FGSV-Nr. FGSV 001/26
Ort Bremen
Datum 28.09.2016
Titel Psychologische Wirkungen von Arbeitsstellen auf die Verkehrsteilnehmer
Autoren Dipl.-Ing. Christian Bansi
Kategorien Kongress
Einleitung

Bei den bestehenden Regelungen und Vorgaben für die Sicherung von Arbeitsstellen stehen vielfach die baulichen Randbedingungen unter Einbeziehung der Verkehrssicherheit und der Befahrbarkeit im Vordergrund und weniger die psychologischen Wirkungen von Arbeitsstellen auf die Verkehrsteilnehmer. Durch eine stärkere Berücksichtigung der Belange der Verkehrsteilnehmer werden jedoch im Allgemeinen positive Auswirkungen auf die Akzeptanz von Arbeitsstellen und damit indirekt auch auf die Verkehrssicherheit erwartet. Der Vortrag gibt einen Überblick über die aktuellen Forschungsansätze des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bzw. der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zu diesem Themenbereich. So liegt ein Schwerpunkt aktueller Forschung auf der Informationsbereitstellung durch eine Verbesserung der baustellenbegleitenden Beschilderung. Des Weiteren sollen Erkenntnisse über zumutbare Arbeitsstellenlängen und Staffelungen in dichter Folgegewonnen werden. Ziel ist die Ableitung konkreter Empfehlungen für die Praxis zur Verbesserung des Arbeitsstellenmanagements.

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1 Einleitung

Der Ausbaubedarf sowie der Instandsetzungs- und Erneuerungsbedarf des Bundesautobahnnetzes erfordert auch zukünftig die Einrichtung von zahlreichen Arbeitsstellen, die in der Regel einen erheblichen Eingriff in den Verkehr darstellen. Die Sicherung von Arbeitsstellen erfolgt dabei nach den ,,Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen" (RSA, BMV 1995), ergänzt durch die ,,Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen" (ZTV-SA, BMV 1997). Bei den dortigen Festlegungen standen jedoch vielfach die baulichen Randbedingungen unter Einbeziehung der Verkehrssicherheit und der Befahrbarkeit im Vordergrund und weniger die psychologischen Wirkungen von Arbeitsstellen auf die Verkehrsteilnehmer.

Aus verkehrspsychologischer Sicht gilt nach Scotti et al. (2016) grundsätzlich, dass ,,jegliche Eingriffe in einen geregelten und planbaren Verkehrsablauf häufig zu Unmut, Ärger und Stress bei den Verkehrsteilnehmern führen können". Weitergehend führen Scotti et al. (2016) aus, dass der sich einstellende emotionale Zustand wiederum negative Folgen auf das Fahrverhalten haben kann, indem z. B. eine aggressive oder anderweitig kompensatorische Fahrweisen befördert wird. Aus diesem Grund sollten Verkehrsteilnehmer nur in einem begrenzten Rahmen der Beanspruchung durch die schwierige Fahraufgabe in Arbeitsstellen ausgesetzt sein.

Zu den psychologischen Aspekten in Arbeitsstellen liegen allerdings bisher nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Offene Fragestellungen ergeben sich insbesondere, welche Längen von Arbeitsstellen bei welchen Randbedingungen noch zumutbar sind oder wie sich Arbeitsstellen in dichter Folge auf die Beanspruchung der Verkehrsteilnehmer auswirken. Erkenntnislücken bestehen weiterhin zum Informationsbedarf der Verkehrsteilnehmer hinsichtlich der Ausführung der Arbeitsstellen sowie hinsichtlich Art, Inhalt und Zeitpunkt, zu denen sie die Informationen vor und während der Fahrt über die Arbeitsstelle erhalten. Durch eine stärkere Berücksichtigung der Belange der Verkehrsteilnehmer bei der Gestaltung der Vorgaben und Regelwerke wird eine positive Beeinflussung der Akzeptanz von Arbeitsstellen und damit indirekt auch der Verkehrssicherheit erwartet.

