FGSV-Nr. FGSV 002/122
Ort Bergisch Gladbach
Datum 15.05.2018
Titel OKSTRA, IFC und BIM: Neue Wege im Umgang mit Straßeninfrastrukturdaten
Autoren Dr.-Ing. Matthias Weise, Ingo Schmidt
Kategorien OKSTRA
Einleitung

BIM steht exemplarisch für die Veränderungen in Planung, Ausführung und Bewirtschaftung unserer Bauwerke. Grundlage ist das Erstellen, Zusammenführen und Verwalten der digitalen Bauwerksmodelle und anderer relevanter Daten. Langfristig ist hiermit ein großes, heute erst ansatzweise erschlossenes Potenzial verbunden. Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Entwicklungen im Bereich Straßeninfrastruktur, die in Deutschland maßgeblich durch den BIM-Stufenplan des BMVI vorangetrieben werden. Mit OKSTRA® und IFC treffen hierbei zwei etablierte Datenstandards aufeinander, die wie im gezeigten Beispiel gemeinsam verwendet werden können. Neben diesen technischen Aspekten werden auch die damit verbundenen organisatorischen Fragen und deren Bedeutung für die Datenqualität thematisiert. Zum Abschluss wird die Frage der Datenverwaltung und mögliche Verknüpfungsansätze über webbasierte Lösungen vorgestellt.

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 Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1          Digitale Modelle im Lebenszyklus von Infrastrukturbauwerken

Mit dem Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Dezember 2015) sowie dem Masterplan „Bauen 4.0“ (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2017) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) werden digitales Planen und Bauen im Infrastrukturbereich ab 2020 verpflichtend bei Projekten der öffentlichen Hand. Für das digitale Planen, Bauen und auch Betreiben wird häufig der Begriff Building Information Modeling (BIM) als Synonym verwendet und als Symbiose sowohl der damit verbundenen Methoden und Prozesse als auch der dabei erstellten und benutzten Bauwerksdaten verstanden. Die durchgängige Anwendung von BIM in Projekten von öffentlichen und privaten Bauherren führt verstärkt zur Erstellung, zum Austausch und zur Weiterverarbeitung von digitalen Daten der Bauwerke. Das BMVI erprobt diese Anwendung aktuell in verschiedenen Ausprägungen mit geeigneten Pilotprojekten im Verkehrswegebau (Straße, Wasser, Schiene) über die gesamte Wertschöpfungskette des Planens, Bauens und Betreibens.

1.1        Chancen und Herausforderungen

Mit der durchgängigen Verwendung von digitalen Modellen und dem damit verbundenen modellbasierten Arbeiten über den gesamten Lebenszyklus von Infrastrukturbauwerken hinweg, ergeben sich von Beginn an neue Möglichkeiten u.a. für den Entwurf, die Öffentlichkeitsarbeit, die Planung sowie die Kommunikation zwischen den Projektpartnern, aber auch für den Betrieb und die Bestandsdokumentation. Beispielsweise kann anhand einer parametrisierten Trassenplanung unter Berücksichtigung vielfältiger Zwangs- und Randbedingungen, z. B. aus der vorliegenden Geländetopografie, ein Vergleich unterschiedlicher Varianten mit wenig Aufwand durchgeführt und anschaulich am 3D-Modell betrachtet und bewertet werden. Die dabei verwendeten 3D-Modelle können zudem direkt für Visualisierungen im Rahmen der gerade in Infrastrukturprojekten intensiven Öffentlichkeitsarbeit herangezogen werden. Bisher notwendige zusätzlich zu erstellende Visualisierungsmodelle werden nicht mehr benötigt.

Durch Einbeziehung von Anforderungen aus dem Betrieb bei der Modellerstellung bereits in den frühen Phasen des Bauwerkslebenszyklus, z. B. dem Entwurf und der Planung, kann frühzeitig eine solide Datengrundlage geschaffen werden, die den Start in die Betriebsphase z. T. erheblich erleichtern wird.

Generell ermöglicht die modellbasierte Arbeitsweise auch im Infrastrukturbereich automatisierte Prüfprozesse, die zu einer höheren Daten- und folglich Planungs- und Ausführungsqualität der Bauwerke führen können.

Um die mit der Anwendung von BIM verbundenen Chancen umfänglich nutzen zu können, sind Anpassungen nicht nur bei Werkzeugen, Methoden und dem Informationsaustausch, sondern auch der dahinterstehenden Organisationsstrukturen erforderlich. Das jeweilige Fachwissen der bereits heute im Straßeninfrastrukturbereich beteiligten Akteure wird weiterhin eine der wichtigsten Eigenschaften bleiben. Die zugrundeliegenden Prozesse müssen um entsprechende BIM-Rollen erweitert und an die kollaborative, modellbasierte Arbeitsweise angepasst werden. Dies wird zwangsläufig zu Erweiterungen bereits eingesetzter und gegebenenfalls zur Einführung neuer Softwareprodukte führen. Alle beteiligten Akteure müssen auf den einsetzenden Änderungsprozess vorbereitet und in geeigneter Weise an diesem beteiligt werden. So müssen die neue Arbeitsweise sowie die dafür notwendigen Softwarekenntnisse gelernt und geübt werden.

Zukünftig wird der Bestandsdatenhaltung und der damit verbundenen Modellpflege vor dem Hintergrund eines vollständigen Lebenszyklusmanagements von Infrastrukturbauwerken mittels digitalen Modellen eine größere Bedeutung zukommen. Hier wird ein ganzheitliches, behördenübergreifendes Konzept notwendig sein, in dem auch das Open BIM-Konzept u. a. für den Datenaustausch sowie die Datenarchivierung eine wesentliche Rolle spielen muss.

Die zuvor aufgezeigten Möglichkeiten stellen verschiedene, datenbasierte und vor allem datenzentrierte Anwendungsfälle dar, die in den BIM-Pilotprojekten des BMVI aufgrund der in diesem Bereich größtenteils fehlenden Standards für BIM zwangsläufig zu unterschiedlichen Festlegungen bei der Erzeugung, Haltung und Bereitstellung von projektübergreifend vergleichbaren Daten führen. Auf Seiten der Vorhabensträger, aber auch bei den Auftragnehmern besteht projektübergreifend ein großes Interesse an einheitlich strukturierten digitalen Daten, um Doppelarbeiten, divergierende Konzepte und inkompatible Datenbestände zu vermeiden, volks- und betriebswirtschaftlich effizient zu arbeiten und das Management von eigenen Bestandsdaten und deren Auswertung zu verbessern. Die hierfür erforderlichen Vereinbarungen gehören zu den großen Herausforderungen für das BIM-basierte Arbeiten.

