FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Zuverlässigkeit der Kapazität und optimale Auslastung von Autobahnen
Autoren Prof. Dr.-Ing. Justin Geistefeldt
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Die Kapazität von Autobahnen weist unabhängig von der systematischen Beeinflussung durch die jeweiligen baulichen, verkehrlichen und betrieblichen Randbedingungen eine erhebliche zufällige Variabilität auf. Im Hinblick auf einen zuverlässigen Betrieb ist es daher nicht sinnvoll, Autobahnen bis zur Bemessungskapazität auszulasten. Andererseits ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eine Unterauslastung zu vermeiden. Der Beitrag beschreibt einen neuartigen Ansatz zur Ermittlung der optimalen Verkehrsstärke auf Autobahnen auf der Grundlage des „Sustained Flow Index“, der als Produkt aus der Verkehrsstärke und dem Komplementärwert der Zusammenbruchswahrscheinlichkeit definiert ist. Die Anwendung des Ansatzes für 70 Messquerschnitte auf Bundesautobahnen zeigt, dass die optimale Verkehrsstärke bei etwa 90 % der Bemessungskapazität des HBS liegt.

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1 Einleitung

Die Kapazität von Straßenverkehrsanlagen ist definiert als die „größte Verkehrsstärke, die ein Verkehrsstrom unter den gegebenen baulichen und verkehrlichen Bedingungen erreichen kann“ [1]. In verkehrstechnischen Bemessungsverfahren wie denen des HBS [2] oder HCM [3] wird die Kapazität üblicherweise als deterministische Größe in Abhängigkeit von den maß­gebenden streckengeometrischen, steuerungstechnischen und verkehrlichen Parametern an­gegeben. Darüber hinaus hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Kapazität auch unabhängig von diesen systematischen Einflussfaktoren u. a. aufgrund der wechselnden Zusammensetzungen des Fahrzeug- und Fahrerkollektivs zufällig schwanken kann und daher als Zufallsgröße anzusehen ist, die durch eine Verteilungsfunktion beschrieben wird. Diese Erkenntnis resultiert vor allem aus Analysen von Zusammenbrüchen des Verkehrsflusses auf Autobahnen (vgl. z. B. [4], [5], [6]). Ein Zusammenbruch des Verkehrsflusses tritt ein, wenn die Verkehrsnachfrage die momentane Kapazität überschreitet, so dass der Verkehrsfluss vom fließenden Zustand in den zähfließenden und gestauten Zustand übergeht. Da die Ver­kehrsstärke definitionsgemäß nie größer als die Kapazität sein kann, kann die Verkehrsstärke vor dem Zusammenbruch als Beobachtung der (momentanen) Kapazität aufgefasst werden.

Die Verteilungsfunktion der Kapazität entspricht der Überlastungswahrscheinlichkeit in Ab­hängigkeit von der Verkehrsstärke. Die Standardabweichung oder Varianz der Verteilungs­funktion der Kapazität beschreibt das Ausmaß der unabsehbaren, d. h. nicht durch äußere Randbedingungen erklärbaren Schwankungen der Kapazität und stellt somit ein Maß der Zu­verlässigkeit der Kapazität dar. Die zufällige Variabilität der Kapazität bestimmt im Zusammen­wirken mit der Verkehrsnachfrage, die ebenfalls zufälligen Schwankungen unterworfen ist, die Variabilität des Überlastungsgeschehens und damit die maßgebende Komponente der (Un-) Zuverlässigkeit der erreichbaren Fahrtzeit auf Autobahnen.

Aus der zufälligen Variabilität der Kapazität folgt, dass Autobahnen nicht bis zur Bemessungs­kapazität ausgelastet werden sollten. Andererseits ist eine Unterauslastung aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu vermeiden. Demensprechend wird im HBS [2] ein Auslastungsgrad von 90 % als Grenzwert der Qualitätsstufe D, die vom Baulastträger üblicherweise als Zielgröße der verkehrstechnischen Bemessung gefordert wird, vorgegeben. Die Festlegung der Grenz­werte der Qualitätsstufen des HBS basiert auf Experteneinschätzungen. Ein erster Ansatz, den Grenzwert des Auslastungsgrades von 90 % für Autobahnen auch theoretisch zu be­gründen, ist mit der Maximierung der Verkehrsleistung gelungen ([7], [8], [9], [10]).

