FGSV-Nr. FGSV 002/96
Ort Stuttgart
Datum 16.03.2011
Titel Umweltbelastungen durch Stadtverkehr: Integrierte Planungsverfahren sind gefordert
Autoren Dipl.-Ing. Jochen Richard
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt hat die Europäische Union seit 1996 Richtlinien zur Verbesserung der Luftqualität und zur Minderung des Umgebungslärms verabschiedet. Mit der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes am 06. August 2010 wurden zuletzt die Anforderungen der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa in nationales Recht umgesetzt. Insbesondere der Tagesgrenzwert für Feinstaub (PM10) von 50 µg/m3 und der seit dem 1. Januar 2010 geltende Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m3 werden vor allem an stark befahrenen Straßen mit Straßenschluchten überschritten und bedürfen dann eines Luftreinhalteplans. Diese Straßen sind in der Regel auch stark lärmbelastet, das heißt mit einem Pegel von mehr als 65 dB(A), der als Grenze zur Gesundheitsschädlichkeit gilt. Hierdurch entsteht erheblicher Handlungsbedarf.

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1. Aufgabenstellung

Bisherige Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass punktuelle Einzelmaßnahmen in der Regel nicht zu einer ausreichenden Verringerung der Schadstoffbelastung führen, sondern Maßnahmenbündel innerhalb abgestimmter Handlungskonzepte am ehesten die notwendigen Effekte erreichen können. Diesen Erkenntnissen folgte die Forderung, vom bisherigen Schwerpunkt auf Einzelmaßnahmen im Umfeld von Messstationen auf integrierte Verfahrens- und Maßnahmenansätze überzugehen.

Der Förderung einer solchen Vorgehensweise dient das FoPS-Vorhaben 73.0334 "Wirksamkeit und Effizienz kommunaler Maßnahmen zur Einhaltung der EU-Luftqualitäts- und - Umgebungslärmrichtlinie". Mit dem Projekt sollten Potenziale zur Steigerung der Effizienz der Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung durch Maßnahmen- und Verfahrensoptimierung aufgezeigt, die Anwendungsmöglichkeiten bewertet und die sich ergebenden Erfordernisse für Politik, Verwaltung und Gesetzgebung in Bund, Ländern und Gemeinden dargestellt werden. Als Ergebnis wurde ein Leitfaden entwickelt, in dem Verfahrensschritte für die Aufstellung der Pläne unter Nutzung möglicher Synergieeffekte ebenso enthalten sind wie Hinweise zur Auswahl, Bewertung und abgestimmten Durchführung geeigneter Maßnahmen.

Entsprechend der bisher vielfach üblichen Erfassung der Luftschadstoffbelastung über punktuelles Messstellen wurden in Aktionsplänen häufig nur punktuell im Umfeld der Messstelle wirksame Maßnahmen, wie Lkw-Durchfahrverbote auf einzelnen Straßenabschnitten oder räumlich wirkende Maßnahmen mit einem nur schwachen Eingriff in den Kfz-Verkehr, ausgearbeitet und umgesetzt. Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass

- punktuelle Einzelmaßnahmen in der Regel nicht zu einer ausreichenden Verringerung der Schadstoffbelastung führen, sondern

- Maßnahmenbündel innerhalb abgestimmter Handlungskonzepte am ehesten die notwendigen Effekte erreichen können.

Diesen Erkenntnissen folgte der Untersuchungsansatz des Forschungsvorhabens, vom bisherigen Schwerpunkt auf Einzelmaßnahmen im Umfeld von Messstationen auf integrierte Verfahrens- und Maßnahmenansätze überzugehen.