1.2        Mit heutigen Mitteln zu digitalen Modellen der Straßeninfrastruktur

Betrachtet man vor dem Hintergrund des gesamten Bauwerkslebenszyklus den aktuellen Einsatz von digitalen Modellen im Straßeninfrastrukturbereich, so zeigt sich ein eher differenziertes Bild.

Einerseits werden in einigen Phasen digitale modellbasierte Arbeitsweisen geeignet eingesetzt, jedoch ist noch kein durchgängiges Konzept zu erkennen, durch das die dabei entstandenen Mehrwerte phasenübergreifend genutzt werden. Im Entwurfs- und Planungsbereich finden bereits häufiger digitale 3D-Modelle Anwendung. Meist liegt diesen Modellen eine detaillierte Bestandsaufnahme in Form von Digitalen Geländemodellen (DGM) basierend auf Laserscans und Luftbildaufnahmen zu Grunde. Diese 3D-Planungsdaten werden aktuell zu selten in die Betriebsphase, in der Regel die Bestandsdokumentation, übernommen bzw. zumindest aber geeignet archiviert. Der dadurch entstehende Wissens- und Informationsverlust kann mit einfachen, heute bereits vorhandenen Mitteln, wie z. B. Verknüpfungen zu diesen Modelldaten und deren Speicherort in den Bestandshaltungssystemen, reduziert werden. Darüber hinaus bietet eine geeignete Verwaltung von erzeugten 3D-Modellen bzw. Modellinhalten, auch im Rahmen der Bestandsdokumentation, die Möglichkeit der projektübergreifenden Wiederverwendung. Interessierte Fachleute, auch aus anderen Behörden, müssen dafür von der Existenz, dem Speicherort und dem Umfang der Modelldaten Kenntnis haben und im Idealfall eigenständig und unabhängig den Datenbestand durchsuchen und die identifizierten Dateien anschließend mit der eigenen Software verwenden können.

2          Die Rolle von Open BIM im Umgang mit Infrastrukturdaten

Der Großteil der Infrastrukturprojekte in Deutschland wird von der öffentlichen Hand als Bauherr durchgeführt. Damit verbunden sind stets die Prinzipien der marktneutralen Ausschreibung und Durchführung dieser Projekte, die somit auch für das digitale Planen, Bauen und Betreiben gewährleistet sein müssen und daher auch im Stufenplan des BMVI verankert sind. Für das modellbasierte Arbeiten in diesen Projekten bedeutet dies u.a. die Umsetzung des Open BIM-Ansatzes durch systemneutrale Ausschreibung und den Einsatz von offenen, neutralen Schnittstellen.

2.1        Modellbasiertes Arbeiten mit Open BIM

Im Mittelpunkt des Open BIM-Ansatzes steht der Informationsaustausch mit Datenformaten, die offen sind, das heißt die Dokumentation ist vollständig frei verfügbar und Entwicklung und Pflege des Formats erfolgen durch neutrale Gremien. Damit verbunden ist die Implementierung offener, neutraler modellbasierter Arbeitsprozesse (open workflow) zumindest zwischen den Projektpartnern innerhalb eines Projekts. Hier werden hinsichtlich des Datenaustauschs zwischen Projektpartnern zwei wesentliche Prozessarten unterschieden. Zum einen ist hier der Datenaustausch im Rahmen der Koordination der Fachmodelle zu nennen, zu dem das Zusammenführen aller Fachmodelle in einem Gesamtmodell, z. B. für automatisierte Modellprüfungen, zählt. Der Austausch der Modelldaten erfolgt hierbei in der Regel nur in eine Richtung. Änderungsanfragen werden modellbezogen direkt an den Autor gestellt und durch diesen an seinem Modell bearbeitet. Anschließend wird das geänderte Fachmodell durch den Autor wieder zur Koordination bereitgestellt. Zum anderen steht dem zuvor beschriebenen Prozess der Datenaustausch im Rahmen von vertraglich vereinbarten Lieferleistungen in Form von Gesamtübergaben der Fachmodelle gegenüber. Üblicherweise erfolgt dieser Datenaustauschprozess am Ende von speziellen Projektphasen, wie z. B. dem Entwurf oder der Planung.

Generell ist in den Datenaustauschprozessen besonderer Wert auf eine gezielte Weitergabe von Modellinformationen hinsichtlich der Adressaten und vor allem auch des Informationsumfangs zu legen. Da viele Datenformate einen viel größeren Informationsgehalt abbilden können als der adressierte Akteur für seine Aufgabe und den betrachteten Anwendungsfall eigentlich benötigt, sind hier geeignete Filtertechniken anzuwenden, um den Informationsgehalt der Austauschdaten auf den erforderlichen Umfang zu begrenzen. Eine derartige Technik stellt beispielsweise das IFC1)-Format mit der MVD-Technik (model view definition) und das OKSTRA® 2)-Format mit Profilen (inhaltliche Ausschnitte) bereit. Der Datenaustausch soll den Datenempfänger genau die Informationen liefern, die als Datengrundlage für die Erbringung der vereinbarten Leistungen notwendig sind. Je nach Anwendungsziel verfeinert, ergänzt bzw. überarbeitet er die übernommenen Daten, um seinen Anteil am Endprodukt eigenverantwortlich zu leisten. Das digitale Modell des Bauwerks, üblicherweise bestehend aus verschiedenen Fachmodellen, wird somit zwangsläufig in den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus für den jeweiligen Anwendungsfall modifiziert und der Informationsgehalt des Modells entsprechend angepasst. Je nach Informationsbedarf bedeutet dies auch, dass nicht benötigte Informationen beim Informationsaustausch bewusst aus dem Modell herausgefiltert werden. Beispielsweise wird nicht immer eine geometrische Darstellung benötigt, sodass in diesem Fall die Modellgröße deutlich reduziert und die Performance entsprechend verbessert werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist das beschriebene Konzept von Open BIM auf Basis vorhandener softwareneutraler Formate im Straßeninfrastrukturbereich bereits heute anwendbar.

