FGSV-Nr. FGSV A 45
Ort Leipzig
Datum 21.09.2021
Titel Asphalt im Klimawandel – Erkenntnisse und Herausforderungen Teil 1
Autoren Dipl.-Ing. Volker Schäfer
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Der Klimawandel bedingte in den letzten Jahren eine steigende Anzahl der Sommertage (Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur ≥ 25 °C) und insbesondere eine steigende Anzahl heißer Tage (Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur ≥ 30 °C), welche zum Teil hintereinander in unterschiedlich langen Hitzewellen auftraten und während denen auch in der Nacht keine deutliche Abkühlung stattfand.

Auf der Straße haben die sehr heißen Sommerperioden der vergangenen Jahre und hier insbesondere in den Sommern 2019 und 2020 bundesweit teilweise zu nicht unerheblichen Verformungen in Asphaltbefestigungen in Form von Spurrinnenbildung sowohl an Brückenbelägen als auch auf der freien Strecke geführt. Aus diesem Grund gab die Bundesanstalt für Straßenwesen in Abstimmung mit dem BMVI eine projektvorbereitende Studie in Auftrag, in der Erkenntnisse und Erfahrungen von verschiedenen Baumaßnahmen ausgewertet wurden. Als besonders anfällig für Spurrinnenbildungen haben sich dabei Bereiche mit einer baustellenbedingten, eingeengten Verkehrsführung und aufkommensbedingt ausgeprägtem Rückstau von Lkw auf den Hauptfahrstreifen vor den Baustellen erwiesen, wenn die Fahrbahn auch noch bei einer Ost-West-Ausrichtung aus südlicher Richtung bei Sonnenschein über den gesamten Tag nahezu ungehindert erwärmt werden kann. Sofern sich im Bereich von baustellenbedingten Verkehrsführungen auch noch Anschlussstellen befinden, sind infolge der Aus- und Einfädelungsvorgänge vermehrt weitere Brems- und Beschleunigungsvorgänge zu beobachten, welche sich bei einem bereits beeinträchtigten Verkehr nach Beobachtungen in der Praxis zum Teil noch ausgeprägter negativ auf den Verkehrsfluss auswirken. Aus diesen Rahmenbedingungen lässt sich der bisher im Technischen Regelwerk noch nicht bekannte neue Lastfall „besondere hohe Beanspruchungen“ ableiten.

In Kenntnis dieser neuen Grundlage werden auf Basis der Ergebnisse von auf zwei Brückenbauwerken im Sommer 2020 und im Winter 2020/21 durchgeführten Temperaturmessungen und Bitumen- sowie Asphaltuntersuchungen Empfehlungen für vorläufige Maßnahmen zur Vermeidung von Verformungen im Asphalt in Verkehrsflächen mit besonders hohen Beanspruchungen vorgestellt.

Diese Empfehlungen betreffen nicht nur den Walzasphalt, sondern insbesondere auch den Gussasphalt, und zwar sowohl im Hinblick auf die Auswahl zweckmäßiger Bauweisen in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen vor, während und nach der Ausführung als auch in Bezug auf die künftig im Rahmen des Nachweises der Eignung einer Asphaltzusammensetzung durchzuführenden Untersuchungen. Hierzu zählen Untersuchungen zum rheologische Verhalten des zur Verwendung kommenden Bitumens und am Füller-Bitumen-Gemisch (Mastix) im Dynamischen Scherrheometer mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus und eine Erhöhung der Temperatur für die Durchführung von Prüfungen zur Bestimmung der Verformungsbeständigkeit des Asphalts. Ferner werden natürlich auch erste erfahrungsbasierte Vorschläge für Anforderungen an die Ergebnisse dieser Versuche gegeben.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Der Klimawandel bedingte in den letzten Jahren eine steigende Anzahl der Sommertage (Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur ≥ 25 °C) und insbesondere eine steigende Anzahl heißer Tage (Tage mit einem Tagesmaximum der Lufttemperatur ≥ 30 °C), welche zum Teil hintereinander in unterschiedlich langen Hitzewellen auftraten und während denen auch in der Nacht keine deutliche Abkühlung stattfand.

