle und tatsächliche Fahrtanbieter bei ihrer Verkehrsmittelwahl i. d. R. wahlfrei, allerdings selten selbst Nutzer des ÖPNV.

- Die Verteilung nach Alter und Geschlecht der als Fahrtanbieter registrierten Personen unterscheidet sich sehr deutlich von der Verteilung der als Mitfahrer registrierten Personen: Während unter den Mitfahrern Personen unter 30 Jahren überrepräsentiert sind, sie sich aber im Übrigen ähnlich zur Gesamtbevölkerung verteilen, sticht bei den Fahrtanbietern der hohe Anteil der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen hervor, während über 65-Jährige deutlich unterrepräsentiert sind.

- Im Tagesgang ist die Nachfrage der Mitfahrer von Mobilfalt zu den Tagesrandzeiten und am Wochenende vergleichsweise hoch. Zum Teil ist dies darauf zurückzuführen, dass eine Kannibalisierung des Busverkehrs vermieden werden sollte, und deshalb in den Stunden, in denen auf einer Linie ein Bus fährt, kein Mobilfalt-Angebot vorgesehen ist. Damit sind Busangebote gerade zu den Zeiten der höchsten Nachfrage vorhanden. Demgegenüber sind Fahrtangebote vor allem für Fahrten am späten Vormittag sowie am frühen Nachmittag vorhanden, abends und am Wochenende dagegen kaum.

- Demgegenüber ist die Zahl der Fahrtangebote offensichtlich zu gering, da nur ein geringer Anteil der durchgeführten Mobilfalt-Fahrten private Mitfahrten sind.

- Die Befragten in der Nutzerbefragung bewerteten Mobilfalt äußerst positiv, dies lässt auf eine hohe Bedeutung von Mobilfalt für die Nutzer schließen.

- Die Fahrten werden vorwiegend von Taxen als Rückfallebene durchgeführt, der Anteil der privaten Mitnahmen ist sehr gering. Daher entsteht keine nennenswerte Ersparnis an laufleistungsabhängigen Kosten.

- Im Mit-Fall sind die Verluste im Busverkehr durch den Umstieg vom Bus auf Mobilfalt geringer als die entgangenen Einnahmen (im Ohne-Fall) durch Anschluss- und Rückfahrten aufgrund der Mobilfalt-Nutzung.

- Der hohe Einsatz von Taxen verursacht durch Leerfahrten negative Umweltwirkungen, die nicht durch eingesparte Pkw-Fahrten überkompensiert werden.

- Der Nutzen der Kunden (Kosten- und Reisezeitersparnisse) ist deutlich höher als die monetarisierten Umweltschäden.
Aus diesen Ergebnissen hat die Universität Kassel als Evaluator folgende Schlussfolgerungen gezogen:

- Das Buchungssystem und die Mobilitätszentrale verursachen hohe Kosten, sodass aufgrund der geringen Nutzung die spezifischen Kosten je Fahrt sehr hoch sind. Daher wird vorgeschlagen, das Mobilfalt-Angebot räumlich auszudehnen und das Buchungssystem auch für die Disposition weiterer Bedarfsverkehre zu nutzen.

- Der Anteil der privaten Fahrten hat wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und nur ein hoher Anteil von privaten Fahrten kann den Zusatzaufwand für das Mitfahrsystem gegenüber flexiblen Angebotsformen rechtfertigen. Daher gilt es einerseits neue Fahrtanbieter zu gewinnen und bereits registrierte Fahrtanbieter stärker zum Anbieten von Fahrten zu gewinnen.

- Dies bedeutet auch, dass besonders die Sicht der Fahrtanbieter bei einer Weiterentwicklung des Buchungssystems zu beachten ist.

