FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Zuständigkeitsübergreifendes dynamisches Straßenverkehrsmanagement – Projekt Regionale Mobilitätsplattform (RMP) des Verband Region Stuttgart
Autoren Dr.-Ing. Stefan Krampe, Dr.-Ing. Annette Albers, Dipl. -Ing. Martin Schmid, M.Sc. Steffen Sesselmann
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Insbesondere der innerstädtische Kfz-Verkehr spielt eine dominierende Rolle beim Auftreten von umweltrelevanten Problemen, wie z. B. der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe. Seit dem 01.01.2019 gibt es in Stuttgart Fahrverbote aufgrund von Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte. Daher sind die Politik und Verwaltung zum Handeln aufgefordert. Ein Lösungsansatz ist der Aufbau eines zuständigkeitsübergreifenden Verkehrsmanagements. Hierfür wird unter der Federführung des Verband Region Stuttgart bis 2021 eine regionale Verkehrsmanagementzentrale („Ringzentrale“) in einem Ring um die Stadt Stuttgart aufgebaut, die sowohl den organisatorischen als auch operativen Rahmen für das zuständigkeitsübergreifende dynamische Verkehrsmanagement definiert.

Der Beitrag stellt die Lösungsbeiträge der Region Stuttgart mit dem Modellprojekt „Regionale Mobilitätsplattform“ vor.

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1 Ausgangslage

In Ballungsräumen führen die großen Verkehrsmengen zu merklichen Verkehrs- und Umweltbelastungen. Zudem entwickeln sich in einem hoch ausgelasteten Verkehrsnetz schon kleine Ereignisse zu langandauernden Behinderungen. Solange ein Ereignis anhält bzw. die Verkehrsmengen sich nicht selbst verringern, ist eine aktive und Aufgabenträger übergreifende Verkehrsbeeinflussung durch Verkehrsmanagementzentralen ein neues Handlungsfeld. Die Umsetzung wirksamer öffentlicher Strategien ist mittlerweile ein wichtiges Instrument. Dazu gehören die Vermeidung von Kfz-Fahrten, die Verlagerung von angetretenen Kfz-Fahrten an P+R-Standorten auf den ÖPNV, die Verringerung des Verkehrsaufkommens durch eine zeitliche Entzerrung sowie die örtliche Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs. Insbesondere der innerstädtische Kfz-Verkehr spielt eine dominierende Rolle beim Auftreten von umweltrelevanten Problemen, wie z. B. der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe [3]. Um die verbindlichen Grenzwerte der Immissionsbelastung einzuhalten, wurden kommunale und regionale Luftreinhaltepläne erstellt und Minderungsmaßnahmen festgelegt [6].

Zu unterscheiden sind statische und dynamische Maßnahmen. Als dynamische Maßnahme wird zur Senkung der Immissionsbelastungen an den HotSpots vermehrt auf das umweltsensitive Verkehrsmanagement (UVM) gesetzt, um kurzfristige Eingriffe in den Verkehrsablauf zu ermöglichen. Für den Einsatz des UVM ist ein System erforderlich das es erlaubt, die aktuelle und/oder zu erwartende Luftschadstoffbelastung zu bestimmen sowie die notwendigen Informationen für die Umsetzung von Steuerungsmaßnahmen bereitzustellen. Die Umsetzung scheitert oft an einer fehlenden Vernetzung zwischen den Aufgabenträgern durch einen aktiven Daten- und Strategieaustausch. Verkehrs- und Umweltprobleme können in Ballungsräumen nicht allein im eigenen Zuständigkeitsbereich gelöst werden. In Deutschland gibt es bisher wenige zuständigkeitsübergreifende Ansätze im dynamischen Verkehrsmanagement. Neben dem hier behandelten Modellprojekt RMP kann das Verbundprojekt „Dmotion“ genannt werden, das sich die Entwicklung und Einrichtung eines baulastträger- und privatwirtschaftsübergreifenden Daten-, Informations- und Strategieverbunds für die Region Düsseldorf zum Ziel gesetzt hatte [7]. Allerdings beschränkte sich die baulastträgerübergreifende Zusammenarbeit auf die Stadt Düsseldorf und das Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Die Region Stuttgart mit ihrer polyzentrischen Struktur und einer daraus resultierenden Vielzahl an hochverdichteten Wohn- und Arbeitsstätten, zeichnet sich durch ein stark ausgelastetes Straßennetz aus. Interkommunale Pendlerströme und ein hoher Wirtschaftsverkehr überlagern sich mit starken Strömen des Fernverkehrs. Daher wurden in der Region Initiativen zum zuständigkeitsübergreifenden Verkehrsmanagement gestartet. Auftakt des Prozesses ist das Projekt Regionale Mobilitätsplattform des Verband Region Stuttgart, dessen Fokus auf dem straßengebundenen Verkehr liegt.

Im folgenden Beitrag werden die organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen sowie Entwicklungen erläutert. Das Modellprojekt wird aus Mitteln des europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg gefördert und hat ein Gesamtvolumen von 9.5 Mio. Euro [1].

