FGSV-Nr. FGSV 001/20
Ort Berlin
Datum 13.10.2004
Titel Temperaturabsenkung bei Asphalt – Grundlagen und Erfahrungen
Autoren Prof. Dr.-Ing. Martin Radenberg
Kategorien Kongress
Einleitung

Auf Grund der anhaltenden Diskussionen um die Aussetzung des Grenzwertes für Dämpfe und Aerosole aus Gussasphalt ist neben der Asphaltindustrie auch das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen bestrebt, den wichtigen Baustoff Gussasphalt ohne nennenswerte Einschränkungen bei Herstellung, Transport und Einbau und bei gleichzeitigem Ausschluss einer Gefährdung der Gesundheit des Einbaupersonals anwenden zu können. Es ist zu erwarten, dass für die bei Gussasphaltarbeiten auftretenden Dämpfe und Aerosole im Jahr 2007 ein Grenzwert gefordert wird, der ohne eine signifikante Temperaturabsenkung oftmals überschritten würde. Obwohl der derzeitige Grenzwert (10 mg/m3) beim Einbau von Walzasphalt im Allgemeinen eingehalten wird, ist auch für diese Asphaltsorten eine Reduzierung der Temperatur bei Herstellung und Einbau, z. B. aus Gründen eines vorsorglichen Arbeitsschutzes und einer Senkung des CO2-Ausstoßes, wünschenswert. Bisherige Erprobungen haben gezeigt, dass mit Sonderbindemitteln und organischen Zusätzen sowie mit Zeolithen eine signifikante Temperaturabsenkung (bis zu 30 °K) – ohne Hinweise auf eine nachteilige Beeinflussung der Gebrauchseigenschaften – möglich ist. Weitere Verfahren (z.B. Schaumbitumen-Heißmischgut oder Zwei-Phasen-Verfahren) oder Kombinationen der verschiedener Verfahren sind grundsätzlich auch geeignet. Wegen nicht ausreichender praktischer Erfahrungen können hierzu kurzfristig aber keine allgemeinen Empfehlungen erfolgen. Durch eine enge Zusammenarbeit des AK 7.6.9 mit der BASt und der BauBG werden auch weiterhin Baumaßnahmen mit temperaturabgesenkten Asphalten wissenschaftlich/messtechnisch betreut. Unabhängig von den weiterlaufenden Forschungsaktivitäten erarbeitet der AK 7.6.9 zurzeit ein Merkblatt „Merkblatt für Temperaturabsenkungen im Asphaltstraßenbau, M TA“, in dem die bisherigen Erfahrungen und Empfehlungen für Straßenbauverwaltungen und Baufirmen veröffentlicht werden. Um die Veröffentlichung des M TA zu beschleunigen, werden momentan durch die ad-hoc-Gruppe „Temperaturabsenkung“ die relevanten Daten der in temperaturabgesenkter Bauweise erstellten Strecken dokumentiert. Mit Hilfe dieser Dokumentation erfolgt in Kürze eine Zustandserfassung an zehn ausgewählte Strecken mit einer Liegezeit von über 4 Jahren. Die Erkenntnisse aus diesen Aktivitäten werden in das M TA eingearbeitet. Es ist geplant, das M TA im Jahr 2005 zu veröffentlichen.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Gussasphalt, der zurzeit noch bei Temperaturen deutlich über 200 °C eingebaut wird, hat mit ca. 1 % nur einen geringen Anteil an der insgesamt produzierten Asphaltmenge. Im Straßenbau wird Gussasphalt jedoch dringend für hochbeanspruchte Flächen und für Brückenbeläge benötigt. Seit einigen Jahren gelten in Deutschland Grenzwerte bei der Verarbeitung von bitumenhaltigen Baustoffen. Sie sind geregelt in den:

Folgende chronologische Entwicklung ist dabei zu benennen:

1996 Luftgrenzwerte (TRGS 900): 20 mg/m3 bei Verarbeitung in Innenräumen 15 mg/m3 für alle übrigen Arbeiten

1998 Gründung des AK „Temperaturabsenkung“ (DAV)

2000 Luftgrenzwerte (TRGS 900): 10 mg/m3 für alle Arbeiten

2001 Übergang des AK „Temperaturabsenkung“ (DAV) in AK 7.6.9 (FGSV)

2002 Verlängerung der Aussetzung des Grenzwertes für Gussasphalt

2004 Gründung ad-hoc-Gruppe „Temperaturabsenkung“ (FGSV)

2005 Veröffentlichung M TA?

Der Grenzwert für Baumaßnahmen mit Gussasphalt beträgt 10 mg/m3, ist aber zurzeit immer noch ausgesetzt. Es ist aber zu erwarten, dass 2007 auch wieder ein Grenzwert für Baumaßnahmen mit Gussasphalt festgesetzt wird. Bei Baumaßnahmen mit Walzasphalt wird der derzeit gültige Grenzwert im Allgemeinen sowohl an der Mischanlage als auch auf der Baustelle eingehalten.