Im Rahmen mehrerer von der BASt im Auftrag des BMVI durchgeführter Forschungsarbeiten (u. a. Petzoldt et al. 2015; Scotti et al. 2016) sollen einige der o. g. Fragestellungen beantwortet werden um die bestehenden Regelungen und Vorgaben für Arbeitsstellen unter Einbeziehung der Belange der Verkehrsteilnehmer ggf. ergänzen und modifizieren zu können. Dazu wurden neben Online- und Vor-Ort-Befragungen von Verkehrsteilnehmern auch empirische Untersuchungen im Realverkehr sowie Fahrsimulatorstudien durchgeführt. Ziel ist die Ableitung konkreter Empfehlungen für die Praxis.

2 Informationsbedarf der Verkehrsteilnehmer

Grundsätzlich kann durch eine verbesserte Informationsbereitstellung sowohl im Vorfeld als auch während einer Baumaßnahme eine positivere Wahrnehmung von Arbeitsstellen erreicht werden. Dies zeigen verschiedene Beispiele aus dem In- und Ausland, z. B. das im Jahr 2013 durchgeführte Pilotprojekt ,,Baustelle im 21. Jahrhundert" des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Zwar zeichnete sich die Baustelle im 21. Jahrhundert auf der A 5 in Hessen durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit mit eigener projektbezogener Homepage aus. Aber auch bereits eine verbesserte baustellenbegleitende Beschilderung kann einen Beitrag zu einer positiveren Wahrnehmung von Arbeitsstellen leisten. So waren insbesondere das Arbeitsstellen-Informationsschild, das im Allgemeinen zu Beginn einer Arbeitsstelle längerer Dauer vorzusehen ist, sowie zusätzliche Hinweisschilder mit der Angabe der noch verbleibenden Arbeitsstellenlänge Thema aktueller Forschungen.

2.1 Arbeitsstellen-Informationsschild

Das Arbeitsstellen-Informationsschild (Bild 1) ist eine nichtamtliche Hinweisbeschilderung, die im Zulauf einer Arbeitsstelle längerer Dauer auf Bundesautobahnen angeordnet wird und die Aufgabe hat, den Verkehrsteilnehmern einige allgemeine Informationen über die kommende Arbeitsstelle wie Zweck, Dauer und Gesamtlänge anzuzeigen. Es ist gemäß ,,Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen" (BMVBS 2011a) in der Regel vorzusehen, wenn die Dauer der Baumaßnahme mehr als 4 Wochen beträgt. Die Gestaltung des Schildes richtet sich nach den Ausführungshinweisen des Leitfadens zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen (BMVBS 2011b). Dort werden zudem weiterführende Angaben zum Aufstellort und den Schildabmessungen gegeben.

Bild 1: Arbeitsstellen-Informationsschild

Das Arbeitsstellen-Informationsschild wurde erstmalig als ,,Baustelleninformationsschild" mit ARS 16/1996 (BMV 1996) zusammen mit den ,,Richtlinien zur Baubetriebsplanung auf Bundesautobahnen" (RBAP) bundesweit eingeführt und seit der Ersteinführung inhaltlich und gestalterisch nur wenig verändert. Obwohl das Arbeitsstellen-Informationsschild zur Verbesserung der Information der Verkehrsteilnehmer und damit zu einer Akzeptanzsteigerung von Arbeitsstellen beitragen soll, wurden bei dessen Gestaltung die Belange der Verkehrsteilnehmer bislang nicht explizit einbezogen.

