FGSV-Nr. FGSV M 12
Ort Aschaffenburg
Datum 22.11.2017
Titel Wolf, M.: Wie viel Wasserdurchlässigkeit braucht die SoB?
Autoren Dr.-Ing. Mike Wolf
Kategorien Gesteine, Mineralstoffe
Einleitung

Wie im Einleitungsbeitrag zu diesem Vortragsblock beschrieben wurde, kann für bestimmte Anwendungsfälle die Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel (ToB) eine wesentliche Funktionseigenschaft sein. Am deutlichsten wird dies bei ToB in Versickerungsfähigen Verkehrsflächen, bei denen das Niederschlagswasser unmittelbar und rückstaufrei durch alle Schichten des Oberbaus versickert werden soll. Mit diesem Anspruch lässt sich aus einer bestimmten Bemessungsregenspende ohne Weiteres eine Anforderung für den Infiltrationsbeiwert für derartige Tragschichten ableiten, wie dies im M VV [0] auch geschehen ist. Für konventionelle Bauweisen, z. B. mit Pflasterdecken oder Betondecken, gibt es keine derartig eindeutigen Anforderungen im Regelwerk der FGSV. Die in dieser Hinsicht unbefriedigende Regelwerkslage kommt in den Sonderregelungen einiger Bundesländer zum Ausdruck. Diese zielen in der Regel direkt oder indirekt auf eine dauerhafte Wasserdurchlässigkeit der ToB ab, indem z. B. verschärfte Anforderungen an die Gesteinsfestigkeit (z. B. Thüringen [1], Sachsen-Anhalt [2], Hessen [3]) oder aber direkt Anforderungen an die Wasserdurchlässigkeit des Baustoffgemischs gestellt werden (z. B. Thüringen [1], Hessen [3], Baden-Württemberg [4]). Dabei fällt auf, dass grundsätzlich Laborprüfungen zur Anwendung kommen, wobei sich die Prüfverfahren, die Prüfbedingungen und die Anforderungen von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Zur Anwendung kommen Verfahren aus dem Sportplatzbau [5], Verfahren aus der Bodenkunde [3] und modifizierte Varianten davon [4]. Feldprüfungen zur Beurteilung der Wasserdurchlässigkeit der fertigen Schicht werden nur in Ausnahmefällen durchgeführt [2].

Diese Entwicklungen sind u. a. darauf zurückzuführen, dass es lange keine Prüfverfahren gab, die für die im Straßenbau üblichen Baustoffgemische geeignet sind, und dass es keine klaren Erkenntnisse darüber gab, welche Anforderungen an die Wasserdurchlässigkeit von ToB zu stellen wären. Der folgende Beitrag soll Anregung und Vorbereitung sein zur Diskussion über etwaige Anforderungswerte.

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1 Vorbemerkung

Wie im Einleitungsbeitrag zu diesem Vortragsblock beschrieben wurde, kann für bestimmte Anwendungsfälle die Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel (ToB) eine wesentliche Funktionseigenschaft sein. Am deutlichsten wird dies bei ToB in Versickerungsfähigen Verkehrsflächen, bei denen das Niederschlagswasser unmittelbar und rückstaufrei durch alle Schichten des Oberbaus versickert werden soll. Mit diesem Anspruch lässt sich aus einer bestimmten Bemessungsregenspende ohne Weiteres eine Anforderung für den Infiltrationsbeiwert für derartige Tragschichten ableiten, wie dies im M VV [0] auch geschehen ist. Für konventionelle Bauweisen, z. B. mit Pflasterdecken oder Betondecken, gibt es keine derartig eindeutigen Anforderungen im Regelwerk der FGSV. Die in dieser Hinsicht unbefriedigende Regelwerkslage kommt in den Sonderregelungen einiger Bundesländer zum Ausdruck. Diese zielen in der Regel direkt oder indirekt auf eine dauerhafte Wasserdurchlässigkeit der ToB ab, indem z. B. verschärfte Anforderungen an die Gesteinsfestigkeit (z. B. Thüringen [1], Sachsen-Anhalt [2], Hessen [3]) oder aber direkt Anforderungen an die Wasserdurchlässigkeit des Baustoffgemischs gestellt werden (z. B. Thüringen [1], Hessen [3], Baden-Württemberg [4]). Dabei fällt auf, dass grundsätzlich Laborprüfungen zur Anwendung kommen, wobei sich die Prüfverfahren, die Prüfbedingungen und die Anforderungen von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Zur Anwendung kommen Verfahren aus dem Sportplatzbau [5], Verfahren aus der Bodenkunde [3] und modifizierte Varianten davon [4]. Feldprüfungen zur Beurteilung der Wasserdurchlässigkeit der fertigen Schicht werden nur in Ausnahmefällen durchgeführt [2].

