FGSV-Nr. FGSV A 40
Ort Nürnberg
Datum 10.05.2011
Titel Rechnerische Dimensionierung von Asphaltstraßen - Ermüdung und Folgen für die Dimensionierung
Autoren Dr.-Ing. Konrad Mollenhauer
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Neben dem Steifigkeitsverhalten der Konstruktionsschichten einer Asphaltbefestigung ist der Ermüdungswiderstand der Asphalttragschicht die das Ergebnis der Dimensionierung gemäß RDO Asphalt 09 maßgeblich beeinflussende Baustoffeigenschaft. Mit Hilfe der Steifigkeitsmoduln der Asphaltschichten sowie der ungebundenen bzw. hydraulisch gebundenen Tragschichten wird die maßgebende Beanspruchung berechnet. Für den Ermüdungsnachweis ist dies die Biegezugdehnung an der Unterseite der Asphalttragschicht. Die Anzahl der während der Lebensdauer erwarteten Lastwechsel, die diese Beanspruchung bewirken, wird ins Verhältnis gesetzt mit der bei dieser Biegezugdehnung ertragbaren Lastwechselzahl, die in Laborprüfungen ermittelt wurde.

Die Beanspruchung im Labor führt jedoch zu deutlich geringeren ertragbaren Lastwechseln als in der Realität zu erwarten. Daher wird die in der Laborprüfung ertragbare Lastwechselzahl mit dem Shift-Faktor SF vergrößert (SF = 1.500). Zur Anbindung der Ergebnisse der rechnerischen Dimensionierung an den deutschen Erfahrungshintergrund, festgehalten in den RStO 01, wird ein zweiter Sicherheitsfaktor F verwendet. Dieser Sicherheitsfaktor wurde anhand der Eigenschaften bestimmter Referenz-Baustoffe festgelegt. Die vermehrte Prüfung von Asphalttragschicht-Mischgut für die Ermittlung von Dimensionierungs-Eingangsgrößen macht deutlich, dass der zur Kalibrierung der RDO gewählte Referenzasphalt einen vergleichsweisen hohen Ermüdungswiderstand aufweist. Somit beinhaltet die RDO ein höheres Sicherheitsniveau als die RStO 2001.

Im Rahmen der Berechnung der zulässigen Lastwechselzahl wird von temperaturindifferentem Ermüdungswiderstand ausgegangen, das heißt die bei T = 20 °C ermittelte Ermüdungsfunktion wird auch für die Berechnung der zulässigen Lastwechselzahl des gesamten im Bereich der Asphalttragschicht auftretenden Temperaturspektrums angewandt (je nach Dicke des gebundenen Oberbaus: –5 °C < TAsphalttragschicht < 35 °C). Die Ergebnisse von bei verschiedenen Temperaturen durchgeführten Ermüdungsprüfungen können mit einer gemeinsamen Ermüdungsfunktion beschrieben werden, wenn bei tiefer Temperatur die kryogene Unterspannung bereits berücksichtigt ist. Daher ist die in den RDO verankerte zusätzliche Berücksichtigung von „kryogenen Dehnungen“ für 50 % aller Lastwechsel bei T < 5°C nicht notwendig. Bei der Betrachtung von Prüfungsergebnissen kann jedoch die Temperaturindifferenz nur unter Berücksichtigung einer gewissen Toleranz angenommen werden. Die Untersuchung der einzelnen Kombinationen aus Last- und Temperaturklasse auf ihren Anteil an der Schädigungssumme ergibt, dass in der höchsten Temperaturklasse (Oberflächentemperatur > 47,5 °C) fast ein Viertel der gesamten Schädigungssumme auftritt, obwohl diese Temperaturklasse nur einen Anteil um 0,5 % einnimmt. Obwohl mehr als 50 % der Schädigungsanteile in den nicht durch Prüfungen abgedeckten Temperaturbereich > 25 °C fallen, ist die Anwendung der RDO zur Dimensionierung durch die Kalibrierung des Berechnungsverfahrens an die RStO unter Verwendung eines qualitativ hochwertigen Referenzbaustoffes zielführend. Jedoch ist die Berechnung konkreter Ausfallzeitpunkte und Verwendung von rechnerischen Lebensdauern im Rahmen des Erhaltungsmanagements zum jetzigen Zeitpunkt mit großen Unsicherheiten verbunden und daher nicht zu empfehlen.

