FGSV-Nr. FGSV 002/106
Ort Stuttgart
Datum 02.04.2014
Titel TrafficCheck.at – Crowdsourcing zur Evaluierung von Lichtsignalanlagen
Autoren DI Dr. Georg Kriebernegg, DI Erich Gaube
Kategorien HEUREKA
Einleitung

TrafficCheck.at ist eine online Feedback-Plattform zur intuitiven Bewertung der Verkehrsqualität und Verkehrssicherheit an lichtsignalgeregelten Kreuzungen sowie zur Störungsmeldung aus Sicht unterschiedlicher Gruppen von VerkehrsteilnehmerInnen via Smartphone oder Internet. Dabei ist TrafficCheck.at voll in das Qualitätsmanagementsystem für Lichtsignalanlagen von Stadtverwaltungen integriert und erlaubt eine systematische und strukturierte Erfassung sowie einfache Verwaltung der Bewertungen und Meldungen.
TrafficCheck.at kann als zentrales Werkzeug zur Interaktion und zum Informationsaustausch zwischen VerkehrsteilnehmerInnen und Stadtverwaltungen inklusive statistischer Kennzahlen zur Messung der Kundenzufriedenheit und deren Entwicklung im Laufe der Zeit dienen.

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1 Allgemeines zum Projekt

1.1 Motivation

Lichtsignalanlagen, kurz Ampeln, sind ein wesentlicher Teil städtischer Verkehrssysteme und beeinflussen maßgeblich die Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität an Knotenpunkten. Bisher erfolgten Planung, Bau, Erhaltung und laufender Betrieb im Regelfall durch technisches Fachpersonal in den Stadtverwaltungen, respektive durch beauftragte Fachfirmen. Darüber hinaus wurde die laufende Optimierung und Anpassung an sich verändernde Verkehrsverhältnisse selten systematisch, sondern oftmals auf Zuruf oder durch Bekanntwerden offensichtlicher Mängeln angegangen. Auf Grund der steigenden Anforderungen und Komplexität der Verkehrssteuerungen werden jedoch in den letzten Jahren von Verwaltungen vermehrt Qualitätsmanagementsysteme aufgebaut (vgl. Bernhard & Grahl 2008: 477, [1] und 2009: 517, [2]). Dafür ist neben den Themen Betriebssicherheit und Umweltschutz eine systematische und wiederkehrende Erfassung und Bewertung der Verkehrssicherheit und Verkehrsqualität vor Ort erforderlich. Diesbezüglich ist in Österreich im Februar 2013 eine neue Richtlinie erschienen, nämlich die RVS 05.04.35: Evaluierung von Verkehrslichtsignalanlagen. Allerdings werden darin subjektive Wahrnehmungen und Bewertungen von VerkehrsteilnehmerInnen und gruppenspezifische Besonderheiten beispielsweise von Menschen mit Behinderungen nicht oder nur indirekt berücksichtigt. Eine systematische Erfassung dieser individuellen Wahrnehmungen mit Crowdsourcing von unterschiedlichen Gruppen von VerkehrsteilnehmerInnen und die Integration in den Optimierungsprozess der städtischen Verkehrssteuerung kann Kosteneinsparungen bei laufenden Evaluierungen bringen und einen Zugewinn an Planungsqualität sowie die Entwicklung hin zu einem sozial verträglicheren Verkehrssystem unterstützen.

1.2 Idee

Die grundlegende Idee für die Entwicklung von TrafficCheck.at geht auf Internet-Plattformen wie http://www.holidaycheck.de/ zurück, wo Gäste ihr besuchtes Hotel einfach bewerten können. Dabei werden systematisch bestimmte Qualitätskriterien für beispielsweise Essen und Service vorgegeben und es können freie Textnachrichten formuliert werden. Darüber hinaus können sich Gäste bestimmten NutzerInnengruppen zuordnen, beispielsweise Single-Urlauberin oder Familie mit Kindern. Die Bewertungen sind für andere Gäste einsehbar und einfache Statistiken zeigen Durchschnittswerte oder Entwicklungstendenzen von Bewertungen auf. Damit bekommen sowohl zukünftige Gäste als auch das Hotel-Management einen guten und schnellen Überblick über die subjektive Kundenzufriedenheit und es können direkt Verbesserungsmöglichkeiten abgeleitet werden.