Eine Auswertung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) belegt, dass die Anzahl heißer Tage im Jahr seit 2000 durchgängig eine positive Abweichung gegenüber dem vieljährigen Mittel-wert von 1961 bis 1990 (4,2 Tage) besitzt und bei Annahme eines linearen Trends für die Anzahl heißer Tage gegenüber 1951 eine Zunahme um 8,1 Tage zu berechnen ist. Demge-genüber hat die mittlere Anzahl der Eistage (Tage, deren Tagesmaximum der Lufttemperatur kleiner 0 °C ist) seit 1951 von 28 Tagen auf 19 Tage abgenommen. Diese Beobachtung ordnet der DWD der globalen Erwärmung zu. Ferner erwartet er bei einem weiteren ungebremsten Treibhausgasausstoß eine weitere Zunahme der Anzahl heißer Tage: für den Zeitraum 2031 bis 2060 in Norddeutschland eine Zunahme um 5 bis 10 heiße Tage und in Süddeutschland um 10 bis 20 heiße Tage. (Deutscher Wetterdienst, 2020b)

2 Beobachtungen

Auf der Straße haben die sehr heißen Sommerperioden der vergangenen Jahre teilweise zu massiven Verformungen in Asphaltbefestigungen in Form von Spurrinnenbildung geführt. So bildeten sich bundesweit erhebliche Spurrinnen, insbesondere an Brückenbelägen aus Asphalt, aber auch an Asphaltbefestigungen auf der freien Strecke. Im Hinblick auf die Brückenbauwerke sind neben der Weserbrücke im Zuge der BAB 1 bei Bremen beispielsweise die Talbrücke Heidingsfeld (BAB 3 bei Würzburg) oder der Neckartalübergang (BAB 6 bei Heilbronn) betroffen. Auf der freien Strecke konnten unter anderem auf der BAB 10 vor dem Autobahndreieck Nuthetal (Fahrtrichtung West) und auf den Steigungsabschnitten der BAB 7 in den Kasseler Bergen (Fahrtrichtung Kassel) erhebliche Spurrinnenbildungen beobachtet werden. Alle Strecken besitzen eine grundsätzlich hohe Verkehrsbelastung mit einem hohen Schwerverkehrsanteil. Zusätzlich bestehen aber besondere Beanspruchungen, durch z. B. den spurfahrenden Verkehr, den langsam fahrenden Verkehr sowie häufige Brems- und Beschleunigungsvorgänge. Letztere waren auf den Strecken vermehrt in Verbindung mit den Baustellen vorhanden, die entweder – wie auf dem Neckartalübergang und der Talbrücke Heidingsfeld – unmittelbar in dem Abschnitt mit der schließlich aufgetretenen Spurrinnenbildung liegen oder – wie auf der Weserbrücke und bei dem Streckenabschnitt vor dem AD Nuthetal – in einem (in Fahrtrichtung) anschließenden Abschnitt bestanden. So war hier regelmäßig ein ausgeprägter Rückstau durch die Baustellen und die damit verbundenen Verkehrsbeeinträchtigungen zu beobachten, was insgesamt zu entsprechenden besonderen Beanspruchungen im Abschnitt mit der Spurrinnenbildung geführt hat. Sofern sich im Bereich von baustellenbedingten Verkehrsführungen auch noch Anschlussstellen befinden, sind infolge der Aus- und Einfädelungsvorgänge vermehrt weitere Brems- und Beschleunigungsvorgänge zu beobachten, welche sich bei einem bereits beeinträchtigten Verkehr nach Beobachtungen in der Praxis zum Teil noch ausgeprägter negativ auf den Verkehrsfluss auswirken. Für den Steigungsabschnitt der BAB 7 liegt neben dem hohen Schwerverkehrsanteil eine hohe Belastung in Zusammenhang mit der starken Steigung vor, welche neben erhöhten Schubkräften auch zu einem langsamer fahrenden Schwerverkehr führt. Mit der dort vorhandenen Ausrichtung der Strecke nach Süden erfolgt zudem eine stärkere Erwärmung der Fahrbahnoberfläche bei Sonnenschein. Siehe hierzu auch die Bilder 1 bis 3.