2 Projektphase I – Entwicklung zuständigkeitsübergreifender Strategien im dynamischen Verkehrsmanagement

2.1 Untersuchungsgebiet und Projektpartner

Der Verband Region Stuttgart hat das Modellprojekt „Regionale Mobilitätsplattform (RMP)“ im Juni 2017 gestartet [1]. Aufgabe war es, mittels einer Analyse der verkehrlichen Problemschwerpunkte in der Region Stuttgart sowie Planung und Konzeption möglicher Verkehrsmanagementstrategien, wirksame und abgestimmte Maßnahmen(-bündel) zu entwickeln, die gemeinsam mit den Partnern des Landes, wie der Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg und den Regierungspräsidien sowie der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Stadt Stuttgart, den Landkreisen, Städten und Gemeinden durchgeführt werden können. Das Untersuchungsgebiet und die Projektpartner sind in Bild 1 dargestellt.

Bild 1: Untersuchungsgebiet

Das Vorgehen der Strategieentwicklung orientiert sich an den Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen [4]. Wichtige Grundlagen zum Aufbau eines zuständigkeitsübergreifenden dynamischen Straßenverkehrsmanagements in der Region wurden von der vom Verband Region Stuttgart beauftragten Arbeitsgemeinschaft unter der Federführung der Trafficon GmbH für die Projektphase I [2] und mit wesentlicher Zuarbeit von Fachleuten aus den jeweiligen Verwaltungen in regelmäßig stattfindenden Expertenforen und thematisch abgrenzbaren kleineren Gruppen erarbeitet. Darüber hinaus wurden die Projektergebnisse dem etablierten Beirat Verkehrsmanagement Region Stuttgart mit wesentlichen Entscheidungsträgern aus dem Verkehrsministerium, der Landesstelle für Straßentechnik, der Regierungspräsidien Stuttgart und Tübingen, der Verkehrsdezernenten der Landkreise und der Baubürgermeister der Region Stuttgart im Untersuchungsgebiet präsentiert.

2.2 Identifizierung strategierelevanter Initialgebiete

In der Region Stuttgart wurden zur Umsetzung der Planungsergebnisse der Projektphase I vier relevante Teilnetze („Pilotkorridore“) aus dem strategischen Straßennetz innerhalb von vier regionalen Sektoren ausgewählt und Verkehrssteuerungs-, Lenkungs- und Informationsstrategien als Beitrag zur Reduzierung der Umweltbelastungen sowie zur Steigerung der Effizienz der Straßeninfrastrukturen in definierten Verkehrssituationen konzipiert. Um den Verkehr im Bedarfsfall gezielt zentral beeinflussen und auf Basis der vorabgestimmten Strategien empfehlen zu können, bedarf es einer entsprechend ausgestatteten Straßenverkehrstechnik vor Ort in den strategierelevanten Teilnetzen, die mit der regionalen Straßenverkehrsmanagementzentrale vernetzt sind. Diese vier Teilnetze betreffen die großräumigen Bereiche der Städte Ludwigsburg und Stuttgart, Waiblingen / Fellbach und Stuttgart, das Gebiet der Stadt Böblingen sowie den weitreichenden Bereich der Städte Leonberg und Ditzingen.

Für die Region wurden Strategien des dynamischen Verkehrsmanagements mit einer Aus-wahl von konkreten Maßnahmen definiert. Das Handlungsspektrum setzt sich aus der Ver-kehrsbeeinflussung mit Verkehrssteuerung, -lenkung und -information zusammen. Als Maß-nahmen wurden für den straßengebundenen Verkehr die

• Netzbeeinflussung, dynamische Verkehrsinformationen zur erwarteten Reisezeit,

• dynamischen Lichtsignalsteuerungen im Rahmen eines situationsabhängigen Kapazitätsmanagements zur Gewährleistung der gewünschten Verkehrsqualität in städtischen Straßennetzen,

• Berücksichtigung des ÖPNV mit LSA-Bevorrechtigung (Busbevorrechtigung),

• Empfehlungen zur Nutzung von P+R-Anlagen, entsprechend des aktuellen Auslas-tungsgrades und der S-Bahn-Anschlüsse,

• virtuellen Informationstafeln durch die Implementierung in Apps, Webportale, Fahrzeuge und Navigationsgeräte sowie

• Steuerung des Verkehrs durch vorhandene Informationstafeln benannt.

2.3 Strategiebeispiel

2.3.1 Entwicklung von Strategien bei periodischen Belastungsschwankungen

Während den Hauptverkehrszeiten / periodischen Belastungsschwankungen (morgendliche und abendliche Hauptverkehrszeiten) kommt es zu Überlastungen im strategischen Netz der Region Stuttgart, sodass es neben Überlastungen im übergeordneten auch zu Überlastungen im nachgeordneten Straßennetz und insbesondere in den innerörtlichen Siedlungsbereichen kommt. Diese werden somit durch hohen Durchgangs- und Pendlerverkehr stark belastet. Das Handlungsspektrum der Strategien bei periodischen Belastungsschwankungen setzt sich vor allem aus der Verkehrssteuerung und -lenkung mit begleitenden Straßenverkehrsinforma-tionen zusammen (vgl. Bild 2).