Diese Entwicklungen sind u. a. darauf zurückzuführen, dass es lange keine Prüfverfahren gab, die für die im Straßenbau üblichen Baustoffgemische geeignet sind, und dass es keine klaren Erkenntnisse darüber gab, welche Anforderungen an die Wasserdurchlässigkeit von ToB zu stellen wären. Der folgende Beitrag soll Anregung und Vorbereitung sein zur Diskussion über etwaige Anforderungswerte.

2 Prüfverfahren

Dem Thema "Prüfung der Wasserdurchlässigkeit von ToB" wurden in den letzten Jahrzehnten einige Forschungsvorhaben gewidmet [u. a. 6, 7, 8, 9]. Schließlich haben diese Forschungen zu einer Reihe von Technischen Prüfvorschriften geführt [10, 11, 12, 13], die seit 2012 bzw. 2015 auch veröffentlicht sind. Umso erstaunlicher ist es, dass die Prüfverfahren weder in das Straßenbauregelwerk des Bundes noch in das Regelwerk der Länder Eingang gefunden haben. Ein Grund dafür dürfte sein, dass für diese Prüfverfahren kein allgemein anerkannter Bewertungshintergrund existiert. Zunächst jedoch zu den Prüfverfahren selbst.

An dieser Stelle wurde 2007 bereits über das Doppelring-Infiltrometer und die damit gesammelten Erfahrungen berichtet [14]. Mit den Untersuchungen [8] hat sich außerdem das Standrohr-Infiltrometer etabliert, welches seit vielen Jahren bereits als "Ausflussgerät" in Österreich zur Prüfung der Wasserdurchlässigkeit von ToB im Labor und in-situ eingesetzt wird [15].

Bild 1: Standrohr-Infiltrometer nach TP Gestein-StB, Teil 8.3.1 (Laborverfahren [10]) bzw. Teil 8.3.2 (in-situ-Verfahren [11])

Der Prüfzylinder des ursprünglichen Prüfgerätes aus Österreich als auch des Gerätes nach TP Gestein-StB, Teil 8.3.1 (Laborverfahren [10]) hat einen Durchmesser Di von 140 mm. Für Gemische mit Größtkorn > 22 mm entspricht das Gerät demnach nicht dem in Deutschland gebräuchlichen Ansatz, dass der Durchmesser eines Prüfkörpers oder einer Prüffläche mindestens 5 x Größtkorndurchmesser betragen sollte. Da üblicherweise in ToB Gemische mit Größtkorn 32 mm verwendet werden, lag es nahe, den Durchmesser des Prüfgerätes zu vergrößern, was sich zumindest für die Feldprüfung ohne weiteres realisieren ließ. So hat das modifizierte Standrohr-Infiltrometer für die in-situ-Prüfung [11] einen Durchmesser Di von 250 mm. Die Prüfgeräte sind inzwischen in einigen Prüfstellen so oder mit zumindest ähnlichen Abmessungen vorhanden.

