FGSV-Nr. FGSV 002/124
Ort Bergisch Gladbach
Datum 27.03.2019
Titel Umweltsensitives Verkehrsmanagement zur Verbesserung der Luftqualität
Autoren Dipl.-Phys. Volker Diegmann
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Das umweltsensitive oder auch umweltorientierte Verkehrsmanagement (UVM) steht seit vielen Jahren auf der Agenda möglicher Maßnahmen zur Verringerung der negativen Umweltwirkungen durch den Kfz-Verkehr. Gerade im Hinblick auf die anhaltenden Überschreitungen des Grenzwertes für Stickstoffdioxid an verkehrsbedingten Hotspots in einer Vielzahl von Städten in Deutschland wird dieser Maßnahmen ein wesentlicher Beitrag zur Problemlösung zugetraut. So wurde UVM z. B. im „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ der Bundesregierung explizit als eine Maßnahme im Teilbereich der Digitalisierung des Verkehrssystems genannt, die im Rahmen des Förderprogramms durch das BMVI förderfähig ist.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat mit dem in 2015 gestarteten Forschungsvorhaben zum dynamischen umweltsensitiven Verkehrsmanagement u. a. eine Untersuchung der bereits bestehenden UVM durchführen lassen (BASt 2018). In diesem Vorhaben wurden vorhandene UVM-Systeme in Braunschweig, Erfurt, Potsdam und Wittenberg sowie die Autobahn-Verkehrsbeeinflussungsanlage in der Steiermark in Detailuntersuchungen betrachtet. Erste Ergebnisse dieses Vorhabens wurden bereits bei der BASt-Tagung 2017 vorgestellt (Diegmann et al. 2017). Das Projekt wurde von einer Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus IVU Umwelt, Ingenieurbüro Lohmeyer, TRC Transportation Research & Consulting, WVI Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung und Infrastrukturplanung, pwp-systems und VMZ Berlin, bearbeitet. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse des Vorhabens vorgestellt.

Ergänzend dazu werden aktuelle Ergebnisse aus Untersuchungen zu umweltorientierten Verkehrsmanagementmaßnahmen im Rahmen der Masterpläne der Städte Ludwigshafen, Osnabrück, Potsdam und Würzburg einbezogen.

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Einführung

Das umweltsensitive oder auch umweltorientierte Verkehrsmanagement (UVM) steht seit vielen Jahren auf der Agenda möglicher Maßnahmen zur Verringerung der negativen Umweltwirkungen durch den Kfz-Verkehr. Gerade im Hinblick auf die anhaltenden Überschreitungen des Grenzwertes für Stickstoffdioxid an verkehrsbedingten Hotspots in einer Vielzahl von Städten in Deutschland wird dieser Maßnahmen ein wesentlicher Beitrag zur Problemlösung zugetraut. So wurde UVM z. B. im „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ der Bundesregierung explizit als eine Maßnahme im Teilbereich der Digitalisierung des Verkehrssystems genannt, die im Rahmen des Förderprogramms durch das BMVI förderfähig ist.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat mit dem in 2015 gestarteten Forschungsvorhaben zum dynamischen umweltsensitiven Verkehrsmanagement u. a. eine Untersuchung der bereits bestehenden UVM durchführen lassen (BASt 2018). In diesem Vorhaben wurden vorhandene UVM-Systeme in Braunschweig, Erfurt, Potsdam und Wittenberg sowie die Autobahn-Verkehrsbeeinflussungsanlage in der Steiermark in Detailuntersuchungen betrachtet. Erste Ergebnisse dieses Vorhabens wurden bereits bei der BASt-Tagung 2017 vorgestellt (Diegmann et al. 2017). Das Projekt wurde von einer Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus IVU Umwelt, Ingenieurbüro Lohmeyer, TRC Transportation Research & Consulting, WVI Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung und Infrastrukturplanung, pwp-systems und VMZ Berlin, bearbeitet. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse des Vorhabens vorgestellt.