2.2        Implementierung von Open BIM in Straßeninfrastrukturprojekten

Es ist notwendig, den Open BIM-Ansatz von Beginn an im Projekt an den entsprechenden Stellen zu verankern und von den Projektbeteiligten entsprechend einzufordern3). Die Ausschreibungsunterlagen der Projekte sind auf den Open BIM-Einsatz abzustimmen und Anforderungen sowie Lieferleistungen zu definieren. Explizit sind in den Ausschreibungsunterlagen für konkrete Lieferleistungen die damit verbundenen offenen, herstellerneutralen Datenformate, z. B. OKSTRA® und IFC 2x3, und für die Koordination der Fachmodelle das BCF zu spezifizieren. Gleichzeitig ist die eigene IT-Landschaft auf die Verwendung von Open BIM auszurichten. Damit verbundene, bisher nicht abgedeckte Anforderungen sollten bei den Softwareherstellern am Markt eingefordert werden.

Generell ist mit dem Einsatz von BIM die Vorgabe einer Strukturierung der Modelldaten, z. B. in Form von Bauteilkatalogen, verbunden. Diese Strukturierung dient auch als Referenz für weitere Spezifikationen innerhalb der Ausschreibungsunterlagen, wie z. B. den Modelldetaillierungsgraden je Projektphase (LOD) und sollte frühzeitig – vor dem ersten BIM-Projekt – in Angriff genommen werden, da sich hiermit projektübergreifend Standards etablieren lassen. In diesem Zusammenhang ist die durchgängige Lebenszyklusbetrachtung des Bauwerks in die Projektierung und Modellerstellung mit einzubeziehen. Zudem sind eigene Regelwerke und Richtlinien, z. B. für die Planerstellung o. ä., hinsichtlich BIM-Fähigkeit zu untersuchen und entsprechend anzupassen.

1) Industry Foundation Classes (IFC) – http://www.buildingsmart-tech.org

2) Objektkatalog für das Straßen- und Verkehrswesen (OKSTRA®) – http://www.okstra.de

3) Auftragnehmer sollten intern und gegenüber ihren Subunternehmern einen anderen BIM-Ansatz verfolgen dürfen.

 

3          Durchgehenden Lebenszyklusbetrachtung mit digitalen Modellen der Straßeninfrastruktur – erforderliche Projektvorgaben

Die durchgehende Lebenszyklusbetrachtung von Straßeninfrastrukturbauwerken basierend auf digitalen Modellen erfordert in den zugrundeliegenden Prozessen an verschiedenen Stellen entsprechende Vorgaben zu BIM-spezifischen Aspekten. Diese Vorgaben finden sich im Projekt in den Ausschreibungsunterlagen in verschiedenen Dokumenten wieder. Je nach Qualifikation und Rahmenbedingungen im Projekt kann die ausschreibende Stelle unterschiedliche BIM-Beschaffungsstrategien verfolgen.

3.1        Spezifikationen für Daten und Prozesse in BIM-Projekten

Für die Strukturierung der relevanten Projekt- und Vertragsunterlagen zur Spezifikation der BIM-Leistungen haben sich vier verschiedene BIM-Beschaffungsstrategien etabliert, die sich in der Handhabung und Ausgestaltung des BIM-Abwicklungsplans (BAP) unterscheiden. Im BAP wird beschrieben, wie die Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) im Projekt umgesetzt und erfüllt werden. Die vier BIM-Beschaffungsstrategien unterscheiden sich in den Grundausprägungen der BAP-Leistungsbeschreibungen, deren Anwendung vom Auftraggeber-Wissen, der Beschaffungsform und den Adressaten abhängen. Die unterschiedlichen Beschaffungsstrategien sind im Bild 1 dargestellt. Detaillierte Erläuterungen sind den Handreichungen im Projekt BIM4INFRA2020 zu entnehmen.

Bild 1: BIM-Beschaffungsstrategien (Quelle: BIM4INFRA2020)

3.1.1        Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA)

Der Auftraggeber (AG) definiert projektspezifische Anforderungen zum digitalen Planen, Bauen und Betreiben in Form der AIA. Die AIA beinhalten unter anderem die zu beauftragenden BIM-Leistungen in Form von BIM-Anwendungsfällen, die sich aus den vom AG definierten BIM-Zielen ableiten. Für die konkrete BIM-Leistung sind unter anderem die durch die AN zu liefernden Informationen in Form von digitalen Bauwerksmodellen zu definieren. Hierzu wird in Abhängigkeit von der Leistung bzw. des BIM-Anwendungsfalls und der Leistungsphase definiert, welche Modellobjekte in welcher Ausprägung bzw. Detaillierung ein entsprechendes Modell zu enthalten hat. Die Basis dafür bilden Klassifikationen und Merkmale, die in Form von Bauteilkatalogen projektübergreifend in einem eigenständigen Dokument definiert und weiterentwickelt werden können. Die AIA referenzieren anschließend auf die projektspezifischen Bereiche des Bauteilkatalogs.

Zudem hat der AG in den AIA genau festzulegen, welche Daten (Modellinhalte) er in welchem Format (Open BIM-Ansatz) wann (Übergabezeitpunkte) benötigt. Der öffentliche AG ist dazu angehalten, funktional, neutral und softwareunabhängig auszuschreiben.

Auf Basis der AIA werden im Zuge der Beauftragung die Angebote erarbeitet, geprüft und ausgewählt. Die Umsetzung der beauftragten BIM-Leistungen bzw. BIM-Anwendungsfälle wird im BAP geregelt.

3.1.2        BIM-Abwicklungsplan (BAP)

Der Prozess zur Bereitstellung der geforderten Daten ist unter Festlegung aller dafür notwendigen Rollen, Abläufe, Schnittstellen, Interaktionen sowie der genutzten Technologien in einem BIM-Abwicklungsplan (BAP) mit dem Ziel, die Erfüllung der AIA sicherzustellen, zu definieren. Es geht um das „WIE“ der Umsetzung der AIA-Anforderungen (das „WAS“). In den folgenden Leistungsphasen werden die vereinbarten Modelle durch die AN erstellt und an definierten Datenübergabepunkten in Open BIM-Datenformaten an den AG und weitere AN geliefert. Die Daten der AG müssen an den Datenübergabepunkten auf Konformität mit den AIA überprüft werden. Der AG sollte die Prüfkriterien und das Prüfverfahren vertraglich vereinbaren.