1.3 Ziele

Der wesentliche Unterschied von TrafficCheck.at zu einer Hotelbewertungs-Plattform oder anderen allgemeinen Meldungsplattformen wie „Mach mit!“ der Stadt Wien (Internet am 07.03.2013, http://data.wien.gv.at/apps/machmit.html) oder „Schau auf Linz“ (Internet am 07.03.2013, http://schau.auf.linz.at/) ist, dass die Verwaltung und Optimierung von Ampelanlagen einen speziellen technischen Hintergrund und ein fachspezifisches Systemwissen voraussetzt. Das macht es für VerkehrsteilnehmerInnen besonders schwierig, sinnvolle und für die Verwaltungen verwertbare Rückmeldungen und Informationen zu geben. Daher ergibt sich die Herausforderung, für die eine Seite eine sehr einfache und möglichst selbsterklärende Feedback-Plattform bereitzustellen und für die andere Seite dennoch ausreichend detaillierte und problemspezifische Informationen zu generieren. Aus diesen Überlegungen heraus ergaben sich folgende Hauptziele für die Entwicklung von TrafficCheck.at:

• Entwicklung einer online Feedback-Plattform zur intuitiven Bewertung der subjektiv empfundenen Verkehrsqualität und Verkehrssicherheit sowie zur Störungsmeldung aus Sicht unterschiedlicher Gruppen von VerkehrsteilnehmerInnen an ampelgeregelten Kreuzungen

• Integration von TrafficCheck.at in das Qualitätsmanagementsystem für Ampelanlagen von Stadtverwaltungen mit einer systematischen und strukturierten Erfassung und einfachen Verwaltung der Bewertungen und Meldungen

• Gewährleistung der Vergleichbarkeit und Kombinierbarkeit der subjektiven Bewertungen mit verschiedenen Bewertungssystemen bzw. mit den Kriterien einschlägiger technischer Richtlinien und Leitfäden (RVS 05.04.35, [3]; Schweigl al 2012 [4]; RiLSA 2010 [5]; Friedrich et al 2008 [6])

• Gestaltung als offene Kommunikationsplattform für alle unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse bestimmter Gruppen von Verkehrsteilnehmerinnen

• Verwendung von TrafficCheck.at als zentrales Werkzeug zur Interaktion und zum Informationsaustausch zwischen VerkehrsteilnehmerInnen und Stadtverwaltungen inklusive statistischer Kennzahlen zur Messung der Kundenzufriedenheit und deren zeitlicher Entwicklung

2 Umsetzung

2.1 Entwicklungsprozess

Das Entwicklungsteam von    TrafficCheck.at umfasste VerkehrsingenieurInnen, SoziologInnen, Verkehrspsychologinnen und Softwareingenieurinnen. Entwicklungsschritte waren:
Die wesentlichen

• Ableitung möglicher Bewertungskriterien aus technischen Richtlinien und Regelwerken

• Workshop im Richtlinien-Ausschuss der österreichischen Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV) für Verkehrslichtsignalanlagen (VLSA) zur Festlegung einer Reihe von grundlegenden organisatorischen und tecnischen Anforderungen aus Sicht der Stadtverwaltungen

• Fokusgruppeninterviews mit verschiedenen Gruppen von Verkehrsteilnehmerinnen

• ExpertInnenworkshop mit einer breiten Teilnehmermischung aus Verkehrsplanerinnen, Mitarbeiterinnen der Verwaltungen, Vertreterinnen aus Industrie und weiteren Interessensgruppierungen wie WalkSpace

• Erstellung des Lastenheftes zur Programmierung der ersten Testversion von TrafficCheck.at

Auf Grund der anschaulichen Ergebnisse wird nachfolgend kurz auf den Expertinnenworkshop eingegangen. Dabei wurden drei Hauptthemen bezogen auf die Gestaltung einer Feedback-Plattform diskutiert und jeweils wichtige Unterkriterien formuliert. Über eine einfache Bewertung der Unterkrierien mit Punktevergabe durch die Teilnehmerinnen ergab sich nach Summenbildung eine Wertungsreihung für die Einzelkriterien. Die Ergebnisse der Bewertung zu den drei Hauptthemen sind in den Bildern 1 bis 3 dargestellt.