Um konkrete Planungshinweise zu erhalten, wurden für drei Fallbeispiele in Teilräumen von 5x5 km unabhängig von bestehenden lokalen Planungen idealtypische Planungskonzepte entwickelt und die sich daraus ergebenden Entlastungen berechnet, um die Wirkung von komplexen Maßnahmenpaketen mit zum Teil starken Eingriffen in der motorisierten Straßenverkehr auf die Luftbelastung zu testen, die Auswirkungen auf die Lärmminderung zu beachten und verfahrensmäßige Voraussetzungen zu beschreiben. Die Auswahl der Fallbeispiele erfolgte nach einem breit gestreuten Aufruf: Hannover, Karlsruhe, Wuppertal und Ludwigsburg.

Entsprechend den für das jeweilige Fallbeispiel festgelegten Maßnahmenschwerpunkten wurde für die betrachteten Teilräume ein idealtypisches Maßnahmenkonzept erarbeitet, um Minderungspotenziale maximal auszuschöpfen. Die Maßnahmenauswahl basiert sowohl auf den Ergebnissen der von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) aufgebauten MARLIS- Datenbank ("Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft in Bezug auf Immissionen an Straßen") als auch auf einer umfassenden Literaturanalyse.

2. Untersuchungsmethode

Die MARLIS-Datenbank enthält Maßnahmen aus vorliegenden Luftreinhalte- und Aktionsplänen mit einer groben Bewertung der Minderungswirkung für PM10 und NO2. Ausgewertet wurde die erste Version der Datenbank aus dem Jahr 2006 mit 1.404 Maßnahmen. Zur Bewertung der Maßnahmen wird eine fünfstufige Skala verwendet, auf der die Wirkung von "1" (≥ 10μg/m³; sehr hohe Wirkung) bis "5" (keine Wirkung) bewertet wird.

Tabelle 1: Einteilung der Maßnahmenwirkungen in Wirkungskategorien gemäß MARLIS

Sowohl für die PM10- als auch die NO2-Minderung führte die Auswertung zu einem ernüchternden Ergebnis: Von den 1.404 Maßnahmen führen bezogen auf die PM10-Belastung lediglich acht und bezogen auf die NO2 -Belastung lediglich 20 zu sehr hohen Minderungswirkungen. Die große Mehrheit der aufgeführten Maßnahmen führt dagegen nur zu einer geringen oder gar keiner Minderungen der Schadstoffbelastung. Die drei Wirkungsgrade sehr hohe, hohe und mittlere Wirkung beinhalten nur gut ein Viertel der 1.404 betrachteten Maßnahmen. Abbildung 1 stellt die Verteilung der Wirksamkeit der Maßnahmen auf die PM10- Reduzierung dar. Die Maßnahmen, die zu nennenswerten Wirkungen führen, sind für PM10 und NO2 nicht vollständig identisch, sind jedoch überwiegend in ihrer Minderungswirkung ähnlich.

Bild 1: Wirksamkeit der Maßnahmen bezogen auf PM10 (Grundgesamtheit 1.404 Maßnahmen); Prozentangaben gerundet

Aus der Literaturrecherche wurden vor allem Maßnahmen ermittelt, die in bisherigen Luftreinhalte- oder Aktionsplänen nicht dokumentiert sind. Darunter fallen insbesondere Ergebnisse aus aktuellen Forschungsvorhaben sowie jüngere Maßnahmenansätze, die in der MARLIS-Datenbank noch nicht erfasst wurden.

Die für die Immissionsberechnungen benötigte Datenaufbereitung wurde durch ein Datenmanagement begleitet, da die Daten der beteiligten Fallbeispielstädte, wie in vielen anderen Städten auch, unterschiedlich strukturiert und qualifiziert waren. Eine Synergie gemeinsamer Datennutzung wurde erst nach dem Import in die eingesetzte Datenbank möglich.

Im Gegensatz zu der bisher üblichen Vorgehensweise mit Einzelmaßnahmen oder unabgestimmten Maßnahmenkombinationen wurden für die drei Fallbeispiele stadtspezifischen Maßnahmenpakete zusammengestellt. Da diese Maßnahmenkombinationen so bisher nicht umgesetzt wurden, gehen die Ergebnisse neben der MARLIS-Datenbank und der Literatur- analyse als dritte Erfahrungssäule in die nachfolgenden Empfehlungen ein.