Vor der Prüfung wird auf der Unterseite der Krempe des Infiltrometers eine weichplastische Bentonit-Masse aufgebracht. Das Infiltrometer wird dann auf die zu prüfende Fläche gestellt (im Labor: Oberseite eines Proctor-Probekörpers, Typ C/in-situ: eingebaute Schicht) und mit den Auflastringen angedrückt. Das Infiltrometer wird mit Wasser gefüllt und es wird die Zeit gemessen, die der Wasserspiegel benötigt um zwischen den in definierter Höhe angebrachten Markierungen im Standrohr abzusinken (verkürzte Darstellung). Die Auswertung erfolgt nach einer empirischen Formel. Wie bei allen Infiltrationsprüfungen ist das Ergebnis ein Infiltrationsbeiwert ki. Dieser Begriff wurde bei der Erarbeitung der o. g. TP Gestein-StB-Reihe neu geschaffen, um einerseits eine Abgrenzung zu Begriffen wie Durchlässigkeitsbeiwert oder kf-Wert zu schaffen und andererseits deutlich zu machen, dass es sich hier um eine Kenngröße für die Geschwindigkeit handelt, mit der Wasser senkrecht in eine Schicht eintritt. Diese wird auf der Oberfläche spezieller Laborproben oder auf der Oberfläche vorhandener Schichten in-situ bei einem annähernd konstanten Sättigungsgrad (Teilsättigung) gemessen und, korrigiert auf eine Wassertemperatur von 10 °C, in m/s angegeben. Es ist davon auszugehen, dass der Infiltrationsbeiwert wegen der geringeren Sättigung während der Prüfung niedriger ist, als ein beispielsweise nach DIN 18130-1 im Labor an Proben mit einem Sättigungsgrad von S 1 (entspricht 100 %-Sättigung) ermittelter Durchlässigkeitsbeiwert k.

Bei der Anwendung des Standrohr-Infiltrometers haben sich nach Befragung einiger Prüfstellen folgende Erfahrungen ergeben:

–­ Das Prüfgerät ist vergleichsweise kostengünstig und recht einfach zu bedienen.

–­ Die Abdichtung des Zylinders mit Bentonit gegen seitliches Auslaufen des Wassers ist eine Schwachstelle, die nicht selten während der Versuchsdurchführung versagt.

– Die rein oberflächliche Abdichtung (mit Bentonit) verhindert häufig nicht, dass Wasser oberflächennah neben der Abdichtung aus der Oberfläche wieder austritt (dazu genügt z. B. das "unterströmen" eines einzelnen an der Oberfläche liegenden Schottersteines).

–­ Unmittelbar nach Aufnahme des Prüfverfahrens in die TP Gestein-StB gab es ein zunächst verstärktes Interesse seitens der öffentlichen Auftraggeber an in-situ-Prüfungen, dieses ist jedoch kontinuierlich zurückgegangen. ­

– Gegenwärtig wird das Gerät nur noch in geringem Umfang eingesetzt, nahezu ausschließlich im Rahmen von Forschungsprojekten und Gutachten.

–­ Die Akzeptanz für das Prüfverfahren sinkt stark, wenn mehrere "Anläufe" für einen Messerfolg notwendig sind. ­

– Die fehlende Verankerung im Regelwerk fördert die Anwendung des Prüfverfahrens nicht.

Ausgehend von diesen Erfahrungen wird gegenwärtig im Forschungsvorhaben "Schaffung eines Bewertungshintergrundes für die Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes mit dem Standrohr-Infiltrometer im Labor" (FE 6.0112/2015/FGB) daran gearbeitet, die Versuchsdurchführung sicherer zu machen und einen Bewertungshintergrund für die Messergebnisse zu schaffen.