Ziel der Strategien bei periodischen Belastungsschwankungen ist es, die Leistungsfähigkeit des übergeordneten und nachgeordneten innerstädtischen Straßennetzes zu erhalten sowie die örtlichen Umweltbelastungen durch Verflüssigung des Verkehrs zu reduzieren. Dazu soll der Durchgangsverkehr zur morgendlichen und abendlichen Hauptverkehrszeit auf dem großräumigen und überregionalen Straßennetz verbleiben und eine Verlagerung des Kraftfahrzeugverkehrs in die innerstädtischen Siedlungsbereiche vermieden werden. Ein Beispiel für zeigt die Bild 2 mit den dort dargestellten Maßnahmen inkl. Kennziffer für das Teilnetz Ludwigsburg-Stuttgart. Mit folgenden Maßnahmen, sollen ein situations- und verkehrsabhängiges Kapazitätsmanagement erreicht werden:

• situationsabhängige Kapazitätsanpassung / Zuflussregulierungen an LSA (Bild 2, Maßnahmen 1.6 und 1.8),

• dynamische Straßenverkehrsinformationen mit der Empfehlung von Hauptrouten auf dem großräumigen und überregionalen Straßennetz bei Reisezeitvorteilen (Bild 2, Maßnahmen 1.3, 1.4, 1.5 und 1.7)

• zur Vermeidung von Ausweichverkehr durch Siedlungsbereiche, der Bereitstellung von Reisezeitinformationen von Hauptrouten und strategischen Routen (vgl. Bild 2, Maßnahme 1.1)

• sowie Empfehlungen zur Nutzung von P+R-Anlagen bei noch freien Parkplätzen bzw. der frühen Ankündigung einer Vollbelegung wird diese Strategie verfolgt.

Bild 2: Verkehrsmanagementmaßnahmen im Bereich Ludwigsburg und Kornwestheim mit der Strategie bei periodischen Belastungsschwankungen.

2.3.2 Entwicklung von Strategien bei unplanbaren Ereignissen

Unplanbare Ereignisse (z. B. Unfälle, Glätte, etc.) verstärken die bestehenden Überlastungen zu den Hauptverkehrszeiten im regionalen Straßennetz zusätzlich, wenn deren Auswirkungen in die Hauptverkehrszeiten hineinreichen (vgl. Bild 3, Bild 4).

Ziel der Strategien bei unplanbaren Ereignissen ist es, bei Störfällen das strategische Netz möglichst leistungsfähig zu halten und die negativen Auswirkungen auf den Verkehrsfluss zu minimieren. Es gilt eine zeitliche und räumliche Ausweitung von Verkehrsüberlastungen durch Unfälle in die morgendliche bzw. abendliche Hauptverkehrszeit hinein zu vermeiden. Daher müssen mögliche freie Kapazitäten in Schwachlastzeiten / Nebenverkehrszeiten (z. B. Nachts) im gesamten strategischen Netz genutzt werden, um langanhaltende Verkehrsbehinderungen in den durch Unfälle gestörten Netzbereichen zu vermeiden.

Im Zuge dessen soll das nachgeordnete Netz situationsbedingt (z. B. bei einem Unfall) den Verkehr vom übergeordneten Straßennetz (z. B. Bundesautobahn) aufnehmen und bei einem Störfall zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung stellen können, sodass ein geordneter Ver-kehrsfluss zügig sowohl im über- als auch nachgeordneten Straßennetz wiederhergestellt werden kann.

Die Zuflussregulierungen werden innerorts soweit reduziert, dass die Leistungsfähigkeit auf definierten strategischen Routen im nachgeordneten Netz optimal ist und der Busverkehr noch möglichst frei zirkulieren kann. Eine definierte Verkehrsqualität soll gewahrt bleiben. Die strategischen Routen können bei Verkehrsereignissen neben den bestehenden BAB-Bedarfsumleitungen dem Verkehrsteilnehmer situationsabhängig zur Entlastung des Ver-kehrsaufkommens beitragen und weisen die Möglichkeit einer Kapazitätserhöhung und zeit-bezogenen Aufnahme von übergeordnetem Verkehr auf.

Bild 3: Verkehrsmanagement-Maßnahmen im Bereich Ludwigsburg und Kornwestheim mit der Strategie bei unplanbaren Ereignissen.

Bild 4: Auf der definierten strategischen Route (1.1) soll das nachgeordnete Netz mehr Verkehr infolge von unplanbaren Ereignissen aus dem übergeordneten Verkehrsnetz aufnehmen.

2.4 Zuständigkeitsübergreifende Strategieentwürfe

Aus den in der Vorplanung ausgewählten Strategievorschlägen wurden Strategieentwürfe erarbeitet. Verkehrsrelevante Situationen mit (un-)planbaren Ereignissen und dazugehörigen Problemen sowie die relevanten Verkehrsmanagementmaßnahmen wurden mit den erforderlichen technischen Systemen – einschließlich (auch netzweiter) Informationssysteme – verknüpft und einem klaren Ortsbezug im Hinblick auf die strategieauslösenden Ereignisse und der zu realisierenden Maßnahmen zugeordnet. Im Zuge dessen erfolgte die konkrete Angabe bzw. Bezeichnung der relevanten Verkehrswege, Verkehrsmittel sowie der verkehrs- und systemtechnischen bzw. verkehrsorganisatorischen Ausrüstungen. Nach diesen verkehrlichen Festlegungen wurde der erforderliche Strategieablauf in Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren erarbeitet und für alle Verkehrsmanagementmaßnahmen die zeitliche Reihenfolge der erforderlichen Handlungen und die Benennung der zu beteiligenden Akteure definiert. Bei der Erarbeitung wurden inhaltlich mehrere Schwerpunkte gesetzt. Zum einen wurde eine umfassende und detaillierte Analyse der verkehrlichen Situation im individual- und öffentlichen Verkehr, die als Grundlage für problembezogene spezifische Strategien im Verkehrsmanagement galt, vorgenommen. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen wurden nicht isoliert voneinander dargestellt, sondern in der Regel als Maßnahmenbündel beschrieben. Damit ist das Ziel verbunden, dem Nutzer zukünftig verstärkt zuständigkeitsübergreifende Möglichkeiten für die Abwicklung des Verkehrsgeschehens aufzuzeigen. Die Maßnahmen wurden über eine generelle Beschreibung hinaus auch an die spezifischen Problemstellungen in den unterschiedlichen Teilnetzen der Region angepasst, um auf diese Weise integrierte Lösungsansätze für die "Probleme vor Ort" zur Verfügung zu stellen. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Entwicklung der Verkehrsmanagementstrategien sowie des organisatorischen Rahmens für die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure ist jedoch auch auf Anwendungsfälle in anderen Regionen übertragbar. Für die Umsetzung der entwickelten Strategien war die Abstimmung aller an der Umsetzung der Strategien beteiligten Partner erforderlich. Ziel war es, gemeinsam die erforderlichen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen.