Um die Wirksamkeit der Maßnahmenpakete zu prüfen, wurden sie in die Verkehrsmodelle der Fallbeispielstädte eingespeist, ohne jedoch eine Nachfrageänderung zu simulieren. Zur Grobeinschätzung, ob von den gewählten Maßnahmen überhaupt wesentliche Effekte zur Luftreinhaltung ausgehen, reicht diese Vorgehensweise aus. Im Anschluss wurden mit den Daten aus den Verkehrsmodellen Immissionsberechnungen für die Fallbeispiele durchgeführt. Die Ermittlung der Luftschadstoffbelastung erfolgte dabei in drei Szenarien:

- Analysefall: Untersuchung des bisherigen Zustands ohne Umweltzone und ohne andre umgesetzte Maßnahmen zum Vergleich mit Messwerten zur Plausibilitätsprüfung,

- Prognose-0-Fall: Berücksichtigung bereits vorhandener Maßnahmen (z. B. Umweltzone),

- Prognose-Planfall: Berücksichtigung der im Rahmen des Forschungsvorhabens vorgeschlagenen Maßnahmenpakete.

Die berechneten Schadstoffkonzentrationen, die sich durch die im Modell berücksichtigten Straßenabschnitte ergeben, werden "Zusatzbelastungen" genannt. Für den Fall, dass die großräumigen städtischen Hintergrundbelastungen mit eingerechnet werden konnten, wird von "Gesamtbelastungen" gesprochen. Um eine realistische Einschätzung der zu erwartenden Luftschadstoffbelastungen zu erhalten, war die großräumige Berücksichtigung des Straßennetzes der Fallbeispielstädte angebracht. Für die Immissionsberechnungen wurde das Modell PROKAS verwendet. Mit dem Zusatzmodul PROKAS_B wurde der Einfluss der Straßenrandbebauung für typisierte Bebauungssituationen einbezogen.

Die Bewertung der Maßnahmenwirkungen auf die NO2- sowie die PM10-Belastungen erfolgt anhand der Wirkungskategorien der MARLIS-Datenbank.

3. Untersuchungsergebnisse

Geeignete Maßnahmen zur Luftreinhaltung lassen sich gliedern in

- Kernmaßnahmen – hohes Wirkungspotenzial,

- flankierende Maßnahmen – geringeres Wirkungspotenzial, aber zur Unterstützung der Kernmaßnahmen geeignet,

- unterstützende Maßnahmen – geringes Wirkungspotenzial, aber zur Unterstützung von flankierenden Maßnahmen geeignet.

Tabelle 5.1.: Maßnahmenübersicht

Die Wirksamkeit der verkehrlichen Maßnahmen auf die PM10-Zusatzbelastung hängt wesentlich davon ab, ob und wie stark der Schwerverkehr reduziert werden kann. Das wird vor allem am Beispiel Karlsruhe deutlich. Dort ließe sich mit der idealtypisch hoch angesetzten Reduzierung des Schwerverkehrs eine deutliche Reduzierung der PM10-Zusatzbelastung erzielen. Größer ist der Einfluss des Schwerverkehrs auf die NO2-Zusatzbelastung, da die größten Emittenten von Stickoxiden die Lkw sind, die in der Regel mit Dieselmotoren ausgestattet sind.

Die Wirksamkeit der auf den Pkw-Verkehr einwirkenden Maßnahmen fällt wesentlich geringer aus bei den Lkw-bezogenen Maßnahmen:

- Die Maßnahmen "City-Maut" und "Erhöhung des Besetzungsgrades" (Mobilitätsmanagement, Kapazitätserhöhung im öffentlichen Verkehr) haben lediglich eine geringe bis mittlere Wirksamkeit.

- Die Maßnahmenkombination aus Lückenschluss von Umfahrungsstraßen, Straßenrückbau, intensiver Förderung des ÖPNV, Parkraummanagement und Mobilitätsmanagement weist ebenfalls maximal eine mittlere Wirksamkeit auf. Dies lässt auf eine geringe Wirkung der Einzelmaßnahmen schließen.

- Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h auf Hauptverkehrsstraßen kann als alleinige Maßnahme in der Regel nicht dazu führen, dass die Grenzwerte dauerhaft unterschritten werden. Ihre Wirksamkeit auf die Luftbelastung ist als gering bis mittel einzustufen.

- Die Wirkung von Umweltzonen sollte dagegen nicht unterschätzt werden. Der "zielgruppenreine" Ausschluss von stark emittierenden Kfz vermag die Luftbelastung möglicherweise stärker zu reduzieren als beispielsweise der diffuse Ausschluss von Kfz durch eine Mautpflicht. Eine mittlere Wirksamkeit ist jedoch nur bei einer konsequenten Umsetzung mit Ausschluss der Schadstoffklassen 1 bis 3 (Einfahrt nur für Fahrzeuge mit grünen Plaketten) gegeben.

- Die Machbarkeitsstudie für Ludwigsburg-Eglosheim unterstreicht auch bei "starken" Maßnahmen wie dem Bau einer Ortsumfahrung die Notwendigkeit von Maßnahmenkombinationen.

Aus den Ergebnissen der Untersuchung wird deutlich, dass der Schwerverkehr die Emissionen von NO2 und PM10 bestimmt. Nur mit einer spürbaren Verringerung des Schwerverkehrs lässt sich eine deutliche Reduzierungen der NO2- und PM10-Zusatzbelastungen erreichen. Andere Maßnahmenkombinationen werden in der Regel nur auf Straßenabschnitten mit einer geringen Grenzwertüberschreitung dazu beitragen, die Grenzwerte einzuhalten oder gar zu unterschreiten.

Tabelle 2: Wirkung der Maßnahmen (-kombinationen) anhand der Immissionsberechnungen

4. Handlungsempfehlungen

Sowohl bei Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung oder -vermeidung als auch bei Maßnahmen mit direkter Auswirkung auf die Schadstoffimmissionen bleiben ausreichend starke Wirkungen für eine dauerhafte Reduzierung der Schadstoffbelastung oder gar eine Unterschreitung der Grenzwerte bislang in den meisten Fällen aus (siehe Auswertung MARLIS- Datenbank). Dies bestätigen auch die Immissionsberechnungen im Rahmen des Forschungsvorhabens.

Die Entwicklung eines wirksamen Handlungskonzepts muss deshalb über den bisher vielfach üblichen Planungsumfang hinausgehen. Die Ergebnisse der Fallbeispiele zeigen, dass folgende Regeln für eine erfolgreiche Minderung der Schadstoffbelastung beachtet werden sollten:

1. Die Maßnahmen sind in aufeinander abgestimmten Paketen zu konzipieren, in denen Kernmaßnahmen mit hoher Wirkung mit geeigneten flankierenden Maßnahmen geringerer Wirkung kombiniert werden, um Synergieeffekte zu erzielen.

2. Die Maßnahmen sind so zu kombinieren, dass im Gegensatz zu bisher vielfach üblichen einseitigen Angebotsplanungen gleichrangig Push- und Pull-Effekte genutzt werden.

3. Es sind möglichst umfassende Maßnahmen zur Beeinflussung des Lkw-Verkehrs vorzusehen, da sie die höchsten Minderungswirkungen erwarten lassen.

4. Schließlich sind die Maßnahmen konsequent, d. h. ohne zu weitreichende Ausnahme- und Sonderregelungen, umzusetzen und entsprechend zu überwachen.