Bild 1: Grundanforderungen der Verwaltungen

Bild 2: Kriterien einer guten ampelgeregelten Kreuzung

Bild 3: Motive für verkehrsteilnehmerinnen zur Nutzung des Systems

Alle angeführten Einzelkriterien wurden grundsätzlich als wichtig erachtet und die Bewertungspunkte stellen lediglich ein Meinungsbi d zur relativen Bedeutung untereinander dar. Dennoch ist bemerkenswert, dass die Verwaltungen mit großer Mehrheit vor allem auf eine gute und sinnvolle Differenzierung der Meldungen Wert legen. Bezüglich einer guten ampelgeregelten Kreuzung stimmen die gefundenen Kriterien mit den Inhalten bestehender technischer Regelwerke überein, wobei vor allem die barrierefreie Ausbildung ohne bauliche Hindernisse und eine hohe Sicherheit für alle VerkehrsteilnehmerInnen am höchsten bewertet wurden. Bei den Motiven für die Nutzung des Systems zeigen die Ergebnisse, dass für NutzerInnen offensichtlich das Gefühl, etwas mit ihrer Meldung zu bewirken, das entscheidende Kriterium darstellt. Die Wünsche nach einer Möglichkeit zur Abgabe spezifischer Verbesserungswünsche und zur Umsetzung der Meldung zeigen in eine ähnliche Richtung.

2.2 Systemarchitektur

Bei TrafficCheck können VerkehrsteilnehmerInnen über ein Smartphone direkt vor Ort oder über das Internet ihre Bewertungen und Meldungen abgeben und sich glleichzeitig über das Thema Ampeln informieren. Die Stadtverwaltung bekommt via Internet ortsunabhängig Zugriff auf die Plattform und kann beispielsweise Meldungen verwalten und auswerten, mit registrierten VerkehrsteilnehmerInnen in Kontakt treten und Informationen in das System zurückspeisen.

Im Hinblick auf eine möglichst einfache und intuitive Bewertungs- oder Meldungsabgabe wurde die in Bild 4 vereinfacht dargestellte Entscheidungsstruktur geschaffen.

Bild 4: Aufbau der Entscheidungsstruktur in TrafficCheck.at

Die bisher umgesetzten wesentlichen Merkmale und Inhalte von TrafficCheck.at sind:

•    Einfaches Mapping der eigenen Position und Auswahl der ampelgeregelten Kreuzung über eine Karte von OpenStreetMap © http://www.openstreetmap.org.

•    Wahl des Verkehrsmittels: Vorerst können VerkehrsteilnehmerInnen zwischen den Verkehrsmitteln Fuß, Rad, öffentlicher Verkehr und Pkw wählen und damit ihren Blickwinkel der Bewertung bekannt geben. Detailliertere Informationen zu eigenen spezifischen Bedürfnissen und Anforderungen können über die Funktion der Textnachrichten eingegeben werden. Die Erweiterung um beispielsweise bestimmte Gruppen von FußgängerInnen kann in weiteren Entwicklungsschritten erfolgen.

•    Grundsätzliche Unterscheidung zwischen Störungsmeldung und Qualitätsbewertung bzw. Beschwerde: Mit der vorgegebenen Struktur müssen sich NutzerInnen entscheiden, ob sie eine Störung melden oder eine Bewertung bzw. Beschwerde abgeben wollen. Selbst wenn die eigentliche Motivation eine Beschwerde ist, unterstützt dann das Design eine Bewertung aller vorgegebenen Kriterien.

•    Die Qualitätsbewertung selbst erfolgt derzeit auf zwei Ebenen. Unter Berücksichtigung der Analyseergebnisse aus dem Projekt und technischen Regelwerken (vgl. RVS 05.04.35, [3]; Friedrich et al. 2008, [6]; Schipany 2010, [7]) wurden als Hauptkriterien die Verkehrssicherheit, die Verkehrsqualität und die Anlagenbeschaffenheit festgelegt. Auf der zweiten Ebene lauten die Subkriterien für die Verkehrssicherheit: Sichtverhältnisse, Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmerinnen, Nachtbetrieb / Betriebszeiten und anlagenseitige Gestaltung. Für die Verkehrsqualität lauten die Subkriterien: Wartezeit, Grünzeit, grüne Welle und Anmeldung für Grün. Für die Anlagenbeschaffenheit lauten die Subkriterien: Beleuchtung, bauliche Verhältnisse, ausreichend Platzverhältnisse und Blindenakustik/Barrierefreiheit. Die ausgewählten Subkriterien sind ein Kompromiss zwischen möglichst einfacher und schneller Benutzung bei dennoch – für die Verwaltung – brauchbaren Informationen. Jedes Subkriterium ist in einem Glossar erklärt und es kann durch Beschreibungen via Textnachricht die eigene Bewertung erklärt werden.