Auf Grundlage der Forschungsergebnisse, bei denen auch Verkehrsteilnehmer befragt wurden, ergaben sich Hinweise auf ein Anpassungsbedarf des Schildes. Zwar wird das Arbeitsstellen-Informationsschild von den befragten Verkehrsteilnehmern überwiegend als nützlich und prinzipiell auch ansprechend gestaltet angesehen. Jedoch werden nicht alle Schildinformationen als gleichermaßen wichtig eingeschätzt, wodurch die Übersichtlichkeit des Schildes beeinträchtigt werden kann. Dadurch ist es ggf. für die Verkehrsteilnehmer nicht möglich, die für sie wichtigen Informationen während des kurzen Zeitraums der Vorbeifahrt an dem Schild rechtzeitig zu erkennen.

Auf Basis dieser Erkenntnisse wird das Arbeitsstellen-Informationsschild zurzeit von der BASt im Auftrag des BMVI überarbeitet. Eine zukünftige Modifizierung des Arbeitsstellen-Informationsschildes sollte insbesondere die von den Verkehrsteilnehmern als besonders wichtig bewerteten Informationen an prägnanter Stelle auf dem Schild gut lesbar positionieren. Gegebenenfalls kann im Gegenzug auf weniger wichtige Informationen verzichtet werden. Hierbei sollten auch aktuelle Erkenntnisse zur Wahrnehmbarkeit von Informationen im Straßenverkehr berücksichtigt werden.

2.2 Anzeige der verbleibenden Länge innerhalb der Arbeitsstelle

Am Anfang einer Arbeitsstelle längerer Dauer erfolgt in der Regel eine Information der Verkehrsteilnehmer über die zu erwartende Gesamtlänge auf dem Arbeitsstellen-Informationsschild. Bei sehr langen Arbeitsstellen ist jedoch grundsätzlich auch eine regelmäßige Unterrichtung der Verkehrsteilnehmer über zusätzliche Schilder innerhalb der Arbeitsstelle sinnvoll, insbesondere bei einem höheren Anteil ortsfremder Fahrer. Aus diesem Grund werden bereits in mehreren Bundesländern derartige Hinweisschilder verwendet, um die noch verbleibende Restlänge der Arbeitsstellen anzuzeigen. Bundeseinheitliche Vorgaben und Ausführungshinweise gibt es für diese Art der nichtamtlichen Hinweisbeschilderung jedoch nicht. So kommen in den Bundesländern verschiedene Variationen zum Einsatz, ggf. unter Verwendung von Zeichen der Straßenverkehrsordnung (StVO 2013). Ergänzend zur Übermittlung der reinen Information über die Arbeitsstellenlänge sollen diese Schilder die Verkehrsteilnehmer auch durch sich zum Teil verändernde Gestaltungsaspekte optisch ansprechen (Bild 2).

Bild 2: Gebräuchliche Varianten zur Anzeige der verbleibenden Arbeitsstellenlänge (BASt 2014, Hessen Mobil 2014)

Im Zuge von Petzoldt et al. (2015); Scotti et al. (2016) sowie ergänzender BASt-interner Studien bescheinigten befragte Verkehrsteilnehmer dieser Beschilderung unabhängig vom Design grundsätzlich ein hohes Maß an Nützlichkeit. Bei der Beurteilung der Varianten sind regionalspezifische Besonderheiten zu beachten. So werden z. B. von Verkehrsteilnehmern aus Hessen die sogenannten ,,Hessenkinder" (Bild 2, rechte Variante) besonders positiv gesehen, während die Befragten in anderen Bundesländern eher zu anderen Varianten tendierten. Allen Varianten gemein ist jedoch, dass diese Form der Hinweisbeschilderung einen Beitrag für eine bessere Information der Verkehrsteilnehmer und damit eine positivere Wahrnehmung von Arbeitsstellen leisten kann.