Bild 1: Spurrinnenbildung im Hauptfahrstreifen und ersten Überholfahr streifen der BAB 10 vor dem AD Nuthetal (Fahrtrichtung West) in der Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt (Frühjahr 2020) infolge baustellenbedingtem nahezu ständigem Lkw-Rückstau

Bild 2: Staubildung von Lkw im Bereich einer Baustellenverkehrsführung mit einer Anschlussstelle

Bild 3: Erneute Spurrinnenbildungen infolge Lkw-Rückstau auf der Weserbrücke im Zuge der BAB 1 auf bereits durch Fräsen geebneter Fahrbahn (Sommer, 2019)

Im Bild 4 ist beispielhaft ein Bauablauf für eine Baumaßnahme mit mehreren Bauabschnitten (BA A.1 bis A.4 in der Richtungsfahrbahn A und BA B.1 bis B.4 in der Richtungsfahrbahn B) dargestellt, der diese Problematik verdeutlicht und zeigt, wie sich in den einzelnen Bauabschnitten, aber auch in den Bereichen vor oder nach einer Baumaßnahme mit dem Bauablauf die Gefährdung für eine Stau- und somit auch Spurrinnenbildung infolge von der Verkehrsführung und/oder dem Rückstau verteilt. Dabei wurden fiktiv bis zu fünf Bauphasen mit einer Bauzeit von einem Jahr je Bauphase und die Aufteilung der Baumaßnahme in vier Bauabschnitte  je Richtungsfahrbahn angenommen.

Auf den Richtungsfahrbahnen wird in dem jeweiligen Bauabschnitt parallel zum Baustellenbereich eine x+0-Verkehrsführung (je nach Ausbaustufen meist 4+0-, 5+0- oder 6+0-Verkehrsführung) eingerichtet, wodurch dort eine eingeengte Verkehrsführung besteht. In Fahrtrichtung vor diesem Abschnitt kann es jedoch zum Rückstau aufgrund der Reduzierung der Verkehrsgeschwindigkeit, gegebenenfalls der Verschwenkung, der Einengung der Fahrstreifen oder sogar der Reduzierung der Anzahl der Fahrstreifen im Baustellenbereich kommen. Dabei entsteht erfahrungsgemäß in dem Abschnitt vor dem in Fahrtrichtung ersten Baubereich der größte Rückstau. Hinter dem ersten Baubereich löst sich der Stau im Regelfall schnell auf und es fließt der Verkehr. Vor dem nächsten Baubereich aber wird erneut ein Rückstau entstehen, welcher jedoch je nach Verkehrssituation aufgrund der Verkehrsbehinderung in dem voran gehenden Bauabschnitt geringer ausfallen kann.

Wird nicht nur die bestehende Fahrbahn erneuert, sondern ist aufgrund der Verkehrsmenge auch ein Ausbau der Fahrbahn von z. B. vier auf sechs Fahrstreifen erforderlich (in der schematischen Darstellung nicht berücksichtigt), erhöht sich zum einen die Gefahr der Staubildung und der Entstehung von Spurrinnenbildung insbesondere vor den Abschnitten, in denen eine eingeengte Verkehrsführung mit noch der geringeren Anzahl an Fahrstreifen besteht. Hier ist aufgrund des vorgesehenen Ausbaus davon auszugehen, dass der Querschnitt bereits im unbeeinträchtigten Fall an der Kapazitätsgrenze belastet wird und folglich jede Störung des Verkehrsflusses – wie durch eine Baustelle – auch die Funktionsfähigkeit und Verkehrsqualität in dem Abschnitt erheblich beeinträchtigt.

Wird der Verkehr im zweiten Jahr oder später über einen bereits ausgebauten Abschnitt geleitet, kann sich zwar eine geringe Entspannung einstellen und der Rückstau sich aufgrund des zusätzlichen Fahrstreifens eventuell verkürzen, allerdings ist in der Praxis auch zu beobachten, dass sich dann teilweise ein Lkw-Rückstau sowohl auf dem Hauptfahrstreifen als auch dem ersten Überholfahrstreifen bildet. Dies gilt spätestens für den Bereich vor oder zu Beginn von einem Lkw-Überholverbot.