2.5 Detail-Bestandsaufnahme der strategierelevanten Infrastruktur

Ausgehend von den in den vier Teilnetzen erarbeiteten Verkehrsmanagementstrategien wurden für die betroffenen strategischen Netzabschnitte die vorhandenen verkehrstechnischen Infrastrukturen im Detail erfasst. Hierbei wurde auf die durchgeführte Bestandsaufnahme der Verkehrswege und der verkehrstechnischen Infrastruktur zurückgegriffen sowie der für das direkt betroffene Umfeld der betrachteten Strategien in einem höheren Detailierungsgrad erforderliche Handlungsbedarf im Zuge der Ausführung der Strategien mitsamt Verkehrstechnik erarbeitet. Aufbauend auf Strategieplanung und Bestandsaufnahme der verkehrstechnischen Infrastruktur wurde ermittelt, welche Elemente der verkehrstechnischen Infrastruktur für die Umsetzung der Strategien notwendig sind.

Auf Basis der Detail-Bestandsaufnahme der verkehrstechnischen Infrastruktur erfolgte die Überprüfung der Umsetzbarkeit der entwickelten Maßnahmen(-bündel). Die verkehrstechnische Infrastruktur wurde in einer WebGIS-Anwendung von der Firma PRISMA solutions GmbH als Planungsrundlage den Verkehrsexperten zur Verfügung gestellt (vgl. Bild 5).

Bild 5: WebGIS-Anwendung zur Erhebung der verkehrstechnischen Infrastruktur.

Die für den Betrieb der Strategien notwendige verkehrs- und systemtechnische Ausrüstung wurden qualitativ und quantitativ beschrieben (z. B. Art und Umfang von Verkehrserfassungs- und Verkehrssteuerungseinrichtungen) sowie mit den vorhandenen Ressourcen je operati-vem Projektpartner abgeglichen. Der identifizierte Handlungsbedarf von Neubau und Ertüch-tigung der strategierelevanten Verkehrstechnik wurde ermittelt und in folgende Bereiche un-terteilt (Bild 6):

Bild 6: Handlungsbedarf der verkehrstechnischen Infrastruktur für das regionale zuständigkeitsübergreifende Verkehrsmanagement.

2.6 Aufbau einer regionalen Verkehrsmanagementzentrale „Ringzentrale“

Eine regionale Verkehrsmanagementzentrale für die Landkreise und Kommunen im „Ring“ um Stuttgart wird bis 2021 aufgebaut und anschließend als dauerhafte regionale organisatori-sche Zusammenarbeit der Akteure im zuständigkeitsübergreifenden dynamischen Verkehrs-management etabliert (Bild 7). Diese Ringzentrale mit den regionalen Systemen zur Ver-kehrsinformation und Verkehrslenkung sowie der lokalen Verkehrstechnik zur Verkehrssteue-rung kann auf die Verkehrsstörungen im Straßennetz, abgestimmt mit der Straßenverkehrs-zentrale (SVZ) des Landes Baden-Württemberg und der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Stadt Stuttgart (IVLZ), reagieren.

Bild 7: Organisatorische und technische Vernetzung der Ringzentrale.

2.6.1 Tätigkeitsfelder der Ringzentrale

Die zukünftige Ringzentrale wird zwei Hauptaufgabenbereiche übernehmen:

• Aufgaben im strategisch taktischen Verkehrsmanagement,

• sowie die operative Steuerung der verbindlich vereinbarten Steuerungsstrategien.

Das strategische Verkehrsmanagement wird die Festlegung von Leitstrategien und dazugehörigen Maßnahmen unter der Berücksichtigung verkehrspolitischer Vorgaben vorsehen. Es werden die Koordinierung, Förderung und der Aufbau des regionalen Verkehrsmanagements mit der kontinuierlichen Weiterführung des Expertenforums und Beirats Verkehrsma-nagement Region Stuttgart zur Planung und Entwicklung von zuständigkeitsübergreifenden Strategien mit den regionalen Akteuren erfolgen.