Der vorliegende Beitrag beschreibt einen neuartigen Ansatz zur Ermittlung der optimalen Aus­lastung von Autobahnen auf der Grundlage des stochastischen Konzepts der Kapazität. Der Ansatz basiert auf der Maximierung des „Sustained Flow Index“ [11], der als Produkt aus der Verkehrsstärke und der Überlebenswahrscheinlichkeit des Verkehrsflusses definiert ist. Die Überlebenswahrscheinlichkeit gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass der Verkehr im fließenden Zustand verbleibt, und entspricht dem Komplementärwert der Zusammenbruchswahrschein­lichkeit. Die Verkehrsstärke, bei der das Produkt aus der Verkehrsstärke und der Überlebens­wahrscheinlichkeit maximal wird, stellt einen sinnvollen Zielwert für die Auslastung einer Autobahn dar, weil sowohl eine möglichst hohe Verkehrsstärke als auch eine möglichst geringe Zusammenbruchswahrscheinlichkeit anzustreben sind. Der Ansatz zur Ermittlung der optimalen Auslastung wird im vorliegenden Beitrag anhand umfangreicher Verkehrsdaten von Dauerzählstellen auf Autobahnen in Nordrhein-Westfalen angewandt.

2 Ermittlung von Verteilungsfunktionen der Kapazität

Verteilungsfunktionen der Kapazität können mit statistischen Verfahren für die Analyse zen­sierter Daten ermittelt werden. In Intervallen unmittelbar vor einem Zusammenbruch des Verkehrsflusses entspricht die gemessene Verkehrsstärke der (momentanen) Kapazität. In Intervallen, in denen kein Zusammenbruch des Verkehrsflusses ausgelöst wird, ist die Kapa­zität größer als die gemessene Verkehrsstärke. Solche Beobachtungen, bei denen nur ein beschränkter Wertebereich der gesuchten Größe ermittelt werden kann, werden als zensierte Daten bezeichnet.

Die Berücksichtigung zensierter Beobachtungen bei der stochastischen Kapazitätsanalyse ist erforderlich, um eine konsistente Schätzung der Verteilungsfunktion zu erhalten. Die Ver­teilung der Verkehrsstärken vor dem Zusammenbruch ohne Einbeziehung der zensierten Daten eignet sich dagegen nicht für die Schätzung der Kapazitätsverteilung, weil Zusammen­brüche bei sehr hohen Verkehrsstärken aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Verkehrsfluss bereits in den vorangegangenen Intervallen bei geringerer Verkehrsnachfrage zusammengebrochen ist, unterrepräsentiert sind [12]. Dadurch ist der Mittelwert der Verteilung der Verkehrsstärken vor dem Zusammenbruch systematisch geringer als der Mittelwert der Verteilungsfunktion der Kapazität. Der Mittelwert der Verkehrsstärken vor dem Zusammen­bruch in 5-Minuten-Intervallen kann aber als Schätzwert der Bemessungskapazität im Sinne des HBS [2] in Stunden-Intervallen aufgefasst werden, weil die Differenz zum Mittelwert der Kapazitätsverteilung ungefähr durch die Abweichung zwischen der Kapazität in Stunden- und 5‑Minuten-Intervallen ausgeglichen wird [13].

Zur Schätzung von Verteilungsfunktionen anhand von Stichproben, die sich aus unzensierten und zensierten Werten zusammensetzen, können nicht-parametrische und parametrische Verfahren verwendet werden. Bei den sog. nicht-parametrischen Verfahren erfolgt die Schätzung der Verteilungsfunktion ohne die Annahme eines bestimmten Funktionstyps der Verteilungsfunktion, während bei parametrischen Verfahren der Funktionstyp der gesuchten Verteilung vorgegeben wird.