Nach dem im Bild 4 dargestellten Bauablauf und den betrachteten Bauabschnitten ist für die bereits erneuerten Bauabschnitte durch rückstauenden Verkehr und die eingeengte Verkehrsführung in der restlichen Bauzeit über eine Dauer von 0 bis zu 3 Jahren (Bauphasen) mit der Gefahr der Spurrinnenbildung rechnen. Dies zeigt, dass je nach Wahl der Bauabschnitte und des Bauablaufs sowohl die Belastung gesteuert werden kann als auch eine Optimierung des Asphalts in einzelnen Bauabschnitten mehr erforderlich ist als in anderen. Weiterhin wird auch für die jeweils links und rechts dargestellten Bestandsabschnitte verdeutlicht, dass hier die in Fahrtrichtung vor der Baustelle liegenden Abschnitte auch über 2 Jahre (Bauphasen) durch Rückstau gefährdet sind. Zwar besteht hier keine eingeengte Verkehrsführung, doch die Beispiele sowohl der Weserbrücke als auch der BAB 10 belegen, dass in diesen Fällen ein Rückstau des Lkw-Verkehrs zu deutlichen Spurrinnen in dem Hauptfahrstreifen führen kann.

So sind auch in den verschiedenen beispielhaft genannten Strecken die Spurrinnen in den durch die Lkw belasteten Hauptfahrstreifen besonders ausgeprägt, obgleich hier zumeist ein – nach den bisherigen Erfahrungen und Regelwerken sowie dem Stand der Technik – hoch verformungsbeständiger Asphalt eingebaut worden ist. Damit zeigt sich, dass das vorhandene System der Konzeption der Brückenbeläge aus Asphalt sowie der Asphaltbefestigungen hier unter den gegebenen Bedingungen an seine Grenzen stößt.

Bild 4: Schematische Darstellung der Stau- und Spurrinnengefährdung im Zuge des Bauablaufs

3 Neuer Lastfall: besonders hohe Beanspruchungen

Die detaillierte Betrachtung der genannten Strecken zeigt eine Gemeinsamkeit in ihren besonders hohen Beanspruchungen, welche sich mit folgenden Rahmenbedingungen charakterisieren lassen, die vier Bereichen zugeordnet werden können:

bauliche Randbedingungen

  • Ost-West-Ausrichtung ohne Verschattung
  • nach Süden ausgerichtete Steigungsstrecke (Südhang)
  • Auftreten sehr hoher Schubspannungen infolge steifer Unterlage

Verkehrsbelastung

  • hoher Schwerverkehrsanteil (bei hohem DTV)
  • hohe Lastmenge

Verkehrssituation

  • langsam fahrender bis stauender (Schwer-) Verkehr durch B. Rückstaubereich, Baustelle oder starke Längssteigung
  • verengte Verkehrsführung
  • gehäufte Brems- und Beschleunigungsvorgänge durch B. Aus- und Einfädelungsvorgänge, Stau oder Geschwindigkeitsbegrenzung

Wetter

  • extrem hohe Temperaturen
  • praktisch ganztägige, intensive Sonneneinstrahlung (über den Sommer)
  • (nahezu) tropische Nacht

Dabei müssen nicht alle genannten Rahmenbedingungen gleichzeitig erfüllt sein, sondern nach derzeitiger Beobachtung müssen mindestens vier bis fünf Rahmenbedingungen insgesamt mit mindestens einer aus jedem Bereich gegeben sein, um von besonders hohen Beanspruchungen auszugehen, welche ein Versagen konventioneller Asphaltbeläge mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt.