 

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die in den „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht“ (RDO Asphalt 09) (FGSV 2009 a) zugrundegelegten Verfahren zur Berechnung der theoretischen Lebensdauer von Asphaltbefestigungen werden seit ihrer Einführung verwendet, um neu zu bauende Straßenbefestigungen genau auf die für diesen bestimmten Straßenabschnitt erwartete Verkehrsbeanspruchung, der Tragfähigkeit des anstehenden Untergrundes, der klimatischen Bedingungen und der angestrebten Nutzungsdauer abzustimmen. Durch die bessere Berücksichtigung der erwarteten Verkehrsbeanspruchung sowie der Zusammensetzung der Achslasten erfolgt somit eine Auswahl der Straßenbefestigung anhand der tatsächlichen Anforderungen. Das Ergebnis des Dimensionierungsverfahrens ist demnach genauer an die Anforderungen abgestimmt als es eine Straßenbefestigung ist, die den in den „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen“ (RStO 01) (FGSV 2001 a) definierten Katalogen entnommen wurde.

Ein weiterer Einsatzbereich des in den RDO Asphalt 09 beschriebenen Berechnungsverfahrens ist die Prognose der Lebensdauer von bestehenden Fahrbahnbefestigungen aus Asphalt. Unter Berücksichtigung der seit Verkehrsfreigabe erfolgten Lastübergänge kann die verbleibende Lebensdauer der Befestigung berechnet werden.

Das in den RDO Asphalt 09 definierte Dimensionierungsverfahren beinhaltet folgende Berechnungsschritte:

  1. Ermittlung der Eingangsgrößen für die Dimensionierung:
    • Verkehrslast:
      Durchschnittlicher täglicher Schwerverkehr DTV(SV), Verteilung der Achslasten in 13 Klassen anhand von Achslastwägungen oder der Zuordnung zu in den RDO Asphalt definierten Achslastkollektiven,
    • Klimatische Bedingungen:
      Zuordnung der Lage der Straßenbefestigung zu 4 Temperaturzonen, denen jeweils eine Häufigkeitsverteilung von Oberflächentemperaturen zugeordnet sind,
    • Ermittlung der Materialparameter der eingesetzten Baustoffe in Laborprüfungen (Steifigkeit der Asphaltschichten, Ermüdungsfunktion der Asphalttragschicht) bzw. durch Annahme von Tragfähigkeiten (Planum, Schichten ohne Bindemittel, hydraulisch gebundene Tragschichten).
  2. Berechnung relevanter Beanspruchungen mittels Mehrschichten-Theorie:
    • Biegezugdehnung ε an der Unterseite der Asphalttragschicht für den Nachweis gegen Ermüdungsrissbildung von unten,
    • Vertikalspannung σ an der Oberseite der ungebundenen Tragschichten sowie des Planums für die Nachweise gegen plastische Verformungen,
  3. Führen der Nachweise, ob die vorhandenen Beanspruchungen während der Nutzungsdauer zum Versagen der dimensionierungsrelevanten Befestigungsschichten führen.

Im Folgenden werden alleinig die den Baustoff Asphalt betreffenden Materialparameter (Steifigkeit und Ermüdungswiderstand) sowie die Auswirkungen der Materialparameter auf den Nachweis gegen Ermüdungsrissbildung in der Asphalttragschicht diskutiert. Zunächst erfolgt eine Diskussion der Sicherheitsbetrachtungen, die in den RDO Asphalt 09 verankert sind. Dann werden die Einflussgrößen Temperatur und Beanspruchung auf die Ergebnisse von Ermüdungsprüfungen aufgezeigt. Die maßgeblichen Beanspruchungskombinationen, die den höchsten Anteil am Ergebnis der rechnerischen Dimensionierung haben, werden aufgezeigt. Abschließend erfolgt eine Beurteilung des Sicherheitsniveaus sowie der Auswirkungen der in den RDO Asphalt 09 definierten Lastannahmen auf das Ergebnis der Dimensionierung bzw. auf die Anwendung der RDO Asphalt im Rahmen der Lebensdauerprognose.

2 Sicherheitsbetrachtungen

2.1 Sicherheit empirisch festgelegter Befestigungen

Die gemäß RStO 01 in der Tafel 1 definierten Asphaltbefestigungen sind aufgrund langjähriger Bewährung festgelegt worden. In Verbindung mit den technischen Regelwerken für die eingesetzten Baustoffe (Technische Lieferbedingungen) und für die Herstellung der Befestigungsschichten (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen) und den dort definierten Anforderungen an die Materialeigenschaften wird für die verschiedenen Befestigungsvarianten eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren angenommen. Dabei werden allerdings die tatsächlichen Materialeigenschaften nicht berücksichtigt. Daher gilt eine Befestigung als sicher dimensioniert, wenn die Anforderungen an die Baustoffkomponenten und die fertiggestellten Schichten unter Berücksichtigung der in den ZTV definierten Toleranzen erfüllt werden.