3 Anforderungen an die Wasserdurchlässigkeit von ToB

Wie aber sind die Ergebnisse der Prüfungen zu bewerten oder anders gefragt: Wieviel Wasserdurchlässigkeit braucht die ToB? Anforderungen an ToB sind am ehesten in den ZTV SoB-StB [16] zu suchen. Dort werden Tragschichten ohne Bindemittel definiert als: "Lastverteilende Schicht zwischen Decke bzw. Tragdeckschicht und Planum, die im verdichteten Zustand ausreichend tragfähig und ausreichend wasserdurchlässig ist." Damit sind zunächst die zwei wesentlichen Funktionseigenschaften von ToB benannt. Und was unter "ausreichend Tragfähig" zu verstehen ist, wird in den ZTV SoB-StB [16] auch anhand von Anforderungen an den Verformungsmodul EV2 und den Verdichtungsgrad DPr der Schichten ausführlich verdeutlicht. Zur Eigenschaft "Wasserdurchlässigkeit" taucht allerdings in der gesamten ZTV SoB-StB [16] kein weiterer Hinweis auf. Und so stellt sich die Frage, was ist "ausreichend wasserdurchlässig"?

Zur Beantwortung dieser Frage sind zunächst zwei weitere Fragen zu klären:

1  Wieviel Wasser dringt in den Oberbau ein (z. B. von oben durch die Decke oder von der Seite oder von unten an die FSS)?

2  Wie schnell muss dieses Wasser abtransportiert werden?

Wasserzutritt von der Seite oder von unten betrifft in der Regel die unteren Tragschichten (Frostschutzschichten) oder Schichten aus frostunempfindlichen Material. Welche Wassermengen hier abzuführen sind, hängt von individuellen Randbedingungen ab, kann also pauschal nicht beantwortet werden. Berner und Floss [6] haben dazu in ihrer Forschungsarbeit Überlegungen zur notwendigen Selbstentwässerung dieser Schichten angestellt und sind zu dem Schluss gekommen, dass diese gegeben ist, wenn die Tragschicht eine Wasserdurchlässigkeit von 1·10-5 m/s aufweist.

Hinsichtlich des Wasserzutritts von oben weisen die verschiedenen Bauweisen aufgrund ihrer Deckschichten unterschiedliche Potenziale des Wasserzutritts auf. Deshalb wird die Frage 1 für die oberen Tragschichten nach Bauweisen differenziert zu beantworten sein. So weist eine Pflasterdecke gegenüber einer Asphaltdeckschicht sicher ein erheblich höheres Wasserzutrittspotenzial von oben auf. Betondecken haben ebenfalls Fugen, durch die zumindest zeitund stellenweise Wasser bis an darunterliegende Tragschicht gelangen kann. Asphaltdecken können hingegen aufgrund fehlender Fugen und ihres geringen Hohlraumgehalts als praktisch wasserdicht angesehen werden. Auch in Asphaltdeckschichten gibt es jedoch potenzielle Wasserzutrittsstellen. Dies sind Nähte und Anschlüsse, insbesondere die Anschlüsse im Rinnenbereich.

Wieviel Wasser durch die Deckschicht eindringt, kann man vergleichsweise einfach mit Infiltrationsversuchen messen.