- Die Bindung an einen Fahrplan, an Linien und Haltestellen wird von Pkw-Fahrern als Einschränkung der Flexibilität empfunden. Daher wird vorgeschlagen, über das bestehende Mobilfalt-Angebot hinaus die Möglichkeit zu schaffen, Fahrten ohne Haltestellen-, Fahrplan- und Linienbindung über das Mobilfalt-Buchungssystem anzubieten oder zu buchen, allerdings ohne Rückfallebene. Somit könnte die Bekanntheit und die Nutzung von Mobilfalt gesteigert werden.

- Eine Schlüsselrolle wird in der Arbeit vor Ort gesehen. Mobilfalt als neues Produkt erfordert besondere Ansprache der Zielgruppe der Autofahrer. Diese sollte aus Sicht des Evaluators weiter ausgebaut werden und bei sämtlichen Erweiterungsschritten frühzeitig vorgesehen werden.

- Der Mobilfalt-Fahrpreis könnte erhöht und differenziert werden. Eine Differenzierung des Fahrpreises könnte als Steuerungselement dienen, um den Anteil der privaten Mitfahrten zu erhöhen (wenn diese preiswerter sind als Fahrten mit dem Taxi). Die hohe Zufriedenheit der aktiven Mitfahrer deutet auf einen preislichen Spielraum hin. Auch ist der Mobilfalt- Fahrpreis mit 1 bzw. 2 Euro je Fahrt wesentlich preiswerter als der NVV-Tarif (2,30 bzw. 3,40 Euro für NVV-Einzelfahrkarten der entsprechenden Preisstufen).

- Gegenüber anderen Ridesharing-Angeboten verfügt Mobilfalt außerdem über eine Mobilitätszentrale. Diesen Vorteil kann genutzt werden, um die Nutzer zu betreuen und erfolgreich an integrierte Mitnahme als neues Verkehrsangebot heranzuführen.

6 Kritische Würdigung und Ausblick

Die Kosten-Nutzen-Untersuchung berücksichtigt einige Wirkungen nicht (Umweltwirkungen, Image (Aufgabenträger/Kommunen) oder Erhöhung der Teilhabechancen durch verbesserte Erreichbarkeit) und unterschätzt damit den Gesamtnutzen. Gerade die Erhöhung der Teilhabechancen zählt zu den wichtigsten Zielen vieler Aufgabenträger im ländlichen Raum.

Die Verbesserung von Teilhabechancen kann allerdings nur sehr schwer, ggf. durch die Messung von Zahlungsbereitschaften, monetarisiert werden. Aus einer weiteren Erhebung, die im Juni 2016 abgeschlossen wurde (Haushaltsbefragung in den Regionen, in denen es Mobilfalt gibt), sollen Wirkungen zu den Mobilitätschancen abgeleitet werden, die von verbesserten Erreichbarkeiten, aber auch von individuellen Merkmalen wie Pkw-Verfügbarkeit im Haushalt abhängen. Dabei soll an die mobilitätsbezogene Exklusionsforschung angeknüpft werden (vgl. FGSV 2015, [10]).

Um eine in den ÖPNV integrierte Mitnahme besser einordnen zu können, werden noch weitere Planfälle untersucht:

- Mitnahmesystem ohne Rückfallebene,

- Einsatz von autonomen Fahrzeugen,

- Bedarfsverkehr mit Einsatz von Taxen (ohne private Mitnahmen).

Bei diesen Planfällen ist zu berücksichtigen, dass für diese Planfälle keine Nachfragedaten vorliegen, anders als für die Untersuchung des Planfalles Mobilfalt. Daher müssen für diese anderen Planfälle realistische Nachfrageszenarien entwickelt werden.

Hierfür muss geprüft werden, wie die Ergebnisse aus der Untersuchung des Planfalles Mobilfalt auf die Untersuchung der anderen Planfälle übertragen werden können. Auch müssen für die anderen Planfälle realistische Angebotsszenarien entwickelt werden, da etwa beim Planfall „Einsatz von autonomen Fahrzeugen“ ein fester Fahrplan und beschränkte Betriebszeiten wenig realistisch scheinen. Sensitivitätsbetrachtungen und die Darstellung von Bandbreiten der Wirkungen spielen daher bei diesen Planfällen eine besondere Rolle.