Zu den nicht-parametrischen Verfahren zählt die Product-Limit-Methode nach Kaplan, Meier [14]. Die Product-Limit-Schätzung der Verteilungsfunktion FC(q) der Kapazität lautet [7]:

Formel siehe PDF.

Die Schätzung der Verteilungsfunktion mit der Product-Limit-Methode hat die Eigenschaft, dass die Funktion beim größten unzensierten Wert endet. Ist der größte beobachtete Stich­probenwert zensiert, so erreicht die Verteilung nicht den Wert 1.

Wird ein Funktionstyp für die gesuchte Verteilung vorgegeben, so kann die Anpassung der Verteilungsfunktion der Kapazität durch eine Maximum-Likelihood-Schätzung erfolgen. Die Likelihood-Funktion für die Schätzung der Parameter der Verteilungsfunktion FC(q) der Kapazität lautet [7]:

Formel siehe PDF.

In vergleichenden Untersuchungen verschiedener Funktionstypen für die Beschreibung der Kapazität als Zufallsgröße wurde die Weibull-Verteilung als die für Bundesautobahnen am besten geeignete Funktion ermittelt (siehe [8], [15]). Die Weibull-Verteilungsfunktion der Kapazität FC(q) lautet:

Formel siehe PDF.

Grundlage der stochastischen Kapazitätsanalyse ist die Identifikation von Zusammenbrüchen des Verkehrsflusses anhand einer Analyse der Ganglinie der mittleren Pkw-Geschwindigkeit am betrachteten Querschnitt. Um Übergänge vom Zustand des fließenden Verkehrs in den Zustand des zähfließenden und gestauten Verkehrs zu ermitteln, wird eine Grenzgeschwindig­keit festgelegt, die anhand des q‑v-Diagramms definiert werden kann und bei Autobahnen üblicherweise in einer Größenordnung von 70 bis 80 km/h liegt. Um eine trennscharfe Unter­scheidung zwischen Zusammenbrüchen des Verkehrsflusses mit einem deutlichen Rückgang der Geschwindigkeit einerseits und einem geringfügigen Unterschreiten der Grenzgeschwin­digkeit aufgrund kurzfristiger Schwankungen der mittleren Geschwindigkeit andererseits zu erreichen, können die folgenden Kriterien zur Identifikation eines Verkehrszusammenbruchs im Intervall i angewandt werden [15]:

·      Die Geschwindigkeit liegt in den Intervallen i - 1 und i über sowie in den folgenden beiden Intervallen i + 1 und i + 2 unter der Grenzgeschwindigkeit und

·      die Mittelwerte der Geschwindigkeiten in den beiden Intervallen vor und nach dem Unter­schreiten der Grenzgeschwindigkeit unterscheiden sich um mindestens 10 km/h.

Für die empirische Ermittlung von Verteilungsfunktionen der Kapazität hat sich die Auswertung von Verkehrsdaten in 5-Minuten-Intervallen bewährt. Bei längeren Intervalldauern von z. B. einer Stunde ist der kausale Zusammenhang zwischen der beobachteten Verkehrsstärke und dem Eintreten des Zusammenbruchs nicht mehr gegeben. Eine analytische Umrechnung der in 5-Minuten-Intervallen ermittelten Kapazitätsverteilung in Stunden-Intervalle ist anhand des folgenden Zusammenhangs möglich [10]:

Formel siehe PDF.

3 Sustained Flow Index

Basierend auf dem stochastischen Konzept der Kapazität wurde von Shojaat et al. [11] der „Sustained Flow Index“ (SFI) als Bewertungskenngröße für Autobahnen entwickelt. Der SFI ist definiert als Produkt aus der Verkehrsstärke und dem Komplementärwert der Zusammen­bruchswahrscheinlichkeit, der sog. Überlebenswahrscheinlichkeit:

Formel siehe PDF.

Weil einerseits aus Gründen der Wirtschaftlichkeit für eine effiziente Ausnutzung der Verkehrs­infrastruktur eine möglichst hohe Verkehrsstärke, andererseits im Hinblick auf eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit des Verkehrsablaufs aber auch eine möglichst geringe Zusam­menbruchswahrscheinlichkeit anzustreben ist, stellt die Maximierung des SFI ein sinnvolles Ziel des Verkehrsmanagements dar. Für Weibull-verteilte Kapazitäten ergibt sich die optimale Verkehrsstärke, bei der der SFI maximal wird, analytisch nach folgender Gleichung [11]:

Formel siehe PDF.