Besonders Pflasterdecken und Plattenbeläge weisen ein hohes Wassereindringpotenzial auf. Das ergibt sich einerseits daraus, dass in der Pflasterdecke überhaupt Fugen vorhanden sind, durch die Wasser in die Befestigung eindringen kann. Andererseits wird dieses Potenzial dadurch noch verstärkt, dass die Fugen (z. B. bei Elementen mit Fase oder unvollständig gefüllten Fugen) den Oberflächenabfluss des Niederschlagswassers behindern und damit ein gewisses Wasserreservoir darstellen, was zu einem erhöhten Wasserangebot in der Fuge führt. Die Schäden, die infolge eines Wasserstaus in der Bettung entstehen können sind hinlänglich bekannt. Wenn man aus diesen Überlegungen eine erforderliche Wasserdurchlässigkeit für eine Tragschicht unter einer Pflasterdecke oder auch eines Plattenbelages ableiten will, dann müsste diese sicherlich in einer Größenordnung liegen, die eine unverzügliche vertikale Abführung des durch die Fugen eindringenden Wassers ermöglicht. Ein horizontaler Abfluss in der Bettung ist nicht möglich, denn Pflasterdecken und Plattenbeläge werden immer von Einfassungen begrenzt. In verschiedenen Untersuchungen wurde die Wasserdurchlässigkeit von Pflasterdecken gemessen. Da es bei konventionellen Pflasterdecken den bekannten (und erwünschten) Prozess der Fugenabdichtung während der Nutzungsdauer gibt, liegt es nahe, die Wasserdurchlässigkeit einer Pflasterdecke in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer zu betrachten. Im Bild 2 sind die Infiltrationsbeiwerte von konventionellen Pflasterdecken in Abhängigkeit vom Alter der Pflasterdecke dargestellt. Die Infiltrationsbeiwerte wurden zum Teil aus Literaturangaben zum Versickerungsvermögen von konventionellen Pflasterdecken aus Betonstein- und Natursteinpflaster errechnet. Dabei wurden nur Messwerte verwendet, bei denen wenigstens ungefähre Angaben zum Alter der geprüften Pflasterdecken vorlagen.

Bild 2: Wasserdurchlässigkeit (Infiltrationsbeiwert) konventioneller Pflasterdecken in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer (Betonstein- und Natursteinpflaster)

Die Ergebnisse streuen stark, was auf Unterschiede im Fugenmaterial, in der Fugenbreite und im Grad der Fugenfüllung zurückzuführen ist. Erkennbar ist aber, dass der Infiltrationsbeiwert von Pflasterdecken zumindest im Neuzustand und in den ersten Jahren > 10-5 m/s betragen kann. Illgen [20] gibt als Ergebnis einer statistischen Auswertung von eigenen und von Messwerten aus der Literatur an, dass unabhängig vom Alter der Pflasterdecke bei 50 % der konventionellen Betonpflasterdecken das Versickerungsvermögen 50 l/(s · ha) beträgt. Das entspricht einem Infiltrationsbeiwert von 0,5 · 10-5 m/s und korreliert recht gut mit den im Bild 2 dargestellten Ergebnissen. Aus Illgens [20] statistischen Auswertungen mit Berücksichtigung der Liegezeit ergeben sich für konventionelle Pflasterdecken aus Betonsteinen obere Erwartungswerte für den Infiltrationsbeiwert von 2 · 10-5 m/s ( 2 Jahre Liegezeit) bis 1,3 · 10-5 m/s ( 5 Jahre Liegezeit). Zur Orientierung sei gesagt, dass ein Infiltrationsbeiwert von 1 · 10-5 m/s ausreicht um einen Niederschlag r = 100 l/(s · ha) vollständig versickern zu lassen. Die hier erörterten Ergebnisse resultieren aus Versuchen mit Infiltrometern, bei denen ein abgegrenzter Messbereich mit so viel Wasser beaufschlagt wird, wie die Pflasterdecke versickern kann. Unter realen Bedingungen wird aber gerade bei Starkregenereignissen, die zudem in der Regel von kürzerer Dauer sind, ein erheblicher Teil des Niederschlagswassers oberflächlich abfließen können. Zu berücksichtigen ist auch, dass der überwiegende Teil der Niederschläge weniger als 100 l/(s · ha) beträgt. Man kann also annehmen, dass zur unmittelbaren und zeitnahen Entwässerung einer Pflasterdecke ein Infiltrationsbeiwert der Unterlage von 1 · 10-5 m/s ausreichend sein wird.

Auch in Betondecken werden planmäßig Fugen angeordnet. Diese werden zunächst allerdings durch Fugenprofile oder Fugenvergussmassen abgedichtet. Wie sich gezeigt hat, verhindert diese Art des Fugenschlusses das Eindringen von Wasser jedoch nicht.