Ergänzend dazu werden aktuelle Ergebnisse aus Untersuchungen zu umweltorientierten Verkehrsmanagementmaßnahmen im Rahmen der Masterpläne der Städte Ludwigshafen, Osnabrück, Potsdam und Würzburg einbezogen. 

UVM-System und Maßnahmen

Grundlagen

Bei der Beschreibung eines UVM muss man unterscheiden zwischen dem Managementsystem, das die Infrastruktur und die Software breitstellt, und den UVM-Maßnahmen, die mit dem UVM-System überwacht und ausgelöst werden können. Eine Umweltwirkung eines UVM lässt sich entsprechend nur durch die Aktivierung von UVM-Maßnahmen erzielen. Als mögliche Maßnahmen kommen

•               Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugklassen,

•               Reduzierung zulässiger Geschwindigkeiten,

•               Optimierung von LSA-Steuerungen zur Verstetigung des Verkehrsflusses,

•               Zuflussdosierung an LSA zur temporären Reduzierung von Verkehrsstärken und

•               Wechselwegweisung mit Anpassung von LSA-Steuerungen zur Verkehrslenkung in Betracht.

Im Vergleich zu einer dauerhaften Aktivierung von Minderungsmaßnahmen ist eine temporäre Schaltung von Maßnahmen durch UVM-Systeme immer dann zu bevorzugen, wenn die dauerhafte Umsetzung aus der Abwägung mit anderen Aspekten (z. B. Mobilität, Wirtschaft, Klimaschutz etc.) nicht umsetzbar ist bzw. zu relevanten Konflikten führt. So kann unter bestimmten Rahmenbedingungen z. B. eine Aktivierung nur in den werktäglichen Spitzenzeiten des Kfz-Verkehrs ausreichend sein.

UVM-Systeme können zusätzlich auch weitere Funktionen übernehmen, z. B. die Information von Behörden und Öffentlichkeit über die aktuelle stadtweite Verkehrs- und die Luftschadstoffsituation, sowie zur Evaluierung von Maßnahmen oder als begleitendes Monitoring und Steuerungsinstrument bei verkehrsrelevanten Bauvorhaben dienen.

Ein Schema des Aufbaus eines UVM-Systems ist in Abbildung 2 dargestellt.

Zentral ist dabei ein Verkehrsrechner für den Straßenverkehr und den straßengebundenen ÖPNV, der als Managementzentrale fungiert. Auf der linken Seite sind verschiedene Datenquellen von gemessenen Eingangsdaten des Systems aufgeführt und auf der rechten Seite modellbasierte Eingangsdaten, die vor allem eine stadtweite Abdeckung und eine Vorhersage der Umweltsituation ermöglichen. Als Ergebnis eines UVM-Systems werden Daten bereitgestellt, die für die Aktvierung bzw. Deaktivierung von UVM-Maßnahmen benötigt werden und die der Information der Bevölkerung dienen können.

Abbildung 2: Schema eines UVM-Systems (Osnabrück 2018, angepasst)

Auswertung der bestehenden Systeme im Rahmen des BASt-Vorhabens

Betriebserfahrungen

Aus den Abfragen zu den Betriebserfahrungen mit den UVM-Systemen in Braunschweig, Erfurt, Potsdam und Wittenberg ergab sich, dass die UVM-Systeme im Realbetrieb zuverlässig arbeiten, von Behörden, Wirtschaft und Bürgern akzeptiert sind und zur Minderung der Luftschadstoffbelastung beitragen sowie dass die umgesetzten Maßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. 

Systeme

Tabelle 1 bietet eine Übersicht der in den untersuchten Untersuchungsgebieten im Online-Betrieb verwendeten Eingangsdaten und eingesetzten Modelle.

Für die Qualität der Verkehrs- und Umweltmodule ist eine möglichst detaillierte Eingangsdatenbasis erforderlich. Dazu gehören insbesondere in möglichst hoher Detaillierung Online-Informationen zum Straßenverkehr (Kfz-Mengen, Verkehrszustand / LOS), zur Meteorologie und zur großräumigen Schadstoffbelastung. Zusätzlich müssen aktuelle Informationen zur Zusammensetzung der Kfz-Flotte und zu weiteren städtischen Schadstoffquellen bekannt sein.