•    Die Abgabe von Textnachrichten und Foto-upload ist ausschließlich für registrierte VerkehrsteilnehmerInnen möglich, damit ein allzu leichter Missbrauch verhindert wird. Darüber hinaus ist ein privater Bereich für die registrierten NutzerInnen vorhanden, wo die eigenen Bewertungen und Meldungen sichtbar sind und direkter Kontakt zur Verwaltung via E-Mail aufgenommen werden kann.

3 Lifetest

3.1 Testrahmen

TrafficCheck wurde für den Testbetrieb als iPhone-App für die Stadt Graz umgesetzt und ist gegenwärtig über den Apple-Store kostenlos zu testen. Das Grazer Verkehrssteuerungssystem umfasst insgesamt 291 Lichtsignalanlagen und wird von den Mitarbeitern des Referats für Verkehrslichtsignalanlagen im Straßenamt der Stadt Graz verwaltet. Mit dem Ziel der Aufnahme des Echtbetriebes in Graz wurde im Mai 2013 ein strukturierter Lifetest organisiert. Dabei haben nicht facheinschlägig ausgebildete Personen über ihr iPhone gezielt ampelgeregelte Kreuzungen auf ihren täglichen Wegen bewertet. Die Testpersonen konnten sowohl die Ampeln als auch ihr benutztes Verkehrsmittel frei wählen. Bezüglich der Auswahl der Testpersonen ist anzumerken, dass keine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung angestrebt wurde. Der Lifetest diente in erste Linie zur Gewinnung von Erkenntnissen bezüglich der Verständlichkeit der Bewertungskriterien und in zweiter Linie der guten Bedienbarkeit der Softwareumsetzung. Außerdem sollte die gewählte Art der einfachen und einheitlichen Bewertung mit maximal vier Sternen pro Kriterium auf die Vergleichbarkeit mit den normierten drei Bewertungsstufen gemäß RVS geprüft werden. Bild 5 zeigt die Bewertungskriterien von TrafficCheck als Screenshot der App.

Bild 5: Screenshot Bewertung Einzelkriterien in TrafficCheck

3.2 Feedback der Verkehrsteilnehmerinnen

Während des Testzeitraumes im Monat Mai wurden insgesamt 159 Bewertungen zu 97 ampelgeregelten Kreuzungen eingetragen. In Bild 6 ist die Verkehrsmittelwahl der Testpersonen für die 10 am häufigsten bewerteten Anlagen dargestellt. Auffallend ist, dass relativ wenige Bewertungen aus Sicht von ÖV-Nutzerinnen erfolgten.

Bild 6: Verkehrsmittelwahl beim Lifetest für die 10 am häufigsten bewerteten Anlagen

Für die weiteren Auswertungen erfolgt eine Zuordnung der Bewertung in TrafficCheck mit Sternen zu einer numerischen Skala von 0 bis 4:

•    ☼                schlecht = Wert 4,       Farbe Rot

•    ☼ ☼            ungünstig = Wert 3,    Farbe Orange

•    ☼ ☼ ☼        akzeptabel = Wert 2,  Farbe Hellgrün

•    ☼ ☼ ☼ ☼    sehr gut = Wert 1,      Farbe Dunkelgrün

•    Leer = keine Bewertung = Wert 0

Bei mehreren Bewertungen wird pro Kriterium das arithmetische Mittel berechnet und zur Ausweisung einer Gesamtbewertung der Anlage bzw. Kreuzung werden im Gegensatz zur RVS 05.04.35 alle Kriterien ungewichtet also gleichwertig im Mittelwert berücksichtigt. Die Bewertungen mit TrafficCheck sind demnach auf Grund der abweichenden Skalierung und Gewichtung derzeit nicht direkt mit einer Evaluierung gemäß RVS vergleichbar. Allerdings lässt sich eine derartige Vergleichbarkeit einfach durch entsprechende Anpassungen in der Software herstellen.

