FGSV-Nr. FGSV 002/120
Ort Karlsruhe
Datum 19.09.2017
Titel Solestreuung auf Radwegen in Hannover
Autoren Burkhard Heberlein
Kategorien Straßenbetrieb, Winterdienst
Einleitung

Seit 2010 wird in Göttingen auf Radwegen eine neue Winterdiensttechnik eingesetzt. Politiker fragten beim Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) an, ob das Göttinger Modell übernommen werden kann. Hierbei wird eine Räumung der Radwege mithilfe eines Winterdienstfahrzeuges mit Vorräumbesen und Solesprühverfahren durchgeführt. Göttingen greift hier auf Natursole einer naheliegenden Saline zurück. Der Salzgehalt dieser Natursole beträgt 26,5 % Natriumchlorid (NaCl). Da die Stadt Göttingen noch in der Testphase war, konnten sie keine objektiven Daten liefern. Allerdings überzeugte die subjektive Wahrnehmung, so dass die aha bereit war, dieses Verfahren ab 2013/14 für drei Jahre zu testen. Die Fahrzeugtechnik zur Ausbringung der reinen Solestreuung unterscheidet sich deutlich von der herkömmlichen Methode: anstatt mit einem Keilpflug zur Räumung an der Fahrzeugfront und einem Verteilerteller für das Streumittel an der Heckseite des Trägerfahrzeuges wurde ein Fahrzeug mit Vorräumbesen und Solesprühbalken eingesetzt.

Das Streufahrzeug wurde in den Winterdienstperioden 2013/14, 2014/15 und 2015/16 auf einer Teststrecke im Stadtgebiet List erprobt. Direkt angrenzend wurde ein herkömmliches Räumfahrzeug auf einer vergleichbaren Referenzstrecke eingesetzt.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Ausgangssituation

Seit 1999 existiert in Hannover ein mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) und verschiedenen Fachbereichen der Stadt Hannover abgestimmtes Winterdienstnetz auf Radwegen. Die vorhandenen öffentlichen Radwege wurden in zwei Dringlichkeitsstufen eingeteilt. Die Fachbereiche sicherten zu, das Netz in der Zeit von Montag bis Freitag innerhalb der Dienstzeiten zu bearbeiten. Der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) hatte mit 435 Kilometern die Hauptlast zu tragen. Die aha setzte geeignete Fahrzeuge mit Keilpflug ein. Als Streugut wurde Sand verwendet, der manuell ausgebracht wurde. Da die Niederschläge in Hannover eher gering ausfielen, gab es nur wenige Beschwerden. Dieses änderte sich im Januar 2009, als an einem Samstag Schnee fiel, der am Sonntag durch die Sonneneinwirkung zu schmelzen begann. In der darauffolgenden Nacht gefror die obere Schicht, so dass am Montag keine Räumung mehr möglich war. Erst durch die Freigabe von Salz auf Geh- und Radwegen konnte die aha innerhalb von einer Woche die Radwege wieder befahrbar gestalten. Die steigende Zahl der Fahrradfahrer, die auch im Winter das Rad nutzen wollten, kritisierte die zeitlich eingeschränkte Räumung der Radwege. Da in den Jahren vorher nur wenige Probleme auftauchten, wurde das Ereignis als Einzelfall eingestuft. Ein Jahr später überraschte der Winter ganz Deutschland. Auch in Hannover fiel 30 cm Neuschnee, der zwar schnell von den Hauptverkehrsstraßen (Dringlichkeitsstufe 1) geräumt werden konnte, nicht aber von den Radwegen, da die dafür geeigneten Räumfahrzeuge bis zu 70 cm Schnee entfernen mussten. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass die Radfahrlobby eine Änderung forderte und tatsächlich der Ratsauftrag erfolgte, 100 Kilometer Radwege auch in die Rufbereitschaft mit aufzunehmen und gegebenenfalls mit Salz zu streuen. Mit dem ADFC wurde ein Netz erarbeitet, das zum Winter 2010/11 erstmals umgesetzt wurde. Um das neue Netz abzurunden, wurden weitere 40 Kilometer mit aufgenommen. Da auch dieser Winter schneereich war, gab es viel Lob für die geräumten Strecken, aber auch Kritik, weil viele Radfahrer das Netz nicht als ausreichend empfanden. Nur ein Jahr später bekam die aha den Auftrag, weitere 100 Kilometer vordringlich zu bearbeiten. In Absprache mit dem ADFC wurde das Netz vergrößert und umfasst inzwischen 250 Kilometer Radwege. 