3.1.3        Weitere Anforderungsdokumente

Die AIA und der BAP haben sich innerhalb der BIM-Methodik als zentrale Projektdokumente etabliert. Im Sinne einer generischen Dokumentenstruktur ist die Erstellung weiterer separater themenspezifischer Dokumente im BIM-Kontext anzustreben. Diese zusätzlichen Dokumente sind in der Regel projektunabhängig und werden innerhalb der AIA und BAP referenziert. Dies hat den Vorteil, dass einzelne Themenbereiche aus den AIA und dem BAP ausgelagert werden können. AIA und BAP werden im Projekt dadurch übersichtlicher und leichter handhabbar. Einige dieser eigenständigen Dokumente sind im Folgenden aufgeführt:

  • Bauteilkatalog,
  • Modellierungsrichtlinie (u. a. Konventionen für Namen, Layer und Farbgebung),
  • BIM-Leistungsbilder,
  • Prüfregelkatalog,
  • IT-Infrastruktur (u. a. Spezifikation der CDE und der Softwarelandschaft).

3.2        Datenstrukturen

Zum Austausch von BIM-Modellen zwischen verschiedenen Softwareprodukten bzw. zwischen verschiedenen Phasen eines Straßenbauprojektes werden entsprechende Datenformate benötigt. Diese müssen die in den AIA definierten Inhalte abbilden können und damit in der Lage sein, solche Inhalte zu transportieren. Umgekehrt erscheint es auch sinnvoll, in den AIA-Festlegungen hinsichtlich der Datenformate für zu liefernde Modelldaten zu treffen, um auf dieser Grundlage einheitliche und funktionsfähige Datenaustauschprozesse etablieren zu können.

Als Datenformate für den Austausch von BIM-Modellen im Straßenbau kommen insbesondere offene und herstellerneutrale Formate wie die IFC und der OKSTRA® in Frage. Wie sich aktuell zeigt, können mit diesen Formaten bereits viele Anwendungsfälle aus dem Bereich der Straßeninfrastruktur modellbasiert bearbeitet werden. Dabei wird vor allem auf das IFC-2x3-Format in Kombination mit dem OKSTRA® zurückgegriffen – ein Ansatz, der sich momentan insbesondere für Brückenbauwerke mit akzeptablem Aufwand umsetzen lässt. Dabei wird üblicherweise ein eigens für das Bauwerk entwickelter Bauteilkatalog verwendet. Werden Bauteile nicht explizit vom IFC-Schema abgedeckt, kann der Datenaustausch über die generischen IFC-Proxy-Konzepte erfolgen (siehe Abschnitt 3.2.2).

Sowohl bei den IFC als auch beim OKSTRA® gibt es Bestrebungen, ihre Eignung für den Einsatz von BIM im Straßenbau weiter zu verbessern. Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über die jeweiligen Ansätze. Aufgrund der langwierigen Weiterentwicklungszyklen des IFC-Formats wird sich vermutlich mittelfristig die Anwendung der IFC für Brückenbauwerke und des OKSTRA® für Streckenbauwerke etablieren.

3.2.1        Typenbasierte und generische Abbildung

Im Hinblick auf die Ausführungen zu IFC und OKSTRA® in den beiden folgenden Abschnitten sollen hier vorbereitend zwei unterschiedliche Wege zur Abbildung fachlicher Inhalte in einem Datenmodell beschrieben werden.

Bei der typenbasierten Abbildung wird für jedes abzubildende Objekt ein eigener „Typ“ im Datenmodell geschaffen; dies kann auf der technischen Ebene z. B. eine Objektklasse oder ein strukturierter Datentyp (mit den jeweils für sinnvoll erachteten Attributen) sein. Die typenbasierte Abbildung legt bereits im Datenmodell fest, welche Arten von Objekten abgebildet werden können und welche Attribute sie jeweils besitzen. Dies ermöglicht eine sehr weitgehende Validierung von Daten und die Implementierung von Fachlogik in Abhängigkeit des jeweiligen Typen und dessen Attributierung. Nachteilig an diesem Ansatz ist, dass er relativ aufwändig zu implementieren ist, da alle Typen einzeln umgesetzt werden müssen. Außerdem sind grundsätzlich nur Objekte abbildbar, für die ein passender Typ definiert ist.

Ein anderer Weg wird bei der generischen Abbildung beschritten: Hier wird im Datenmodell nur eine allgemeine Datenstruktur geschaffen, die sich zur Abbildung beliebiger Objekte eignet. Welche Objekte in einem Datensatz abgebildet sind bzw. abgebildet werden können, wird entweder über eine externe Ressource festgelegt (z. B. einen externen Katalog) oder aber in den Daten selbst abgelegt. Diese Form der Abbildung hat den Vorteil, dass sie mit sehr wenig Aufwand implementierbar ist, weil lediglich die allgemeine Datenstruktur in einem Softwareprodukt umgesetzt werden muss. Da im Vorfeld allerdings nicht bekannt ist, mit welchen Arten von Objekten man es später zu tun bekommen wird, ist keine objektspezifische Fachlogik möglich. Aus demselben Grund sind auch die Möglichkeiten zur Validierung von Daten eingeschränkt.

3.2.2        IFC

Die IFC verfügen mit den Entitäten IfcProxy bzw. IfcBuildingElementProxy bereits seit ihren Anfängen auch über generische Elemente, die u.a. zum Datenaustausch von BIM-Modellen für Brückenbauwerke erfolgreich eingesetzt werden. Zusätzlich verfügen die IFC über einen Mechanismus, der das Erweitern von Elementeigenschaften (Properties) erlaubt. Dieser Mechanismus ist insgesamt sehr flexibel und wurde zuletzt noch um die Möglichkeit von Vorlagen (Templates) erweitert. Über den Template-Mechanismus (IfcPropertySetTemplate) lassen sich darüber hinaus Vorgaben über die Attributierung der Objekte machen.

Da die IFC ursprünglich aus dem Hochbau stammen, sind derzeit nur wenige typenbasierte Modelle zur Abbildung von Straßeninfrastruktur verfügbar. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Einführung von IFC-Alignment (IFC-Version 4.1) zur Abbildung der Linienführung einer Straße, der nächste soll mit der Aufnahme von IFC-Bridge zur Abbildung von Brückenbauwerken in der IFC 5 kurzfristig erfolgen. Weitere typenbasierte Modelle, nämlich IFC-Road, IFC-Rail, IFC-Tunnel und IFC-Harbour zur Abbildung der Straßen- und Schieneninfrastruktur bzw. von Tunnelbauwerken und Häfen, befinden sich zurzeit in der Konzeption.