Brückenbauwerke sind in diesem Zusammenhang als besonders gefährdet anzusehen, weil die Asphaltbefestigung auf einer praktisch biegesteifen Unterlage aus Beton oder Stahl eine Regeldicke von nur ca. 8 cm hat. Vergleichsrechnungen mit dem EDV-Programm PaDesTo zur Anwendung der rechnerischen Dimensionierung für näherungsweise abgebildete Aufbauten zeigen, dass durch die starre Unterlage in den Asphaltschichten sehr hohe Schubspannungen entstehen, die eine Spurrinnenbildung stark begünstigt. Dagegen ist in der freien Strecke durch die dickeren Asphaltschichten und die elastischere Unterlage eine günstigere Verteilung der Lasten vorhanden.

Zwar sind besondere Beanspruchungen im Grundsatz auch in den RStO 12 beschrieben. Doch wirkt ihre Berücksichtigung in den RStO primär auf die Dimensionierung (also die Dicke) des Oberbaus und nur indirekt über die ZTV Asphalt-StB – über die dort für die Belastungsklassen als zweckmäßig aufgeführten Asphalte und Bitumen – auf die Wahl und Zusammensetzung eines verformungsbeständigeren Asphalts. Der zusätzliche Hinweis in den ZTV Asphalt-StB 07/13, dass die Beanspruchungen durch klimatische Einflüsse wie „besonders hohe Temperaturen über längere Zeiträume, intensive Sonneneinstrahlungen, z. B. auf Südhanglagen“ (ZTV Asphalt-StB 07/13, Abschnitt 1.3) verstärkt werden können, hat ergänzend in der Praxis häufig zur Wahl des härteren und gegebenenfalls zusätzlich polymermodifizierten zweckmäßigen Bitumens nach den ZTV Asphalt-StB 07/13, Tabelle 2 geführt. Dies war in der Vergangenheit auch durchaus ausreichend und der Hinweis beschreibt aus heutiger Sicht allgemein ebenso einen Teil der (erneut) erkannten kritischen klimatischen Rahmenbedingungen. Gleichwohl hat die Praxis eindeutig gezeigt, dass die im Technischen Regelwerk vorgesehenen Stellschrauben nicht ausreichen, um die Kombination der besonderen Beanspruchungen und ihr Auftreten im Zusammenhang mit den besonderen verkehrlichen Situationen einerseits und extremen Temperaturen am Tag bzw. an mehreren Tagen und unzureichender Abkühlung in der Nacht andererseits abzubilden und aufzufangen.

Damit stellt dieser Lastfall der besonders hohen Beanspruchungen eine neue, noch nicht im Technischen Regelwerk berücksichtigte Situation dar.

4 Analyse, Erkenntnisse und Sofort-Maßnahmen nach dem Sommer 2019

Eine Auswertung des Sachverhalts zu den auf der Weserbrücke der BAB 1 und auf dem Neckartalübergang der BAB 6 eingebauten Asphalten zeigte, dass die Asphalte zwar nach dem seinerzeitigen Stand der Technik und sogar darüber hinaus (selbst-)gestellten Anforderungen an das Gebrauchsverhalten – unter anderem den Widerstand gegen Verformungen bei Wärme – konzipiert wurden. Im Falle der Weserbrücke war der hergestellte und in der Asphaltdeckschicht eingebaute Gussasphalt MA 16 S mit PmB 10/25 VL zwar unter Bezug auf die Erstprüfung anforderungskonform zusammengesetzt, aber wies eine höhere dynamische Stempeleindringtiefe auf als angestrebt. (Allerdings lag die dynamische Stempeleindringtiefe bereits bei der Erstprüfung über dem angestrebten Wertebereich; aufgrund des Zeitdrucks für die Sanierung auf der Weserbrücke konnte seinerzeit das Prüfergebnis nicht abgewartet werden, sodass hier eine Optimierung der Zusammensetzung nicht mehr möglich war.)