2 Methodenänderung beim Räumen

Ratspolitiker fragten bei der aha an, ob das Göttinger Modell übernommen werden kann. Dort wird ein neues Verfahren getestet. Hierbei wird eine Räumung der Radwege mithilfe eines Winterdienstfahrzeuges mit Vorräumbesen und Solesprühverfahren durchgeführt. Göttingen greift hier auf Natursole einer naheliegenden Saline zurück. Der Salzgehalt dieser Natursole beträgt 26,5 % Natriumchlorid (NaCl). Da die Stadt Göttingen noch in der Testphase war, konnten sie keine objektiven Daten liefern. Allerdings überzeugte die subjektive Wahrnehmung, so dass die aha bereit war, dieses Verfahren ab 2013/14 für drei Jahre zu testen. Die Fahrzeugtechnik zur Ausbringung der reinen Solestreuung unterscheidet sich deutlich von der herkömmlichen Methode: anstatt mit einem Keilpflug zur Räumung an der Fahrzeugfront und einem Verteilerteller für das Streumittel an der Heckseite des Trägerfahrzeuges wurde ein Fahrzeug mit Vorräumbesen und Solesprühbalken eingesetzt.

Bild 1: Vorderansicht                           

Bild 2: Rückansicht

Das Streufahrzeug wurde in den Winterdienstperioden 2013/14, 2014/15 und 2015/16 auf einer Teststrecke im Stadtgebiet List erprobt. Direkt angrenzend wurde ein herkömmliches Räumfahrzeug auf einer vergleichbaren Referenzstrecke eingesetzt. In der Skizze ist die Solestrecke blau und die Vergleichsstrecke rot gekennzeichnet.

Bild 3: Solestrecke (blau) und Vergleichsstrecke mit herkömmlichem Räumfahrzeug (rot)

Die aha nutzt als Trägerfahrzeug einen Multicar Tremo sowie den epoke Virtus Mini Ast als Solestreuer, dessen Fassungsvermögen 1000 Liter beträgt. Die kleinste Verbrauchseinstellung der Sprühanlage beträgt 10 ml und kann in 5er Schritten bis 50 ml/m² gesteigert werden.

In Hannover wird seit vielen Jahren Magnesiumchlorid für die Zubereitung des Feuchtsalzes verwendet. Die grundsätzliche Verwendung nur einer Soleart (NaCl oder MgCl) führt zu einer verbesserten Transport- und Einsatzlogistik, weil sonst temperaturabhängig beide Solearten vorgehalten werden müssen. Um im Rahmen des Testverfahrens nicht zusätzliche NaCl-Kapazitäten anzuschaffen und vorzuhalten, wurde der Test ausschließlich mit der vorhandenen MgCl-Lösung betrieben. Zukünftige wäre aber auch ein NaCl-Einsatz im Rahmen zunehmend reiner Solestreuung denkbar.

Für den Testzeitraum wurden folgende Daten von den beteiligten Betriebsstätten zu den Einsätzen erfasst:

Datum, Einsatzbeginn, Einsatzende,

– Wetterlage, Niederschlag, Temperatur Boden/Luft,

Verbrauch Salz, Verbrauch Sole,

– Gefahrene Einsätze (Kontrolle, Streuen, Räumen), Streulänge,

Bemerkungen.

Tabelle 1: Winterdienst-Einsätze auf der Test- und der Referenzstrecke

Bilder 4 und 5: Zwei Beispiele für geräumte Radwege mit Solestreuung (Quellen: Alle Fotos stammen aus dem aha-Archiv)

3 Fazit

Nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen und unter Auswertung der eingesetzten Räum- und Streutechnik hat sich die reine Solestreuung auf Radwegen bewährt.

Im Winter 2013/14 wurde mit teilweise sehr geringen Aufbringungsmitteln von 15 ml/m² die Solestreuung getestet. Dies entspricht bei einer 22 %-igen Solemischung einen Salzanteil von 3,3 bis 4,4 Gramm je Quadratmeter. Diese Menge war teilweise zu gering angesetzt, so dass immer viel nachgearbeitet werden musste. Dieses hat zu logistischen Problemen und vermehrten Beschwerden geführt, weil die Teststrecke teilweise nicht optimal präpariert war. Zudem ist es auch betriebswirtschaftlich ungünstig, weil die stetigen Nachbearbeitungen relativ teuer sind. Letztendlich hat sich die Ausbringung von 30 Millilitern Sole pro Quadratmeter als die optimale Lösung unter den meisten Bedingungen herausgestellt. Der Salzeinsatz von 30 ml/m² Sole entspricht einem Salzeinsatz von 6,6 Gramm je Quadratmeter und liegt sehr deutlich unter der Referenzstrecke, bei der nur mit 20 Gramm Trockensalz eine gleich gute Verkehrssicherung erreicht werden konnte. Das entspricht einer Salzeinsparung bei gleich guter Radwegpräparierung von ca. 67 %. Dieses Einsparergebnis verringert sich beim Einsatz von Feuchtsalzstreuern.