Im taktischen Aufgabenbereich werden die strategischen Vorgaben in verkehrs- und datenverarbeitungstechnische Maßnahmen umgesetzt. Zudem verkehrlicher Analysen durchgeführt, Problemstellen im MIV und ÖV identifiziert sowie regionaler Verkehrsinformationen bereitgestellt. Das Verkehrsmodell des Verbands Region Stuttgart wird zur Simulation und Analyse von Verkehrsbelastungen genutzt und für das regionale Verkehrsmanagement weiterentwickelt.

Das operative Verkehrsmanagement sieht die Umsetzung der im strategisch-taktischen Verkehrsmanagement festgelegten Strategien und Maßnahmen(-bündel) vor. Die Erfassung und Bewertung von Echtzeit-Verkehrslagen und Ereignissen für die Verkehrsträger sowie die interne und externe Abstimmung zur Vorbereitung und Schaltung von Strategien zählen zum Aufgabengebiet. Hinzukommen der Austausch situations- und ereignisgerechter Verkehrsin-formationen mit den bestehenden Verkehrsleitzentralen SVZ und IVLZ. Die Ringzentrale gilt fortlaufend als regionaler Ansprechpartner in der Region Stuttgart.

2.6.2 Werkzeuge der Ringzentrale für ein regionales Verkehrsmanagement

Die Ringzentrale wird sich im Rahmen des strategisch-taktischen und operativen Verkehrsmanagements zahlreicher Werkzeuge bedienen. In den fortlaufenden Planungs- und Umsetzungsprozessen zuständigkeitsübergreifender Verkehrsmanagementstrategien und Maßnahmen werden zahlreiche Daten und Informationen zu verkehrsrechtlichen und -technischen sowie -planerischen Themen erhoben. Diese können von RMP diskriminierungsfrei den regionalen Partnern und Akteuren des Verkehrsmanagements zur Verfügung gestellt werden. Es ist vorgesehen, problematische Verkehrssituationen und die hierfür zu planenden Maßnahmen und Strategien in Datenbanken einzuarbeiten und in einem Tool die entwickelten Planungsstände zusätzlich auch grafisch aufzubereiten. Die Planungsstände von abgelehnten, geplanten oder angeordneten sowie sich in der Umsetzung befindenden Maßnahmen und Strategien können in einem WebGIS eingesehen werden. Diese Lösung kann einen Beitrag zur gemeinsamen Planung und Visualisierung zuständigkeitsübergreifender Strategien im Verkehrsmanagement unter Einbezug der Partner leisten.

Für das Projekt RMP und die Etablierung der regionalen Verkehrsmanagementzentrale ist vor allem die Meldungsoberfläche im Rahmen des operativen Verkehrsmanagements zur Übermittlung von Verkehrsinformationen relevant. Es können z.B. Unfälle und Notbaustellen ad-hoc gepflegt und visualisiert werden. Der gesamte Datenaustausch findet über den Mobilitäts Daten Marktplatz MDM der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) statt.

2.7 Kooperationsvereinbarungen in der Region

Die Region hat gemäß gesetzlichem Auftrag die Aufgabe, das regionale Verkehrsmanagement und die intermodale Vernetzung der Verkehrsträger innerhalb des Verbandsgebiets zu koordinieren und fördern. In Erfüllung dieser Aufgabe soll in Kooperation mit den Partnern die regionale Mobilitätsplattform zur Planung und Umsetzung von Verkehrsmanagementstrategien innerhalb der Region Stuttgart etabliert werden. Hierzu wurde ein Kooperationsvertrag über das regionale Verkehrsmanagement in der Region Stuttgart aufgesetzt.

Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen der Region und den Kooperationspartnern für ein effizientes und effektives Verkehrsmanagement in der Region Stuttgart. Für die opera-tive Steuerung werden zudem verbindliche Strategievereinbarungen entwickelt, in denen die detaillierten Handlungsabläufe zur Situationserkennung, Strategieauswahl sowie der Maß-nahmenaktivierung und Deaktivierung geregelt sind.

3 Bewertung der verkehrlichen Wirkungen der Verkehrsmanagementmaßnahmen

Nach der Entwicklung der planungsrelevanten zuständigkeitsübergreifenden Verkehrsmanagementstrategien erfolgte neben einer ersten Vorbewertung in der Projektstufe Vorplanung auf vornehmlich qualitativer Basis, eine weitere detailliertere Hauptbewertung, bei der auch Wirkungszusammenhänge beim gleichzeitigen Einsatz verschiedener Maßnahmen abgeschätzt wurden [5]. Allerdings ist es gerade auch die Besonderheit einer zuständigkeitsübergreifenden Strategie, dass verschiedene Maßnahmen gleichzeitig zusammenwirken und dieses Bündel in seiner Gesamtheit untersucht wurden. Der Wirkungsgrad einer Strategie ist dabei nicht gleichzusetzen mit der Summe der Wirkungsgrade der in einer Strategie enthaltenen Einzelmaßnahmen, da sich die Wirkungen von Einzelmaßnahmen verstärken, konterkarieren, überlagern können. Aus diesem Grund war für die Hauptbewertung das Ziel, nach Möglichkeit die Strategie in ihrer Gesamtheit zu erfassen, untersuchen und bewerten. Somit wurden in der Hauptbewertung die verkehrsmanagementrelevanten Szenarien bewertet und auf ihre Wirkungspotentiale und Umsetzbarkeit hin untersucht.