2.2 Sicherheitskonzept rechnerisch dimensionierter Asphaltbefestigungen

Die RDO Asphalt 09 definiert ein Berechnungsverfahren, mit dem anhand von Annahmen zum Verkehrslastkollektiv und Temperaturbedingungen sowie den im Labor ermittelten tatsächlichen Materialeigenschaften Rückschlüsse auf die theoretische Lebensdauer getroffen werden können. Das Materialverhalten des Baustoffes Asphalt wird dabei in Spaltzug-Schwellversuchen gemäß den „Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße für die rechnerische Dimensionierung“ (AL Sp-StB 09) (FGSV 2009b) gemessen.

Im Spaltzug-Schwellversuch wird ein Asphalt-Probekörper zyklisch durch widerholte Lastimpulse konstanter Kraft so lange beansprucht, bis er Ermüdungsversagen zeigt. Zur Modellierung des Ermüdungswiderstandes wird die ertragbare Lastwechselzahl der im Versuch aufgebrachten Beanspruchung gegenübergestellt. Die Wertepaare mehrerer Einzelversuche liegen im doppelt logarithmischen Diagramm auf einer Geraden. Diese kann durch eine 2-Parameter Potenzfunktion beschrieben werden. Diese Potenzfunktion wird als Ermüdungsfunktion bezeichnet.

Erfahrungsgemäß versagt ein Asphalt-Probekörper in der Laborprüfung deutlich früher als in der Praxis. Gründe dafür sind die grundsätzlich unterschiedlichen Belastungsbedingungen der Laborprüfung (z. B. andauernde Zugbeanspruchung, keine Lastpausen) und der Beanspruchung der Straßenbefestigung (Lastpausen zwischen den Achsen eines Fahrzeugs sowie zwischen den Fahrzeugen, Wechselbeanspruchung Zug-/Druck-Wechsel, Temperaturunterschiede). Zur Übertragung der im Labor ermittelten Ermüdungsfunktion in die Praxis wird deshalb der Shift-Faktor SF = 1.500 eingeführt, welcher mit der in Laborversuchen bestimmten Ermüdungsfunktion nach Gleichung 1 multipliziert wird. Daraus folgt, dass unter Praxisbedingungen eine bestimmte Dehnungsbeanspruchung 1.500 mal öfter ertragen wird als im Spaltzug-Schwellversuch.

Um weiterhin eine Anbindung des Dimensionierungsergebnisses an den in den RStO 01 niedergeschriebenen Erfahrungshintergrund und somit an das dort verankerte Sicherheitsniveau zu gewährleisten wurden die verschiedenen Bauweisen und Bauklassen der RStO 01 mit dem Verfahren gemäß RDO Asphalt 09 nachgerechnet. Um die für die jeweiligen als gleichwertig geltenden Bauweisen einheitliche rechnerische Lebensdauern zu erhalten wurden die Sicherheitsfaktoren F eingeführt, mit Hilfe derer unter Verwendung der in den RDO Asphalt definierten Referenzasphalt die rechnerische Lebensdauer auf 30 Jahre normiert wurden. Im Bild 1 ist das Verfahren für die Herleitung der Sicherheitsfaktoren F beispielhaft in blau dargestellt. Ein Beispiel für die Anwendung der RDO Asphalt 09 auf ein exemplarisch gewähltes Asphalt-Material (im Bild 1 in grün gezeichnet) ergibt eine auf das RStO-Niveau normierte rechnerische Lebensdauer von nur 24 Jahren. Um den Nachweis der Ermüdungsrissbildung erfüllen zu können ist somit beispielsweise eine Anpassung der Schichtdicken der Befestigung oder eine Optimierung des Baustoffes notwendig.

Die in den RDO Asphalt 09 verankerten Sicherheitsfaktoren sind für die verschiedenen Bauweisen wie folgt definiert:

  • Asphalttragschicht auf Frostschutzschicht: F = 2,1
  • Asphalttragschicht auf Verfestigung: F = 1,1
  • Asphalttragschicht auf Schotter- oder Kiestragschicht oder Tragschicht mit hydraulischen Bindemitteln: F = 0,6.