Bild 3: Querfuge in einer Betondecke (auf STSuB)

Messungen zur Wasserdurchlässigkeit von verfüllten Fugen [22] haben ergeben, dass je laufenden Meter Fugenlänge bis zu 300 ml/min Wasser in die Fuge eindringen können. Als besonders anfällig haben sich diesbezüglich Fugenkreuze gezeigt. Nimmt man an, dass diese Wassermenge durch den Fugenriss bis zur darunterliegenden Schottertragschicht läuft und dort beispielsweise auf einem 10 cm breiten Streifen in die STS unmittelbar versickern soll, dann müsste die STS einen Infiltrationsbeiwert von 5 · 10-5 m/s aufweisen. In der Praxis ist die Fugenfüllung meist nur in Teilbereichen undicht, und so dringt nicht über das gesamte Fugensystem Wasser ein. Das führt wohl dazu, dass sich das eingedrungene Wasser im Fugenriss verteilen kann und die tatsächlich von der STS abzuführende Wassermenge geringer ist. Um hier einen Anforderungswert für den Infiltrationsbeiwert der STS ableiten zu können, sind weitere Untersuchungen zur Ausbreitung des eingedrungenen Wassers im Fugenriss und unter der Betondecke erforderlich.

Nähte und Anschlüsse in Asphaltdecken sind hinsichtlich des Wasserzutritts mit Fugen in Betondecken vergleichbar, so dass das oben gesagte auch hier gilt.

Zur Frage 2, also wie schnell eingedrungenes Wasser durch die ToB abgeleitet werden muss, sind mögliche Schadensverläufe innerhalb der ToB (innere Tragschichtschäden) von denen zu unterscheiden, die über oder unter den ToB auftreten. Folgende Schäden infolge Wasserüberschuss können auftreten:

a)  Frost- und Tragfähigkeitsschäden infolge von Wasserüberschuss im Untergrund,

b)  Frost- und Tragfähigkeitsschäden infolge von Wasserüberschuss in den ToB und/oder der Schicht aus frostunempfindlichen Material (SfM) und

c)  Erosionsschäden und Frosthebungen infolge von stauendem Wasser zwischen ToB und Deckschicht (z. B. Betondecke, Plattenbelag)

Zunächst sei zu den Punkten a) und b) nochmals auf die Arbeit von Berner und Floss [6] verwiesen. Hinzuzufügen ist, dass auch hier die Bauweisen unterschiedlich betrachtet werden sollten. Zum einen dringt Frost in den Bereich Bettung/ToB bei einer Pflasterdecke oder einem Plattenbelag sicherlich schneller ein als dies bei einer beispielsweise 30 cm dicken Betondecke zu erwarten ist. Zum anderen ist wegen der geringen Spannungsminderung durch eine Pflasterdecke im Vergleich zu gebundenen Schichten oder Schichtpaketen bei Tragschichten unter Pflasterdecken eher mit Erosionserscheinungen und/oder Tragfähigkeitsschäden zu rechnen. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Untersuchungen zum Einfluss des Wassergehaltes auf das Verformungsverhalten von ToB [u. a. 23]. Diese haben gezeigt, dass es Baustoffgemische gibt, die vergleichsweise unempfindlich gegenüber erhöhten Wassergehalten sind, aber auch Gemische, die bei steigenden Wassergehalten zu Verformungen neigen. So ist es also bei Tragschichten unter Pflasterdecken und Plattenbelägen sicher angebracht, eine unverzügliche Abführung des eingedrungenen Wassers zu fordern. Das würde nach den oben gemachten Ausführungen bedeuten, dass für die Tragschicht ein Infiltrationsbeiwert ki 1 · 10-5 m/s gefordert werden sollte. Dieser Wert findet sich als empfohlener Infiltrationsbeiwert für die Unterlage einer Pflasterdecke oder eines Plattenbelages im M FP [21] wieder.