Eine denkbare Maßnahmenkombination mit den Elementen Push-/ Pull-Effekte und Kernmaßnahmen/ flankierende Maßnahmen zur Reduzierung des Lkw-Verkehrs bzw. des durch den Lkw-Verkehr verursachten Schadstoffausstoßes stellt die folgende Abbildung dar:

Bild 2: Maßnahmenpaket "Lieferverkehr"

5. Planerischer Abstimmung von Maßnahmen zur Luftreinhaltung und Lärmminderung

Die vom Straßenverkehr verursachten lokalen Belastungsschwerpunkte für Luft und Lärm überschneiden sich insbesondere in Großstädten in vielen Fällen. Zudem tragen viele Maßnahmen zur Minderung des Lärms und der Luftschadstoffbelastung zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei. Bisher ist dennoch vielfach zu beobachten, dass diese Umweltthemen nicht nur auf EU-Ebene sondern bis hinunter zu den für die Aufstellung der Pläne zuständigen Behörden isoliert und nicht integriert betrachtet werden. Eine effektive und letztlich auch nachhaltige Entlastung der Umwelt ist jedoch nur mit einer integrierten und vernetzten Vorgehensweise mit abgestimmten Einzelmaßnahmen zu erreichen.

Ein Vergleich der Wirkung von Maßnahmen zur Lärmminderung mit Maßnahmen zur Luftreinhaltung identifiziert die Maßnahmen, bei denen Synergieeffekte genutzt und konträre Wirkungen ausgeschlossen werden können. In den Tabellen 3 und 4 werden hierzu Maßnahmenwirkungen verschnitten.

Tabelle 3: Maßnahmen mit hoher Lärmminderungswirkung

Tabelle 4: Lärmmindernde Wirkung von Maßnahmen mit (hoher) Minderungswirkung auf die Luftbelastung (0 = keine Wirkung, + Wirkung vorhanden)

Ein Vergleich der beiden Tabellen zeigt, dass vor allem folgende Maßnahmen die hocheffektive Schnittmenge mit großer Wirkung auf die Luft- und Lärmbelastung darstellen:

- Ortsumfahrungen/ Entlastungsstraßen mit Straßenrückbau (mittel- bis langfristig),

- Lkw-Beschränkungen mit Lkw-Lenkungskonzept (kurz- bis mittelfristig),

- Förderung des Umweltverbundes mit Veränderung des Modal Splits (mittel- bis langfristig).

Beim Neubau von Straßen (Ortsumfahrungen, Entlastungsstraßen, Netzschlüsse) ist der zu erwartende Entlastungseffekt im Vorfeld der Planung detailliert zu prüfen. Doch auch bei einem für die Lärm- und Luftbelastung positiven Ergebnis können sich im weiteren Verfahren Umwelteingriffe zeigen, die einen Straßenneubau nicht rechtfertigen.

Die genannten Maßnahmen sind nicht nur in der Lage, Luftschadstoff- und Lärmprobleme effektiv zu mindern, sondern sie tragen auch maßgeblich zur Reduzierung des CO2- Ausstoßes bei. Wie auch bei der Wirkung auf die Luftqualität, ist auch bei der Lärm- und CO2-Minderung der größte Effekt von Maßnahmen zu erwarten, die den Lkw-Verkehr reduzieren. Da der städtische Lieferverkehr vor allem vom leichten Güterverkehr (bis 3,5 t) dominiert wird, müssen auch in der Lärmminderung hier die Maßnahmen ansetzen. Die schon tot geglaubte City-Logistik kann hier möglicherweise unter anderen Rahmenbedingungen (z. B. Elektro-Mobilität) eine unerwartete Renaissance erfahren.

Die Ergebnisse des FoPS-Vorhabens werden als Leitfaden vom BBSR in Kürze als Online- Publikation veröffentlicht. In diesem Leitfaden sind umfangreiche Tabellen mit einer Wirkungseinschätzung der Einzelmaßnahmen auf die PM10-, NO2-, CO2- und Lärmbelastung enthalten. Insgesamt gesehen ist der praktische Erfahrungsschatz zu den Wirkungen von Minderungsmaßnahmen im Bereich Luftreinhaltung und zur CO2-Minderung immer noch relativ gering und lässt Fragen offen. Die Einschätzungen der Maßnahmenwirkung, die auf Quellen beruhen und den aktuellen Stand der Expertendiskussion einbeziehen, kann deshalb nur vorläufig sein.