Formel in PDF

Bild 1: Beispiele für die Herleitung (blau) und Anwendung (grün) des in den RDO Asphalt verankerten Sicherheitskonzeptes

Die Wirkung des Shift-Faktors sowie der Sicherheitsbeiwerte F auf die im Rahmen der Dimensionierung berücksichtigten ertragbaren Lastwechselzahl zeigt das Bild am Beispiel der in den AL Sp Asphalt-StB 09 enthaltenen Ergebnisse für den RDO-Referenzasphalt. In den Spaltzug-Schwellversuchen ergaben Anfangsdehnungen zwischen 0,07 ‰ und 0,25 ‰ resultierende ertragbare Lastwechselzahlen zwischen 100.000 und 1.000. Durch die Verwendung des Shift-Faktors SF bedeutet dies, dass vergleichbare Dehnungsbeanspruchungen zwischen 1 und 200 Millionen mal ertragen werden. Die Anpassung der RDO-Ergebnisse an die RStO 01 bewirkt, dass bei Befestigungen mit Frostschutzschicht die kleinsten ertragbaren Lastwechsel zugrunde gelegt werden, während bei der Bauweise mit Tragschicht aus Schotter, Kies oder hydraulisch gebundenen Baustoffen FFSS/FSTS = 2,1/0,6 = 3,5 mal so viele Lastwechsel ertragen werden.

Bild 2: Verschiebung der in der Laborprüfung mittels Spaltzug-Schwellversuchen gemessenen Ermüdungsfunktion mit Shift-Faktor und Sicherheitsbeiwert

Für die Ermittlung der Sicherheitsbeiwerte F wurde ein Asphalttragschichtmaterial verwendet, welches einen vergleichsweise hohen Widerstand gegen Ermüdung aufweist, wie das Bild 2 zu anderen exemplarisch zusammengestellten Ermüdungsfunktionen zeigt. Die Ermüdungsfunktion des RDO Referenz-Asphaltes liegt vor allem in dem für die Dimensionierung maßgeblichen Dehnungsbereich um ε = 0,1 ‰ erheblich über jenen anderer Asphalttragschichtmaterialien, woraus bis zu 10fach höhere ertragbare Lastwechselzahlen resultieren. Die Normierung der Berechnungsergebnisse mit einem qualitativ sehr hochwertigen Asphalt resultiert daher in einer im Vergleich zu den RStO 01 sehr hohen Dimensionierungssicherheit.

Bild 3: Ermüdungsfunktion des in den RDO Asphalt verankerten Kalibrierasphaltes im Vergleich zu jenen anderen Asphalt-Tragschicht-Varianten

3 Einflussgrößen auf den Ermüdungsnachweis der Asphalttragschicht

3.1 Einfluss der Prüftemperatur auf den Ermüdungswiderstand und die Berücksichtigung in der RDO Asphalt

In zahlreichen Forschungsvorhaben konnte der Einfluss der Temperatur auf den Widerstand gegen Ermüdung herausgearbeitet werden (vgl. u. a. Arand, Rubach et al. 1996, Arand, Zander et al. 1998, Mollenhauer 2008). In kraftgeregelten einaxialen Zug-Schwellprüfungen führt demnach eine tiefere Prüftemperatur zunächst zu einer höheren ertragbaren Lastwechselzahl. Die mit abnehmender Temperatur zunehmende Steifigkeit bewirkt, dass bei gleicher Spannung kleinere Dehnungen entstehen und somit weniger Verformungsarbeit geleistet wird.

In diesen Prüfungen wird jedoch die Unterspannung in Abhängigkeit der Temperatur variiert, um den Einfluss der kryogenen Zwangsspannungen zu Berücksichtigen. Somit ergibt sich mit abnehmender Prüftemperatur im einaxialen Zug-Schwellversuch eine höhere Beanspruchung. Diese bewirkt ein früheres Versagen des Probekörpers bei tiefen Temperaturen.

Wie Bild 4 (links) zeigt, ist dieser Zusammenhang auch bei den aus Spaltzug-Schwellversuchen ermittelten Ermüdungsfunktionen zu beobachten, wenn diese in Abhängigkeit von der im Versuch aufgebrachten Spannung ausgewertet werden. Zur Auswertung nach AL Sp Asphalt-StB bzw. zur Anwendung im Ermüdungsnachweis der RDO Asphalt wird jedoch nicht die während der Prüfung konstant gehaltene Spannung zur Auswertung herangezogen, sondern die bei Versuchsbeginn gemessene Dehnungsreaktion εel,anf, vgl. Bild 4 (rechts). Bei tieferer Prüftemperatur bewirkt die dann höhere Steifigkeit bei konstanter Spannung eine kleinere Dehnungsreaktion. Dadurch wird ein Teil des sonst in kraftgeregelten Ermüdungsversuchen nachgewiesenen Temperatureinflusses ausgeglichen. Für die Anwendung der in Spaltzug-Schwellversuchen gemessenen Ermüdungsfunktion wird in den RDO Asphalt daher die Annahme getroffen, dass die für die Prüftemperatur T = +20 °C gemessene Ermüdungsfunktion auch den Ermüdungswiderstand bei anderen vorkommenden Temperaturen beschreibt. Diese Annahme ist jedoch mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, wie der bei +20 °C gemessene deutlich steilere Verlauf der Ermüdungsfunktion zeigt. Dies führt dazu, dass bei einer Dehnungsdifferenz von ε = 0,1 ‰ die bei +5 °C ertragene Lastwechselzahl um das 3,5-fache höher ist als jene bei +20 °C ertragene. Ein weiteres Beispiel zeigt das Bild 5 für den RDO-Referenzasphalt, bei dem die bei +5 °C ertragene Lastwechselzahl doppelt so hoch ist wie jene bei 20 °C gemessene Lastwechselzahl.