3.3 Beispiele der Bewertung mit TrafficCheck

Zunächst erfolgt eine Darstellung der Bewertungen durch die Verkehrsteilnehmerinnen für die 10 am häufigsten bewerteten Lichtsignalanlagen (LSA) gemäß oben beschriebener Systematik aus Sicht der Kfz-Lenkerinnen. Durch die gewählte Farbgebung in der nachfolgenden Tabelle 1 sind sehr schnell mögliche Defizite der Kreuzungen in den einzelnen Kriterien zu erkennen. Zu beachten ist, dass die Auswertung auf Grund der kurzen Testphase und beschränkten Anzahl an VerkehrsteilnehmerInnen lediglich als Anschauungsbeispiel dienen soll. Dennoch sind tendenziell verschiedene Qualitätsniveaus bei den einzelnen ampelgeregelten Kreuzungen festzustellen. Je nach zu Grunde liegender Stichprobe können solche Auswertungen dann direkt als Anstoß zur Ableitung von Maßnahmen oder wenigstens zur Prioritätenreihung einer fachlichen Überprüfung herangezogen werden. Abkürzungen in Tabelle 1: k.B. bedeutet „keine Bewertung“.

Tabelle 1: Bewertung der 10 am häufigsten bewerteten Anlagen in Graz im Mai 2013 aus Sicht der Kfz-Lenkerinnen

Als weiteres Beispiel werden die Bewertungen aller implementierten Kriterien für die Anlage mit der Nummer 560 Münzgrabenstraße/Steyrergasse in Form eines Radialdiagramms in Bild 7 dargestellt. Für diese Kreuzung wurden Bewertungen aus Sicht von Kfz-Lenkerinnen, Radfahrerinnen und ÖV-Nutzerinnen abgegeben. Die Kreuzung liegt in der Grazer Kernstadt in unmittelbarer Nähe zur Technischen Universität und ist geprägt durch eine sehr intensive Nutzung mit allen Verkehrsmitteln. Im ÖV queren sowohl eine Straßenbahnlinie als auch mehrere Buslinien, wobei die Haltestellen jeweils direkt vor dem Kreuzungsbereich liegen.

Bild 7: Detailbewertung mit trafficCheck für Anlage 560 Münzgrabenstraße/Steyrergasse

Zu erkennen ist, dass offensichtlich der Radfahrer die Kreuzung durchwegs sicher und ohne größere Probleme befahrbar bewertet. Lediglich bei der Wartezeit und Anmeldung für Grün wird nur ein „akzeptabel“ empfunden. Stärker differenziert sind die Ergebnisse beim Kfz-Verkehr (durchgezogene Linie) und ÖV (strich-punktierte Linie) in Abbildung 7. Dabei decken sich die Einschätzungen der VerkehrsteilnehmerInnen gut mit der fachlichen Beurteilung.

Dazu einige Beispiele:

• Grüne Welle: Die Steuerungsstrategie LSA liegt in keinem Koordinierungsband und die ist auf eine ÖV-Bevorrangung ausgelegt. Lediglich die bedarfsgesteuerte Umlaufzeit ist mit maximal 90 Sekunden begrenzt.

• Anmeldung für Grün: Die direkt im Kreuzungsbereich haltenden Straßenbahnen sperren den im Mischverkehr geführten nachfolgenden Kfz-Verkehr. Die Straßenbahnen werden in der Annäherung an die Kreuzung über eine lange Vorlaufstrecke (290m bzw. 450m) über mehrere Meldepunkte inklusive Abmeldung erfasst. Die Beobachtung durch Fachpersonal in den Morgenstunden hat ergeben, dass lediglich durch nachfahrende Kfz hinter einer ha tenden Straßenbahn merklich erhöhte Aufstelllänge auftreten. Jedoch können in der Regel auch die von einem Halt der Straßenbahn betroffenen Kfz innerhalb eines Umlaufes abgefertigt werden. Die etwas schlechtere Bewertung der Anmeldung für Grün aus Sicht des ÖV-Nutzers gegenüber den Kfz-Nutzern deutet auf Probleme beim Ausräumen der Haltestellen bei Annäherung der Straßenbahnen in den Stoßzeiten hin. Die Messungen vor Ort haben ergeben, dass durch Vorziehung der Nebenphase Verkürzungen der Freigabezeit für die Hauptrichtung von bis zu 8 Sekunden auftreten. In der Regel ist diese Maßnahme für eine zeitgerechte Abfertigung der Straßenbahn ausreichend. Dem gegenüber wurde eine Verlängerung der Freigabezeit der Hauptrichtung zum Zweck der Abfertigung der Straßenbahn innerhalb der aktuellen Phase selten beobachtet. Die Dehnung lag im Beobachtungsfall bei 17 Sekunden. Aus fachlicher Sicht scheinen die Eingriffe zur ÖV-Beschleunigung jedenfalls maßvoll und zielführend zu sein.