Die Eingangsdaten sollten in einer hinreichenden zeitlichen Auflösung vorliegen. Zeitintervalle von 30 Minuten bis 1 Stunde haben sich hierbei als geeignet erwiesen. Sie bilden den Tagesverlauf der Verkehrsstärke und des Verkehrszustands hinreichend fein ab und zeichnen sich durch einen handhabbaren Aufwand aus. Bei der Berechnung des Verkehrszustands aus Messwerten sollten allerdings zeitlich höher aufgelöste Daten (z. B. 5-Minuten-Werte) die Grundlage sein.

Je nach Anforderung und Art der UVM-Maßnahme sind Vorhersagen des Verkehrs- und Umweltgeschehens kurzfristig für die kommenden Stunden bis zu einem Vorhersagehorizont von ein bis zu mehreren Tagen erforderlich.

Tabelle 1: Übersicht über die Eingangsdaten und Modelle im Online-Betrieb in den Untersuchungsgebieten aus BASt (2018) 

Maßnahmen und Wirkungen

Anhand von Realdaten aus den Untersuchungsgebieten konnten die Maßnahmenwirkungen im Hinblick auf Schwellenwerte und Verkehrsverlagerungen sowie Veränderungen von Verkehrsfluss, Fahrzeiten, Emissionen und Immissionen systematisiert und bewertet werden.

Für Hotspots mit einem NO2-Jahresmittelwert nahe am Grenzwert liegen die ermittelten Minderungen bei „weichen“ Maßnahmen, wie Verkehrsverflüssigung und Zuflussdosierung, im einstelligen Prozentbereich. Höhere Minderungen sind durch Verschärfung der Schwellenwerte und der Eingriffsschwere oder Einbeziehung „härterer“ Maßnahmen, wie z. B. Verkehrseinschränkungen oder Fahrverbote, erreichbar. Für Hotspots mit einer deutlichen Überschreitung der Grenzwerte sind ohnehin nur „härtere“ UVM-Maßnahmen zielführend. Durch den umweltsensitiven Ansatz können Schwellenwerte und Maßnahmenwirkungen optimiert auf die Zielvorgaben angepasst werden.

In den Untersuchungsgebieten Potsdam, Erfurt und Wittenberg konnten die Maßnahmen bezüglich ihrer Wirkungen im Realbetrieb über ein oder mehrere Jahre evaluiert werden. In Braunschweig fanden Maßnahmenschaltungen am Altewiekring bislang lediglich während eines 6-wöchigen Probebetriebs statt. Daten aus dem Verkehrs- und Umweltmonitoring liegen aber ebenfalls für mehrere Jahre vor. Die Maßnahmen für die Hildesheimer Straße in Braunschweig wurden ausschließlich mittels Modellrechnungen untersucht.

Die Minderungen der Luftschadstoffkonzentrationen werden relativ zu einem Nullfall ohne Maßnahmenschaltung ermittelt. Die in Tabelle 2 aufgeführten Beispiele zeigen die Maßnahmenpotenziale für einen planerisch optimierten Fall in den jeweiligen Untersuchungsgebieten. Dabei sind neben den Aktivierungsraten und Wirkungen auch Angaben zu möglichen Auswirkungen auf die Umgebung eines Hotspots oder auf das Außerortsnetz z. B. durch Ausweichverkehre angegeben.

Hinsichtlich der in der Tabelle ausgewiesenen erreichbaren Minderungen ist zu beachten, dass deren Größenordnung u. a. stark davon abhängig ist, ob die Maßnahmen der Zuflussdosierung zu einer Minderung des DTV führen. Dies setzt beispielsweise das Vorhandensein geeigneter Netzalternativen voraus, durch die auch eine räumliche Verlagerung des Verkehrs möglich wird.