Tabelle 5: Wirkungseinschätzung von Einzelmaßnahmen - Beispieltabelle

6. Verfahrensmäßige Abstimmung von Luftreinhalte- und Lärmaktionsplänen

Bisher ist die integrierte Bearbeitung von Luftreinhalte- und Lärmaktionsplänen die Ausnahme. Die Ursache liegt in der zeitlich versetzten Aufstellung beider Pläne, unterschiedlichen Zuständigkeiten von Behörden in den einzelnen Bundesländern (Kommune/ Mittelbehörde/ Landesministerium), teilweise auch in unterschiedlichen fachlichen Verantwortungen innerhalb der zuständigen Behörde.

Beide Planungsinstrumente im Zusammenhang zu sehen, liegt dagegen aus verschiedenen Gründen nahe:

- Lärmminderung und Luftreinhaltung dienen dem gleichen Ziel, nämlich der Gesundheitsvorsorge und der Erhaltung einer lebenswerten Umwelt. Die beiden Planungsinstrumente dürfen deshalb keine konkurrierenden Instrumente sein (sie würden ja um das gleiche Gut konkurrieren), sondern müssen abgestimmt ineinander greifen.

- Die getrennte Durchführung beider Pläne führt dazu, dass der jeweils "Erste" Bindungen für den "Zweiten" schafft, diesen also bei einer unabgestimmten Vorgehensweise möglicherweise in seiner Effizienz einschränkt.

- Der weitaus größte Teil der denkbaren Minderungsmaßnahmen dient der Entlastung bei Luft und Lärm oder ist für jeweils eine Quelle neutral. Dies erleichtert einerseits den Rechtfertigungsbedarf für bestimmte Maßnahmen und kann zudem Einfluss auf die Prioritätensetzung haben, indem Maßnahmen, die beide Bereiche entlasten, eine höhere Priorität erhalten.

- Die parallele Information und Mitwirkung der Öffentlichkeit zu beiden Planwerken führt zu einer klaren Strukturierung und überfordert die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger nicht durch dicht aufeinander folgende Verfahren zu ähnlichen Fragestellungen.

Es gibt erhebliche räumliche Überschneidungen zwischen Lärmminderung und Luftreinhaltung. Hierin liegt ein hohes Synergiepotenzial. Kombinierte Luftreinhalte-/ Lärmaktionspläne sind deshalb fachlich und ökonomisch sinnvoll. Ergänzend hierzu wäre fachlich zu wünschen, dass für die Luftreinhalte- und Lärmaktionspläne die gleichen Definitionen für Ballungsräume gelten und auch die gleichen Behörden zuständig sind.

Aus den bisherigen Erfahrungen können folgende Hinweise und Anmerkungen für die gemeinsame Aufstellung gegeben werden:

- Für die zweite Phase der Luftreinhaltepläne (ab 2010) bzw. Lärmaktionspläne (bis 2013) sollten die zuständigen Behörden die Zeitpläne beider Instrumente strecken bzw. komprimieren, um ein kleines Zeitfenster zu öffnen, in dem eine integrierte Bearbeitung möglich ist.

- Der Aufwand für die Berechnung der Schadstoffbelastung ist wegen der notwendigen meteorologischen Daten derzeit höher als für die Berechnung strategischer Lärmkarten. Die übrigen Daten sind weitgehend identisch, so dass bei einer gemeinsamen Erhebung und Bereitstellung der Daten Kosten gespart werden. Sofern die neuen, EU-weiten Lärmberechnungsmethoden (CNOSSOS) meteorologische Daten benötigen, wäre der Synergieeffekt noch höher.

- Die Luftschadstoffbelastung ist oft von außen beeinflusst (Ferntransport, Hintergrundbelastung). Kleinräumige Luftschadstoffbelastungen stammen primär aus dem Straßenverkehr. Die lokale Quelle der Luft- und Lärmbelastung ist in der Regel der Straßenverkehr. Lärmbelastungen sind generell kleinräumig.