• Ausreichende Platzverhältnisse, bauliche Verhältnisse: Insgesamt sind beengte Platzverhältnisse anzutreffen. Die Kfz-Abbiegestreifen sind schmal und verhältnismäßig kurz. Die Haltestelle der Straßenbahn stadteinwärts weist geringe Aufstandsflächen auf.

• Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern: Bei einem Ortsaugenschein waren häufig Fußgängerquerungen abseits der Schutzwege zu den verschiedenen Zielen im Nahbereich der Kreuzung (Imbissstand, Bank, Haltestelle) zu beobachten. Darüber hinaus wurden einige erklärende Textmeldungen von den TesterInnen abgegeben. Beispielsweise wies ein Autofahrer auf Konflikte mit im Verkehr mitfahrenden Radfahrern hin und tatsächlich sind keine Radfahrstreifen oder Radwege im Kreuzungsbereich vorhanden. In der derzeitigen Form der allgemeinen Textierung ist jedoch die Zuordnung zu den einzelnen Kriterien oftmals schwierig.

• Gesamtbewertung: Insgesamt ist in den beobachteten Morgenstunden ein flüssiger Verkehrsablauf ohne nennenswerte Behinderungen gegeben.

In ihrer Aussagekraft ähnlich plausible Ergebnisse sind nahezu bei allen ausgewerteten Kreuzungen vorzufinden. Allerdings wurde durch den Lifetest auch weiterer Optimierungsbedarf aufgezeigt. Die entsprechenden Erkenntnisse und einige Kritikpunkte und Empfehlungen zur Nutzung von Crowd-Information für die Evaluierung von ampelgeregelten Kreuzungen werden im nachfolgenden Kapitel diskutiert.

3.4 Ergebnisdiskussion und Empfehlungen

Der Lifetest hat gezeigt, dass grundsätzlich mit Crowdsourcing auch strukturiertes und systematisches Feedback bezogen auf komplexe Situationen, wie jene von ampelgeregelten Kreuzungen, generiert werden kann. Trotz der relativ geringen Anzahl an Bewertungen je Kreuzung wurden von den VerkehrsteilnehmerInnen die Schwachstellen und Probleme gut erkannt. Zusätzlich liefern Textmeldungen weitere wertvolle Informationen bezüglich der wahrgenommen Situation vor Ort. Allerdings sind in Hinblick auf eine möglichst gute Bedienbarkeit einfache Formulierungen der Kriterien erforderlich, was auf der Fachseite Interpretationsschwierigkeiten hervorruft. Beispielsweise sind bei den Konflikten mit Verkehrsteilnehmern keine Informationen über die Art von Konflikten und daran Beteiligten vorhanden. Das verwendete Bewertungssystem mit Sternen – analog zu vielen gängigen Bewertungsplattformen – ist für diese spezifische Anwendung nicht optimal und manchmal irreführend. Beispielsweise war es für die VerkehrsteilnehmerInnen bei den Kriterien „Wartezeit“ und „Konflikten mit Verkehrsteilnehmern“ nicht immer klar, dass 4 Sterne eine gute Bewertung darstellen. Dies wurde in Einzelfällen mit „viele Sterne entsprechen einer langen Wartezeiten bzw. vielen Konflikten“ verwechselt. Darüber hinaus ist die einheitliche Formulierung der Kriterien für jedes Verkehrsmittel nicht zweckdienlich, da beispielsweise  die „grüne Welle“ für Fußgänger keine Bedeutung aufweist.