Bild 4: Bei drei Prüftemperaturen gemessene Ermüdungsfunktionen für ein Asphalttragschichtmaterial AC 32 T S, links: spannungsabhängige Ermüdungsfunktionen, rechts: dehnungsabhängige Ermüdungsfunktionen (Wellner, Weise  et al. 2007)

3.2  Einfluss der kryogenen Spannung auf den Ermüdungswiderstand und deren Berücksichtigung in den RDO Asphalt

Abnehmende Temperaturen bewirken infolge behinderter thermischer Dehnung horizontale Zwangsspannungen in den Asphaltschichten. Bei Temperaturen T > 0 °C können diese weitgehend durch das Relaxationsvermögen des viskoelastischen Baustoffes Asphalt in kurzer Zeit abgebaut werden. Bei tieferen Temperaturen ist das Relaxationsvermögen jedoch wegen der dann hohen Viskosität des Baustoffes eingeschränkt. Dadurch können zusätzlich zu jenen durch den Verkehr induzierten Biegezugspannungen dauerhaft wirkende kryogene Spannungen auftreten. Diese zusätzliche Beanspruchung wird in Ermüdungsversuchen bei tiefen Temperaturen dadurch berücksichtigt, dass in den Versuchen eine aus dem Abkühlversuch gemäß DIN EN 12697-46 (Entwurf 2009) abgeleitete Unterspannung angesetzt wird. Die für die Prüftemperaturen T = –5 °C im Bild 3 gezeigten Ermüdungsfunktionen wurden in Spaltzug-Schwellversuchen mit Berücksichtigung der kryogenen Unterspannung ermittelt. Das Bild 5 zeigt Ergebnisse von Spaltzug-Schwellversuchen, bei denen die Unterspannung variiert wurde. Für das Asphalttragschichtmaterial, das in den RDO Asphalt als Referenzasphalt hinterlegt ist, ist zu erkennen, dass bei dehnungsabhängiger Darstellung nur jene bei T = –5 °C ermittelte Ermüdungsfunktion im Bereich der bei höheren Temperaturen gemessenen Ermüdungsfunktionen liegt, die unter Berücksichtigung der kryogenen Spannung gemessen wurde. Dieser Zusammenhang konnte von Weise (2009) für weitere Asphaltarten und -sorten nachgewiesen werden. Bleiben die kryogenen Spannungen im Versuch unberücksichtigt, so werden bei gleicher anfänglicher Horizontaldehnung erheblich höhere Lastwechselzahlen ertragen.

Bild 5: Bei drei Temperaturen gemessene Ermüdungsfunktionen für ein Asphalttragschichtmaterial AC 22 T S (Leutner, Lorenz l  et al. 2006)

In den RDO Asphalt werden jedoch die infolge Verkehrsbeanspruchung berechneten Biegezugdehnungen für jeden zweiten Lastwechsel bei einer Schichttemperatur von T < 5 °C mit aus den kryogenen Spannungen berechneten Dehnungen überlagert. Somit wird für diese Lastfälle die kryogenen Spannung doppelt berücksichtigt:

  1. durch die Nutzung der Ermüdungsfunktion, die bereits die höhere Beanspruchung infolge kryogener Spannung abbildet und
  2. durch die Superposition der aus dem Verkehr resultierenden Biegezugdehnung mit einem aus der kryogenen Spannung berechneten Dehnungsanteil.

Dadurch werden im Rahmen des Nachweis-Konzeptes der Ermüdungsrissbildung an der Unterseite der Asphalttragschicht die Beanspruchungsfälle bei tiefen Temperaturen stärker bewertet als jene, die bei hohen Temperaturen auftreten.