Die optimale Verkehrsstärke qopt gilt für das Bezugsintervall der zugrunde liegenden Ver­teilungsfunktion der Kapazität. Sofern die Kapazität in 5-Minuten-Intervallen ermittelt wurde und die optimale Verkehrsstärke in Stunden-Intervallen berechnet werden soll, müssen die Parameter der Verteilungsfunktion der Kapazität mit Gleichung (4) transformiert werden.

4 Empirische Anwendung

Die Anwendung des SFI zur Bestimmung der optimalen Auslastung von Autobahnen erfolgte anhand von Verteilungsfunktionen der Kapazität, die im Rahmen einer netzweiten Analyse der Kapazitäten des nordrhein-westfälischen Autobahnnetzes für das Jahr 2014 ermittelt wurden. Hierfür wurden Daten sämtlicher Dauerzählstellen auf Hauptfahrbahnen ausgewertet, die von der Verkehrszentrale NRW bereitgestellt wurden.

Die Schätzung der Verteilungsfunktionen der Kapazität erfolgte sowohl mit der Product-Limit-Methode nach Gleichung (1) als auch mit der Maximum-Likelihood-Methode nach Gleichung (2) unter der Annahme Weibull-verteilter Kapazitäten. Verkehrszusammenbrüche aufgrund von Unfällen und Baustellen wurden durch die Einbeziehung von Baustellen- und Unfalldaten soweit wie möglich aus der Analyse ausgeschlossen. Für die Ermittlung der Kapazitätsver­teilung wurden darüber hinaus nur 5‑Minuten-Intervalle mit einer mittleren Verkehrsstärke pro Fahrstreifen von mindestens 1200 Kfz/h einbezogen, um Verkehrszusammenbrüche, die bei geringen und mittleren Verkehrsstärken z. B. durch Pannenfahrzeuge oder nicht protokollierte Bagatellunfälle verursacht wurden, aus der Auswertung auszuschließen.

Für 70 Querschnitte, bei denen aufgrund der Lage der Dauerzählstelle davon auszugehen ist, dass die Kapazität nicht von stromabwärts liegenden Engpässen beeinflusst wird, konnten plausible Verteilungsfunktionen der Kapazität auf der Grundlage einer ausreichend großen Anzahl an Zusammenbrüchen des Verkehrsflusses ermittelt werden. Darunter sind 13 Quer­schnitte auf Autobahnen, die mit einer Streckenbeeinflussungsanlage (SBA) ausgerüstet sind.

Als Beispiel zeigt Bild 4 die mit der Product-Limit- und der Maximum-Likelihood-Methode er­mittelten Verteilungsfunktionen der Kapazität in 5-Minuten-Intervallen sowie die resultierenden Verläufe des SFI für den Messquerschnitt 3.160/HFB/NO auf der Autobahn A 3 zwischen AK Hilden und AS Mettmann in Fahrtrichtung Nord. Die optimale Verkehrsstärke in 5-Minuten-Intervallen, bei der das Maximum des SFI erreicht wird, beträgt qopt = 5637 Kfz/h und ist mit einer Zusammenbruchswahrscheinlichkeit von 5,2 % verbunden.

Bild 1: Verteilungsfunktion der Kapazität Fc(q) und Verlauf des SFI in 5-Minuten-Intervallen am Messquerschnitt 3.160/HFB/NO (Autobahn A 3 AK Hilden - AS Mettmann)

Um die Berechnungsergebnisse der einzelnen Messquerschnitte vergleichen zu können, wurde als Normierungsgröße für alle Messquerschnitte die Kapazität nach HBS [2] ermittelt. Dies erfolgte anhand der Fahrstreifenanzahl und der Steigung am Messquerschnitt, der Ge­schwindigkeitsregelung und der Lage der Strecke (innerhalb oder außerhalb von Ballungs­räumen) sowie des Mittelwertes der Schwerverkehrsanteile in den Intervallen vor Zusammen­brüchen des Verkehrsflusses, d. h. bei Erreichen der Kapazität. Aufgrund des systematischen Einflusses von SBA auf die Varianz der Kapazität (vgl. [16]) werden in den nachfolgenden Darstellungen Querschnitte mit und ohne SBA differenziert.