Für Tragschichten unter Betondecken oder Asphaltschichten kann möglicherweise eine verzögerte Abführung des eingedrungenen Wassers in Kauf genommen werden. Hier sind allerdings, wie oben geschildert, weitere Untersuchungen notwendig.

4 Fazit

Mit den TP Gestein-StB, Teile 8.3.1 bis 8.3.4 stehen Labor- und in-situ-Prüfverfahren zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel zur Verfügung. Die Wasserdurchlässigkeit von Baustoffgemischen wird ähnlich wie die Tragfähigkeit einerseits von den Eigenschaften des Baustoffgemisches (z. B. Korngrößenverteilung, Gesteinsart) geprägt, andererseits aber auch stark von bautechnologischen Parametern beeinflusst (z. B. Einbau, Bauverkehr). Es ist deshalb sinnvoll, die Wasserdurchlässigkeit von ToB im eingebauten Zustand prüfen, wenn diese Eigenschaft für die Lebensdauer einer Befestigung relevant ist. Dies ist bei Befestigungen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen der Fall. Der im M FP [21] empfohlene Mindestwert für den Infiltrationsbeiwert einer ToB unter Pflasterdecken und Plattenbelägen ki 1 · 10-5 m/s wird befürwortet. Diese Anforderung sollte aus Sicht des Verfassers in einer zukünftigen ZTV SoB-StB [16] für solche Tragschichten gestellt werden. Darüber hinaus ist zu überlegen wie diese Anforderung erreichbar ist. Dazu kann es notwendig sein, bestimmte Parameter (z. B. Festigkeit der Gesteinskörnungen und Sandanteil im Baustoffgemisch) im Hinblick auf Wasserdurchlässigkeit und Verformungsmodul anders als bisher zu definieren ­ also eine spezielle "STSuP" (Schottertragschicht unter Pflasterdecke) zu entwickeln und im Regelwerk einzuführen, so wie das bereits für Tragschichten unter Betondecken geschehen ist.

Es ist davon auszugehen, dass zumindest bei Schottertragschichten unter Betondecken (STSuB) die Wasserdurchlässigkeit ebenfalls von Bedeutung ist. Um hier einen mindestens erforderlichen Infiltrationsbeiwert formulieren zu können, sind weitere Untersuchungen zur Ausbreitung des eingedrungenen Wassers im Fugenriss und in der Grenzschicht Betondecke/ Unterlage notwendig.

Für die in-situ-Prüfung des Infiltrationsbeiwertes wird empfohlen, bei der Festlegung der Anzahl der Infiltrationsmessungen und bei der Auswahl der Messpunkte so vorzugehen, wie bei den Tragfähigkeitsmessungen. Es ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich der Infiltrationsbeiwert einer eingebauten ToB z. B. durch Baustellenverkehr oder Verschmutzung in der Regel verschlechtert. Bei der Festlegung des Zeitpunktes der Infiltrationsmessungen sollte also ein möglichst später Termin gewählt werden, um zu praxisgerechten Aussagen zu kommen.

Literaturverzeichnis

0 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Versickerungsfähige Verkehrsflächen (M VV), Ausgabe 2013, Köln, FGSV 947

1 Ergänzende Festlegungen zur Güteüberwachung von Gesteinskörnungen und Schichten ohne Bindemittel für die Verwendung im klassifizierten Straßen- und Ingenieurbau des Freistaates Thüringen (Dienstanweisung 3/2017-33/1 bzw. für RC 4/2017-33/2)

2 ZTV-StB LSBB 13/14: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Straßenbauarbeiten für den Geschäftsbereich der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt, Ausgabe 2013/ Fassung 2014

3 EF Gestein 2012/HE ­– Ergänzende Festlegungen Gestein 2012/Hessen: Hessen Mobil ­ Straßenund Verkehrsmanagement (12.3.2012)

4 Ergänzungen zu den Technischen Vertragsbedingungen Im Straßenbau Baden-Württemberg ETVStB-BW

5 Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau; Teil: Güteüberwachung, Ausgabe 2004 / Fassung 2007, TL G SoB-StB 04 ­ Bay. Staatsministerium des Inneren, 13. Juni 2008