3 Arbeitsstellenlängen und -staffelungen

Gemäß dem ,,Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen" ist die Arbeitsstellenlänge unter ,,Berücksichtigung der maßgeblichen Faktoren wie Verkehrsablauf, Verkehrsführung, Verkehrssicherheit, Streckencharakteristik und Wirtschaftlichkeit des effizienten Maschineneinsatzes zu optimieren" (BMVBS 2011a). Dabei empfiehlt der Leitfaden, Arbeitsstellenlängen von mehr als 12 km zu vermeiden. Zudem sollen die Abstände zwischen zwei Arbeitsstellen längerer Dauer mindestens 5 km betragen sowie bei Arbeitsstellenstaffelungen mit einem Abstand von weniger als 10 km bei der Festlegung der Behelfsfahrstreifenbreite von der Summe der Arbeitsstellenlängen ausgegangen werden. Die Mindestbreiten von Behelfsfahrstreifen in Abhängigkeit von der Länge der Arbeitsstelle werden in den RSA (BMV 1995) vorgegeben.

Unter Abwägung aller Randbedingungen sind somit Arbeitsstellenlängen von mehr als 12 km grundsätzlich zulässig. Für ein wirksames Arbeitsstellenmanagement ist es daher von grundlegendem Interesse, ab welcher Arbeitsstellenlänge eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens zu erwarten ist und ob aus Sicht der Minimierung der Beanspruchung der Verkehrsteilnehmer eher Arbeitsstellenstaffelungen oder lange Arbeitsstellen vorteilhaft sind. Scotti et al. (2016) untersuchten diese Fragestellungen neben weiteren Aspekten zur Arbeitsstellengestaltung unter Einbeziehung eines Fahrsimulators, da im Fahrsimulator Aussagen zu gezielten Variationen einzelner Messgrößen unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen möglich sind. So konnte eine 40 km lange Arbeitsstelle im Simulator nachgestellt sowie unterschiedliche Konstellationen von Arbeitsstellenstaffelungen konzipiert und das Fahrverhalten der Versuchspersonen analysiert werden.

Die Ergebnisse der Studien lassen vermuten, dass aus verkehrspsychologischer Sicht den Verkehrsteilnehmern durchaus etwas größere Arbeitsstellenlängen als 12 km zugemutet werden können, sofern eine ausreichende Fahrstreifenbreite sichergestellt werden kann. Allerdings wurden auch Hinweise darauf gefunden, dass sich ab einer bestimmten Arbeitsstellenlänge das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer negativ zu beeinflussen beginnt. Zwischen langen Arbeitsstellen und Arbeitsstellenstaffelungen konnten hingegen keine gravierenden Unterschiede in Bezug auf das Fahrverhalten festgestellt werden. In einigen Punkten besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Verkehr (1995): Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA). Bundesministerium für Verkehr (Hrsg.), Bonn (FGSV 370)

Bundesministerium für Verkehr (1996): Allgemeines Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 16/1996: Bauarbeiten an Betriebsstrecken der Bundesautobahnen ­ Richtlinien zur Baubetriebsplanung auf Bundesautobahnen (RBAP). Bundesministerium für Verkehr, Bonn

Bundesministerium für Verkehr (1997): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen (ZTV-SA). Bundesministerium für Verkehr (Hrsg.), Bonn (FGSV 369)

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011a): Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Bonn

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011b): Ausführungshinweise zum Leitfaden zum Arbeitsstellenmanagement auf Bundesautobahnen. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Bonn

P e t z o l d t, T.; M a i r, C.; R o ß n e r, P.; B u l l i n g e r, A. C.; K r e m s, J. F. (2015, unveröffentlicht).: Psychologische Wirkungen von Arbeitsstellen auf die Verkehrsteilnehmer. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bericht zum FE 01.0177/2011/ARB, Bergisch Gladbach

S c o t t i, C.; O e s e r, M.; H a b e r s t r o h, M.; W e l t e r, F.; J e s c h k e, S.; S k o t t k e, E.-M. (2016, unveröffentlicht).: Psychologische Wirkungen von Arbeitsstellenlängen, -staffelungen und -gestaltungen auf die Verkehrsteilnehmer. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bericht zum FE 01.0182/2013/ARB, Bergisch Gladbach

StVO ­ Straßenverkehrs-Ordnung in der Version vom 1. 4. 2013