Der auf dem Neckartalübergang in der Schutzschicht eingebaute Gussasphalt MA 11 S oder MA 16 S mit 15/25 VL wurde nach dem seinerzeitigen Erfahrungshintergrund mit einem sehr hohen Widerstand gegen Verformungen konzipiert und hergestellt. Auch im Zuge von Nachuntersuchungen am Ausbaustück war der Gussasphalt MA 16 S mit einer statischen Stempeleindringtiefe bei 40 °C von 1,4 mm und einer Zunahme der statischen Stempeleindringtiefe von 0,2 mm sowie einer dynamischen Stempeleindringtiefe bei 50 °C mit ETdyn = 0,52 mm und 0,65 mm als anforderungskonform und hinreichend verformungsbeständig zu bewerten. In der Untersuchung bei einer Prüftemperatur von 65 °C, die vor dem Hintergrund der hohen Temperaturen im Sommer und zur Analyse der Spurrinnenbildung ergänzend gewählt wurde, erhöhte sich die statische Stempeleindringtiefe mit 3,1 mm auf gut das Doppelte mit einer Zunahme der statischen Stempeleindringtiefe von 0,1 mm. Dennoch entspricht auch dieser Wert noch den gängigen Anforderungen an die statische Stempeleindringtiefe bei einer Prüftemperatur von 40 °C nach den ZTV Asphalt-StB 07/13. Die dynamische Stempeleindringtiefe erhöhte sich bei 65 °C auf ETdyn = 1,94 mm und 1,96 mm, das heißt etwa das 3- bis 4-Fache des Wertes bei 50 °C liegt damit auch noch in dem aufgrund der bisherigen Erfahrungen geforderten Bereich. Auch die Steifigkeitsmodul-Temperaturfunktionen der Gussasphalte liegen mindestens bei den höheren Temperaturen (≥ 30 °C) über dem für die verschiedenen Kalibrierasphalte nach den RDO Asphalt 09 gegebenen Kurvenverlauf, sodass hiernach eine relativ hohe Steifigkeit bei hohen Temperaturen gegeben ist.

Ähnliches gilt für den Splittmastixasphalt SMA 11 S, der auf dem Neckartalübergang in der Asphaltdeckschicht eingebaut und bereits zur Erhöhung des Verformungswiderstandes (abweichend von den TL Asphalt-StB 07/13) mit PmB 25/45 VL hergestellt wurde. Verschiedene Kennwerte (Verdichtungswiderstand, Dehnungsrate, proportionale Spurrinnentiefe) ließen den konzipierten Splittmastixasphalt für eine hohe Belastung als zweckmäßig und seinen Verformungswiderstand bei Wärme als hoch einstufen. Bei einer noch steiferen Konzeption des Splittmastixasphalts ließ sich eine Beeinträchtigung des Kälteverhaltens nicht ausschließen. Untersuchungen nach dem Auftreten der Spurrinnenbildung auf dem Neckartalübergang zeigten zwar für den eingebauten Splittmastixasphalt zum Teil nicht einheitlich und eindeutig einen sehr hohen Widerstand gegen Verformungen nach den konventionellen Prüfmethoden und dem bisherigen Bewertungshintergrund. Gleichwohl war auch hier zumindest teilweise eine deutliche Erhöhung der Verformung mit zunehmender Prüftemperatur (T = 65 °C) zu ermitteln.

Auf der Weserbrücke bekam der erst 2018 sanierte Hauptfahrstreifen in Fahrtrichtung Osnabrück bereits über den Sommer im nächsten Jahr Spurrinnen mit bis zu 40 mm Tiefe auf der Vorlandbrücke (im Mittel 23,8 mm) und bis zu 55 mm auf der Strombrücke (im Mittel 37,8 mm) (Bild 3).

Das nördliche Teilbauwerk des Neckartalübergangs wurde Ende März 2019 fertiggestellt und dem Verkehr übergegeben. Auch hier wurden über den Sommer 2019 Spurrinnentiefen bis 38 mm in Fahrtrichtung Nürnberg (Osten) und bis 24 mm in Fahrtrichtung Mannheim (Westen) registriert, wobei nahezu durchgängig die größere Spurrinnentiefe in der rechten Radrollspur vorlag. Dabei war für die Asphaltdeckschicht aus Walzasphalt jedoch an keiner Stelle eine Bitumenanreicherung in den Radrollspuren deutlich; stattdessen war die Textur ähnlich beschaffen wie in der angrenzenden Fläche. Anhand der Bauteilöffnung ließ sich erkennen, dass der Großteil der Verformung in der Schutzschicht aus Gussasphalt stattgefunden hat, wenn auch eine etwas geringere Dicke der Asphaltdeckschicht in der Radrollspur vorhanden war.