Bei Betrachtung der nachfolgend aufgeführten Messwerte an Arbeitsplätzen bei der Verarbeitung von Asphalt wird aber deutlich, dass bei konventionellen Gussasphalten (Einbautemperaturen über 230 °C) häufig Messwert von deutlich über 10 mg/m3 zu verzeichnen sind.

Tabelle 1: Expositionsdaten von Asphaltarbeitern (Quelle: BauBG Frankfurt)

Das heißt, wenn die Aussetzung des Grenzwertes aufgehoben wird, drohen beim Einbau eines konventionellen Gussasphaltes Maßnahmen zum Schutz der Arbeitssicherheit (z. B. Atemschutzgeräte).

Eine Absenkung der Emissionen erfolgt am wirksamsten durch eine deutliche Reduzierung der Herstell- und Einbautemperaturen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass eine Reduzierung der Temperatur bei Herstellung und Einbau von Asphalt um 10 °C die Emissionen um 30 bis 50 % verringert. Die Höhe der Absenkung ist abhängig vom Anteil leichter siedender Kohlenwasserstoffe im Bitumen. Zwangsläufig können aus Asphalten mit weicheren Bitumen bei vergleichbarer Temperatur auch höhere Konzentrationen an Dämpfen und Aerosolen austreten.

Die Temperaturabsenkung bei Herstellung und Einbau von Gussasphalt ist damit zwingend erforderlich, damit diese Bauweise in Zukunft noch angewendet werden kann. Zudem kann es auch zielführend sein, sich über die Zusammensetzung des eingesetzten Grundbitumens Gedanken zu machen.

2 Erfahrungen mit Verfahren und Stoffen zur Temperaturabsenkung

Die Asphalt- und Baustoffindustrie hat in den vergangenen Jahren Produkte und Verfahren entwickelt, mit denen eine Temperaturabsenkung des Asphaltes um ca. 20 °C bis 30 °C grundsätzlich möglich ist. Nicht alle Produkte und Verfahren lassen sich in Gussasphalt und Walzasphalt gleichermaßen einsetzen. Hierzu ist nachfolgend eine Zuordnung aufgeführt.

Produkte, die im Gussasphalt eine signifikante Wirkung zeigen sind demnach den Sonderbindemitteln und temperaturabsenkenden Zusätzen zuzuordnen die allesamt der Stoffgruppe „Wachse“.

Nicht alle mit dieser Definition erfassten Wachse/Paraffine eignen sich für den Einsatz im Asphalt. So unterscheiden sich beispielsweise die geeigneten Wachse deutlich von den Bitumen eigenen Paraffinen. Die Bitumen eigenen Paraffine haben oftmals keinen positiven Einfluss auf die Gebrauchseigenschaften eines Asphaltes.

Eine allgemeine und vom Straßenbau unabhängige physikalische Abgrenzung zwischen Paraffinen und Wachsen ist beispielsweise durch den Schmelzpunkt möglich, der bei Wachsen über 70 °C liegt. Erfahrungsgemäß besteht dieser Wachs aus Kohlenwasserstoffmolekülen mit einer Anzahl an Kohlenstoffatomen von über 45. Der Schmelzpunkt und das Verhalten bei 20 °C sind dabei im Wesentlichen abhängig vom Molekulargewicht und von der Kristallinität des Wachses. Je höher das Molekulargewicht, umso höher ist auch der Schmelzpunkt und die Festigkeit bei 20 °C.

Gute Erfahrungen wurden mit Wachsen, die als Hauptkomponenten Fettsäureamide, Fettsäureester oder langkettige aliphatische Kohlenwasserstoffe beinhalten. Die Molekularstruktur dieser Hauptkomponenten ist dem Bild 1 zu entnehmen.

Die Wirkung dieser Wachse beruht auf der vergleichsweise geringen Viskosität im Bereich der Verarbeitungstemperatur (100 bis 200 °C). Dieser Einfluss auf das Bindemittel bzw. auf den Asphalt ist so groß, dass im Allgemeinen Gehalte von 3 M.-% bezogen auf das Bindemittel für eine erfolgreiche Modifizierung reichen. Die meisten der angebotenen Additive zeigen grundsätzlich sowohl im Gussasphalt, als auch im Walzasphalt einen positiven Effekt auf die Verarbeitbarkeit.