- Maßnahmen zur Luftschadstoffminderung dienen in der Regel auch der Lärmminderung.

- Die verkehrlichen und städtebaulichen Maßnahmen des Lärmaktionsplans wirken sich in der Regel auch verbessernd auf die Luftqualität aus (Ausnahme: Bündelung von Verkehren auf Vorrangnetze mit Schließung von Baulücken).

- Die Grenzwerte für den Luftreinhalteplan haben im deutschen Recht einen höheren rechtlichen Stellenwert (Gefahrenabwehr) als die Auslösewerte für Lärmaktionspläne.

Empfohlen werden können folgende Handlungsgrundsätze für eine erfolgreiche Umsetzung von Luftreinhalte- und Lärmaktionsplänen:

- Die Aufstellung der beiden Planwerke ist kein "einmaliger Schöpfungsakt" sondern vielmehr ein Planungsprozess. Diese prozessorientierte Bearbeitung ermöglicht Abstimmungsprozesse zwischen den Planungsbeteiligten und eröffnet zudem die Möglichkeit, die Ergebnisse während des Planungsprozesses zu reflektieren.

- Die in den Kommunen anzutreffenden unterschiedlichen Rahmenbedingungen schließen den Einsatz standardisierter Verfahren aus. Vielmehr erweisen sich die Vorgehensweisen als besonders erfolgreich, die an die kommunalen Rahmenbedingungen angepasst wurden. Einen hohen Anpassungsbedarf erzeugen insbesondere die Stadtgröße, der Prozessstand zu verknüpfender Planungen, die lokalen Planungserfordernisse und die kommunale Planungskultur.

- Die Wahrung eines hohen Umsetzungsbezugs in der Aufstellungsphase ist wesentlich für den Erfolg. So ist die technische, rechtliche und finanzielle Umsetzbarkeit der Maßnahmen bereits bei der Planaufstellung zu prüfen. Vernachlässigte Inhalte müssen sonst im Umsetzungsprozess nachgeholt werden. Umsetzungsorientierte Luftreinhalte- und Lärmaktionspläne orientieren sich vorrangig an dem erreichbaren Nutzen und nicht alleine an den rechtlichen Notwendigkeiten.

Für die Umsetzungsphase bietet sich eine Doppelstrategie an:

- Zum einem sind die Planwerke entsprechend den gesetzten Prioritäten systematisch umzusetzen,

- zum anderen sind sich spontan bietende Umsetzungschancen (günstige Politik- und Zeitfenster) durch Anpassung der Prioritäten konsequent zu nutzen.

Es hat sich bewährt, den Umsetzungsprozess fachlich zu begleiten. Die Realisierung der Maßnahmen sollte nicht einfach an die "Bauämter" delegiert, sondern weiterhin durch die federführende Verwaltungsstelle begleitet werden. Die im Rahmen der Lärmminderungsplanung aufgebauten Kontakte zu den Akteuren aus Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit können hierzu genutzt werden.

Die Umsetzung der einzelnen Planungsinstrumente erfordert jeweils eine intensive Informations- und Mitwirkungsphase der Öffentlichkeit. Diese in kurzen Abständen hintereinander für die Luftreinhalte- und Lärmaktionspläne durchzuführen, ist weder verfahrenstechnisch sinnvoll, noch kann von den Betroffenen eine dauerhafte Bereitschaft erwartet werden, sich in solche Verfahren einzubringen. Die Beteiligung sollte zumindest folgende Ziele erreichen:

- verwaltungsinterne Kommunikation und Abstimmung,

- Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sofern sie von den Planwerken betroffen sind (insbesondere Straßenbaulastträger, Verkehrsbehörde, Fördergeber),

- Einbeziehung von lokalen Schlüsselpersonen und Experten und schließlich

- die Information und Mitwirkung der allgemeinen Öffentlichkeit.