3.1 Bewertung der Strategieentwürfe je Szenario

Die Hauptbewertung der Strategien je Szenario erfolgte zum einen mittels qualitativer und zum anderen mittels quantitativer Methoden. Mit Hilfe der verbal-argumentativen Bewertung wurde eine Bewertung ausschließlich durch Argumentation und nicht durch arithmetische Aggregation vorgenommen, ein ausformuliertes Zielsystem war daher nicht erforderlich. Bei der verbal-argumentativen Methode erfolgte die Bewertung in Form eines Gesamturteils. Durch das weite Anwendungsspektrum ist die verbal-argumentative Methode auch für die Strategiebewertung von großer Bedeutung. Die qualitativ und verbal-argumentative Bewer-tung wurde durch quantitative Kriterien auf der Grundlage der im Verkehrsmodell und mit dem Handbuch Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) ermittelten verkehrlichen Kennzahlen im Rahmen verkehrsinduzierter, nicht-monetärer Wirkungen gestützt

3.2 Qualitative Bewertung

Im Rahmen der Bewertung der entwickelten Verkehrsmanagementstrategien je Szenario wurden die Kriterienkategorien der Umsetzbarkeit, der verkehrsinduzierten, nicht-monetären Wirkungen, der wirtschaftlichen Wirkungen sowie der Komplexität der Strategie hinzugezogen und anhand der innerhalb der Kategorien definierten Bewertungskriterien sowohl analysiert als auch bewertet. In der Kategorie Umsetzbarkeit wurden zum einen die Chancen und Risiken hinsichtlich einer Realisierung der Strategien durch etwaige politische Zielkonflikte bewertet. Zum anderen wird eine Übereinstimmung mit dem im Projekt entwickelten Zielkonzept und dessen festgelegten Ober(zielen) geprüft. Darüber hinaus wurde der zuständigkeitsübergreifende Planungsansatz der entwickelten Strategien bewertet und etwaige technische Hindernisse in der Umsetzung sowie die Realisierung bis zum projektbezogenen Zeithorizont bis zum Ende des Jahres 2021 abgewogen.

Innerhalb der Kategorie verkehrsinduzierte, nicht-monetäre Wirkungen wurden sowohl eine potenzielle Reduzierung der Umwelt- und Umfeldbelastungen als auch eine Erhöhung der Verkehrssicherheit und -effizienz durch die geplanten Verkehrsmanagementstrategien analysiert und bewertet.

Die Kategorie Wirtschaftlichkeit beinhaltet die Bewertung der zu erwartenden Investitions- und Betriebskosten im Zuge einer etwaigen Realisierung der Strategie und deren Maßnahmen(-bündel). In der Bewertungskategorie Komplexität wurden sowohl die Anzahl der Maßnahmen je Strategie als auch die zu erwartende organisatorische Vernetzung der zu beteiligenden VM-Akteure sowie die zu erwartende technische Vernetzung der strategierelevanten Teilsysteme bzw. Verkehrstechnik beurteilt. Einen kleinen Auszug der qualitativen Bewertung zeigt Bild 8 mit den Bewertungskategorien und deren Gewichtung innerhalb der Bewertungsklasse in den Tabellenspalten und den Verkehrsmanagementstrategien sowie deren zu vergebende Punkte je Szenario in den jeweiligen Zeilen.

Bild 8: Bewertungsmaske für ein relevantes Szenario (Auszug).

3.3 Quantitative Bewertung der umweltrelevanten Wirkungen der Verkehrsmanagementstrategien mit dem Verkehrsmodell

Der Nachweis der CO2-Einsparungen der entwickelten zuständigkeitsübergreifenden Verkehrsmanagementstrategien wurde in den Teilnetzen durch die Anwendung und Weiterent-wicklung des Verkehrsmodells des Verband Region Stuttgart durch den Projektpartner Brilon Bondzio Weiser GmbH erbracht. Nach wissenschaftlicher Abstimmung zum Einsatz des Verkehrsmodells mit der Universität Stuttgart, Forschungsbereich Verkehr, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich, wurden folgende Maßnahmenkategorien im Rahmen der Strategien als mit dem Verkehrsmodell abbildbar und somit hinsichtlich der CO2-Einsparungen detailliert unter-suchbar, eingestuft:

1. Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl mittels dynamischer Empfehlungen zum Umstieg auf P+R-Plätze.

2. Wechselwegweisung mit Alternativroutensteuerung durch Zuflussregulierung im MIV und Verbesserung des Verkehrsflusses des MIV mittels Anpassung der LSA-Steuerungen an die veränderten Verkehrsströme („Strategie bei unplanbaren Ereignissen“)

3. Zuflussregulierung im MIV durch Dosierung (Kapazitätsbeschränkung) an Lichtsignalanlagen zur Verflüssigung des Verkehrs innerhalb sensibler Gebiete und Vermeidung von Selbstblockaden („Strategie bei periodischen Belastungsschwankungen“).

Die CO2-Einsparungen durch „dynamische Empfehlungen zum Umstieg auf P+R-Plätze“ (Kategorie 1) wurden durch eine bessere Ausnutzung der P+R-Parkplätze berücksichtigt. Es wurde die Annahme getroffen, dass 95 % der bei Erhebungen ermittelten freien Stellplätze im Berufsverkehr und 85 % der freien Stellplätze im Freizeitverkehr zusätzlich belegt werden können. Als CO2-Minderungspotential wurde dabei jeweils der CO2-Ausstoß eines Pkw für die Fahrt zwischen dem P+R-Platz und dem Stadtzentrum der Landeshauptstadt Stuttgart angesetzt. Unter der Annahme, dass im Berufsverkehr an 251 Tagen und im Freizeitverkehr an 365 Tagen ein Umstieg auf den ÖPNV erfolgt, errechnete sich ein CO2-Einsparungspotential von ca. 2.740 t pro Jahr.