7 Literatur

[1]    SCHMITT, Volker (2017): In den ÖPNV integrierte Mitnahmesysteme – Wirkungsanalyse und Bewertung. Unveröffentlichte Dissertation an der Universität Kassel. Kassel.

[2]    BMVI (2016). Mobilitäts- und Angebotsstrategien in ländlichen Räumen. Planungsleitfaden für Handlungsmöglichkeiten von ÖPNV-Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte flexibler Bedienungsformen. Unter Mitarbeit von Carsten Sommer, Assadollah Saighani, Gerhard Löcker und Tilman Hattop. Hg. v. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Berlin.

[3]    BRUNS, André; FARROKHIKHIAVI, Reyaneh; SCHMIDT, Rolf; RUHREN, Stefan von der; HECKERT, Daniel (2011). Potenziale und Möglichkeiten zur Vernetzung internetgestützter Fahrgemeinschaftenvermittlungen für regelmäßige Fahrten (Berufspendler). In: RWTH Aachen, Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr (Hg.): Stadt Region Land, Bd. 88. Unter Mitarbeit von Dirk Vallée. Adendorf, S. 73–83.

[4]    FARROKHIKHIAVI, Reyaneh; SCHMIDT, Rolf; BRUNS, André; HORN, Daniel; RUHREN, Stefan von der; HECKERT, Daniel (2011). Potenziale und Möglichkeiten zur Vernetzung internetgestützter Fahrgemeinschaftenvermittlungen. FE-Nr. 70.820/2008 im Auftrag des BMVBS. Schlussbericht. Hg. v. RWTH Aachen - Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr und momatec GmbH. Aachen.

[5]    LOMETSCH, Martin; SCHMITT, Volker (2014). NVV-Mobilfalt – ein Mitnahmesystem als Ergänzung des ÖPNV. In: Universität Kassel, Institut für Verkehrswesen (Hg.): Nahverkehrs-Tage 2013. Neue Konzepte für Stadt und Land. Unter Mitarbeit von Carsten Sommer. 1. Aufl. Kassel: kassel university press (Schriftenreihe Verkehr, 24), S. 73-97.

[6]    KEPPER, Jutta; LOMETSCH, Martin; PIPPER, Horst; BENZ, Horst (2014). Mobilfalt verbindet Auto und ÖPNV. In: Der Nahverkehr 32 (4/2014), S. 40–45.

[7]    SOMMER, Carsten. In den ÖPNV integrierte Mitnahmemöglichkeiten im ländlichen Raum, Fachgespräch „Ohne Auto abgehängt? – Mobilität in ländlichen Regionen sichern“, 23. Januar 2017, Berlin.

[8]    BÖHLER, Susanne; JANSEN, Ulrich; KOSKA, Thorsten; SCHÄFER-SPARENBERG, Carolin; AREND, Christof; HILLEBRAND, Philipp; KINDL, Annette; KLINGER, Daniela (2009). Handbuch zur Planung flexibler Bedienungsformen im ÖPNV: Ein Beitrag zur Sicherung der Daseinsvorsorge in nachfrageschwachen Räumen. Hrsg. von Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Bonn.

[9]    FGSV (2010). Hinweise zu Einsatzbereichen von Verfahren zur Entscheidungsfindung in der Verkehrsplanung. Ausgabe 2010. Köln: FGSV-Verlag (FGSV, 153 : W 1).

[10]    FGSV (2015). Hinweise zu Mobilität und sozialer Exklusion. Forschungsstand zum Zusammenhang von Mobilitäts- und Teilhabechancen. Ausgabe 2015. Köln: FGSV- Verlag (FGSV, 164 : W 1).