Tabelle 2:   Übersicht über die Eingangsdaten und Modelle im Online-Betrieb in den Untersuchungsgebieten (BASt 2018)

Die Kosten- und Wirkungsanalysen für die untersuchten UVM zeigen, dass die umgesetzten Maßnahmen entweder ein gesamtwirtschaftlich positives Kosten-Nutzen-Verhältnis oder zumindest deutliche Vorteile zugunsten der gewählten temporären gegenüber einer dauerhaften Aktvierung haben.

Für die Behörden wurden im BASt-Vorhaben Empfehlungen zum Aufbau und Einsatz von UVM-Systemen und -Maßnahmen in Abhängigkeit der örtlichen und immissionsseitigen Randbedingungen gegeben. 

UVM in Masterplänen „Green City”

Förderung durch das BMVI

Um die von hohen NO2-Belastungen betroffenen Städte bei der Reduzierung insbesondere der Schadstoffe des Kfz-Verkehrs und bei der längerfristigen Gestaltung einer nachhaltigen und emissionsfreien Mobilität zu unterstützen, wurde vom BMVI das „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ verabschiedet. Städte, in denen die EU-Luftschadstoffgrenzen regelmäßig überschritten werden, konnten mit Hilfe von Mitteln des Bundes sogenannte Masterpläne zur Luftreinhaltung erstellen, in denen NO2-reduzierende Maßnahmen untersucht werden sollten, die kurzfristig umgesetzt werden können. Im Rahmen des Teilbereichs der Digitalisierung des Verkehrssystems konnten dabei u. a. auch Maßnahmen im Bereich der Verkehrssteuerung in Form eines umweltsensitiven Verkehrsmanagements untersucht werden.

IVU Umwelt war an Untersuchungen zur Einführung von UVM im Rahmen des o. g. Förderprogramms der Bundesregierung beteiligt, u. a. in den Städten Ludwigshafen (Ludwigshafen 2018), Osnabrück (Osnabrück 2018), Potsdam (Potsdam 2018) und Würzburg (Würzburg 2018). In diesen Untersuchungen wurden, aufbauend auf einer stadtweiten Analyse der aktuellen Luftschadstoffbelastung, neben den bekannten, durch entsprechende Messungen verifizierten Belastungsschwerpunkten, weitere Hotspots identifiziert und in die Betrachtung mit einbezogen, um die Möglichkeiten eines UVM stadtweit ausnutzen zu können und bei verkehrlichen Betrachtungen von Maßnahmen auch potenzielle Verlagerungseffekte auf die Luftbelastung zu berücksichtigen.

Integrierter Lösungsansatz

In den Masterplänen in Ludwigshafen, Osnabrück, Potsdam und Würzburg wird ein integrierter Lösungsansatz vorgestellt. Die Pläne kombinieren dabei die Maßnahmen des Verkehrssystemmanagements (Verkehrssteuerung) mit Maßnahmen zur integrierten Verkehrs- und Mobilitätsinformation, insbesondere unter Einbeziehung des Umweltverbundes. Dabei soll ein Ausbau der Umweltorientierten Verkehrssteuerung hin zu einer stadtweiten Optimierung des Verkehrsablaufs in Verbindung mit Verkehrsinformationen und Mobilitätsinformationsdiensten erfolgen.

So soll z. B. mit der Erweiterung des UVM auf die gesamte Landeshauptstadt Potsdam und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur Verknüpfung der Optimierung von Verkehrsabläufen (inkl. ÖPNV-Beschleunigung, Pünktlichkeit) und der Optimierung der Nutzung der Straßeninfrastruktur (Flächenkonkurrenz, Stärkung Umweltverbund) die Umsetzung und Erreichung verkehrspolitischer Ziele der Kommunen sowie ihrer Luftreinhaltepläne weiter intensiviert werden. Damit soll ein nachhaltiger Beitrag zur Reduktion der Verkehrsstärken nicht nur in den Hotspots, sondern in der gesamten Landeshauptstadt Potsdam geleistet werden. So kann die Verkehrsqualität im gesamten Hauptnetz verbessert werden und auch ein Beitrag zur Senkung der Hintergrundbelastung aus dem städtischen Verkehr erreicht werden.