3.3 Einfluss der Lastfall-Kombination auf den Ermüdungsnachweis der Asphalttragschicht in den RDO Asphalt

Im Rahmen des Ermüdungsnachweises (Rissbildung an der Unterseite der Asphalttragschicht) gemäß RDO Asphalt werden 13 Lastklassen und 11 Temperaturklassen berücksichtigt. Für jede Temperaturklasse ist ein Temperaturgradient für die Temperaturen in den verschiedenen Konstruktionstiefen definiert. Anhand dieser Temperaturverteilung innerhalb der Straßenbefestigung und den materialabhängigen Asphalt-Steifigkeitsmoduln resultieren die verschiedenen im Mehrschichten-Modell angewendeten Schicht-Moduln.

Die Verteilung der verschiedenen Kombinationen der Temperatur- und Lastklassen ist im Bild 6 für die Kombination der Temperaturverteilung für Temperaturzone 3 und der Achslastverteilung des Achslastkollektivs „BAB Fernverkehr“ dargestellt. Die größte Anzahl der Belastungsfälle tritt für den mittleren Temperaturbereich (–2,5 °C ≤ T ≤ 27,5 °C) sowie den Lastklassen LK 2 bis LK 5 (entsprechend den Achslasten zwischen 4 t und 10 t) auf.

Bild 6: Häufigkeitsverteilung der Kombinationen der Last- und Temperaturklassen (Temperaturzone 3, Achslastkollektiv BAB Fernverkehr)

Für den Ermüdungsnachweis wird für jede dieser Lastfall-Kombinationen mittels Mehrschichten-Theorie die horizontale Dehnung an der Unterseite der Asphalttragschicht berechnet.

Aus dieser wird unter Berücksichtigung der Ermüdungsfunkions-Parameter a und k des jeweiligen Asphalttragschichtmaterials sowie des Shift-Faktors und des Sicherheitsbeiwertes F die ertragbare Lastwechselzahl zul N berechnet (vgl. Gleichung 1). Durch die Quotientenbildung der in der angestrebten Lebensdauer tatsächlich auftretenden Lastwechsel Nvorh (vgl. Bild 6) durch die berechnete ertragbare Lastwechselzahl zul N kann für jede Lastfall-Kombination der Schädigungsanteil berechnet werden. Die Summe der 143 Schädigungsanteile ∑Miner beschreibt die in der angestrebten Lebensdauer erfolgte Schädigung der Asphalttragschicht. Überschreitet die Schädigungssumme ∑Miner der Wert 1, o ist der Nachweis gegen Ermüdungsrissbildung der Asphalttragschicht nicht erfüllt.

Im Bild ist die Verteilung der einzelnen Schädigungsanteile auf die verschiedenen Lastfall- Kombinationen dargestellt. Den größten Teil der Schädigungsanteile ergibt sich in den Temperaturklassen 32,5 °C, 37,5 °C sowie 47,5 °C. Da bei hohen Temperaturen die Asphaltsteifigkeit gering ist, resultieren aus der Verkehrslast höhere Dehnungen. Die Lastklassen, die maßgebliche Anteile an der Gesamtschädigung einnehmen sind die den Achslasten zwischen 14 t und 8 t zugeordneten Klassen.

Die Anteile der einzelnen Lastklassen an der gesamten Schädigungssumme sind im Bild (links) dargestellt. Im Vergleich zur Verteilung der Häufigkeit der verschiedenen Lastklassen ist die Häufigkeitsverteilung derer Anteile an der Schädigungssumme um etwa eine Lastklasse verschoben.

Im Bild 8 (rechts) zeigt die Häufigkeitsverteilung der Schädigungsanteile für die einzelnen Temperaturklassen im Vergleich zur Häufigkeit deren Auftretens. Obwohl der Temperaturklasse 47,5 °C lediglich mit einer Häufigkeit von 0,4 % auftritt, liegen ein Anteil von über 20 % der gesamten Schädigungssumme in dieser Temperaturklasse. Der obere Temperaturbereich hat somit einen überdurchschnittlichen Anteil an der rechnerischen Gesamtschädigung der Asphalttragschicht.