Für die Kategorie „Wechselwegweisung mit Alternativroutensteuerung durch Zuflussregulierung im MIV und Verbesserung des Verkehrsflusses“ (Kategorie 2) bei unplanbaren Ereignissen erfolgte die Definition von Streckenabschnitten im übergeordneten Bundesfernstraßennetz je Strategie, die bei einer Störung, z. B. durch einen Unfall, Verkehrsverlagerungen erzeugen und zu einer Strategieaktivierung führen. Die erzielbaren CO2-Minderungen wurden mit dem Verkehrsmodell durch den Vergleich der CO2-Emissionen für den Fall der Störung mit Strategieaktivierung bzw. ohne Strategieaktivierung ermittelt. Die Anzahl der strategieauslösenden Ereignisse wurde anhand der Verkehrsbelastungen, der Straßenkategorie und der Streckenabschnittslängen bestimmt. Somit können durch die Anwendung der Strategie bei unplanbaren Ereignissen ca. 1.675 t CO2 pro Jahr eingespart werden.

Für die Bewertung der Kategorie „Zuflussregulierungen im MIV durch Dosierung“ (Kategorie 3) zu den Hauptverkehrszeiten wurde mit Hilfe des Verkehrsmodells für definierte Zeitbe-reiche der vom Verkehr verursachte CO2-Ausstoß des durch die Strategie beeinflussten Straßennetztes bestimmt. Auf Basis von Fachliteratur erfolgte die Annahme, dass bei einer Verflüssigung des Verkehrs eine CO2-Einsparung von 10 % erzielt werden kann. Unter der Annahme, dass die Strategieaktivierung im Laufe eines Jahres zu ca. 16 Prozent der Zeit erfolgt, ergaben sich jährliche CO2-Einsparungen von ca. 1.670 t.

Somit erfolgt unter Einbeziehung der vorgenannten Annahmen in den vier Pilot-Korridoren eine regionsweite Einsparung von insgesamt ca. 6.085 Tonnen CO2 pro Jahr. Es konnte nachgewiesen werden, dass alle Maßnahmen zu einer Reduktion des CO2-Ausstoßes und der Stauzeiten gegenüber dem Nullfall – keine Maßnahmenaktivierung – führen werden. Darüber hinaus werden durch die Verstetigung des Verkehrsflusses vor allem in den innerörtlichen Siedlungsgebieten sowie Straßen auch die Stickstoffoxid- und Feinstaubbelastungen reduziert.

Das dynamische Verkehrsmanagement ermöglicht eine dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen angepasste Steuerung der Verkehrsflüsse. Dadurch kann eine situationsabhängige zeitlich, räumlich und modale Verlagerung von Fahrten erreicht werden. Emissionsaufwendige Brems-, Halte- und Wiederanfahrvorgänge und Überlastungen auf Straßen mit negativen Auswirkungen auf den Nachbarknoten durch Rückstaus werden reduziert. Durch eine Beschleunigung des ÖPNV erfolgen eine Verstetigung der Fahrplanlage mit einhergehender Attraktivierung des ÖPNV (Umsteiger) und eine (derzeit nicht quantifizierbare) Emissionsreduzierung. Fahrwege des ÖPNV sollen durch verbesserte Steuerungen möglichst von Rückstaus freigehalten werden, was ebenfalls zur Attraktivierung des ÖV beiträgt. Durch eine Optimierung der Lichtsignalanlagen, unter Berücksichtigung der Belange des ÖPNV, der Fußgänger und Radfahrer kann eine weitere Verflüssigung des Verkehrs erreicht werden. Die bessere Aufbereitung und Visualisierung der Verkehrsqualität im Individualverkehr kann helfen, Verkehrsspitzen und Staus zu vermeiden oder abzufedern. Mit dem hinterlegten Ver-kehrsmodell können Szenarien offline besser entwickelt und erprobt werden.

Es wird erwartet, dass durch die verbesserten Verkehrsinformationen, -lenkungen und -steuerungen im Kontext der zuständigkeitsübergreifenden Verkehrsmanagementstrategien die Störungswirkungen reduziert und ein angepasstes Nutzerverhalten zur effizienteren Aus-lastung vorhandener Verkehrsinfrastrukturen und damit zur Reduktion der CO2-Emissionen in der Region führen wird.

3.4 Quantitative Bewertung der verkehrlichen Wirkungen der Verkehrsmanagementstrategien mit dem Verkehrsmodell

Mit Hilfe des Verkehrsmodells wurden die verkehrlichen Auswirkungen der Maßnahmenbündel in den vier Pilot-Korridoren abgeschätzt. Die Be- und Entlastungen bestimmter Bereiche des strategischen Straßennetzes wurden hierzu qualitativ identifiziert und sachgerechte Annahmen zu Verkehrszuständen und Rückstaulängen getroffen. Die geplanten Maßnahmen wurden in das stundenfeine Verkehrsmodell je nach Strategie für die Morgen- oder Abendspitze eingepflegt. Für die Strategien wurde jeweils

1. die Analyse ohne Störung (Verkehrsbelastungen in der Spitzenstunde ohne Störung)

2. die Analyse mit Störung (Verkehrsbelastungen in der Spitzenstunde bei strategieauslösenden Ereignissen) sowie

3. der Planfall mit Störung und Maßnahmen (Verkehrsbelastungen in der Spitzenstunde bei strategieauslösenden Ereignissen unter Einbeziehung der zuflussregulierenden Maßnah-men)

mit dem Modell ermittelt.