3.2.3        OKSTRA®

Beim OKSTRA® ist die Situation in gewisser Weise diametral zu derjenigen bei den IFC: Da er explizit als Fachstandard für das Straßen- und Verkehrswesen konzipiert wurde, beinhaltet er typenbasierte Modelle zur Abbildung nahezu aller relevanten Bereiche des Straßenbaus, u.a. der Linienführung und des Aufbaus von Straßen, der Straßenausstattung und der Ingenieurbauwerke. Die BIM-Methodik wurde bislang allerdings wenig berücksichtigt, die Definition von 3D-Geometrien ist zwar prinzipiell möglich, fand aber mit Ausnahme der Objektart Aufbauschicht keinen Niederschlag im Datenmodell. Ein leistungsfähiges generisches Modell ist derzeit ebenfalls nicht verfügbar; die allgemeinen Geometrieobjekte können zwar über einen extern definierten Fachbedeutungscode mit einer Bedeutung versehen werden, eine Definition von Attributen ist bei ihnen aber nicht möglich.

Zur Behebung dieser Defizite wurde von der ARGE BIM4INFRA2020 der OKSTRA®-Änderungsantrag A0139 gestellt, in dem folgende Erweiterungen des OKSTRA®-Datenmodells vorgeschlagen werden:

  • Herstellung von 3D-Fähigkeit durch Ergänzung von (optionalen) Volumengeometrie-Attributen bei geeigneten Objektarten,
  • Integration eines generischen Modells in Anlehnung an die IFC-Proxy-Konzepte,
  • Schaffung eines Template-Mechanismus nach dem Vorbild des IfcPropertySetTemplate.

Hinsichtlich des generischen Modells weist dieser Änderungsantrag Verbindungen zum knapp ein Jahr früher gestellten Änderungsantrag A0131 auf, in dem eine generische Abbildungsmöglichkeit für die im Bereich der RAS-Verm definierten Objektstrukturen angeregt wird.

Auch der Bereich Ingenieurbauwerke wird sich durch die Anpassung des OKSTRA® an die neue ASB-ING (Änderungsantrag A0142) deutlich in Richtung auf BIM weiterentwickeln: Die Tatsache, dass in der neuen Version des Regelwerks im Gegensatz zu früher Bauteile explizit als eigenständige Objekte abgebildet werden (und im OKSTRA® mit 3D-Geometrieattributen ausgestattet werden können), eröffnet die Möglichkeit zur Definition von 3D-Bauwerksmodellen.

 

4          Praktische Erfahrungen aus dem BIM-Pilotprojekt Hamburg

Ein wichtiger Teil der BIM-Pilotvorhaben ist das Erstellen praxisbezogener AIAs, die nicht nur die verfügbaren Datenformate, sondern auch deren Unterstützung durch aktuelle Software berücksichtigen. Im Fokus stehen dabei die bereits beschriebenen offenen Formate IFC und OKSTRA®.

Das hier vorgestellte Pilotvorhaben befindet sich in der Hansestadt Hamburg und wird vom Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) Hamburg koordiniert. Bestandteil des Projekts ist der Ersatzneubau einer Straßenbrücke sowie die Planung der zugehörigen Bundesstraße B 5 über die Autobahn A 1.

Bild 2: Bauvorhaben des BIM-Pilotprojekts in Hamburg. Markierung der neu geplanten Straßenabschnitte der B 5 (links) und Darstellung der zu ersetzenden Brücke über die Autobahn A 1 (Quelle LSBG-Hamburg)

Das Bild 2 zeigt die zu ersetzende Brücke über die A 1 und die neu zu planenden Straßenabschnitte der zweispurigen Bundesstraße B 5. Von Auftraggeberseite werden BIM-Daten unter anderem für die Planungsvariantenuntersuchung, die Planfreigabe, Ausschreibung und Vergabe sowie die Bauwerksdokumentation eingefordert. Eine vollständige Auflistung der BIM-Anwendungsfälle ist in der Projektbeschreibung zu finden4). Das Erstellen der BIM-Anforderungen in Form von AIAs erfolgt in Abstimmung mit den Brücken- und Straßenplanern und umfasst auch Tests mit der eingesetzten Planungssoftware. Dieses Vorgehen wurde im Rahmen der BIM-Pilotvorhaben bewusst gewählt, um vorab erprobte Anforderungen zu definieren. Weitergehende Vorgaben in Form von BIM-Abwicklungsplänen werden im Rahmen des Pilotprojekts nicht erstellt und bleiben den Planern überlassen.

4.1        Auftraggeber-Informations-Anforderungen

Die AIAs werden in die beiden Teilvorhaben Brücken- und Straßenplanung aufgeteilt. Die relevanten Anwendungsfälle und die daraus resultierenden fachlichen Anforderungen werden vom Auftraggeber, also der LSBG-Hamburg als Vorhabensträger, eigenverantwortlich definiert und bilden die Grundlage für die AIAs. Das BIM4INFRA2020-Konsortium5) steht beratend sowohl den Auftraggebern als auch den beteiligten Planern zur Seite.

4.1.1        Bauteilkatalog Brücken

Das Ziel der LSBG ist die Erstellung wiederverwendbarer AIAs, die mit vertretbarem Aufwand projektbezogen angepasst werden können. Erstes Ergebnis ist der Bauteilkatalog Brücken, der projektneutrale Anforderungen an die zu übergebenden BIM-Daten für verschiedene Anwendungsfälle definiert. Grundlage der fachlichen Anforderungen bilden die Vorgaben für die Bestandsdokumentation aus der ASB-Ing 2013 (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung, Oktober 2013) bzw. die Strukturen der SIB-Bauwerke. Die wesentliche Herausforderung ist das Übertragen der dort definierten Anforderungen auf das BIM-basierte Arbeiten mit 3D-Objekten sowie einer sinnvollen Strukturierung dieser Ingenieurbauwerke.