Wird die im Rahmen der bisherigen Ausgestaltung einer UVM-Maßnahme erfolgte Zuflussdosierung zusätzlich mit rechtzeitiger Information z. B. mit OnTrip Mobilitätsinformationsdiensten (mit Apps / Informationstafeln) verknüpft, können – sofern Alternativrouten verfügbar sind – Teile des Verkehrsstroms räumlich verlagert werden.

Auf Grund neuerdings guter Verfügbarkeiten von Vorhersagedaten, z. B. zur Meteorologie, zum Verkehrsgeschehen und der Luftbelastung, wurden in den o. g. Untersuchungen zu den Masterplänen neben einer kurzfristigen Aktivierung von temporären verkehrsbeeinflussenden Maßnahmen für einzelne Hotspots diese Maßnahmen um eine Vortagprognose sowie um entsprechende Informationen zu alternativen Mobilitätsangeboten (ÖPNV, Radverkehrsanlagen) ergänzt. Damit besteht die Möglichkeit, dass Teile des betroffenen Verkehrs auf andere Verkehrsträger ausweichen. Hierdurch kann eine höhere Reduktion der Verkehrsstärke des Kfz-Verkehrs erreicht werden, die damit einen größeren Minderungseffekt auf die Luftschadstoffbelastung einerseits durch die Reduzierung der Anzahl der emittierenden Fahrzeuge an sich und andererseits durch die Verstetigung des restlichen Verkehrs und der daraus resultierenden Reduzierung der negativen Auswirkungen der Schaltung am Drosselungspunkt hat. Um einen Umstieg auf den Umweltverbund attraktiv zu machen, müssen natürlich auch die dafür notwendigen Voraussetzungen im ÖPNV geschaffen sein. Hierbei sind insbesondere infrastrukturelle Maßnahmen, wie z. B. P+R-Angebote, B+R-Angebote, Mitfahrgelegenheiten etc., zu schaffen bzw. zu erweitern.

In einer Grundlagenstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie Österreichs im Jahr 2010 (x-sample, verkehrplus, 2010) wurden die zielgruppenspezifischen Wirkungen von multimodalen Verkehrsinformationen auf das individuelle Verkehrsverhalten untersucht. Dabei wurden u. a. die Verkehrsmittelwahl, die Routen- und Abfahrtszeitpunktwahl und die Zielwahl betrachtet. In den Schlussfolgerungen wird u. a. ausgeführt, dass Informationen das Verkehrsverhalten grundsätzlich beeinflussen können. Bei der Routen- und Abfahrtszeitpunktwahl liegen die berichteten Anteile derer, die ihre Route oder Abfahrtszeit infolge von Informationen anpassen, zwischen 7 % und 33 %. Das Ausmaß des Modal-Shift, also der Nutzung anderer Verkehrsträger, liegt zwischen 1.5 % und 11 %.

Vergleichbare Erfahrungen wurden durch die VMZ Berlin im Rahmen des Betriebs der Verkehrsinformationszentrale Berlin hinsichtlich der Wirksamkeit eines abgestimmten Informations- und Mobilitätsmanagements bei großen, langandauernden Bau- und Sanierungsmaßnahmen gesammelt. Eine frühzeitige und umfassende Information der Verkehrsteilnehmer führt neben räumlichen auch zu modalen und zeitlichen Verlagerungen sowie zu Veränderungen in der Zielwahl. 