Als weitere Maßnahme zur Erhöhung des Widerstands gegen Verformungen bei Wärme wird zum Teil die Verwendung von heller Gesteinskörnung oder künstlichem Aufhellungsgestein ausgeschrieben. Allgemein und auch nach verschiedenen Untersuchungen an Straßenoberflächen ist bekannt, dass eine dunkle Oberfläche sich bei Sonnenstrahlung stärker erwärmt als eine helle Oberfläche. Im Umkehrschluss besitzen helle Asphaltdeckschichten, die sich weniger erwärmen, auch vergleichsweise höhere Viskositäten bzw. einen höheren Verformungswiderstand. (z. B. Meseberg, 2011; Damm, 2009; Pohlmann, 1996; Von Stosch, 1968)

Der Splittmastixasphalt, der auf dem Neckartalübergang und in gleicher Zusammensetzung auch auf weiteren Brückenbauwerken im ÖPP-Projekt der BAB 6 eingebaut wurde, wurde unter anderem mit Blick auf einen höheren Verformungswiderstand mit heller Gesteinskörnung aus Alpiner Moräne konzipiert und beim Einbau zur Gewährleistung der Anfangsgriffigkeit auch mit der Gesteinskörnung 1/3 aus Alpiner Moräne abgestumpft. Auch bei einer stark frequentierten Verkehrsfläche dauert es jedoch etwa 1,5 bis 2 Jahre bis der Bitumenfilm an der Oberfläche abgefahren und abgewittert ist und die Gesteinskörnung freigelegt ist. Daher war im Sommer 2019 noch eine dunkle Oberfläche auf dem Neckartalübergang vorhanden und konnte die helle Gesteinskörnung noch nicht wirken.

Doch auch die Bauweise kann – sofern sie gewählt werden kann – positiv auf den Widerstand gegen Verformungen bei Wärme wirken. So ist bekannt (z. B. Utterrodt, 2009; Schäfer, Rosauer, 2007; Richter; Dietrich, 1997; M KA, 2001; BMVI, 2019a), dass sich eine dünnere Schichtdicke einer Asphaltdeckschicht aus Asphaltbeton oder auch Splittmastixasphalt (mit im Gegenzug einer dickeren Asphaltbinder- oder Asphalttragschicht), wie sie bei Kompakten Asphaltbefestigungen hergestellt wird, sich zusätzlich positiv auf den Widerstand gegen Verformung der Asphaltdeckschicht bzw. der Asphaltbefestigung auswirkt, einen anforderungskonformen Einbau voraussetzt. Weiterhin wirkt bei einer Kompakten Asphaltbefestigung die intensive Verzahnung zwischen der oberen und unteren Asphaltschicht positiv auf den Verformungswiderstand. Auf den Abschnitten der freien Strecke der BAB 6, in denen die Asphaltdecke aus Splittmastixasphalt aus SMA 8 S und (dem nicht viskositätsveränderten Polymermodifizierten Bitumen) 25/55-55 A und Asphaltbinder AC 16 B S mit 10/40-65 A (resultierend) als kompakte Asphaltbefestigung eingebaut wurde und die über den Sommer 2020 einer besonders hohen Beanspruchung unterlagen, zeigten sich keine Verformungen. Zwar wird mit Sicherheit auch die – nach der Erfahrung im Sommer 2019 vorgenommene – Aufhellung der Asphaltdeckschicht mittels Wasserhochdruckstrahlen positiv gewirkt haben, doch ist die trotz der besonders hohen Beanspruchungen ausbleibende Verformung auch im Zusammenhang mit dem günstige(re)n Verformungsverhalten der Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt in Kompaktasphaltbauweise zu sehen (Bild 5).

Bild 5: Vor dem Einrichten einer Verkehrsführung: Hochdruckwasserstrahlen des provisorischen Fahrstreifens für den Lkw-Verkehr einer neu hergestellten Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt als obere Schicht einer Kompakten Asphaltbefestigung

... wird in Teil 2 forgesetzt ...