Bild 3: Auszug aus dem Bauteilkatalog Brücken der LSBG Hamburg. Datenanforderungen gemäß LoI-Unterteilung für Lager nach ASB-Ing

4) http://bim4infra.de/wp-content/uploads/2017/11/17-11-20_Steckbrief_Pilotprojekt_Hamburg-1.pdf

5) http://www.bim4infra.de

Aus der ASB-Ing 2013 wurden zunächst nur die Bauwerksdaten übernommen, die für Brückenbauwerke relevant sind. Andere Ingenieurbauwerke wie Verkehrszeichenbrücken, Tunnel, Trogbauwerke etc. werden in diesem Bauteilkatalog vorerst nicht berücksichtigt, sind aber später nach dem gewählten Prinzip erweiterbar. Die aus Teil B der ASB-Ing übernommenen Bauwerksdaten wurden im Bauteilkatalog in drei Hauptgruppen unterteilt:

1.) Projektinformationen,

2.) Bauteilinformationen und

3.) zusätzliche Informationen.

Als Projektinformationen werden allgemeine, strukturierende Objekte verstanden, die im Gegensatz zu Bauteilinformationen keine eigene Geometrie besitzen6). Bauteile sind demgegenüber alle geometrisch beschreibbaren Objekte wie beispielsweise Gründungen, Lager, Schutzeinrichtungen usw. In die Gruppe der zusätzlichen Informationen fallen schließlich alle nicht-geometrischen Eigenschaften, die einem Bauteil in Abhängigkeit seiner Art oder seines Materials zugewiesen werden können. Gemäß der Bauteilgruppen nach ASB-Ing werden insgesamt knapp 30 BIM-Objekttypen inkl. der gewünschten geometrischen Darstellung sowie der alphanummerischen Attribute in den Bauteilkatalog aufgenommen.

Als weitere projektneutrale Definition führt der Bauteilkatalog eine Unterteilung der Attribute in 5 Detailstufen ein, den sogenannten Level of Information (LoI) bzw. Level of Geometry (LoG). Die niedrigsten Datenanforderungen sind der Stufe 100 zugeordnet. Der höchste Informationsbedarf wird in Stufe 500 gefordert und entspricht dem Datenbedarf für die Bestandsdokumentation, die nicht nur planerische, sondern auch verwaltungstechnische Informationen wie z. B. Einbaujahr, Hersteller und Typenbezeichnung beinhaltet. Für die zum Zeitpunkt April 2018 relevante Brückenplanung nach HOAI-Phase 3 wird beispielsweise der LoI 200 von den Brückenplanern eingefordert. Das Bild 3 zeigt am Beispiel des Bauteils Lager die fachlichen Anforderungen für die eingeführten LoI-Stufen 100 bis 500. Die mögliche Attributbelegung bzw. Datentypen ergeben sich aus der ASB-Ing 2013 und werden im Bauteilkatalog nicht näher beschrieben.

4.1.2        Bauteilkatalog Straßen

Analog zum Bauteilkatalog Brücke wird ein projektneutraler Bauteilkatalog für die Straße entwickelt. Dieser befindet sich aktuell (April 2018) noch in Entwicklung, wird sich aber ebenso wie der Bauteilkatalog Brücken an der Bestandsdokumentation nach ASB bzw. den Strukturen der SIB-Datenbanken orientieren. Aus planerischer Sicht wird vor allem die Koordination der Brücken- und Straßenplanung interessant, die den Austausch der Straßenachsen bzw. der Brückenfahrbahnen erfordert.

4.2        Eingesetzte Datenstrukturen

Die Bauteilkataloge sind weitgehend unabhängig von den einsetzbaren Datenstrukturen definiert. Hauptfokus dort sind die fachlichen Anforderungen, die in einem zusätzlichen Schritt auf eine oder mehrere Datenstrukturen abzubilden sind. Im Rahmen des BIM-Stufenplans wird die Nutzung herstellerneutraler, offener Datenformate empfohlen. Im Pilotprojekt Hamburg wurde entschieden, das Brückenmodell als IFC in der Version 2x3 und das Straßenmodell als OKSTRA® einzufordern. Mit dieser pragmatischen Entscheidung sind verschiedene Kompromisse verbunden.

6) Für Projektinformationen werden im Rahmen des Bauteilkatalogs trotzdem einfache Geometrien eingefordert, um die Navigation im 3D-Modell zu vereinfachen.

4.2.1        Brückenmodell als IFC 2x3

Aktuell wird in den meisten BIM-Projekten noch die Version 2x3 verwendet. IFC4 ist als Datenschema zwar bereits seit 2013 verfügbar, wird von den Herstellern aber erst zögerlich eingesetzt. Dies hat auch damit zu tun, dass viele Koordinierungsaufgaben sehr gut mit der bestehenden Version 2x3 erledigt werden können. Ursache sind unter anderem die im Abschnitt 3 beschriebenen Proxy-Elemente sowie die dynamisch erweiterbaren Eigenschaften, die beide auch für die Abbildung der hier geforderten Brückeninformationen genutzt werden.

Die Nachteile der schwachen oder fehlenden Typisierung sind im Abschnitt 3 bereits diskutiert worden und können erst mit neuen IFC-Versionen wie der in Arbeit befindlichen IFC-Bridge Erweiterung beseitigt werden. Trotz der vielfältigen Erweiterungsbemühungen im gesamten Infrastrukturbereich ist nicht zu erwarten, dass spezielle ASB-Ing Eigenschaften in den internationalen IFC-Standard aufgenommen werden. Solche nationalen Anpassungen werden auch in Zukunft notwendig sein.

Für das Erstellen des BIM-Brückenmodells wird Autodesk Revit von den beauftragten Planern eingesetzt. In der verwendeten Form bietet es keine besondere Brückenfunktionalität. Für die geometrische Modellierung, Attributierung sowie Typisierung der Objekte muss deshalb auf generische BIM-Funktionalität zurückgriffen werden. Wie in vielen BIM-Projekten erweist sich das Einhalten der Datenqualität als große Herausforderung, sowohl im Hinblick auf die Vollständigkeit als auch auf die Korrektheit der Daten. Über verschiedene Konfigurationsmöglichkeiten kann die Arbeit mit dem BIM-Programm aber oft deutlich erleichtert werden. Revit bietet beispielsweise die Möglichkeit, gemeinsam verwendete Parameter als Vorlage anzulegen, die anschließend das Erstellen der geforderten Eigenschaften vereinfacht. Hierbei werden recht schnell die Grenzen bzw. der notwendige Konfigurationsaufwand deutlich. Als Besonderheit der ASB-Ing haben sich beispielsweise die verwendeten hierarchischen Schlüsseltabellen erwiesen, die den möglichen Wertebereich vieler Attribute einschränken (siehe Bild 4).