Die Bewertung der Maßnahmen erfolgte anhand der qualitativen Betrachtung der Differenzen zwischen dem

1. Analysefall ohne Störung und Analysefall mit Störung

2. Analysefall mit Störung und dem Planfall mit Störung und Maßnahmen (Darstellung der Maßnahmenwirkung)

3. Analysefall ohne Störung und dem Planfall mit Störung und Maßnahmen (Darstellung des durch die Maßnahmen verbesserten Problems).

Zur Simulation der strategieauslösenden Ereignisse (Störfall) wurden im Verkehrsmodell die Kapazitäten definierter Strecken im übergeordneten strategischen Netz um 10 bis 20 Prozent reduziert. Hierdurch konnten mit dem Modell die erfolgten Verkehrsverlagerungen durch eine Störung ohne Maßnahmen bestimmt werden. Die einzelnen Maßnahmen wurden somit durch eine iterative Einstellung der Kapazitäten und Geschwindigkeiten der Strecken räumlich nach den zuflussregulierenden Lichtsignalanlagen untersucht. Somit erfolgt unter Einbeziehung der vorgenannten Annahmen in den vier Pilot-Korridoren eine regionsweite Einsparung von insgesamt ca. 612.000 Kfz-h pro Jahr.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Innerhalb von 24 Monaten wurde in der Region Stuttgart die maßgebliche Zusammenarbeit im zuständigkeitsübergreifenden dynamischen Verkehrsmanagement unter der Federführung des Verband Region Stuttgart etabliert. In insgesamt 77 offiziellen Arbeitstreffen und vielen weiteren bilateralen Einzelgesprächen konnte sowohl auf der Fachebene als auch auf der politischen Entscheidungsebene eine hohe Akzeptanz für die weiteren Umsetzungen sowie zur finanziellen Beteiligung am Modellvorhaben erzielt werden.

Zum Abschluss der Projektphase I (Planungsphase) konnten umfangreiche zuständigkeitsübergreifende Strategien und Maßnahmen festgelegt werden, die einerseits den Verkehrs-fluss in den Teilkorridoren verbessern werden, aber auch zu einer Reduzierung der negativen Umweltwirkungen durch den Straßenverkehr führen. Durch die quantitative Bewertung der einzelnen Strategien und Maßnahmen mit dem Verkehrsmodell des Verbands Region Stuttgart konnten verkehrliche und umweltrelevante, insbesondere CO2-Einsparungen nachgewiesen werden.

Diese positiven Resultate haben dazu geführt, dass alle Gremien der beteiligten Kommunen, Landkreise, Regierungspräsidien Stuttgart und Tübingen, Verkehrsministerium Baden-Württemberg sowie der Verkehrsausschuss des Verband Region Stuttgart einer Weiterführung zugestimmt haben. Bis Ende 2021 sollen nun in der Projektphase II (Realisierungsphase) die lokale verkehrstechnische Infrastruktur ertüchtigt bzw. neu aufgebaut werden. Zudem soll die zukünftige regionale Verkehrsmanagementzentrale (Ringzentrale) in Betrieb gehen. Ein dauerhafter Betrieb und eine Ausweitung auf weitere Bereiche in der Region Stuttgart wird angestrebt.

Ein abschließender Dank gilt allen beteiligten Verkehrsexperten, Entscheidungsträgern und Projektpartnern, die dauerhaft und sehr intensiv mitgewirkt haben.

5 Literatur

[1] Verband Region Stuttgart – Projektbeschreibung „Regionale Mobilitätspattform“, https://www.region-stuttgart.org/mobilitaetsplattform (URL vom 27.6.2018)

[2] Arbeitsgemeinschaft „Regionale Mobilitätsplattform“ für die Projektphase I: Federführung Trafficon GmbH; Projektpartner: AlbrechtConsult GmbH, Brilon Bondzio Weiser Ingenieurgesellschaft mbH, PRISMA solutions EDV-Dienstleistungen GmbH, ivm GmbH; im Auftrag des Verband Region Stuttgart; Laufzeit: Mai 2017 bis Juli 2019;

[3] FGSV – Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Straßenentwurf: Wirkung von Maßnahmen zur Umweltentlastung, Teil 3 – Umweltsensitives Verkehrsmanagement (2014)

[4] FGSV – Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Verkehrsmanagement: Hinweise zur Strategieanwendung im dynamischen Verkehrsmanagement (2011)

[5] L. Fornauf: Leitfadenentwurf – Methodik zur Bewertung von Strategien für das dynamische Straßenverkehrsmanagement (2015)

[6] Umweltbundesamt, Nr. 22 / 2019, https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/daten-zur-luftqualitaet-2018-57-staedte-ueber-dem (URL vom 28.10.2019)

[7] FIS – Forschungs-Informations-System, Düsseldorf in Motion Dmotion. Laufzeit: April 2005 bis Dezember 2008, https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/256019/ (URL vom 28.10.2019)