Potenzialabschätzungen

Die Analyse der Wirkungspotenziale von situationsabhängig geschalteten temporären UVM-Maßnahmen gestaltet sich im Allgemeinen schwieriger als eine entsprechende Abschätzung von dauerhaft wirkenden Maßnahmen. Wie auch im BASt-Vorhaben zu UVM beschrieben, müssen für Wirkungsanalysen Jahreszeitreihen der Schadstoffbelastung in stündlicher Auflösung herangezogen werden. In den hier aufgeführten Untersuchungen lagen entsprechende Messdaten für NO2 für einen verkehrlichen Hotspot und, mit Einschränkung, auch für den städtischen Hintergrund vor, wie sie in Abbildung 3 beispielhaft für Osnabrück dargestellt sind. Anhand solcher Messdaten ist eine Potenzialabschätzung der Minderung des NO2-Jahresmittelwerts möglich. Entscheidend für das Minderungspotenzial bezogen auf z. B. einen NO2-Jahresmittelwert ist, neben der Maßnahmenwirkung auf die verkehrsbedingte Zusatzbelastung im Hotspot, zusätzlich die Häufigkeit der Aktivierung bzw. die Festlegung, wann eine Maßnahme aktiviert wird (Schwellenwert).

Abbildung 3: Jahreszeitreihe der NO2-Stundenmittelwerte am Hotspot Schlosswall und im städtischen Hintergrund in Osnabrück in 2017 (Daten GAA, Grafik IVU Umwelt)

Vorhersagenotwendigkeit

Für temporäre Veränderungen des Modal-Splits ist eine entsprechende Vorabinformation der Verkehrsteilnehmer über geplante Verkehrsbeschränkungen z. B. am Vortrag erforderlich, damit Entscheidungen über ein geändertes Verkehrsverhalten entsprechend gefällt werden können. Um diese Vorabinformation bereitzustellen, ist eine Prognose der zu erwartenden Luftschadstoffbelastung am Folgetag und eine Logik, nach der für den nächsten Tag ganztägige Maßnahmen zu Verkehrsbeschränkungen aktiviert werden, erforderlich. Dabei sollen diese ganztägigen Maßnahmen nur dann aktiviert werden, wenn über einen längeren Zeitraum am Folgetag hohe Luftschadstoffkonzentrationen zu erwarten sind. Für die hier genannten Untersuchungen wurde zur Potenzialabschätzung angenommen, dass ein Tag mit länger andauernden hohen Belastungsniveaus vorliegt, wenn ein vorgegebener Schwellenwert mehr als fünfmal überschritten wird.

Tabelle 3: Ausgewählte Wirkungspotenziale der UVM-Maßnahmen mit ModalSplit Veränderungen aus den Untersuchungen zu den „Green City“ Masterplänen

Fazit

UVM-Systeme sind technische Systeme zur dynamischen Umsetzung von temporären Luftreinhaltemaßnahmen. Eine temporäre Aktvierung von UVM-Maßnahmen ist immer dann angezeigt, wenn eine dauerhafte Umsetzung aus der Abwägung mit anderen Aspekten nicht sinnvoll ist. Entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit haben die mit einem UVM-System aktivierten Maßnahmen. Dabei ist neben der lokalen Minderungswirkung einer UVM-Maßnahme deren Häufigkeit der Aktivierung bestimmend für das Minderungspotenzial bezogen auf einen Jahresmittelwert.

Zudem können UVM-Systeme mit ihrem netzweiten kontinuierlichen Verkehrs-, Emissions- und Immissionsmonitoring die technische Grundlage für eine gesamtstädtisch bilanzierte Verringerung der Luftschadstoffbelastung sein. Über die Erweiterung der UVM-Maßnahmen zum einen auf das gesamte Stadtgebiet und zum anderen unter Berücksichtigung von Prognosen und der sich damit ergebenden Möglichkeit, die Verkehrsteilnehmer vorab zu informieren, ergeben sich die Chancen, Verkehrsteilnehmer auch temporär auf andere Wege oder Verkehrsträger umzuleiten und damit das Potenzial der Minderung nochmals zu steigern.

Die bisherigen Wirkungsanalysen von UVM-Maßnahmen zeigen, dass ein Beitrag zur Minderung der Kfz-bedingten Luftschadstoffbelastung von bis 10 % bezogen auf einen Jahresmittelwert möglich ist. Damit ist ein UVM alleine nur bedingt ausreichend, um bei der derzeitigen Belastungssituation in vielen Städten in Deutschland eine Grenzwerteinhaltung sicherzustellen. Die Möglichkeiten eines UVM zur Lösung der Luftschadstoffproblematik im Rahmen der bei Grenzwertverletzung erforderlichen Luftreinhalteplanung werden durch die folgende Abbildung 4 verdeutlicht.