Die der Berechnung der Schädigungsanteile zugrunde liegenden Materialeigenschaften Steifigkeitsmodul und Ermüdungsfunktion werden allerdings in Spaltzug-Schwellversuche bei Temperaturen ≤ +20 °C ermittelt. Somit ist der größte Anteil der gesamten Schädigungssumme nicht direkt durch Versuchsergebnisse abgedeckt. Unter der Annahme, dass die bei 20 °C gemessene Ermüdungsfunktion nur für den Temperaturbereich zwischen 15 °C und 25 °C anwendbar ist, sowie unter Berücksichtigung der den Oberflächentemperaturklassen zugeordneten Temperaturverläufe (vgl. RDO Asphalt 09, Bild A 2.1), so sind lediglich die Schädigungsanteile der Temperaturklassen 17,5 °C bis 32,5 °C als prüftechnisch abgesichert anzusehen. Der Schädigungsanteil, der innerhalb diesen Temperaturbereichs, liegt beträgt für die einzelnen Temperaturzonen zwischen 31,6 % und 39,8 %. Daraus folgt, dass ein Anteil von ca. 2/3 der für den Ermüdungsnachweis verwendeten Schädigungssumme nicht durch Versuchsergebnisse abgesichert ist, sondern durch Extrapolation ermittelt wird. Für die 4 Temperaturzonen zugeordnete Häufigkeitsverteilungen der Oberflächentemperatur sind dies:

  • Temperaturzone 1: Anteil der abgesicherten Schädigungssumme: 31,6 %
  • Temperaturzone 2: Anteil der abgesicherten Schädigungssumme: 39,8 %
  • Temperaturzone 3: Anteil der abgesicherten Schädigungssumme: 38,5 %
  • Temperaturzone 4: Anteil der abgesicherten Schädigungssumme: 36,4 %

Bild 7: Häufigkeitsverteilung der Schädigungsanteile der Last- und Temperaturklassen (Temperaturzone 3, Achslastkollektiv BAB Fernverkehr)

Bild 8: Gesamt-Häufigkeitsverteilung der Schädigungsanteile der Lastklassen für das Achslastkollektiv BAB Fernverkehr (links) sowie der Temperaturklassen für Temperaturzone 3 (rechts) im Vergleich zur Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Klassen

4 Schlussfolgerungen

4.1 Fazit

Durch die Kalibrierung der Ergebnisse des in den RDO Asphalt beschriebenen rechnerischen Dimensionierungsverfahrens an die empirisch festgelegten Befestigungen der RStO ist dem Verfahren eine der RStO zunächst vergleichbare Dimensionierungssicherheit zuzuordnen. Für die Ermittlung des Sicherheitsniveaus wurde ein Referenzasphalte, verwendet, der einen vergleichsweise hohem Ermüdungswiderstand aufweist. Da gemäß RDO Asphalt dimensionierte Befestigungen über das Sicherheitskonzept auf diesen Referenzasphalt bezogen werden, ist die Dimensionierungssicherheit höher als jene der RStO. Aus Sicht des Auftraggebers wird die Verwendung der rechnerischen Dimensionierungsverfahren somit in qualitativ hochwertigeren Befestigungen mit höherer Lebensdauer resultieren als die Verwendung der empirisch festgelegten Bauweisen gemäß RStO 01. Dies gilt trotz der hohen extrapolierten Anteile der Schädigungssummen aus nicht durch Versuchsergebnisse abgesicherte Materialparameter der hohen Temperaturklassen, da bei der Dimensionierung immer der Vergleich mit dem qualitativ hochwertigen Referenzasphalt erfolgt. Die rechnerisch dimensionierte Befestigung ist immer relativ zur Referenzbauweise nach RStO zu interpretieren.

Das Verfahren der rechnerischen Dimensionierung wird zurzeit auch im Rahmen des Erhaltungsmanagements für die Berechnung der verbleibenden Lebensdauern eingesetzt. Solange die relativen Unterschiede verschiedener Befestigungen eines Straßennetzes verglichen werden, kann das Verfahren verwendet werden, zum Beispiel um eine Maßnahmenreihung aufzustellen. Eine Berechnung eines konkreten Ausfallzeitpunktes ist jedoch nicht möglich, weil zum einen ca. 2/3 der zugrunde gelegten Schädigungssumme extrapoliert ist. Zum anderen wurde im Rahmen der Kalibrierung die Annahme getroffen, dass gemäß RStO aufgebauten Befestigungen unter Verwendung der Referenzasphalte eine Lebensdauer von 30 Jahren aufweisen. Diese Lebensdauer ist jedoch nicht hinreichend belegt. So geht die Richtlinie für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen RPE-Stra 01 (FGSV 2010) von Nutzungsdauern der Asphalttragschicht von 55 Jahren für die Bauklassen SV, I und II bzw. von 75 Jahren (BK III bis VI) aus. Dies zeigt, dass das Dimensionierungsverfahren gemäß RDO Asphalt noch weiterentwickelt werden muss, um absolute Restnutzungsdauern zu berechnen.

Eine Nutzung des Verfahrens für die rechnerische Dimensionierung wird aber zu einer Verbesserung der Qualität des Straßennetzes beitragen.