Für die 57 analysierten Querschnitte ohne SBA wurden ein mittlerer Formparameter der Weibull-Kapazitätsverteilung von a = 15,8 und ein mittleres Verhältnis des Maßstabspara­meters der Verteilungsfunktion zur Kapazität nach HBS von b / CHBS = 1,251 ermittelt. Für die 13 Querschnitte mit SBA liegt der Formparameter im Mittel bei a = 16,1 und das Verhältnis b / CHBS bei 1,278. Bild 2 zeigt den empirischen Zusammenhang zwischen dem Formpara­meter a und dem Verhältnis b / CHBS, differenziert nach Abschnitten mit und ohne SBA. Die linearen Trendlinien verdeutlichen, dass das Verhältnis b / CHBS mit zunehmendem Formpara­meter a, d. h. mit abnehmender Streuung der Kapazitätsverteilung, tendenziell abnimmt.

Bild 2: Zusammenhang zwischen dem Formparameter a und dem Verhältnis des anhand der Kapazität nach HBS [2] normierten Maßstabsparameters b der Weibull-Kapazitätsverteilung

Der Zusammenhang zwischen der Kapazität nach HBS und der optimalen Verkehrsstärke in Stunden-Intervallen ist für die 70 analysierten Messquerschnitte in Bild 3 dargestellt. Anhand der zusätzlich eingetragenen Auslastungskurven wird deutlich, dass die optimale Verkehrs­stärke ungefähr 90 % der HBS-Bemessungskapazität beträgt. Das Verhältnis zwischen der Kapazität CHBS nach HBS und der optimalen Verkehrsstärke beträgt im Mittel 89,9 %. Die Boxplot-Darstellung in Bild 4 verdeutlicht, dass 50 % der Verhältniswerte der einzelnen Mess­querschnitte zwischen 86,8 und 92,8 % und damit in einer sehr engen Bandbreite liegen. Dem­nach liegt die optimale Auslastung von Autobahnen bei rund 90 % und entspricht damit dem Grenzwert der Qualitätsstufe D für die Bemessung von Autobahnen im HBS.

Bild 3: Zusammenhang zwischen der Kapazität CHBS nach HBS [2] und der optimalen Verkehrsstärke qopt in Stunden-Intervallen für die 70 analysierten Messquerschnitte

Bild 4: Boxplot-Darstellung der Verteilung des Verhältnisses zwischen der optimalen Verkehrsstärke qopt in Stunden-Intervallen und der Kapazität CHBS nach HBS [2]

5 Zusammenfassung und Fazit

Die Kapazität von Autobahnen weist eine erhebliche zufällige Variabilität auf und hat damit alle Eigenschaften einer Zufallsgröße. Für einen zuverlässigen Betrieb ist eine Auslastung einer Autobahn bis zur Bemessungskapazität somit nicht sinnvoll. Durch die Maximierung des „Sustained Flow Index“, der als Produkt aus der Verkehrsstärke und dem Komplementärwert der Zusammenbruchswahrscheinlichkeit definiert ist, kann die optimale Verkehrsstärke auf der Grundlage der Verteilungsfunktion der Kapazität geschätzt werden. Die Anwendung dieses Ansatzes für 70 Messquerschnitte auf Bundesautobahnen zeigt, dass die optimale Verkehrs­stärke in Stunden-Intervallen bei etwa 90 % der Bemessungskapazität nach HBS [2] liegt. Somit bestätigt die Anwendung des Ansatzes die bei der Entwicklung des HBS getroffene Festlegung des Auslastungsgrades von 90 % als Grenze der Qualitätsstufe D.