6 B e r n e r; F l o s s: Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 619, 1992

7 K e l l e r m a n n C.: Bewertung des Infiltrationsverhaltens von Tragschichten ohne Bindemittel, Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2003

8 R a d e n b e r g, M.; K o l l a r, J.: Entwicklung eines Laborverfahrens zur Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit von Baustoffgemischen für Tragschichten ohne Bindemittel, FE 06.084/2006, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1041, 2010

9 W e l l n e r, F.; W o l f, M.: Einfluss der Tragfähigkeit auf die Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel, FE 06.086/2007/FGB, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1081, 2013

10 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 8.3.1: Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes mit dem Standrohr-Infiltrometer ­ Laborverfahren, Ausgabe 2012, Köln, FGSV 610

11 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 8.3.2: Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes mit dem modifiziertem Standrohr-Infiltrometer; In situ-Verfahren, Ausgabe 2012, Köln, FGSV 610

12 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 8.3.3: Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes mit dem Tropf-Infiltrometer; In situ-Verfahren, Ausgabe 2015, Köln, FGSV 610

13 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB), Teil 8.3.4: Bestimmung des Infiltrationsbeiwertes mit dem Doppelring-Infiltrometer; In situ-Verfahren, Ausgabe 2015, Köln, FGSV 610

14 W o l f, M.: Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel, Schriftenreihe der Arbeitsgruppe "Gesteinskörnungen, Ungebundene Bauweisen", Tagungsband Gesteinstagung 2007

15 Forschungsgesellschaft Straße ­ Schiene ­ Verkehr (FSV): RVS 11.06.27 Durchlässigkeit Labor, September 2000 und RVS 11.06.29 Durchlässigkeit Baustelle, September 1997

16 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für den Bau von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau (ZTV SoB-StB 04), Ausgabe 2004/ Fassung 2007, Köln, FGSV 698

17 K r e t z e r, H.; R u i z - R o d r i g u e z, E.: Tropfinfiltrometer für befestigte und unbefestigte Flächen, Wasser+Boden, Heft 12/1992

18 Borgwardt, S.: Die Versickerung auf Pflasterflächen als Methode der Entwässerung von Minderbelasteten Verkehrsflächen, Dissertation Universität Hannover, Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung, 1995

19 B r e u s t e, J.; K e i d e l, T.; M e i n e l, G.; M ü n c h o w, B., N e t z b a n d, M.; S c h r a m m, M.: Erfassung und Bewertung des Versiegelungsgrades befestigter Flächen. ­ UFZ Umweltforschungszentrum ­ Bericht Nr. 12, Leipzig, Halle 1996

20 Illgen, M.: Das Versickerungsverhalten durchlässig befestigter Siedlungsflächen und seine urbanhydrologische Quantifizierung, Dissertation, TU Kaiserslautern, 2009

21 Forschungsgesllschaft für Staßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen in ungebundener Ausführung sowie für Einfassungen (M FP) Ausgabe 2015, Köln, FGSV 618/1

22 "Untersuchungen zur Wassereindringung in Fugen in Fahrbahndecken aus Beton", Diplomarbeit/ TU Dresden 2004

23 C a n o n F a l l a, G.; L e i s c h n e r, S.; B l a s l, A.; E r l i n g s s o n, S.: Characterization of unbound granular materials within a mechanistic design framework for low volume roads, Transportation Geotechnics 13/2017

Weiterführende Literatur zum Thema:

W o l f, M.: Untersuchungen zur Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel in Straßenbefestigungen, Dissertation, TU Dresden, 2014

W o l f, M.: Tragfähigkeit und Wasserdurchlässigkeit von Tragschichten ohne Bindemittel unter Pflasterdecken, Straße und Autobahn, Heft 2/2016, Kirschbaum Verlag, Bonn