4.2 Forschungsbedarf

Zahlreiche Forschungsvorhaben wurden in den vergangenen Jahren initiiert, um die Lebensdauerprognose von neuen und bestehenden Asphaltbefestigungen zu verbessern. Teilaspekte werden zurzeit in folgenden Projekten erarbeitet:

  • In FE 4.0204 „Ermittlung der Streuung dimensionierungsrelevanter Eingangsgrößen für Asphalte“ konnte die Grundlage geschaffen werden, anhand der in der Baupraxis unvermeidlichen Abweichungen zwischen den tatsächlichen Asphalteigenschaften zu jenen in der Erstprüfung definierten Größen in Form eines neuen Sicherheitskonzeptes zu berücksichtigen.
  • In FE 88.0101 werden die tatsächlichen Beanspruchungsfälle in den Berechnungen genauer abgebildet (Überlagerung stündlicher Temperatur- und Belastungsfälle).
  • Ebenfalls in FE 8.0101 wird als weiteres Schädigungskriterium die von der Fahrbahnoberfläche ausgehende Rissbildung infolge Kälteeinwirkung eingeführt.
  • Probabilistische Ansätze zur Berechnung des Ausfallrisikos in Abhängigkeit von der statistischen Verteilung der Berechnungs-Eingangsgrößen (Wetterdaten, Materialeigenschaften, etc. ) – vgl. Bild 9 – werden in mehreren Forschungsarbeiten entwickelt.
  • Um die Übereinstimmung der Ergebnisse von Laborversuchen und der in der Realität beobachteten ertragbaren Lastwechselzahlen zu verbessern, beginnt in Kürze ein Forschungsvorhaben zur Untersuchung des Healing-Verhaltens von Asphalt (FE 0251)

Bild 9: Ergebnis der Lebensdauerprognose in Form eines Ausfallrisikos

Folgende Forschungsthemen sollten in Zukunft weiter bearbeitet werden, um die Vorhersagequalität der rechnerischen Lebensdauerprognose zu verbessern:

  • Die für die Schädigungsprognose verwendeten Modelle basieren auf im Labor ermittelten Materialeigenschaften. Die dabei verwendeten Prüfverfahren müssen die Temperatur- und Beanspruchungsbedingungen, die die Schädigung maßgeblich beeinflussen dabei abdecken. Für den Ermüdungsnachweis der Asphalttragschicht ist somit ein Prüfverfahren zu verwenden bzw. zu entwickeln, das Prüftemperaturen > 20 °C ermöglicht. Hierbei sind weggeregelte Wechselprüfungen zu bevorzugen, da keine Akkumulation viskoplastischer Dehnungen auftreten.
  • Weitere Schädigungstheorien für die Prognose des Verformungsverhaltens sind in die Lebensdauerprognose zu integrieren.

 

 Literaturverzeichnis

  1. Arand, W.; Rubach, C.; v. d. Decken, S. 1996: Grundlegende Untersuchungen über den Einfluss der Zusammensetzung auf die Ermüdungsbeständigkeit von Walzasphalten mittels systematischer Variation kompositioneller Merkmale zur Schaffung eines quantitativen Bewertungshintergrundes, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 717
  2. Arand, W.; Zander, U.; Büchler, S. 1998: Schonende Wiedererwärmung von Asphaltmischgut zur Herstellung von Asphaltprobekörpern für mechanisch/physikalische Prüfungen, Schlussbericht zu AiF-Forschungsvorhaben Nr. 10.276, Institut für Straßenwesen, Technische Universität Braunschweig
  3. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001a): Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaues von Verkehrsflächen (RStO 01), Köln, FGSV 499
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001b): Richtlinien für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01), Köln, FGSV 988
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009a): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RDO Asphalt 09), Köln, FGSV 498
  6. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009b): Arbeitsanleitung zur Bestimmung des Steifigkeits- und Ermüdungsverhaltens von Asphalten mit dem Spaltzug-Schwellversuch als Eingangsgröße in die Dimensionierung von Asphaltbefestigungen (AL Sp-Asphalt-StB 09), Köln, FGSV 430
  7. Mollenhauer, K. (2008) Dimensionierungsrelevante Prognose des Ermüdungsverhaltens von Asphalt mittels einaxialer Zug-Schwellversuche, Dissertation, Braunschweig 2008, Schriftenreihe des Instituts für Straßenwesen, TU Braunschweig, Heft 22, http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00023217
  8. Weise, C. (2009) Beschreibung des Ermüdungsverhaltens von Asphaltgemischen unter Verwendung von ein- und mehraxialen Zugschwellversuchen, Dissertation, Schriftenreihe der Professur für Straßenbau, TU Dresden, Heft 17