Über die verkehrstechnische Bemessung hinaus kann die optimale Verkehrsstärke im Sinne des hier vorgestellten Ansatzes auch als Zielgröße für die Verkehrssteuerung sinnvoll ein­gesetzt werden. Denkbar wäre z. B. eine Anwendung als Steuerungsgröße für die Zufluss­regelung an Autobahneinfahrten.

6 Literatur 

[1]    FGSV (2000). Begriffsbestimmungen – Teil: Verkehrsplanung, Straßenentwurf und Straßenbetrieb. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.), Köln.

[2]    FGSV (2015). Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, Ausgabe 2015 (HBS 2015). Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.), Köln.

[3]    TRB (2016). Highway Capacity Manual, 6th Edition: A Guide for Multimodal Mobility Analysis. Transportation Research Board (Hrsg.), Washington D.C.

[4]    Elefteriadou, L., Roess, R.P.; McShane, W.R. (1995). Probabilistic Nature of Breakdown at Freeway Merge Junctions. Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, No. 1484, pp. 80-89.

[5]    Persaud, B., Yagar, S., Brownlee, R. (1998). Exploration of the Breakdown Pheno­menon in Freeway Traffic. Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, No. 1634, pp. 64-69.

[6]    Lorenz, M.R.; Elefteriadou, L. (2000). Defining Freeway Capacity as Function of Breakdown Probability. Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, No. 1776. pp. 43-51.

[7]    Brilon, W.; Zurlinden, H. (2003). Überlastungswahrscheinlichkeiten und Verkehrs­leistung als Bemessungskriterium für Straßenverkehrsanlagen. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 870, Bonn.

[8]    Zurlinden, H. (2003): Ganzjahresanalyse des Verkehrsflusses auf Straßen. Schriftenreihe des Lehrstuhls für Verkehrswesen der Ruhr-Universität Bochum, Heft 26, Bochum.

[9]    Brilon, W.; Zurlinden, H. (2004). Kapazität von Straßen als Zufallsgröße. Straßen-verkehrstechnik, Heft 4/2004, S. 164-172, Kirschbaum-Verlag, Bonn.

[10]  Brilon, W.; Geistefeldt, J.; Regler, M. (2005). Reliability of Freeway Traffic Flow: A Stochastic Concept of Capacity. In: Transportation and Traffic Theory: Flow, Dynamics and Human Interaction – Proceedings of the 16th International Symposium on Transportation and Traffic Theory, College Park, Maryland, pp. 125-144.

[11]  Shojaat, S.; Geistefeldt, J.; Parr, S.A.; Wilmot, C.G.; Wolshon, B. (2016). Sustained Flow Index: Stochastic Measure of Freeway Performance. Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board, No. 2554, pp. 158-165.

[12]  Geistefeldt, J.; Brilon, W. (2009). A Comparative Assessment of Stochastic Capacity Estimation Methods. In: Transportation and Traffic Theory 2009: Golden Jubilee – Proceedings of the 18th International Symposium on Transportation and Traffic Theory. Springer, Dordrecht, Heidelberg, London, New York.

[13]  Geistefeldt, J. (2013). Neue Erkenntnisse zur Kapazität von Autobahnen. In: Festschrift zu Ehren von Prof. Prof. E.h. Dr.-Ing. Werner Brilon. Schriftenreihe des Lehrstuhls für Verkehrswesen, Ruhr-Universität Bochum, Heft 38.

[14]  Kaplan, E.L.; Meier, P. (1958). Nonparametric estimation from incomplete obser­vations. Journal of the American Statistical Association, Vol. 53, pp. 457-481.

[15]  Geistefeldt, J. (2007). Verkehrsablauf und Verkehrssicherheit auf Autobahnen mit vier­streifigen Richtungsfahrbahnen. Schriftenreihe des Lehrstuhls für Verkehrswesen der Ruhr-Universität Bochum, Heft 30.

[16]  Geistefeldt, J. (2011). Capacity Effects of Variable Speed Limits on German Freeways. Proceedings of the 6th International Symposium on Highway Capacity and Quality of Service, Stockholm, Procedia Social and Behavioral Sciences, No. 16, Elsevier Ltd, pp. 48-56.