Bild 1: Strukturformeln der Hauptkomponenten der Wachse

Es ist bekannt, dass in Tonmineralen und auch in einigen Mineralstoffarten Kristallwasserbzw. Kernwasseranteile unkontrolliert auch nach dem Trockenvorgang in der Trockentrommel im Mischgut freigesetzt werden. Die Folge ist augenscheinlich eine scheinbare Überfettung des Mischgutes und eine Verringerung der Mischgutviskosität. Physikalisch erklärt sich dieser Effekt so, dass sich das Bindemittel durch feinste Wasserdampfbläschen aufschäumt und so ein scheinbar größeres Bindemittelvolumen entsteht, dass wiederum die Viskositätsänderung bewirkt. Dies ist vergleichbar mit dem Aufschäumeffekt beim Schaumbitumen.

Diesen aus den Mineralstoffen ursächlichen Effekt kann man durch eine gezielte Zugabe von synthetischen wasserhaltigen Produkten erreichen. Besonders geeignet sind die Stoffe, in denen das Wasser chemisch gebunden ist, wie beispielsweise in Zeolithen. Für Anwendungen in Asphalt wurden mit Zeolithen in Pulverform (Partikeldurchmesser < 10 µm) bereits gute Erfahrungen gemacht. Der chemisch gebundene Wasseranteil liegt in diesen Produkten etwa bei 20 bis 30 M.-%. Seit einiger Zeit werden auch granulierte Lieferformen angeboten.

Grundsätzlich werden zurzeit drei verfahrenstechnische Maßnahmen weiterverfolgt, die eine Temperaturabsenkung bei Herstellung und Einbau ermöglichen. Diese sind:

Tabelle in der PDF

Mit Hilfe von Datensammlung und -auswertung in Form einer Datenbank wurden bisherige Erprobungsflächen dokumentiert. Die Tabellen 2 und 3 zeigen die nach Mischgutart unterteilten Mengen, die bisher eingebaut wurden.

Tabelle 2: Mischgutmengen mit Sonderbindemitteln und temperaturabsenkenden organischen Zusätzen

Tabelle 3: Mischgutmengen mit temperaturabsenkenden anorganischen Zusätzen (Zeolith)

Die Zahlen machen deutlich, dass sich die Verwendung temperaturabsenkender organischer Zusätze und Sonderbindemittel sowie temperaturabsenkender anorganischer Zusätze nicht nur auf einzelne Erprobungsflächen beschränkt. Dabei wurden einige dieser Praxiserprobungen durch umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen begleitet.

Um erste Erkenntnisse zum Langzeitverhalten dieser Bauweisen zu erlangen, wird in Kürze eine Bestandsaufnahme von Asphaltschichten in temperaturabgesenkter Bauweise nach längerer Liegezeit durchgeführt. Die ad-hoc-Gruppe „Temperaturabsenkung“ hat hierzu auf Basis der Streckendokumentationen 11 Strecken ausgewählt, die der Tabelle 4 zu entnehmen sind.

Tabelle 4: Ausgewählte Strecken zum Nachweis des Langzeitverhaltens

3 Schlussfolgerungen

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass mit den hier vorgestellten Verfahren und Additiven eine Temperaturabsenkung bei Herstellung und Einbau von Asphalt um bis zu 30 °C möglich ist. Wenn über die Bestandsaufnahme der ausgewählten Erprobungsstrecken eine positive Langzeiterfahrung dokumentiert wird, wird voraussichtlich Mitte 2005 das „Merkblatt für Temperaturabsenkungen bei Herstellung und Einbau von Asphalt“ (M TA) erscheinen. Neben der Dokumentation des Langzeitverhaltens werden zurzeit noch die Randbedingungen zur Erstellung der erweiterten Eignungsprüfung für temperaturabgesenkte Asphalte erarbeitet. Abschließend lassen sich die angestrebten Aktivitäten und Ziele wie folgt zusammenfassen:

=> Weitere Erfahrungssammlung mit erweiterten Eignungsprüfungen

=> Veröffentlichung des M TA möglichst bis Mitte 2005 einschließlich Abfragen im Bund/Länder-Ausschuss und den tangierenden FGSV-Gremien

=> Ziel: Uneingeschränkte Anwendbarkeit alle Asphalte auch bei Einführung eines Luftgrenzwertes für die Verarbeitung von Gussasphalt.