Zusammenfassend lassen sich aus der bisherigen Arbeit zum Projekt TrafficCheck.at und dem Lifetest mit VerkehrsteilnehmerInnen folgende Empfehlungen ableiten:

• Crowdsourcing mit TrafficCheck.at ist eine nützliche Ergänzung zu objektiven Kriterien eines Qualitätsmanagement-Systems für Lichtsignalanlagen

• Für die Weiterentwicklung empfiehlt sich die Anpassung des Bewertungsschemas individuell je Verkehrsmittel und mit einer unmissverständlichen Bewertungssystematik

• Die vorgegebene Anzahl von 12 Einzelkriterien aus 3 Haupthemen mit je 4 Unterkriterien scheint einen noch akzeptablen Aufwand bei der Bewertung für Verkehrsteilnehmerinnen darzustellen

• Textmeldungen werden durchwegs zur detaillierten Beschreibung auffälliger Situationen vor Ort herangezogen und sollten in jedem Fall ermöglicht werden und im Idealfall direkt mit einzelnen Bewertungskriterien verknüpfbar sein

4 Ausblick

TrafficCheck.at wurde grundsätzlich modular konzipiert und kann je nach Anforderungen von Stadtverwaltungen weiterentwickelt und angepasst werden. Damit besteht die Möglichkeit, TrafficCheck zu einem zentralen Verwaltungswerkzeug für das Qualitätsmanagement an Lichtsignalanlagen auszubauen. Für die Stadt Graz ist diese Vision in Bild 8 skizziert. Darin laufen alle Informationen für den täglichen Verwaltungsprozess zentral zusammen und können über diverse Schnittstellen gesteuert werden. Die grau hinterlegten Module wurden innerhalb des vom BMVIT geförderten Forschungsprojektes für einen ersten Testbetrieb in der Stadt Graz entwickelt. Abkürzungen in Bild 8: QM-LSA steht für Qualitätsmanagement-Lichtsignalanlagen.

Bild 8: TrafficCheck als umfassendes Verwaltungswerkzeug für das Ampelsystem in der Stadt Graz

5 Danksagung

TrafficCheck.at entstand aus einem Forschungsprojekt, das teilweise vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Programm ways2go der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert wurde.

Projektpartner waren:

• IKK Kaufmann-Kriebe negg ZT-GmbH als Konsortialführer, Graz

• Fluidtime Data Services GmbH, Wien

• FACTUM Chaloupka    Risser OHG, Wien

• Technische Universität Wien, Fachbereich für Verkehrssystemplanung

Das Projekt hat im Jahr 2011 den Mobilitätspreis des Verkehrs Club Österreich (VCÖ) in der Kategorie Technische Infrastruktur gewonnen.

6 Literatur

[1]    BERNHARD J., GRAHL S. (2008). Praktischer Leitfaden zur Beurteilung der Qualität an Lichtsignalanlagen. In Straßenverkehrstechnik, Jahr 2008, Heft 8, Seiten 477-481.

[2]    BERNHARD J., GRAHL S. (2009). Praktischer Leitfaden zur Beurteilung der Qualität an Lichtsignalanlagen – Checklisten und normierte Kenngrößenbewertung. In Straßenverkerstechnik, Jahr 2009, Heft 8, Seiten 517-52 .

[3]    RVS 05.04.35. Evaluierung von Verkehrslichtsignalanlagen. Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV , Februar 2013.

[4]    SCHWEIGL A., DÜSTERWALD M., REUSSWIG A., BOLTZE M. (2012): Qualitätsanalyse im laufenden Betrieb von Lichtsignalanlagen. In Straßenverkehrstechnik, Jahr 2012, Heft 4, Seiten 217-224.

[5]    RiLSA (2010). Richtlinien für Lichtsignalanlagen – Lichtzeichenanlagen für den Straßenverkehr. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Arbeitsgruppe Verkehrsmanagement, Ausgabe 2010, FGSV-Nr. 321.

[6]    FRIEDRICH B., HOFFMANN, S., POHLMANN, T., KUTZNER, R., BARTEL, S. (2008). Umsetzungshinweise zum Qualitätsmanagement für Lichtsignalanlagen. Hannover, München, Schlussbericht zum FE 03.0408/2006/DGB, im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

[7]    SCHIPANY M. (2010). EVA Leitfaden zur Evaluierung für Verkehrslichtsignalanlagen in Wien. Im Auftrag der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, Version 1.04, Stand 12.07.2010.