Bild 4: Auszug aus der ASB-Ing 2013 zur Veranschaulichung der Schlüsseltabellen bzw. der hierarchischen Auswahloptionen für Attribute am Beispiel „Querschnitt Haupttragwerk“

Eine grundsätzliche Problematik bleibt das Überführen der ASB-Ing basierten Anforderungen in die bauteilbasierte BIM-Modellierung. Viele Informationen wie beispielsweise Anzahl, Einbauort, Gesamtlänge, Gesamtbreite und weitere sind implizit im BIM-Modell vorhanden und könnten über entsprechende Regel extrahiert werden. Um die Datenauswertung einfach zu halten, wurde das Erfassen der Anforderungen in Form von Attributen jedoch bevorzugt. Mit wachsenden Modellierungserfahrungen sowie dem Einsatz spezialisierter BIM-Brückensoftware ist jedoch zu erwarten, dass diese Informationen vermehrt aus dem Modell automatisiert extrahiert werden.

4.2.2        Straßenplanung in OKSTRA®

Das in Deutschland verwendet OKSTRA®-Format ist grundsätzlich sehr gut auf die Anforderungen der Planung und Bestandsdokumentation von Straßen geeignet. Einschränkungen resultieren im Wesentlichen aus folgenden Punkten:

  • Planungsdaten werden parametrisch beschrieben und können deshalb meist nur von Spezialsoftware verarbeitet werden. Vereinfachte 3D-Referenzmodelle könnten die Koordinierung mit anderen Planern erleichtern, insbesondere mit Planern der Ingenieurbauwerke.
  • OKSTRA® ist auf die Anforderungen des deutschen Marktes optimiert. Der internationale Markt wird damit jedoch nicht adressiert und erschwert den Informationsaustausch bzw. den Einsatz anderer Softwarelösungen.
  • Die Übergabe der Planungsdaten in die Bestandsdokumentation erfordert ein Aufbereiten und Umwandeln der Daten, das nicht vollständig automatisiert werden kann (Hettwer, et al., 2017). Wünschenswert wäre eine Harmonisierung der beiden Datenstrukturen.

Analog zur Anwendung von IFC wird im Rahmen des BIM-Pilotvorhabens ebenso eine pragmatische Lösung angestrebt. Auf Basis der formulierten Anforderungen und eingesetzten Software wird sich zeigen, welche Kompromisse hierfür notwendig sein werden bzw. welche Konfigurationsmöglichkeiten genutzt werden können.

 

5          Zukünftige Entwicklungen

Die zunehmende Digitalisierung führt zu immer größeren Datenmengen und neuen Datenquellen. Das BIM-basierte Planen zeigt diese Entwicklung sehr deutlich auf und führt verstärkt zu dem Wunsch, diese vielfältigen Informationen miteinander zu verknüpfen und einheitlich verfügbar zu machen. Obwohl auch BIM als digitales Abbild des realen Bauwerks das Zusammenführen vielfältiger Bauwerksinformationen verfolgt, so stößt ein solcher Ansatz schnell an Grenzen. Infrastrukturvorhaben wie das im Abschnitt 4 beschriebene Beispiel und insbesondere die daraus resultierende Bestandsverwaltung des Straßennetzes inkl. der zahlreichen Ingenieurbauwerke und Wechselbeziehungen zur Umwelt verdeutlichen dies.

Bild 5: Vielfalt an Informationsdatenbanken am Beispiel Baden-Württemberg

 7) https://rp.baden-wuerttemberg.de/Themen/Verkehr/Strassen/Seiten/Strasseninformation.aspx

Bereits heute sind mehrere Datenbanken für die Verwaltung des Straßennetzes im Einsatz. Das Bild 5 zeigt beispielhaft verschiedenen Informationsquellen, die für die Verwaltung von Straßeninformationen eingesetzt werden und heute über Schnittstellen miteinander kommunizieren. Daten werden dabei dupliziert und müssen mehrfach verwaltet bzw. bei Bedarf aktualisiert werden. Weitet man dieses Szenario auf andere Datenquellen aus, oder betrachtet gar den länderübergreifenden Informationsaustausch, so wird die Dimension der zukünftigen Herausforderungen deutlich.

Diese und andere Szenarien werden in dem europäischen Forschungsprojekt INTERLINK thematisiert8). Auf Basis der Semantic Web Technologie sollen im europäischen Kontext die Grundlagen gelegt werden, um verschiedene Informationsquellen zukünftig zu verlinken und auf Basis einer gemeinsamen Sprache miteinander zu teilen.

5.1        Verlinkung der Daten

Die Idee folgt dem Prinzip des Internets, also der dezentralen Datenhaltung und Verlinkung von Informationen. Daten werden also nicht kopiert und konvertiert, sondern bevorzugt miteinander verlinkt und über einheitliche technische Lösungen verfügbar gemacht. Dieses Prinzip hat sich im Internet bereits bewährt, führt im Kontext der hier skizzierten Anwendung jedoch zu einer Reihen neuer Fragestellungen. Wie können bestehende Systeme eingebunden werden, in welcher Form und „Sprache“ sind die Daten bereitzustellen, wie können sensible Daten geschützt werden und viele weitere Fragen zeigen den notwendigen Forschungsbedarf auf.

5.2        Demonstrationsszenario am Beispiel Hamburg

Der praktische Bezug dieser Ideen wird an verschiedenen Beispielen demonstriert. In Deutschland wird auf Daten des BIM-Pilotprojekts in Hamburg zurückgegriffen. Ziel in diesem Beispiel ist die Verknüpfung der BIM-Brückendaten mit anderen Informationsquellen und schließlich deren Visualisierung. Die Anwendung zeigt auch, wie vorhandene Systeme in den Linkansatz eingebunden werden können.

Das Bild 6 veranschaulicht die Fragestellungen im Beispiel Hamburg. Das Brückenmodell folgt den Modellierungsrichtlinien des Bauteilkatalogs und enthält alle Bauteile als IFC-Proxy Elemente mit selbst definierten Eigenschaften nach ASB-Ing bzw. dem in Abschnitt 4.1.1 beschriebenem Bauteilkatalog. Das so erstellte IFC-Modell kann zwar in jedem IFC-Viewer angezeigt werden, führt jedoch zu der im Bild links gezeigten untypisierten Darstellung. Mit Hilfe der Linktechnologie kann dieses Modell vielfältig angereichert und entsprechend visualisiert werden. Im Bild rechts wird beispielsweise die Bauteiltypisierung nach ASB-Ing, nach LoI-Definitionen des Bauteilkatalogs sowie der Schadensbewertung aus den SIB-Bauwerken veranschaulicht.