In dieser Abbildung des Umweltbundesamtes sind für 2017 die in Deutschland an Hotspots gemessenen NO2-Jahresmittelwerte mit absteigender Höhe aufgetragen. Zusätzlich ist der Jahresgrenzwert in Höhe von 40 µg/m³ eingezeichnet. Durch farblich umrandete Bereiche ist kenntlich gemacht, welche Rolle ein UVM im Rahmen der Luftreinhalteplanung spielen kann. An Orten, bei denen NO2-Jahresmittelwerte deutlich über 50 µg/m³ vorliegen (blau umrandet), kann ein UVM nur unterstützend zur Minderung der Schadstoffbelastung sein. Eine Einhaltung des Grenzwerts in Höhe von 40 µg/m³ ist mit den in diesem Projekt untersuchten UVM-Maßnahmen allein nicht möglich. Bei einer Vielzahl von Messstandorten liegt der gemessene NO2-Jahresmittelwert dicht über bzw. unter dem Grenzwert. Für diese Situationen können temporäre Maßnahmen mittels eines UVM zielgerichtet zur eventuell ausreichenden (grün umrandet) bzw. zur sichernden Einhaltung (gelb umrandet) des NO2-Grenzwerts eingesetzt werden.

Abbildung 4: Anwendungsbereiche eines UVM vor Messdaten der NO2-Jahresmittelwerte 2017 mit absteigender Höhe, modifiziert nach Dauert (2018)

Literatur

  1. BASt 2018: Minderungspotenziale, Qualitätsanforderungen und Empfehlungen zum Einsatz von Verfahren zum dynamischen umweltsensitiven Verkehrsmanagement (UVM) an Verkehrswegen. Auftraggeber: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Arbeitsgemeinschaft IVU Umwelt GmbH, Freiburg, Ingenieurbüro Lohmeyer GmbH & Co. KG, Radebeul und TRC GmbH, Stuttgart sowie unter Mitarbeit von pwp-systems GmbH, Bad Camberg, VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH, Berlin und WVI GmbH, Braunschweig. 2018.
  2. Dauert, U. 2018: Luftqualität in Deutschland: Situation und Hauptquellen. 7. Freiburger Workshop ''Luftreinhaltung und Modelle'', 15.-16.5.2018, IVU Umwelt GmbH, Freiburg. 2018.
  3. Diegmann, V.; Düring, I.; Schönharting, J.; Richard, J.; Sauer, J. 2017: Umweltsensitives Verkehrsmanagement. In: BASt; FGSV (Hrsg.): Luftqualität an Straßen 2017. Postersession. Kolloquium der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), 29.-30.3.2017 in Bergisch Gladbach. 2017.
  4. Ludwigshafen 2018: Masterplan „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ – Green City Plan. Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020. Gemeinsamer Masterplan Green City der Städte Heidelberg, Ludwigshafen und Mannheim. 2018.
  5. Osnabrück 2018: Masterplan zur Luftreinhaltung der Stadt Osnabrück. Sonderprogramm “Masterpläne für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität“ des BMVI. Stadt Osnabrück. 2018.
  6. Potsdam 2018: Green-City Plan der Landeshauptstadt Potsdam. Masterplan zur Senkung der NO2-Belastungen. Stadt Potsdam. Erarbeitet von IVU Umwelt GmbH, VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH und Fachhochschule Potsdam. 2018.
  7. Würzburg 2018: Green-City Plan Würzburg. Individueller Masterplan für emissionsfreie und nachhaltige Mobilität in der Region Würzburg. Stadt Würzburg. 2018.
  8. x-sample, verkehrplus (2010): INFO-EFFECT. Zielgruppenspezifische Wirkungen von multimodalen Verkehrsinformationen auf individuelles Verkehrsverhalten Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, Graz-Wien. 2010.