Bild 6: Typisierung und Visualisierung von 3D-BIM-Daten mit Hilfe zusätzlicher Linkinformationen

8) http://www.okstra.de/forschung/cedr_bim_DE.html, http://www.roadotl.eu

5.3        Skizzierung der technischen Lösung

Die technische Umsetzung ist im Bild 7 gezeigt. In den Schritten (1) und (2) werden die Daten zunächst aufbereitet. Hierzu gehören das Erstellen der webkonformen Schemadefinitionen im OWL-Format, die als ifcOWL9) und okstraOWL verfügbar sind, sowie der Daten, die über verfügbare Filter- und Konvertierungswerkzeuge in eine webfähige Datenbank importiert werden. In dieser Datenbank wird über Regeln eine Typisierung und Verlinkung vorgenommen, die schließlich über eine API abgefragt werden kann. Als IFC-Viewer wurde das Programm Desite verwendet, das um eine API-Anbindung an die im Projekt verwendete Semmtech-Plattform sowie entsprechende Anzeigemöglichkeiten erweitert wurde. Für die Visualisierung wird eine vordefinierte, webkonforme SPARQL-Datenbankabfrage erzeugt, die je nach Typisierung für die Anzeige der IFC-Objekte genutzt werden kann.

Bild 7: Technische Umsetzung des Beispiels

5.4        Erweiterung bestehender Datenhaltungssysteme

Das gewählte Szenario und die technische Umsetzung demonstrieren eine mögliche Erweiterung bestehender Systeme. Es wurden beispielsweise nur die Daten in eine webkonforme Darstellung überführt, die für die Verlinkung und Datenabfrage notwendig sind. Aus der IFC-Datei wurden z. B. alle Geometrieinformationen entfernt, sodass die Datei auf einen Bruchteil ihrer Ursprungsgröße verkleinert werden konnte. Die Ursprungsdatei kann separat archiviert und für die 3D-Visualisierung in Standardtools verwendet werden. Auf diese Weise könnten bestehende Bestanddokumentationssysteme wie im Abschnitt 1.2 gefordert einfach um 3D-Planungsdaten erweitert und durchsuchbar abgelegt werden. Die mögliche Anwendung wird letztendlich durch die Datenfilter und Verknüpfungsregeln bestimmt, die beispielsweise sensible Daten für die freie Nutzung entfernen.

 9) http://www.buildingsmart-tech.org/future/linked-data/linked-data

 

6          Fazit und Ausblick

BIM oder das Digitale Planen und Bauen wird die gesamte Bauwirtschaft in den nächsten Jahren verändern. Die damit verbundenen Potenziale sind gewaltig und erst ansatzweise in der Praxis erschlossen. Die Anwendung von BIM muss durch Anwendungsziele definiert und durch entsprechende organisatorische Maßnahmen in Form von klar definierten, umsetzbaren Auftraggeber-Informations-Anforderungen und BIM-Abwicklungsplänen begleitet werden. Für die erforderliche Marktneutralität der öffentlichen Hand ist der Einsatz offener, hersteller-neutraler Formate zu empfehlen und einzufordern. Auf dieser Grundlage gelingt der Einstieg in BIM bereits heute und kann den Planungsprozess auch im Infrastrukturbereich mit verfügbaren BIM-Lösungen verbessern. Eine zentrale Rolle wird die Planungskoordination auf Basis von 3D-Modellen einnehmen. Hieraus werden auch neue Anforderungen an die Bestandsdokumentation und die eingesetzten Schnittstellen wie beispielsweise die Nutzung von 3D in OKSTRA® oder eine stärkere, anwendungsbezogene Typisierung von IFC entstehen. Bei Betrachtung der bereits vorhandenen Informationsvielfalt und Anzahl der verschiedenen Datenquellen wird auch deutlich, dass neue Lösungen für das dezentrale Verwalten der Daten und ihrer Beziehungen immer wichtiger werden. Die hiermit verbundenen Fragestellungen und möglichen Lösungen sind Gegenstand der Forschung. Das gezeigte Beispiel aus dem INTERLINK-Projekt demonstriert die mögliche Nutzung und Einbindung in die bestehende Softwarelandschaft. Auch wenn viele Fragenstellungen heute noch ungelöst sind, so ist die Anwendung von BIM und das Sammeln von Erfahrungen mit dieser Methode notwendig. Zu empfehlen ist eine Strategie der kleinen Schritte, die auf konkret messbaren Zielen aufbaut, die Fähigkeiten verfügbarer Software und Schnittstellen berücksichtigt und gleichzeitig neue Funktionalität gezielt einfordert.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich für die Förderung im Rahmen der BIM4INFRA2020-Begleitforschung, unterstützt durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie das europäische Forschungsprojekt INTERLINK, unterstützt durch die Mitglieder aus Belgien (Flandern), Dänemark, Deutschland, Finnland, Niederlande und Norwegen der Conference of European Directors of Roads (CEDR).

 

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2017: Strategiepapier Digitale Souveränität - Innovationsführerschaft beim digitalen Planen und Bauen übernehmen! Berlin, BMVI, 2017. Masterplan Bauen 4.0.

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Dezember 2015: Stufenplan Digitales Planen und Bauen – Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken. Berlin, BMVI – Hausdruckerei, Dezember 2015.

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung Oktober 2013: ASB-ING (Anweisung Straßeninformationsbank für Ingenieurbauten, Teilsystem Bauwerksdaten) und Schlüsseltabellen. Berlin, BASt, Oktober 2013.
https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Ingenieurbau/Publikationen/Regelwerke/Erhaltung/ASB-ING.html .

Hettwer; Tabertshofer; Weidner 2017: Definition von Konvertierungsverfahren und prototypische Umsetzung einer Konvertierungssoftware zur Erzeugung von OKSTRA®-Objekten für die Bestandsdokumentation (SIB) aus Datenbeständen des Entwurfsprozesses. Bonn, BASt, 2017.